Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2017)

22.12.2017 :: Das Leben bleibt eine Herausforderung

Gibt es einfache Wege, Ängste oder Depressionen zu überwinden? Braucht es nur ein paar Tipps, mit denen wir unsere Schwierigkeiten bewältigen?

Über die Jahre Selbsthilfearbeit erscheinen mir viele Probleme als eine ganz persönliche schwierige Lebensaufgabe. Viele sind an einem Punkt der Ohnmacht angekommen: Sie haben ein Problem, was sie mit ihren Ressourcen und Möglichkeiten nicht gelöst bekommen.

Das ist im gewissen Sinne auch logisch: Zuerst einmal beschäftigt sich jeder mit seinen Problemen und versucht sie zu lösen. Und bei vielen Problemen des Alltags finden wir auch Lösungen, die funktionieren. Doch dann gibt es sehr hartnäckige Probleme, wo wir lange dran herumdoktern und keine Lösung finden. Wir scheitern immer wieder. Und erst dann, wenn wir über längere Zeit keine Lösung für unser Problem finden und stark darunter leiden, kommen Betroffene in unsere Selbsthilfegruppe.

Sie bringen also nicht die leichten Probleme mit, die man mit einem kleinen Tipp gelöst bekommt. Sie bringen die wirklich schwierigen Lebensthemen mit, die sie aus ihrem Möglichkeitsraum nicht mehr bewältigt bekommen. Und der eigene Möglichkeitsraum erweitert sich auch nicht wesentlich durch ein paar Tipps.

Oft fällt anderen dann auf, was diejenigen einfach machen müssten: Grenz dich mehr ab! Sag mal deine Meinung! Setz dich mal durch! Lass dir nicht alles gefallen! Sei einfach mutiger! Vermeide nicht so viel!

Aber auch hier wieder: Wissen tun es die meisten, was sie eigentlich tun müssten. Aber sie können es aus ihren Möglichkeiten heraus einfach nicht. Das wäre ungefähr genauso, als würde man zu einem Elefanten sagen: "Du musst einfach nur fliegen!"

Das es so einfach nicht geht, wissen eigentlich auch die Tipp-Geber. Wer keine Beziehung hinbekommt, hat oft die besten Beziehungstipps. Einfach weil sie sich schon viel mit seinem Problem auseinandergesetzt hat und damit die Knackpunkte kennt, worum es eigentlich geht. Aber sie wirklich umzusetzen, daran scheitert sie genauso.

Bei Betroffenen entsteht oft der Eindruck, das Schicksal meint es mit ihnen nicht besonders gut. Doch mir fällt immer häufiger auf: Jeder Mensch hat Lebensthemen, an denen er scheitert, wofür er noch keine Lösung hat. Wir werden vom Leben immer wieder an unsere Grenzen geführt. Jeder Mensch.

Wie löst man nun solche widerspenstigen Probleme? Eine typische Qualität solcher Probleme ist: Auf sie ist unglaublich viel Verlass. Sie sind so mit das Stabilste, was in uns vorhanden ist. Wenn alles sich verändert, diese Themen schleppen wir weiter mit uns rum. Damit ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass ein paar Tipps oder Ratschläge dieses Muster verändern werden. Es ist auch unwahrscheinlich, dass eine spezielle Therapieform sie in wenigen Stunden verändert.

In der Regel brauchts eine längerfristige und beständige Auseinandersetzung mit solchen Lebensthemen. Es kommt darauf an, seine Kraft zu fokussieren, um mit geeinten inneren Kräften diese Problematik zu verändern.

Viele kommen übrigens mit einer gewissen Fokussierung zu uns. Sie spüren innerlich, dass die Zeit jetzt reif ist, etwas zu tun. Es wächst eine stärkere Veränderungsenergie und genau die führt dann auch dazu, mit uns in Kontakt zu treten und den Schritt in eine Selbsthilfegruppe zu wagen. Die meisten, die einsteigen, erlebe ich als engagiert und mit einem tieferen Veränderungswillen.

Wichtig erscheint mir, die Themen erstmal ins Licht zu holen, also in der Gruppe darüber zu sprechen und das zu reflektieren, was da in mir wirkt. Mit all den Widersprüchen und Merkwürdigkeiten.

Darüber reden, um ein immer besseres Verständnis dafür zu entwickeln, erscheint mir sehr bedeutsam. In einer annehmenden Weise. Denn wenn man zu früh in eine Veränderung drängt, weil man sich in seiner Soheit noch gar nicht angenommen hat, hat man das Problem oft noch nicht tief genug verstanden. Bewältigungsversuche, die aus einem oberflächlichen Verständnis ohne Selbstannahme gemacht werden, scheinen oft genug keine wirkliche Veränderung zu bewirken. Man sagt ja auch: "Man muss das Übel an der Wurzel packen."

Oft erscheint mir Veränderung nicht sprunghaft abzulaufen, obwohl wir oft darauf hoffen. So im Sinne, dass es da etwas gibt und wenn ich etwas Bestimmtes praktiziere, wirds ganz schnell besser. Möglich ist das schon, aber vieles scheint sich doch eher ganz langsam und schleichend zu verändern.

Hierzu ein Beispiel: In der Vortragsgruppe, die wir machen, reicht es in der Regel nicht, ein paar Vorträge zu machen und alles ist gut. Es sind eher Veränderungsprozesse, die über Jahre ablaufen. Man geht immer wieder in etwas hinein, was einen innerlich nervös macht oder aufregt. Man lernt einen Umgang mit solchen Gefühlen. Man erfährt immer wieder konstruktives Feedback und entwickelt Ideen, woran man üben möchte. Vielleicht bekommt man die Rückmeldung, dass man wenig ins Publikum schaut und nimmt sich vor, dass mal mehr zu tun. In der Regel ist das dann ungewohnt und unangenehm, aber irgendwie lernt man da auch laufen. Die Dinge verändern sich, wenn auch eher langsam und kaum spürbar.

Hier darf man den Mut und die Hoffnung nicht verlieren. Wir ackern nunmal an unseren Lebensaufgaben. Und das sind die beständigsten Muster in uns. Diese widersetzen sich allen Veränderungsbemühungen. Wir behauen sozusagen den eigenen Fels und die Arbeit ist mühsam. Aber wenn wir mal 1-2 Jahre zurückblicken, wird stark deutlich, wie viel sich manch einer durch beständiges Üben auch verändert hat.

Und wenn wir uns gar nicht verändern? Auch das ist ganz typisch für unsere Lebensthemen. Wir verlieren immer mal wieder die Lust daran, uns damit wirklich auseinanderzusetzen. Und dann bewegen wir uns vielleicht Jahre wirklich nicht von der Stelle. Wir stehen uns sozusagen selbst auf den Füßen. Doch jeder Tag kann der Beginn sein, uns erneut damit auseinanderzusetzen. Und dann wird es auch wichtig, dranzubleiben und den Weg der Veränderung zu Ende zu gehen.

Das alles geht jedem Menschen so, auch wenn die Themen, worum es sich dreht, sehr unterschiedlich sind.

-- Fred

04.12.2017 :: Die eigenen Widersprüche

In letzter Zeit wird mir eine Dynamik immer bewusster: Menschen sind widersprüchlich und sie leiden unter ihrer eigenen Widersprüchlichkeit.

Es gibt viele Spielarten, wie Menschen mit ihrer Widersprüchlichkeit umgehen. Manche lehnen sich stark ab oder sind beschämt, wenn sie sich widersprüchlich erleben. Andere verleugnen es oder basteln es sich im Kopf so lange um, dass ihr Verhalten wieder schlüssig wirkt. Manche geraten in tagelanges Grübeln, weil sie nicht annehmen können, dass sie so sind, wie sie sind.

Das wir unsere Widersprüchlichkeiten nur so schwer annehmen können, liegt glaube ich auch daran, dass wir dafür oft gesellschaftlich Ablehnung erfahren: Menschen werden wütend oder ärgerlich auf uns.

Eine typische Widersprüchlichkeit bei sozialen Ängsten ist, dass man einen Termin mit einem freudvollen Gefühl zusagt und dann doch nicht erscheint. Ich erlebe das recht häufig bei Interessierten, die in unsere Gruppe einsteigen wollen. Ich spüre echte Lust bzw. echtes Interesse an der Gruppe. Doch dann kommen sie nicht. Und ich spüre dann oft auch, dass es denjenigen unangenehm ist, weshalb sie dann manchmal den Kontakt ganz abbrechen.

Mir erscheint es so, dass wir der Widersprüchlichkeit gesellschaftlich keinen Raum geben. Wir sprechen wenig darüber, versuchen nicht, Widersprüchlichkeit zu verstehen und sie als ganz normalen Teil einer jeden Persönlichkeit zu sehen. Stattdessen muss dieses Verhalten möglichst schnell "abgestellt" werden. Sonst fliegen wir raus oder werden sanktioniert.

Damit leitet man dann schnell für sich ab: Alles Widersprüchliche an mir ist nicht in Ordnung. Und damit werde ich dann auch oft alleine gelassen.

Gerade in unseren eigenen Widersprüchen stecken aber oft die ganz großen Herausforderungen in der persönlichen Entwicklung. Die großen psychischen Themen zeigen sich in unseren Widersprüchen.

Insofern ist es eine große Chance, sich liebevoll-interessiert seinen Widersprüchen zuzuwenden, um sie zu erforschen. Selbstablehnung und Verleugnung ist hingegen problematisch, weil sie das Problem in aller Regel zementiert bzw. verfestigt. Oder wir entwickeln eine Härte und Strenge gegen uns selbst, um mit Kraft und Macht gegen unsere Widersprüche zu kämpfen. Das mag zwar manchmal funktionieren, man zahlt aber einen hohen Preis. Seelische Verhärtungen zerstören die weichen Seiten in uns wie Mitgefühl, liebevolle Zuwendung, Offenheit, Interesse und nehmen uns schlussendlich auch die emotionale Flexibilität. Und weil gilt "Wie im Innen, so im Außen.", werden wir dann auch anderen mit dieser Härte entgegentreten.

Ich glaube es ist gut, sich offen-interessiert mit seinen Widersprüchen zu beschäftigen. Sie zuerst einmal anzunehmen und sagen zu können: "Ja, auch dieser Widerspruch ist ein Teil von mir." Das ist schon ein großer erster Schritt.

Im Selbsthilfe-Zusammenhang erscheint es mir sinnvoll, wenn man seine Widersprüche immer mal wieder zum Gruppenthema macht. Gerade auch die Widersprüche, die zu Reibung untereinander führen werden. Denn wenn man drüber spricht, kann auch das gegenseitige Verständnis füreinander wachsen.

Die Selbsthilfegruppe kann hier ein heilsamer Gegenpol zu unserer Gesellschaft sein: Hier brauche ich meine Widersprüchlichkeiten nicht zu verstecken, hier kann ich sie offen einbringen. Hier kann ich ein Verständnis dafür entwickeln. Und Verständnis bedeutet auch immer Selbstbewusstsein: "Ja, so bin ich und ich kann zu mir stehen!"

Das Geheimnis eines guten Selbstwertgefühls ist doch: Wir müssen nicht immer besser werden, um zu einem guten Selbstwertgefühl zu kommen. Wir müssen einfach unsere Schwächen annehmen lernen, und unsere Stärken sehen.

Werden

Du bist ein werdendes, nicht ein gewordnes ICH.
Und alles Werden ist im Widerspruch mit sich.
Unendliches das WIRD, muss ENDLICH sich gebären.
Und Endliches will, indem es wird,
unendlich werden.

Friedrich Rückert

-- Fred

02.12.2017 :: Dankbarkeit

Dankbarkeit könnte eine oft vergessene Möglichkeit sein, glücklicher zu werden. Ja, sie könnte uns sogar darin unterstützen, unser Potenzial zu entwickeln.

Was hast du für eine Beziehung zum Thema Dankbarkeit? Hast du eine Aversion gegen das Wort, weil es dir wie eine aufdringliche Verpflichtung vorkommt? Oder empfindest du es als eine belebende Herzensangelegenheit, die dich tiefer berührt?

Manche Wörter sind emotional belastet und das ist sehr schade. Man kann sie dann aber neu erfinden, nochmal ganz anders denken, um einen neuen Bezug herzustellen.

Was ist Dankbarkeit eigentlich? Es geht darum, sich der postiven Dinge und Möglichkeiten bewusst zu werden, die einen umgeben. Und es geht darum, das positive Potenzial in ihnen zu erkennen. Dankbarkeit ist etwas, was aus einer tieferen Quelle in uns hervorsprudelt und keinesfalls eine gesellschaftliche Erwartungshaltung an uns.

Beispiel: Wenn man einen schönen Wald in der Nähe seiner Wohnung hat, dann kann man sich bewusst darüber werden, wie gut das ist. Man hat die Möglichkeit, der Wohnung zu entfliehen und regelmäßig schöne Spaziergänge zu machen oder zu joggen. Das ist für einen unmittelbar und direkt wertvoll. Natürlich nur dann, wenn man auch ein Bedürfnis danach hat und nichts anderes im Wege steht.

Dankbarkeit ist also ein Bewusstseinsprozess, das zu erkennen, was nützlich und gut für das eigene Leben ist. Etwas, was einen in dem unterstützt, was man braucht und was man gerne hat. Dankbarkeit ist nicht nur ein verstandesmäßiges Erkennen, sondern vor allem ein emotionaler Prozess der Wertschätzung: Ich freue mich, dass mir diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Ich spüre in mir diese Bereicherung oder diese Chance. Vielleicht spüre ich Freiheit, die damit verbunden ist, die Lebenslust oder ein Berührtsein.

Dankbarkeit braucht keinen Adressaten. Es gibt eine spirituelle oder universelle Dankbarkeit. Man kann dem Universum dankbar sein, das viele Dinge so angelegt sind, dass wir davon profitieren und uns gut tun. Das die Sonne scheint, ist zum Beispiel etwas, was gut tun kann und wofür wir ein Gefühl von Dankbarkeit entwickeln können.

Doch wenn es einen Adressaten gibt, ist es auch gut, mit Dankbarkeit in den Kontakt zu gehen: Dankbarkeit bereichert, wenn sie geteilt wird. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, wie wir uns gegenseitig bereichern können.

Möchte man von Dankbarkeit wirklich profitieren, braucht es irgendwie eine Verinnerlichung dieser Geisteshaltung. Sie entfaltet nur ihren Nutzen, wenn wir Dankbarkeit regelmäßig praktizieren.

Ich hörte letztens von der Idee der 6-Minuten-Tagebücher. Darin beantwortet man jeden Tag den Satz: "Ich bin dankbar für...". Genau damit holt man das Thema Dankbarkeit in den täglichen Fokus. Diese Idee kann man aufgreifen und sein Ritual finden, wie man sich täglich auch mit Dankbarkeit beschäftigt.

In Selbsthilfegruppen kann man das auch tun. Eine Methode von Manitonquat - der sich viel mit der Entwicklung einer guten Gruppenkultur beschäftigte - lässt bei Zusammenkünften zuerst die Frage "Was ist neu und gut?" durch die Runde gehen. Gerade in Selbsthilfegruppen ist diese Frage gut, weil man mal den Fokus weg von Problemen bewegt, hin zu Potenzialen und positiven Dingen.

Oft ist schon ganz viel da, wir müssen es nur sehen. Doch dadurch, dass wir uns zu oft einseitig auf Probleme fokussieren, sehen wir das nicht, was schon längst da ist und was wir bereits nutzen können.

-- Fred

26.11.2017 :: Wuppertaler Gruppe

Die Wuppertaler Selbsthilfegruppe gründete sich vor etwa einem Jahr. Jetzt gibts auch eine schöne Homepage. Wir freuen uns, dass ihr so ein tolles Angebot in Wuppertal aufgebaut habt. Und ein großes Lob an die Gestalterin der Homepage. Toll gemacht!

30.10.2017 :: Bewusstsein schaffen

Wie löst man seine psychischen Probleme? Und wie entwickeln sich gute Gruppen?

Ich glaube, beides hat viel mit Bewusstsein zu tun. Mir ist in der Gruppenarbeit immer wieder aufgefallen, das es das Bewusstsein ist, was heilt.

Es gibt auch viele Therapieformen, die die Schaffung von Bewusstsein als zentrale Methode nutzen. In der klientzentrierten Gesprächstherapie geht es z.B. nicht darum, dass ein Experte einem sagt, wie man sein Leben leben sollte, damit es gut wird. Ganz im Gegenteil, diese Therapieform geht davon aus, dass schon alles in mir ist. Es braucht nur ein Gegenüber, was mir hilft, mich mit mir zu beschäftigen und mich zu reflektieren. Das ist nichts anderes, als das ins Bewusstsein zu holen, was in mir ist. Und das heilt!

Moshe Feldenkrais - ein Körpertherapeut - sagte einmal:

"Du kannst nur tun, was du willst, wenn du weißt, was du tust."

Er beobachtete, dass Menschen sich ein Leben lang falsch bewegen und damit ihren Körper überlasten. Warum tun sie das? Weil ihnen dieser Umstand nicht bewusst ist und weil sie unbewusst einer Gewohnheit folgen. Aber in dem Moment, wo es ihnen bewusst wird, fangen sie an, mit besseren Alternative zu experimentieren und das sorgt für eine Lösung der Probleme.

Wenn man sich den Umweltschutz anschaut: Sicherlich brauchen wir hier auch Regeln und Absprachen, woran sich alle halten. Aber das, was die stärkste Veränderung bringt, ist ein gemeinsame Bewusstsein darüber. Das jeder Mensch tiefer versteht, dass es sehr unklug ist, wenn wir uns unsere Lebensbasis zerstören. Auch der verstärkte Kauf von Bioprodukten ist schlussendlich dem erwachten Bewusstsein zuzuschreiben.

So ist es auch mit vielen psychischen Themen. Wenn wir wirklich begreifen, wie kalt und bösartig wir mit uns selber umgehen, dann werden wir anfangen, Selbstmitgefühl zu entwickeln. Einfach weil wir erkennen, wie unnötig quälend unser Umgang mit uns selbst bisher war. Wenn wir erkennen, wie unsinnig ein überzogener Perfektionismus ist und warum wir das überhaupt tun, dann werden wir uns ändern.

Bewusstsein hat in meinem Augen eine starke transformierende Kraft. Allerdings ist es nicht immer leicht, Bewusstheit zu schaffen. Es gibt nunmal auch viele Abwehr- und Verdrängungsmechanismen, die auch ganz normal zum Menschsein gehören. Sie sollen uns vor weiterer Verletzung und unangenehmen Erfahrungen schützen, verhindern aber so oft auch die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und den Lebensumständen. Und damit behindern sie die persönliche Weiterentwicklung. Und sie behindern auch die Entwicklung von Gruppen, Gesellschaften und der ganzen Welt. Wie im Kleinen, so im Großen.

Selbsthilfegruppen können ein Raum sein, wo Bewusstsein entsteht. Wenn man sich mal davon löst, schnelle Tipps und Tricks von anderen haben zu wollen, kann man einen Raum eröffnen, wo man einfach über das redet, was man erlebt. Und damit holen wir das ins Bewusstsein, was in uns wirkt. Und wenn es so im Lichte ist, können wir uns auch gegenseitig anregen, wie man damit umgehen kann. Jeder wird schon Erfahrungen gemacht haben und einen Weg gegangen sein. Das Wichtigste erscheint mir aber immer erstmal, etwas ins Bewusstsein zu holen. Darüber reden hilft, innere Prozesse und innere Themen ins Bewusstsein zu holen und sich klarer darüber zu werden. Das ist ein zentraler Sinn von Selbsthilfegruppen für mich.

Bewusstseinsarbeit passt auch gut in das Selbsthilfeumfeld, weil wir keinen Experten brauchen, der uns sagt, wie Leben richtig funktioniert und was falsch ist. Stattdessen kann jeder in dem Maße, wie es für ihn möglich ist, seine Themen reflektieren. Bewusstseinsarbeit braucht erstmal kein tiefgehendes Know-How und keine langwierige Ausbildung. Wir brauchen einen Ort, wo wir uns gegenseitig zuhören und dann fließt schon ganz vieles von alleine.

-- Fred

20.10.2017 :: Negative Psychosprache

Viele psychotherapeutische Schulen stehen in einer Tradition der negativen Psychosprache. Da spiegelt sich eine Krankheitslehre drin und keine Gesundungslehre.

Nehmen wir das Wort Vermeidungsverhalten. Wie oft habe ich in Therapie gehört, dass ich oder andere etwas vermeiden und das wäre nicht gut. Eine Therapierichtung entwickelte sogar den Begriff des Vorwärtsvermeiders - ein Mensch, der in sozialen Situationen sehr aktiv wird, um z.B. den Gesprächsablauf zu bestimmen. Damit entzieht er sich seiner Angst, dass Ungewisses auf ihn zukommt.

Was sagt das Wort Vermeidung eigentlich aus? Es sagt mir, dass es einen erwünschten Zustand gibt, von dem ich abweiche. Ich tue etwas nicht, was ich tun sollte. Und weil ein Therapeut oft als übergeordnete Instanz wahrgenommen wird, fühle ich mich schnell nicht in Ordnung, weil mein Verhalten nicht in Ordnung ist.

In mir identifiziert sich mein Über-Ich mit dem Therapeuten und haut dann auch auf mein Ich drauf: "Du sollst doch nicht vermeiden! Schäm dich!". Und natürlich wirkt sich diese vermeintliche Fehlleistung auch auf das Selbstwertgefühl aus: "Ich bin nicht in Ordnung, wie ich bin, weil ich ja vermeide."

Ich denke, vieles hängt an dieser Sprache, die auf Mängel fokusiert. Und weil natürlich Therapieerfahrene diese Denkweise auch in die Selbsthilfe einbringen, wirkt auch hier dieser mängelfokusierte Ansatz.

Schauen wir uns mal die Alternative an. Da gibt es etwas, was gut wäre, wenn ich es tue. Weil ich etwas davon hätte. Ich spüre aber auch, es beängstigt mich etwas. Und deshalb brauche ich Mut. Und es braucht meine Entscheidung, mich in ein Risiko hineinzuwagen.

Wie nennt man das, was Risiko und Chance beinhaltet? Ich würde es Abenteuer nennen.

Da wartet also ein Abenteuer auf uns. Etwas Spannendes, was uns bereichern kann. Und auch etwas, was uns an unsere Grenzen bringt. Eine Grenzerfahrung.

Dieser positive Ansatz spricht mehr unsere Sehnsüchte, Wünsche und unser Wollen an. Ich glaube, dass diese Quelle viel machtvoller ist, als ein "du solltest", wo das Über-Ich uns dazu nötigt, etwas zu tun, was wir eigentlich gar nicht tun wollen.

Die Gefahr, bei einer Angsterkrankung vieles zu vermeiden und das eigene Leben immer enger zu machen, ist groß. Von einer neuen positiven Sprache könnte man es dann so formulieren: "Bei einer Angsterkrankung ist es wichtig, dass man sich regelmäßig Abenteuer sucht. Das man sich in etwas hineinwagt, was Ängste auslöst. Wo man aber auch schon ahnt, dass real gar keine Gefahr droht."

Ich glaube, die Sprache hat eine große Macht, weil in ihr auch eine Sichtweise oder Blickwinkel enthalten ist. So macht es einen riesen Unterschied, ob mein Gegenüber dabei ist, Mängel in mir aufzuspüren oder ob er mein Potenzial erkennt und mir hilft, dieses zu entfalten.

Ich denke aber auch, alle Sichtweisen können hilfreich sein. Es wäre sicherlich verkehrt, gar nicht mehr über Mängel zu sprechen. Das würde zu einer künstlichen positiven Umschreibung von Mangel führen, wie man es aus Arbeitszeugnissen kennt. Wenn es aber darum geht, seine psychischen Fähigkeiten wieder zu bereichern, dann sollte eine Sprache im Vordergrund stehen, die den inneren Reichtum anregt und sich mit unserem Wollen verbündet.

-- Fred

10.10.2017 :: Potenzial erschließen statt Symptome bekämpfen

Worum gehts eigentlich bei der persönlichen Auseinandersetzung mit seinen Ängsten? Gehts darum, ein paar Symptome in den Griff zu bekommen?

Wäre es nicht ein viel spannenderes Ziel, als Mensch sein Potenzial zu erschließen? Wer bin ich wirklich? Was macht mich aus? Wie kann ich in dieser Welt wirksam werden? Wie kann ich mir meiner Stärken bewusst werden und sie leben? Wie kann ich Vertrauen in meine Kraft und meine Fähigkeiten entwickeln?

Wenn ich mein Potenzial erschließe, kann ich mehr leben, bin mehr ich selbst, kann mich besser in die Welt einbringen und mit anderen verbinden, fühle mich freier. Und ich kann besser für mich sorgen und werde zufriedener, manchmal sogar richtig satt. Dann bin ich vielleicht glücklich.

Menschen, die so viel mehr sie selbst geworden sind, können auch einen wertvollen Beitrag in die Gemeinschaft einbringen, wo immer sie auch wirken.

Vielleicht geht es ja um etwas viel Größeres, als nur ein paar Symptome zu überwinden...

-- Fred

01.10.2017 :: Seminar zum Thema Konflikte in Selbsthilfegruppen

Die Kontaktstelle für Selbsthilfe bietet regelmäßig Seminare an, die die Selbsthilfearbeit unterstützen. Gestern war ein solches Seminar und einige von uns waren dabei. Es ging um das Thema Konflikte, die in Gruppen auftauchen.

Konflikte in Selbsthilfegruppen? Soll es da nicht nur friedlich und wohlwollend zugehen?

Ein gutes Gruppenklima erscheint mir auf jeden Fall wichtig, um in einen konstruktiven gemeinsamen Austausch zu kommen. Gerade bei psychischen Themen ist das besonders wichtig. Denn es geht ja um Öffnung. Wir wollen etwas von uns mitteilen, wo wir Vertrauen in die anderen brauchen.

Doch kann das wirklich gelingen, Konflikte komplett aus Selbsthilfegruppen herauszuhalten?

Meine Erfahrung ist, dass das nicht geht. Es ist wie überall, wo Menschen aufeinandertreffen. Wir sind numal alle unterschiedlich. Damit hat jeder eigene Erwartungen und eigene Bedürfnisse. Und jeder bringt auch Angewohnheiten in eine Gruppe, die andere belasten können.

Ein typisches Beispiel für einen Konflikt wäre der Redeanteil in der Gruppe. Wenn ein Mensch in der Gruppe immer wieder sehr viel Rederaum einnimmt und dabei viele Details äußert, die für andere nicht von Belang sind, kommt schnell Unmut, Frust oder gar Ärger auf. Die Redebalance stimmt dann in der Gruppe nicht mehr.

Viele Menschen haben Angst vor Konflikten. Das gilt nochmal besonders bei Menschen mit sozialen Ängsten. Nicht jeder, der soziale Ängste hat, ist konfliktscheu, aber es gibt schon eine gewisse Tendenz, Konflikte zu vermeiden.

Was passiert aber, wenn Konflikte nicht benannt und angesprochen werden? Ein typisches Muster wäre, dass es einen innerlich immer mehr aufregt. Man ist mehr und mehr damit beschäftigt. Und entweder explodiert man irgendwann oder man zieht sich zurück. Beide Reaktionen kosten einen hohen Preis: Entweder verletzen wir andere stark und sorgen dafür, dass ein Konflikt tatsächlich ein destruktives Ende nimmt. Oder aber, wenn wir uns zurückziehen und aus der Gruppe aussteigen, verlieren wir das, was doch eigentlich mal so hilfreich für uns war. Und in einer anderen Gruppe ist es sehr wahrscheinlich, dass ich recht bald in einem ähnlichen Konflikt bin.

Ein Punkt des Seminars war, Konflikte als etwas eher Natürliches wahrzunehmen. Wir müssen uns immer mal wieder aneinander reiben. Und daran kann jeder wachsen. Daran kann auch die Gruppe wachsen. Ja, damit man überhaupt gemeinsam wachsen kann, ist es mitunter von zentraler Bedeutung, dass Konflikte benannt und bewusst gemacht werden.

Was es braucht, sind konstruktive Wege, wie man mit Konflikten umgeht. Wie kann man sie als Chance begreifen und auch nutzen?

Im Seminar lernten wir ein Werkzeug kennen, das sogenannte Zwiegespräch. Konflikte neigen dazu, dass man sehr schnell in eine impulsive Dynamik hineinkommt, wo keiner mehr den anderen ausreden lässt. So verstehen wir nicht mehr wirklich, was das Anliegen des anderen ist. Auch passiert es schnell, in eine reine Verteidigungshaltung zu gehen. Dann ist man nicht mehr offen für den anderen.

Das Zwiegespräch schafft nun einen Rahmen, was dieser Tendenz entgegenwirkt. Wir haben es so praktiziert: Zwei Personen, die einen Konflikt haben, setzen sich gegenüber. Die Gruppe ist Zuschauer und kann nach dem Zwiegespräch Feedback geben. Beide Personen bekommen nun jeweils 3-4 Minuten, ihre Situation zu schildern. Hierbei achtet man darauf, in Ich-Botschaften zu sprechen und auch die Gefühle mit einzubeziehen. Wie erlebe ich den Konflikt? Was macht das mit mir? In der Zeit, wo der eine spricht, hört der andere nur zu. Er mischt sich in keiner Form ins Gespräch ein, auch nicht dann, wenn für ihn etwas unverständlich ist oder er Dinge anders sieht. All das spart er sich auf, bis er dran ist. Nach 4 Minuten wechselt dann die Rolle. Nun kann der andere seine Sicht erzählen. Man macht in der Regel mehrere Durchgänge. Auf das, was der andere gesagt hat, kann man natürlich resonieren. Aber auch hier wieder sollten es Ich-Botschaften sein.

Was passiert dadurch? Erstmal nimmt man sich mehr Zeit, um sich wirklich zu verstehen. Es passiert in der Regel aber noch mehr: Wir begegnen uns auf direkte Weise und fördern Einfühlung und Wertschätzung. Das kann die wohlwollende Beziehung stärken. Also im Sinne von "Ich höre dir zu. Du bist mir wichtig. Mich interessiert, wie du dich fühlst." und auch umgedreht "Ich spüre Wertschätzung. Mir wird zugehört. Ich werde gesehen und mit meiner Meinung wertgeschätzt."

Mit dem Zwiegespräch könnten wir an den Punkt kommen, Missverständnisse auszuräumen, den anderen in seinen Bedürfnissen besser zu verstehen, mehr Klarheit über die Situation zu erlangen und auch unsere Unterschiedlichkeit klarer herauszuarbeiten.

Solche Gespräche helfen auch, überhaupt erstmal ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass wir eben auch alle unterschiedlich sind. Andere Menschen haben andere Bedürfnisse und das ist gut so. Das braucht Toleranz und auch ein gegenseitiges Engagement: "Damit du dich hier wohlfühlen kannst, möchte ich mich auch für deine Bedürfnisse engagieren. Wenn auch du das für mich tust, fühlen wir beide uns wohl. Und das eröffnet uns so viele Möglichkeiten."

Das ist für mich die Kraft der Kooperation. Sich positiv mit anderen Menschen zu verbinden, kann so vieles möglich machen. Es lohnt sich, sich gemeinsam dafür zu engagieren.

-- Fred

Weblinks:

29.09.2017 :: Das Ungewisse

Für Angstmenschen ist das Ungewisse eine große Projektionsfläche für alles, was Angst macht. Das Ungewisse ist wie eine Bühne. Wir wissen ja nicht, was sein und werden wird. Dies Bühne füllt man deshalb mit Vorstellungen und bei Angstmenschen sind es überwiegend Katastrophengedanken. Von daher beunruhigt das Ungewisse immer wieder stark. Und deshalb sorgen Angstmenschen dafür, dass möglichst wenig Ungewissheiten in ihr Leben kommen.

Angstmenschen fürchten das Ungewisse.

Der Tod ist eines der ganz großen Themen für Ungewissheit. Und er betrifft jeden Menschen. Es gibt Psychotherapeuten, die sagen, dass jede Angst sich schlussendlich auf die Angst vor dem Tod zurückführen lässt. Und damit ist es die Angst vor dem Großen Ungewissen. Wenn ein Angstmensch eine absolute Sicherheit hätte, dass der Tod eine wunderschöne Angelegenheit ist, dann wären viele Ängste vielleicht überflüssig.

Bei sozialen Ängsten spielt die Ungewissheit auch ständig eine Rolle. Das ist vielleicht sogar das zentrale Thema, warum überhaupt soziale Ängste entstehen. Soziale Interaktionen sind nicht vorausplanbar und berechenbar. Uns überrascht sozusagen ständig etwas, was kurz davor noch ungewiss war. Und das Ungewisse bringt auch immer die Möglichkeit mit hinein, dass uns Schlimmes widerfahren kann. Auf die Idee, dass es auch richtig gut werden könnte, kommt ein angstgetriebener Mensch nicht. Die Angst sorgt dafür, dass man fast nur Negatives ahnt, was da auf einen zukommt.

Positive Erfahrungen alleine beeindrucken die Angst nur wenig

Da helfen auch nur wenig die vielen positiven Erfahrungen, die man vielleicht gemacht hat. Denn die Angst lässt sich ja nur schwer entkräften: Immer dann, wenn das Ungewisse in unser Leben kommt, besteht ja tatsächlich die Möglichkeit, dass die Angst mit ihren Vorstellungen recht haben könnte. Die Möglichkeit steht im Raum. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit recht gering ist, überzeugt das unser Angstzentrum nur wenig. Sicherheit scheint es in diesem Sinne nur zu geben, wenn Befürchtungen 100% ausgeschlossen werden können. Nur wo ist im Leben etwas 100% auszuschließen?

Es gibt keine hunderprozentige Sicherheit im Leben!

Wenn wir unter Menschen gehen, ist kaum eine Befürchtung 100% auszuschließen. Wir begeben uns vielmehr in einen Raum, in dem vieles möglich und einiges wahrscheinlich ist. Die 100% Lösung gibts nur in der Vermeidung. Wer nicht unter Menschen geht, vermeidet das zu 100%, was eben unter Menschen möglich wäre. Doch kann es wirklich Sinn machen, alles im Leben zu vermeiden? Und wie trostlos ist ein Leben, was nicht mit Inhalt gefüllt wird? Menschliche Kontakte scheinen zudem das zu sein, was richtig gelebt, etwas sehr erfüllendes sein kann.

Die Ungewissheit entsteht bei sozialen Ängsten auch dadurch, dass wir oftmals nicht wissen, was andere Menschen über uns denken und wie sie uns wahrnehmen. Auch führt die Angst dann auf der Bühne der Ungewissheit alle möglichen Befürchtungen auf. Doch wie viel hat dieses Schauspiel unserer Gedanken mit der Realität zu tun? Gewiss, das was die Angst uns da vorführt, ist oft genug vorstellbar und eine Möglichkeit. Aber eben auch nur eine Möglichkeit. Was ist mit den ganzen anderen Möglichkeiten, die vielleicht auch richtig gut sein können?

Leben heißt, das Risiko anzunehmen!

Das führt zu der Erkenntnis, dass der Wunsch unserer Angst nach hundertprozentiger Sicherheit unerfüllbar ist. Und vielleicht ist die Orientierung nach mehr Sicherheit völlig verkehrt. Gerade bei sozialen Änsten.

Das Ziel müsste eher lauten, seinen Frieden mit der Ungewissheit zu schließen. Wie können wir Meister darin werden, mit der Herausforderung Ungewissheit einen guten Umgang zu finden?

Jeder Mensch hat Angst.

Das zeigt natürlich auch, dass aus der Ungewissheit des Lebens resultiert, dass jeder Mensch auch Ängste kennt. Irgendwo hat jeder Mensch Bedrohliches erlebt. Und in dem Moment, wo eine Ungewissheit die Möglichkeit beinhaltet, dass das Bedrohliche sich ereignen könnte, taucht Angst auf. In der Regel auch schon dann, wenn die mögliche Bedrohung recht unwahrscheinlich ist.

Vertrauen ins Leben, Vertrauen in mich.

Vertrauen ist hier auch ein wichtiger Baustein. Wie können wir Vertrauen ins Leben entwickeln? Und Vertrauen darin, dass wir eine Situation schon meistern werden?

Hier spielt es eine große Rolle, dass wir einen realistischen Blick auf unsere Fähigkeiten haben. Glauben wir, eine Situation gut bewältigen zu können? Oder zweifeln wir ständig an uns selbst?

Auch der Aufbau neuer sozialer Fähigkeiten kann entlastend wirken. Je mehr wir in der Lage sind, unterschiedlichste soziale Situationen zu managen oder sogar zu genießen, um so gelassener können wir anderen Menschen begegnen.

Das Denken hat seine Grenzen!

Ungewissheit zeigt uns auch die Begrenztheit unseres Denkens auf. Das Denken kann uns in vielerlei Hinsicht nicht helfen. Doch viele sind es gewohnt, Probleme durch denken zu lösen. Es gibt noch eine andere Quelle für ein Stück Sicherheit, die wir uns erschließen können. Es ist die Intuition oder die Ahnung. Man könnte hier die These aufstellen, das ängstliche Menschen oft den Zugang zu dieser Ebene verloren haben. Der Verstand kann einem nicht die Sicherheit geben. Wir müssen aus einer tieferen Quelle ein Gefühl entwickeln, dass uns das Leben trägt. Wenn wir auf eine neue Weise in uns hineinlauschen, können wir neben der Angst vielleicht auch etwas entdecken, was intuitiv weiß, wie sich etwas entwickeln wird und was uns Mut macht, unser Leben zu leben.

-- Fred

20.09.2017 :: Neue Mitte statt Gegensatz

Ganz oft lässt sich ein Muster als menschliche Reaktion beobachten. Irgendetwas wird als schlecht erkannt und dann wird dieses Schlechte abgelehnt und das Gegenteil gemacht.

Ein Beispiel aus der Persönlichkeitsentwicklung las ich gerade in einem Buch. Derzeit sind achtsamkeitsbasierte Wege in Mode, was ich grundsätzlich gut und hilfreich finde. Beim Thema Achtsamkeit ist man dann sehr schnell bei dem Mantra "Lebe im Hier und Jetzt". Das meint, dass wir nicht ständig in Gedanken irgendwo anders sein sollen, weil das Leben ja eigentlich nur im Moment gelebt werden kann. Wenn wir ständig in Gedanken von Vergangenheit oder Zukunft gefangen sind, bekommen wir all das, was im Moment passiert, nicht mit.

Ich glaube auch daran, dass das Hier und Jetzt eine große Bedeutung hat und das es heilsam ist, viel öfter präsent im Moment zu sein.

Das Buch überzieht dies nun aber in meinen Augen. Hier wird jegliches Nachdenken über die Vergangenheit oder Zukunft als unnütze und schlechte Angewohnheit abgetan. Und darin sehe ich einen zentralen Fehler.

Auch hier findet sich oben beschriebenes Muster: Das Nachdenken über Vergangenheit oder Zukunft wird als schlecht erkannt und dann abgelehnt. Stattdessen soll man nur noch im Hier und Jetzt sein.

Ich glaube, dass die Fähigkeit des Menschen, über Vergangenheit und Zukunft nachdenken zu können, eine wunderbare evolutionäre Erweiterung des Bewusstseins ist. Etwas, was viele Tiere noch nicht oder nur sehr eingeschränkt können. Das Problem ist nicht, dass wir diese besondere Fähigkeit haben.

Es ist vielmehr so, dass jede Fähigkeit oder Möglichkeit immer auch eine Schattenseite hat: Sie kann sich ungünstig ausformen, so dass sie zu einem Problem wird. Oder wir können sehr einseitig werden und damit den Bogen überspannen.

Aber man muss eben auch die Sonnenseite sehen: Jede Fähigkeit und Möglichkeit kann uns bereichern. Wenn wir es hinbekommen, richtig damit umzugehen. Ja sogar noch mehr: Viele Fähigkeiten sind notwendig, damit wir zu einem guten Leben finden.

Insofern ist das Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft eine Bereicherung. Wir haben damit das Potenzial, die Vergangenheit nochmal in einer Weise aufzuarbeiten, dass wir sie besser loslassen oder annehmen können. Das ist sehr entlastend. Oder wir können aus der Vergangenheit etwas Wichtiges lernen.

Schauen wir in die Zukunft, können wir wichtige Dinge vorausplanen, was sehr nützlich ist. Wir können Visionen entwickeln, andere dafür begeistern und gemeinsam genügend Motivation entwickeln, wunderbare Ideen umzusetzen. Und selbst Zukunftssorgen können uns anspornen, das Richtige zu tun, um mögliche Gefahren in der Zukunft abzumildern oder zu umgehen. Zum Beispiel könnten wir früh damit beginnen, uns um Alternativen zur Rente Gedanken zu machen, weil diese recht wahrscheinlich gering ausfallen wird.

Oft ist es in diesem Sinne verkehrt, das abzulehnen, mit was man Probleme hat. Es ist fast immer die Einseitigkeit oder die falsche Nutzung einer Fähigkeit.

Sozial ängstliche Menschen leiden nicht selten darunter, sich überall zu stark unterzuordnen und zu viel Rücksicht auf andere Menschen zu nehmen. Dann kippen sie im Laufe ihrer Entwicklung mitunter und werden dann sehr egoistisch. Sie leben dann die Idee "Der andere ist mir jetzt scheißegal!". Die Reaktion ist verständlich, aber hier finden wir wieder genau dieses Muster. Die Fähigkeit für Mitgefühl und Einfühlung wird nun völlig abgelehnt. Doch das funktioniert auch nicht, weil wir so ganz schnell in schwierige Konflikte mit anderen Menschen geraten. Auch wird die so wichtige Kooperation nicht mehr möglich, von der wir alle profitieren.

Auch hier muss es darum gehen, die richtige Balance wieder herzustellen. Natürlich ist es sinnvoll, ein gutes Einfühlungsvermögen zu haben. Und es ist auch wichtig, unsere eigenen Bedürfnisse zu erkennen und uns dafür einzusetzen. Und hier muss man ansetzen: Das Eigene braucht mehr Beachtung und vor allem mehr Mut, sich auszudrücken.

Hier zeigt sich auch ein weitere wichtige Idee bei der Persönlichkeitsentwicklung: Es geht fast immer um Integration und nicht um Abspaltung. Wir müssen schauen, all unser Potenzial zu leben, anstatt schwierige Seiten von uns abzuspalten. Schwierige Seiten müssen verwandelt bzw. transformiert werden, damit wir sie uns nutzbar machen.

Das lässt sich auch auf Gruppen übertragen: Man könnte bei jedem Problem die Mitglieder ausschließen, die das Problem (scheinbar) verursacht haben. Oder man versteht sich als Gemeinschaft, wo jeder Einzelne Potenzial und Möglichkeiten in die Gruppe einbringt. Und man sucht gemeinsam nach Wegen, wie alle gut integriert sind. Man setzt sich mit den Widersprüchen auseinander, die im Miteinander auftauchen.

Wenn man auf diese Weise in der Gruppe übt, Störendes zu integrieren anstatt abzuspalten, wird das recht wahrscheinlich auch zurückwirken auf den Umgang mit sich selbst. Man wird lernen, das innere Team zu integrieren. Denn jede Abspaltung von Persönlichkeitsanteilen ist problematisch. Es braucht viel Kraft und man wird ärmer dadurch. Man verliert auch wichtige Teile in sich, die dafür sorgen, sich optimal auszubalancieren und fällt nicht selten in eine immer stärker werdende Einseitigkeit.

Ich denke, genau das ist wichtig: Das Problematische möglichst wertfrei zu erkennen und klar zu benennen. Um es dann zu transformieren in einer Form, die dem Ganzen dient.

Das ist auch das, was mit Mitte gemeint ist. Die Mitte ist eine integrierende Kraft, die alles berücksichtigt und die um ein gutes Ganzes ringt.

-- Fred

13.09.2017 :: Intuitive Persönlichkeitentwicklung

Persönlichkeitsentwicklung kann man sehr rational und strukturiert angehen. Es gibt zahlreiche Therapie- und Coachingmethoden, die so funktionieren. Man analysiert genau und definiert dann, was man in welcher Art verändern möchte. Diese Methode erscheint mir zweifellos nützlich. Damit ist man in der Lage, zahlreiche persönliche Schwierigkeiten zu lösen oder Entwicklungsprozesse anzustoßen.

Da gibt es aber noch einen ganz anderen Zugang, der über das intuitive Verständnis abläuft. Und ich glaube, dass wir auch diesen brauchen. Denn mir scheint es so, dass es viele Probleme gibt, die man nur über diesen intuitiven Zugang gelöst bekommt.

Der intuitive Zugang ist in der Regel ein unscharfer Zugang, was rationale Menschen oft schwer annehmen können. Das Rationale mag das, was man klar definieren und benennen kann. Insofern werden dann die intuitiv-unscharfen Zugänge schnell abgewertet, belächelt und als unnütz bewertet.

Menschen die auch in anderen Bereichen intuitiv arbeiten, tun sich hier leichter. Künstler zum Beispiel oder spirituell offene Menschen. Oder Menschen, die viel mit Menschen arbeiten. Denn auch in der menschlichen Kommunikation ist diese intuitive Ebene sehr bedeutsam.

Ein Beispiel für so eine intuitive Arbeitsweise habe ich in einer Klinik mal kennengelernt. Es war eine Meditation, in der wir erstmal für 15 Minuten nur auf den Atem geachtet haben. Dies diente der Beruhigung des Geistes. Wenn der Geist sich beruhigt, kann sich das intuitive Gewahrsein öffnen. Das kennen wir ja auch aus dem Alltag: Wenn man mit allen möglichen Alltagsproblemen belastet ist, kann man schwer seinen kreativen Geist erwecken. Deshalb ziehen sich z.B. Schriftsteller in die Stille zurück, um Freiraum im Kopf zu schaffen.

Nach dieser Phase des inneren Stillwerdens ging es darum, ein Thema auf sich wirken zu lassen. So ein Thema könnte z.B sein: "Was in mir möchte fließen?" Das an sich ist schon eine eher schwammige Frage, mit der unser analytischer Geist wenig anfangen kann. Und doch gibt es auch einen intuitiven Geist, der damit viel anfangen kann. Er kann auf einer ganz anderen Ebene nachspüren und findet antworten. Dieser intuitive Geist nimmt eher ganzheitlich wahr und Erkenntnisse entstehen unmittelbar, nicht schrittweise. Auf einmal wird uns etwas klar.

Es geht hier nicht um nachdenken, es geht eher um gewahr werden, was auftaucht, wenn ich diese Frage auf mich wirken lasse. Oft wirken solche Fragen auch noch nach - man nimmt sie aus so einer Übung in den Tag oder in die Woche hinein.

Auch wenn die eigentliche Suche nach Antwort hier intuitiv abläuft, kann man den Sinn dahinter rational erklären. Schaut man sich an, was bei psychischen Deformationen, Neurosen oder Kränkungen passiert, dann ist es ganz oft eine Blockade. Wir halten innerlich irgendwie fest, um uns zu schützen. Das, was vorher natürlich in uns in Bewegung war, ist nun blockiert. Wenn Menschen in sich hineinspüren, können sie das so erleben. Und so kann es ein unmittelbarer Zugang sein, einfach mal zu schauen, woran man festhält, was nicht weich und durchlässig in einem ist.

Es gibt Therapeuten, die viel mit solchen intuitiven Zugängen arbeiten. Wir hatten mal eine Therapeutin eingeladen, die viel mit Bildern arbeitete. Sie hatte zahlreiche Fotos dabei und jeder sollte erzählen, was ein Bild bei ihm auslöst. Es ging ihr eher um Stimmungen, Erlebnisse und Erfahrungen, die dabei auftauchten. So kann ein Bild sehr viel über den Menschen erzählen, der es betrachtet. Und daraus können dann wieder Impulse entstehen, wo man mal genauer hinschauen kann, weil dort innere Verhärtung oder Deformation spürbar wird.

Schlussendlich gehts ja darum, innerlich wieder gut in Fluss zu kommen. Die Verhärtungen hinter sich zu lassen, die durch schwierige Lebenserfahrungen entstanden. Nicht immer ist das möglich, aber zumindest kann man einen Umgang damit finden, sobald es einem bewusst wird.

Intuitiv und rational - beides erscheint mir wichtig. Das Eine kann das Andere nicht ersetzen. Persönliche Auseinandersetzung und Veränderung erscheint mir sowieso oft so anspruchsvoll, dass wir es uns gar nicht leisten können, auf mögliche Zugänge zu verzichten.

-- Fred

12.09.2017 :: Angst verengt und hungert aus

Die Angst ist die mahnende Stimme, die uns zur Vorsicht auffordert. Sie ist immer dann zur Stelle, wenn unser Organismus irgendetwas Gefährliches erspürt. Oft kann etwas in uns schon sehr viel früh Gefahren spüren. Noch weit bevor es uns klar und bewusst wird. Wir brauchen in diesem Sinne nichts zu tun, die Angst stellt sich von alleine ein.

Vieles auf dieser Welt ist in der Tat gefährlich. Einiges bedroht uns körperlich, einiges kann uns emotional verletzen. Wenn man schon einmal stark bedrohliche Situationen erlebt hat, dann ist unser Angstzentrum in diesem Bereich stärker aktiviert bzw. sensibilisiert. Es ahnt dann viel früher schon Gefahren und meldet sich mit Angst. Wer z.B. schon einmal schweres Mobbing erlebt hat, achtet auf kleinste Anzeichen von abwertenden Aussagen und interpretiert hier vielleicht mehr hinein, also real gemeint war. Wir werden in dieser Hinsicht dann besonders sensibel, dünnhäutig und vorausahnend.

Die Angst ist hier auch sehr umfassend: Wenn die kleinsten Anzeichen auf die Möglichkeit einer Bedrohung hindeuten, alarmiert uns unser Organismus mit Angst.

Eigentlich ist das ein sehr intelligenter und sinnvoller Mechanismus. So organisiert sich unser Organismus, um mögliche Gefahren abzuwehren. Wir Menschen sind sehr universell und flexibel und müssen uns immer wieder auf die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Wir können so für spezielle Gefahren unserer Zeit oder unserer Umwelt sensibel werden und uns schützen.

Gedanklich können wir vieles vorwegnehmen. Wenn die Angst uns hat, gehen die Gedanken in die Richtung, was alles passieren könnte. Und hier ist wirklich ganz viel vorstellbar. Fast alles auf dieser Welt kann sich auf eine Weise ausformen, dass es gefährlich für uns wird. Jedes Auto könnte z.B. zu einer tödlichen Begegnung werden. In diesem Sinne dürfte man weder Auto fahren, noch sich überhaupt in der Nähe von Straßen aufhalten.

Das macht auch recht schnell klar: Wir können nicht ohne Risiko leben. Wir müssen immer wieder Risiken im Leben eingehen, wenn wir wirklich leben wollen.

Die Angstseite in uns sieht nur die Gefahr. Doch da gibt es noch etwas anderes, was genauso Bedeutung hat: Wir brauchen ganz viel im Leben. Vor allem dann, wenn es ein erfülltes Leben werden soll. Wir brauchen spannende Erfahrungen, den Kontakt mit anderen Menschen, Nähe und Verbundenheit oder Herausforderungen, wo wir uns voll hineingeben können.

Wer nur auf die Angstseite hört, schützt sich zwar vor vielen möglichen Gefahren. Aber sein Leben wird immer enger und inhaltsloser. Immer weniger wird möglich. Und das hungert uns aus. Viele Bedürfnisse finden keine Erfüllung mehr. Und die Freiheit der Möglichkeiten geht verloren. Je starrer bzw. unflexibler wir werden, um so schwieriger wird auch der Kontakt mit anderen Menschen. Denn unsere Starrheit überträgt sich auch auf andere. So fühlen sich andere durch meine Starrheit in ihrem Handeln eingeschränkt, was zu Spannungen führt. Denn auch Freiheit und Flexibilität ist ein wichtiges Grundbedürfnis. Die andere brauchen ja genauso, um Erfüllung zu finden.

In diesem Sinne wird das Leben nur gut, wenn wir bereit sind, Risiken einzugehen. Auch auf die Gefahr hin, dass es mal schief geht. Hier wäre dann eher die Frage: Was kann ich tun, dass es nicht so schmerzt, wenn es schief geht? Wie könnte ich kalkulierbare Risiken eingehen?

Einerseits kann ich hier schauen, wohl dosiert in kleinere Risiken hineinzugehen. Andererseits kann ich aber auch lernen, einen Umgang mit schwierigen Situationen zu finden. Gerade die vielen Situationen, die wir emotional als belastend empfinden, können wir so entschärfen.

Ein Beispiel: Jemand findet es extrem bedrohlich, wenn er in einem Vortrag einen Blackout hat. Real wird ihm dafür nicht der Kopf abgerissen, aber er empfindet es als stark schambelastet. Vor allem aber ist es diese Hilflosigkeit in der Situation, die es so schwierig macht. Wenn man hingegen lernt, auch eine Blackout-Situation souverän zu meistern, fühlt sich so eine Situation nicht mehr bedrohlich an und ist es auch nicht mehr. Wir haben etwas für uns getan, was eine frühere Bedrohung völlig entschärft. Und so geht das mit ganz vielen Situationen, die wir früher noch als extrem gefährlich erlebt haben.

Der Weg aus überzogenen Ängsten heraus kann eigentlich immer nur sein, sich wieder in das hineinzutrauen, was man als beängstigend empfindet. Bewusst kalkulierbare Risiken einzugehen. Zu lernen, mit Risiken umzugehen. Erkennen, was man im Leben braucht, um emotional satt zu werden und sich darum kümmern, dieses Land wieder für sich zu erschließen.

-- Fred

23.08.2017 :: Therapie statt Medikamente

Psychotherapeut und Psychotherapieforscher Falk Leichsenring rät bei sozialen Ängsten zu einer Psychotherapie und von Medikamenten ab. Sein Hauptargument dabei: Durch Medikamente verbessert man die Situation leicht, womit man die wirkliche Behandlung verschleppt. Und eine dauerhafte Lösung sind sie für ihn eh nicht. Nach dem Absetzen würden die gleichen Probleme wieder auftauchen.

Dem könnte man entgegenhalten, dass Betroffene durch Medikamente erstmal in die Lage versetzt werden, schwierige Situationen auszuhalten. So können Sie sich in Übungssituationen begeben, die sie sich früher nicht getraut haben. Und diese Übungseffekte bleiben auch nach dem Absetzen der Medikamente erhalten. Die Frage wäre dann eher, ob jemand dann auch üben wird, wenn er etwas Erleichterung durch ein Medikament erfahren hat.

Es gibt in der Fachwelt seit vielen Jahren die etablierte Meinung, dass bei einer sozialen Phobie nicht einseitig mit Medikamenten gearbeitet werden sollte. Wenn überhaupt, dann begleitend zu einer Therapie. Das erscheint mir besonders dann sinnvoll, wenn man selbst in der Vermeidung festhängt und Veränderungsimpulse von außen braucht.

Weblinks

-- Fred

18.08.2017 :: Millionen für Selbsthilfeförderung

In den letzten Jahren gab es eine recht positive Entwicklung, was die finanzielle Förderung der Selbsthilfelandschaft angeht. Zumindest profitieren davon alle Selbsthilfegruppen, die gesundheitsbezogen sind. Die Krankenkassen sind nämlich seit 2008 dazu gesetzlich verpflichtet, mit einem bestimmten Betrag die gesundheitsbezogene Selbsthilfe zu unterstützen. Gesundheitsbezogen sind alle Gruppen, deren Thema eine Erkrankung ist.

Konkret waren es 2017 1,08 Euro pro Versicherten. Bei rund 71 Millionen gesetzlich Versicherten macht das rund 77 Millionen Euro. Damit kann man schon was bewegen.

In NRW waren es dieses Jahr 4,6 Millionen Euro, die verteilt wurden. 3,1 Millionen gingen davon an Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfebüros. Das sind ja die zentralen Anlaufstellen, wo sich Bürger hinwenden können, wenn sie eine Selbsthilfegruppe suchen. Kontakstellen engagieren sich auch um die Entwicklung der Selbsthilfelandschaft in der Region auf unterschiedlichsten Ebenen. Oder sie organisieren Fortbildungsveranstaltungen für Selbsthilfegruppen. Die Arbeit der Kontaktstelle war für uns auch immer wieder sehr wertvoll.

Die restlichen 1,5 Millionen Euro gingen dann direkt an die Selbsthilfegruppen, kommen also dort an, wo die eigentliche Gruppenarbeit stattfindet.

Wofür brauchen Selbsthilfegruppen überhaupt Gelder? Bei uns ist der größte Posten die Raummiete. Jährlich geben wir dafür etwa 1500 Euro aus. Dann gibt es den Bereich Gruppenmaterialien, also alles, was uns darin unterstützt, unsere Gruppenarbeit zu machen. Auch Buchanschaffungen gehören dazu. Für Werbung brauchts auch immer ein kleines Budget, um z.B. mal neue Flyer zu drucken. Ein wenig Büromaterialkosten fallen an, z.B. Papier oder Druckpatronen. Manchmal müssen wir auch ein etwas teureres Gerät kaufen. So konnten wir z.B. vor 4 Jahren einen Laptop und einen Beamer kaufen, der uns bei verschiedenen Gruppenangeboten unterstützt. Solche größeren Posten kommen aber relativ selten vor.

Ein wichtiger Teil ist auch noch der Kompetenzaufbau. Hier machen Mitglieder Workshops, um mit dem erworbenen Wissen die Gruppe zu unterstützen. In der Regel sind es relativ preisgünstige oder geförderte Workshops. So gibt es z.B. für 20 Euro pro Person mehrere Tages-Workshops der Kontaktstelle im Jahr.

Ach ja, dann sind da auch noch ein paar Kosten für Internetdienstleistungen, z.B. diese Homepage hier. Das wars dann aber auch schon. Vielmehr taucht für das normale Alltagsgeschäft auf unserer Kostenseite nicht auf.

Es gibt auch die Möglichkeit, zu konkreten außergewöhnlichen Projekten spezielle Gelder zu beantragen. Je nach Interesse und Engagement der Mitglieder nutzen wir diese Möglichkeit. Dann organisieren wir z.B. einen professionell geleiteten Workshop über mehrere Abende, der dann auch durchaus mal 500-1000 Euro Gesamtkosten verursachen kann. Jeder leistet hier auch einen Eigenanteil, aber in der Regel bekommen wir über 2/3 der Kosten über Fördergelder finanziert.

Alles in allem ist das eine wirklich komfortable Situation für uns, dass wir auf diese Weise unterstützt werden.

Weblinks:

10.08.2017 :: Radiobeitrag "Die Stillen sind die Guten"

In einer Kultur, wo eher die Lauten sich durchsetzen, ist es gut, den Wert von leisen Menschen besser zu erkennen. Und es ist wichtig, das leise Menschen Werkzeuge an die Hand bekommen, wie sie wirksam werden.

Hier ein Radiobeitrag zum Thema:

24.07.2017 :: Forschung

Wenn ihr etwas Forschung unterstützen wollt, könnt ihr hier einen Fragebogen zum Thema "Soziale Kognitionen im Alltag" ausfüllen.

Forschungsprojekte sind wichtig, weil hieraus neue therapeutische Ansätze entstehen können, die allen Betroffenen zu Gute kommen.

12.07.2017 :: Bewusstheit schaffen heilt

Selbsthilfe funktioniert anders, als professionelle Therapie. Ein gravierender Unterschied ist, dass ein Therapeut gezielt und aktiv konfrontieren kann und so einen therapeutischen Prozess bei jemanden anstößt. Ein Therapeut kann auch fordern und aufdeckend arbeiten.

In einer Selbsthilfegruppe kann oder sollte man so nicht arbeiten. Niemand ist dafür ausgebildet, am unbehauenen Stein des anderen herumzumeißeln. Und niemand kann wirklich Verantwortung für so einen Prozess übernehmen.

Selbsthilfe muss mit anderen Methoden arbeiten. Eine wirksame Methode ist, Bewusstsein zu schaffen. Immer dann, wo man über ein bestimmtes Thema miteinander spricht, schafft man einen Bewusstseinsraum. Jeder beschäftigt sich dann mit einer Frage oder einem Thema. Diese Beschäftigung mit etwas kann dazu führen, dass ich mich den Dingen annehme, die in mir noch irgendwie konflikthaft oder unfertig sind. So ein Prozess ist auch getragen von Neugier und Interesse.

Ein Beispiel: Man kann in der ersten Befindlichkeitsrunde die Frage stellen: "Wo hast du in den letzten Tagen deine Komfortzone verlassen?"

Damit lenkt man die Bewusstheit auf all das, wo mir etwas schwer fiel, wo ich mich nicht in gewohnten und bequemen Bahnen bewegen konnte. Und genau dort kann man Wachstumsimpulse erwarten. Das weiß man ja aus Therapie und Selbsthilfe: Wachstum und persönliche Weiterentwicklung ist fast immer damit verbunden, seine Komfortzone zu verlassen und sich mit etwas zu konfrontieren, was nicht so leicht ist. Das sind übrigens auch Merkmale eines Abenteuers.

Ein weiteres Beispiel: Wir machen zum Thema: "Welche Veränderungswünsche hast du für dein Leben?" Auch hier lenkt man die Bewusstheit auf etwas, wo ich sonst vielleicht nur selten oder nie hinschaue. Und schon das bringt etwas Neues in mein Leben. Etwas Neues, was ein gewisses Potenzial hat, etwas Wertvolles anzuregen. Es ist auch eine Konfrontation mit mir selbst: Wie ist das mit mir? Bin ich klar bei dieser Frage? Oder werde ich vielleicht auch unangenehm überrascht, weil ich spüre, dass das ein eher verdrängtes Thema ist?

Auch das kann passieren, dass mich ein Thema oder eine Frage aus meiner Komfortzone herausholt. Weil jetzt etwas in den Fokus rückt, womit sich mein Geist sonst nicht beschäftigen mag. Hier wird also in Selbsthilfe ein Bewusstseinsraum geschaffen, in den ich mich sonst nicht hineinbegeben würde. Und das schafft Chancen für Weiterentwicklung.

Vielleicht ist das auch ein wichtiges Thema, ob Selbsthilfe gelingt. Es gibt immer wieder Gruppenphasen, wo Betroffene das Gefühl haben, dass es zwar irgendwie ganz nett ist, man aber eher stagniert. Es gibt zu wenig Wachstumsimpulse.

Es kann durchaus sein, dass die ganze Gruppe dazu neigt, sich keine unbequemen Fragen mehr zu stellen. Womit dann die ganze Gruppe versucht, in ihrer Komfortzone zu bleiben. Dann bekommt Selbsthilfe Stammtisch-Charakter. Sie ist nährend im Sinne guter sozialer Kontakte. Auch das ist ja bei sozialen Ängsten schonmal hilfreich. Und doch reicht das nicht aus, will man sich persönlich weiterentwickeln.

Selbsthilfe profitiert meiner Meinung stark davon, immer wieder Bewusstseinsräume zu schaffen, in die man sonst nicht hineingeht. Nicht immer müssen die angstbesetzt oder unangenehm sein, aber irgendwie anders als das, womit ich mich sonst so beschäftige.

Bewusstseinsräume laden dazu ein, sich seinen unbehauenen Stein anzuschauen. Sie wecken Interesse, das aus ihm herauszumeißeln, was werden will. Und jeder kann dafür vollständig selbst die Verantwortung übernehmen, was zu tun, oder auch nicht. Diese Selbstverantwortung erscheint mir ein wesentliches Element der Selbsthilfearbeit.

-- Fred

04.07.2017 :: Das Gefühl von Peinlichkeit

Das Gefühl von Peinlichkeit ist in vielen Situationen kein ursprüngliches Gefühl, im Sinne, dass es in uns angelegt ist. Es ist das Resultat einer Sozialisierung. Also die ganzen Botschaften, die wir durch unser Umfeld erfahren haben.

Was einem alles so peinlich ist, da gibt es von Mensch zu Mensch starke Unterschiede. Es gibt Menschen, denen ist fast nichts peinlich. Andere hingegen grübeln über viele Situationen des Alltags tagelang nach, weil sie sie für total peinlich halten.

Wie sieht ein Umfeld aus, was Peinlichkeitsgefühle in uns züchtet? In der Regel ist es ein rigides Umfeld, wo vieles nicht sein durfte. Alles Mögliche, was keinesfalls passieren darf. Und wenn es doch passiert, ist es eben peinlich oder beschämend.

Damit werden auch viele innere Konflikte gezüchtet. Dinge, die eben so nicht sein dürfen, stehen im Widerspruch zu unseren natürlichen Bedürfnissen. Und auch im Konflikt zu unserem Charakter oder der Art, wie wir vielleicht leben wollen.

Peinlichkeit ist damit nur die Spitze des Eisberges. Wenn wir uns nämlich so vieles nicht erlauben, was eigentlich für unsere gesunde Entwicklung wichtig wäre, dann hinterlässt das tiefe Deformationen in unserer Persönlichkeit und Mangelerscheinungen in unserer Entwicklung und auf der Bedürfnisebene.

Von daher kann das eine sehr spannende und befreiende Auseinandersetzung mit sich selbst sein, wenn man diese Peinlichkeit genauer analysiert und für sich nochmal ganz neu herausfindet, was man leben will und was nicht.

Weil Peinlichkeit antrainiert ist, stehen die Chancen gut, sie auch wieder für viele Situationen zu verlernen. Oder andersherum: Durch das Gefühl von Peinlichkeit bekommen bestimmte Situationen eine besondere Bedeutung. Und dieser Bedeutung lassen wir fallen, weil wir erkannt haben, dass das nicht mehr zu uns gehört.

Darum gehts ja: Das wieder mehr zu leben, was wirklich zu uns gehört. Und das, was nicht zu uns gehört, wir aber verinnerlicht haben, wieder loszulassen.

Insofern kannst du jede Situation, wo du Peinlichkeit spürst, als super Lern- und Experimentierfeld willkommen heißen. Spüre nach, warum etwas für dich peinlich ist und ob du wirklich 100% dahinter stehen kannst, dass so etwas nicht sein darf.

Bedenke auch, dass vieles Unvorteilhaftes passieren muss, damit du überhaupt enspannt der sein kannst, der du bist. Denn wer immer alles richtig machen und nie in ein Fettnäpfchen treten will, wird völlig verkrampft durchs Leben gehen und dabei erst recht in viele Fettnäpfchen treten.

Eine gute Strategie kann sein, Peinlichkeit durch Humor zu ersetzen. :-)

-- Fred

19.06.2017 :: Ueli Steck ist tot

Ich finde, es gibt Träume, die es wert sind, etwas zu wagen. Und ich finde, das Leben ist ein Traum. -- Ueli Steck

Ueli Steck war ein Extremkletterer, der am 30. April 2017 in Nepal abstürzte und starb. Er starb im Alter von 40 Jahren.

Ich hatte hier schonmal 2006 über ihn geschrieben und mich gefragt, ob es verrückt oder leichtsinnig war, was er so tat. Ich glaube, er war nie unüberlegt. Er hatte alles immer sehr gut vorbereitet und war sich der Gefahren sehr bewusst.

Und trotzdem hat er sein Leben mit einem größeren Risiko gelebt. Nicht leichtsinnig, sondern ganz bewusst ist er mehr Risiko eingegangen. Wer ohne Seil die Eiger-Nordwand hochklettert, muss ein unglaubliches Vertrauen darin haben, dass der eigene Körper in allem 100% funktioniert. Und dass man in der Lage ist, jede kritische Situation zu erkennen und sie umgehen. Dieses Selbstvertrauen finde ich bewundernswert. Ich denke, er hat sich dabei auch nicht überschätzt, er konnte sich wirklich auf sich verlassen.

Auf der anderen Seite hatte er so keine Absicherung für den Fall, dass mal etwas völlig Neues und Unplanbares passiert. Etwas, was immer kommen kann, auch wenn man noch so viele Fähigkeiten hat. Auch der eigene Körper kann ja theoretisch jederzeit mal versagen, und sei es nur die Situation, dass einem kurz schwarz vor den Augen wird.

Er ist definitiv viel größere Risiken im Leben eingegangen, als viele andere Menschen. Und er hat damit recht früh sein Leben verloren.

Ob es besser gewesen wäre, weniger riskant zu leben? Vielleicht brauchte er genau diesen Lebensinhalt, diese Gefahr. Vielleicht ist das alles genau so stimmig und richtig gewesen.

Vielleicht haben wir alle irgendeine genetische Veranlagung, mehr oder weniger riskant zu leben. Und vielleicht ist genau das auch sinnvoll für das Überleben der Menschheit. Es braucht immer mutige Menschen, die auch riskanter leben. Und es braucht vorsichtige Menschen, die Gefahren meiden. Je nach Situation, die die Menschheit bedrohen kann, ist die eine oder andere Eigenschaft sinnvoll für das Überleben. Denn auch die vorsichtigen Menschen verlieren manchmal ihr Leben, weil sie zu wenig riskiert haben. Es gibt Situationen, da überleben nur die Menschen, die viel riskieren.

Diese Sicht könnte dahin führen, dass man auch seine ängstliche Veranlagung, insofern man die hat, etwas besser annimmt. Als etwas, was auch wichtig und sinnvoll ist, wenn man mal alles in etwas größeren Zusammenhängen betrachtet. Vielleicht eine wichtige Spielart der Natur, eine Lebensaufgabe, die man genetisch übertragen bekommen hat.

Wir brauchen nicht alle "Risikoreiche Menschen" zu werden und können es wohl auch gar nicht. Und das ist vollkommen in Ordnung so, der "riskant lebende Mensch" ist keinesfalls ein Ideal. Es ist nur eine Form von Lebensorientierung, in etwa so, wie es eine introvertierte und extrovertierte Veranlagung gibt und keine von beiden besser ist.

Das wir alle immer wieder mutig im Leben sein müssen, das teilen sich vermutlich risikoreich und risikoarm lebende Menschen. Es kann sogar sein, dass ein Mensch, der genetisch eher vorsichtig veranlagt ist, oft mehr Mut braucht, um die normalen Risiken des Lebens zu bewältigen.

Mut brauchen wir alle, um das Leben zu meistern.

-- Fred

Weblinks:

12.06.2017 :: Lächeln verbindet

Was ist die wichtigste Gefühlsäußerung in jeder Kultur? Das Lächeln. Ich erinnere mich an einer Talksendung, wo der Lebenskünstler Rüdiger Nehberg eingeladen war, der die ganze Welt gesehen hat. Dabei war er auch in Kontakt mit Urvölkern jenseits der Zivilisation. Er sagte, überall war das ehrliche Lächeln die wichtigste Geste für den ersten Kontakt. Und sie wurde überall verstanden.

Mir ist aufgefallen, dass viele sozial ängstliche Menschen beim Kontaktaufbau nicht lächeln. Stattdessen schauen sie ernst. Na klar, alles total verständlich. Wer Angst hat und unter Druck steht, kann nur schwer lächeln. Es ist also erstmal eine natürliche oder authentische Reaktion.

Und doch kann Veränderung genau an diesem Punkt ansetzen: Zu lernen, im Kontakt freundlich und mit einem Lächeln auf andere zuzugehen. Es geht dabei um eine Kultivierung dieser Emotion in solchen Momenten.

Interesse, Neugier, Lust auf den anderen - darum gehts. Das kann man kultivieren. Es soll nicht darum gehen, ein aufgesetztes Lächeln zu trainieren, was nicht authentisch ist. Man muss hier also auch seine inneren Einstellungen zu so einem Kontakt mitnehmen.

Jeder Kontakt bietet ja auch immer die Möglichkeit, dass er uns bereichert und mit angenehmen Gefühlen beschenkt. Und genau darum gehts, diese Chance zu sehen und sich darauf zu freuen. Vielleicht sind wir nur zu sehr fixiert auf die Angst vor einer unangenehmen Erfahrung. Diese nimmt uns so sehr gefangen, dass wir die positive Chance nicht sehen können.

Das Lächeln bewusst zu fördern wäre also eine tiefere Öffnung für den anderen und für die Chance, dass es miteinander gut wird. Wer das probiert, macht nicht selten die Erfahrung, dass das Umfeld viel freundlicher wird. Wer lächelt, öffnet auch das positive Potenzial des Gegenüber. Es ist sozusagen eine Einladung auf einen gemeinsamen freundlichen Kontakt.

Wir kennen das ja auch aus der uralten Redensart: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus."

Probiere es mal aus und experimentiere mit der Möglichkeit, anderen mit einem aufrichtigen Lächeln zu begegnen.

-- Fred

02.06.2017 :: Was ist ein guter Kontakt?

Als ich gestern nach Wochen mal wieder in eine Sportgruppe ging, fiel mir eine Frau auf, die ich bisher noch nie hier gesehen hatte. Wir hatten noch nicht begonnen und sie stand alleine herum. Mein spontaner Impuls war, sie einfach mal darauf anszusprechen, ob sie neu hier ist. Doch dann kamen gleich Gedanken in meinen Kopf: "Wenn die jetzt doch schon länger hier ist und mein Gesichtsgedächtnis mal wieder so schlecht ist? Das wäre peinlich. Ich lass es lieber." Und so machte ich dann gar nichts.

Doch diese Situation beschäftigte mich weiter. Wie oft schon bin ich meinem spontanen Impuls nach Kontakt nicht gefolgt? Wie oft habe ich mich so den anderen vorenthalten? Wie oft erfüllte sich so auch mein Wunsch nach Kontakt nicht?

Was wäre denn, wenn ich mich geirrt hätte? Das hätte nicht unbedingt peinlich werden müssen. Ich erinnere mich an Situationen, wo das dann trotzdem ein locker entspannter Kontakt wurde. Ja gerade deshalb, weil ich mal falsch lag, ergab sich eine locker-lustige Situation.

In dem Moment wurde mir klar, das ich das grundlegend falsch sehe. Was ist denn ein guter Kontakt? Wenn man alles richtig macht? Sich also niemals irrt? Das ist doch völliger Unsinn und doch ticke ich so.

Ein guter Kontakt ist, wenn man gut miteinander in Kontakt kommt. Und weil irren ja menschlich ist, kann genau daraus ein super Kontakt entstehen.

Allerdings: Aus meiner alten Prägung heraus entsteht sofort ein peinliches Berührtsein oder Scham, wenn mir auffällt, dass ich mich geirrt habe. Und das sorgt dafür, dass ich in dem Moment sehr verspannt und ernst wirke.

Es ist nicht die Situation, die problematisch ist, sondern meine Reaktion, die dann zu einer "ernst-komischen-Atmosphäre" führt. Könnte ich es als lustvoll-komisch erleben, was da gerade passiert ist, würde ich anfangen zu lachen und den Irrtum klar stellen. Oder mit dem Irrtum kreativ spielen. Das könnte dann für alle lustig werden und aus dem vermeintlichen Fehler würde ein guter Kontakt entstehen.

Guter Kontakt braucht überhaupt keine Fehlerfreiheit. Im Gegenteil, Nähe entsteht doch oft dadurch, dass wir als Menschen mit all unseren Fehlern wahrgenommen werden. Und wenn man gelernt hat, gut mit seinen Fehlern zu leben, anstatt sie unter allen Umständen zu vermeiden. Denn durch Vermeidung wird man starr und steif und das ist das Gegenteil von geschmeidiger Lebendigkeit. Lebendigkeit ist anziehend für Menschen, Starrheit hingegen ist der Tod.

Insofern plädiere ich dafür, spielerisch mit all seinen Irrtümern umzugehen. Das könnte ein echter Heilsweg sein, um sich aus seinen sozialen Ängsten zu befreien. Noch dazu ist es ein sehr schöner Weg, weil wir dadurch lebendig, kreativ und lustvoll ins Leben gehen. Wir öffnen uns der Welt und finden einen Umgang mit ihr. Anstatt die Arschbacken anzuspannen und steif wie ein Stock zu werden.

-- Fred

01.06.2017 :: Gruppengründungen in Lüdenscheid und Witten

In Lüdenscheid und Witten wird versucht, Gruppen zum Thema Sozialphobie aufzubauen. Wer Interesse hat, kann sich an die Selbsthilfekontaktstelle Witten und Selbsthilfekontaktstelle Märkischer Kreis wenden. In Lüdenscheid ist ein erstes Treffen am 7.6.17.

Neugründungen sind immer eine spannende Sache. Traut euch!

Weblinks:

24.05.2017 :: Unsichere Bindungen

Die Ursache von sozialen Ängsten kann in unsicheren Bindungen liegen. Oft erfahren Menschen das schon im frühen Kindesalter. Der Kontakt zu den Eltern ist hierbei besonders wichtig. In diesem Alter hängt das eigene Glück sehr stark davon ab, wie gut und entspannt die Beziehung zu den Eltern ist.

Macht hier ein Kind die Erfahrung, dass diese Beziehung öfter nicht trägt und nicht belastbar ist, entwickelt es Ängste. Das ist nur all zu logisch: Würde die Beziehung wegbrechen, ist es vorbei mit einem guten Leben. Von dem guten Kontakt zu unseren Bezugspersonen sind wir im Kleinkindalter genauso abhängig, wie vom Essen und Trinken.

Wenn nun noch unklar ist, warum der gute Kontakt zu den Eltern abbricht oder Anzeichen dafür da sind, dass das irgendwas mit mir zu tun haben könnte, entwickelt sich eine belastende Gedankenspirale: "Was habe ich falsch gemacht?", "Bin ich schuld?", "Bin ich ein schlechter Mensch?" und dann auch "Was muss ich jetzt tun, damit Mama wieder gut zu mir ist?"

Daraus entstehen Gefühls- und Gedankenmuster, die auch im späteren Leben dazu führen, dass wir viel zu oft darüber nachdenken, wie die Umwelt über uns denkt, ob wir irgendwas falsch gemacht haben, ob wir nicht richtig sind usw. Daraus entstehen dann auch Selbstzweifel und Schuldgefühle.

Kinder werden so auch früh überlastet: Es darf nicht die Aufgabe von Kindern sein, die Probleme ihrer Eltern zu lösen. Doch oft passiert genau das. Kinder müssen nach Wegen suchen, damit ihre Eltern wieder gut zu ihnen sind. Weil sie so fürchterlich unter Liebesentzug leiden.

Überforderungserfahrungen können verheerende Auswirkungen auf das spätere Leben haben. Das kann sich z.B. darin äußern, dass man vor jeder Herausforderung des Lebens Angst bekommt. So wird der ganze Leistungsbereich zu einem Problem und nicht selten vermeidet man dann die Herausforderung. Das zeigt sich dann besonders stark im beruflichen Bereich, in dem man nicht Fuß fasst oder wo man sich sehr schwer tut. Herausforderungen des Lebens sind nicht mehr mit Lust und Interesse assoziiert, sondern mit Angst vor Überforderung und negativem Stress.

Wichtig ist, dass nicht alle psychischen Deformationen im frühen Kindesalter passieren. Das ist nur eine besonders sensible Lebensphase. Natürlich können wir auch später im Leben Beziehungserfahrungen machen, die uns deformieren.

Solche tiefsitzenden Muster können oft nur mit Hilfe eines tiefenpsychologischen Therapeuten erkannt und bewusst gemacht werden. Eine Bewusstmachung kann eine große Hilfe sein, solche Muster zu verändern. Wenn man im Moment erkennt, dass gerade wieder dieses alte Gefühlsmuster auftaucht, braucht man dieser alten Prägung nicht mehr automatisch zu folgen, sondern kann in kleinen Schritten alternative Umgangsweisen erlernen. Nach meinen Erfahrungen aus der Selbsthilfearbeit sind es längerfristige Veränderungsprozesse, wo man über Jahre hinweg zu neuen Einsichten und Empfindungen gelangt. Mein Therapeut sagte öfter: "Was sich so viele Jahre in einem etabliert hat, braucht auch längere Zeit, damit es sich verändert."

Persönliche Veränderung ist nichts für Ungeduldige. ;-)

-- Fred

26.04.2017 :: Erfolge von Betroffenen...

A. sagte zum Thema Komplimente: "Ich konnte bis vor gar nicht langer Zeit überhaupt nicht mit Komplimenten umgehen. Im Vordergrund stand bei mir dann immer die Angst deshalb zu erröten und das war eine Horrorssituation für mich.

Mit meiner tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie habe ich das Thema für mich überhaupt nicht genug bearbeiten können.

Erst durch meinen totalen Zusammenbruch im letzten Jahr mit einer ganz schweren Depression hat sich mein Leben total verändert. Mein Neurologe hat mir Ergotherapie aufgeschrieben 10 Sitzungen. Davon habe ich in 8 Sitzungen das Thema Selbstliebe und Selbstakzeptanz bearbeitet. Diese 8 Sitzungen und meine ambulante Tanztherapie haben mehr bewirkt als sämtliche Psychotherapien zusammen. Es ist unglaublich. Ich wusste erst gar nicht so richtig was man bei Ergotherapie eigentlich macht aber die Therapeutin ist da voll auf meine Bedürfnisse eingegangen.

Der Schlüssel zu MEINEN ganzen Ängsten war das ich mich selbst nicht geliebt und akzeptiert habe. Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber ich kann das jetzt. Und das ist wiederum der Schlüssel für mich mit Komplimenten umzugehen. Auch das kann ich jetzt. Ich kann sie annehmen, ohne mich vor Scham zu verstecken. Ich kann sie geniessen, mich bedanken, muss kein Kompliment zurück geben. Es fühlt sich ganz toll für mich an.

Wenn es dann noch passiert und ich merke das ich rot werde, dann sage ich: danke, das macht mich ja ganz verlegen. Und dann finde ich es niedlich. Ich bin heilfroh das ich an diese Ergotherapeutin geraten bin und ich bin dankbar für meine Depression, denn durch sie bin ich wach geworden und habe mein Leben geändert."

18.04.2017 :: Sich kleiner machen, als man ist

Mit einem geringen Selbstwertgefühl ausgestattet, macht man sich oft kleiner, als man ist. Wenn Menschen einen also positiv beachten, wertet man das eher ab. Damit gibt man die Botschaft in die Welt: "Was ich so mache, ist nicht der Rede wert." oder "Ich möchte gar nicht positiv gesehen werden."

Natürlich haben solche Botschaften auch immer ihre Wirkung. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass man dadurch auch weniger positive Rückmeldungen erfährt. So, wie wir uns selbst sehen, so sehen uns vielleicht bald auch die anderen.

Ein Teil in uns wird darüber vielleicht sogar froh sein. Vielleicht gibt es da etwas in mir, was das eher als peinlich empfindet, positiv beachtet zu werden. Denn jede Beachtung ist ja auch wieder eine Mittelpunktsituation.

Es ist aber auch sehr wahrscheinlich, dass ein anderer Teil in uns aushungert ist. Und es sorgt dafür, dass unser geringes Selbstwertgefühl durch unser Umfeld bestätigt wird.

Bei einem geringen Selbstwertgefühl geht es ja darum, dass wir unseren wahren Wert nicht erkennen. Wir sehen nicht, wie wertvoll es ist, dass wir leben und da sind. Und wir erkennen nicht, was wir auch Positives bewirken.

Durch die Haltung, positive Beachtung abzuwehren, sorgen wir dann dafür, dass unser Selbstwert auch nicht wachsen kann. Damit erhalten wir unsere Überzeugung von uns aufrecht, in dem wir einfach alles, was dieser falschen Überzeugung widerspricht, nicht an uns heranlassen.

Folglich kann es ein heilsamer Schritt sein, sich für die positiven Rückmeldungen wirklich zu öffnen. Es an sich heranzulassen. In sich hineinzuspüren, wie sich das anfühlt, gelobt zu werden oder anerkennende Worte zu hören. Anfangs kann es sein, das viele unangenehme Gefühle im Vordergrund stehen. Dann sind wir peinlich berührt oder können es gar nicht ertragen. Doch wenn man durch diese Gefühle bewusst hindurchgeht, spürt man vielleicht irgendwann, wie wohlig gut das auch tut. Wie ausgehungert wir vielleicht sind. Und dann kann es uns wirklich berühren. Ich habe schon Menschen erlebt, die dann weinen mussten, weil sie sich das erste Mal wirklich durch eine positive Aussage zu ihrer Person berühren ließen.

In der Hakomi-Therapie gibt es ein Werkzeug, was sich auch gut in Selbsthilfegruppen einsetzen lässt. Es heißt Sonde. Eine Sonde ist ein positiv-konstruktiver Satz, den wir in einer achtsamen Haltung auf uns wirken lassen. Man schließt hierfür die Augen, entspannt sich, wird achtsam für den Moment und spürt dann nach. Einer in der Gruppe, der die Sonde anleitet, sagt dann: "Was spürst du, wenn ich dir sage....Du bist ein wertvoller Mensch." Jetzt geht es nur darum, zu erfahren, was in mir passiert: Welche Emotionen tauchen auf? Wo spüre ich die im Körper? Welche Gedanken oder Bilder tauchen auf? Wir lassen uns vielleicht 30-60s Zeit, dem nachzuspüren. Danach können wir in einen Austausch gehen, welche Erfahrungen wir bei diesem Experiment gemacht haben. Wichtig ist, dass es immer konstruktiv-positive Sonden sein sollten.

Ich hatte das Glück, eine Zeit lang durch eine Hakomi-Therapeutin begleitet zu werden und konnte hier viel über mich lernen.

Weblinks:

-- Fred

10.04.2017 :: Sich auf die Schliche kommen

Letztens hörte ich einen Beitrag im Radio, wo es um Wahrheitsfindung geht. Da fiel der Satz, dass man sich auf die Schliche kommen muss. Der sprach mich an. Denn was macht einen großen Teil von Psychotherapie und Selbstfindung aus? Man muss sich auf die Schliche kommen!

Psychische Thematiken sind ganz oft nicht offensichtlich. Man muss aufmerksam nach ihnen suchen. Aber nicht nur das. Es gibt viele psychische Muster, wo wir bestimmte Seiten unserer Selbst vor uns verstecken. Wir wollen sie nicht sehen und blenden sie aus. Sie werden für uns unsichtbar.

An dem Punkt ist es gut, einen Therapeuten zu haben, der einen begleitet. Und zwar einer, der wach für solche Versteckspiele ist. Ein Therapeut, der sich nicht von uns einlullen lässt und immer nur vom Besten ausgeht. Vielmehr einer, der mit Adleraugen auch die Erscheinungen unter der Oberfläche erblickt.

Weshalb kommt es überhaupt zu solchen Versteckspielen? Einerseits wollen wir ja irgendwie unsere Ängste und psychischen Konflikte loswerden. Andererseits ist es aber auch so, dass uns das einiges abverlangt. Und manches davon ist so furchterregend, dass wir lieber dagegen arbeiten. Viele Menschen, die Therapie gemacht haben, kennen diese innere Gespaltenheit - einerseits für das gemeinsam vereinbarte Ziel zu arbeiten, andererseits dagegen. Therapeuten sprechen auch von "inneren Widerständen".

In dieser Hinsicht ist unser Geist auch sehr geschickt. Er kann sich unglaublich gut tarnen, wenn er dagegen arbeitet. Und je intelligenter Menschen sind, um so schwieriger sind solche Tarnmanöver zu durchschauen.

Kann Selbsthilfe in diesem Bereich etwas bewirken? Einerseits passt es nicht in den Rahmen einer Selbsthilfegruppe, dass wir uns alle mit Adleraugen beobachten, um die verborgenen Tarnmanöver des anderen aufzudecken. Auch schon deshalb nicht, weil es eine haltgebende therapeutische Beziehung braucht, um solche Muster aufzudecken. Denn alles, was aufgedeckt wird, kann auch destabilisieren. Wir brauchen also jemanden, der uns auch auffängt.

Auf der anderen Seite gibt es auch Konfrontation in der Selbsthilfe. In der Regel führen Tarnmanöver zu irritierendem Verhalten. Und das löst nicht selten Ärger in anderen aus. Sich darüber auszutauschen, was Ärger oder Irritationen auslöst, ist ein wichtiges Feedback. Hier kann sich dann jeder auch selbst hinterfragen, warum er so agiert und sich so mit der eigenen Widersprüchlichkeit auseinandersetzen. Was sich in der Selbsthilfe so nicht klären lässt, kann man auch wieder mit in die Therapie nehmen.

Selbsthilfe ist damit ein Erfahrungsfeld, wo jeder auch mit seinen versteckten Programmen in Berührung kommt. Und dann ist es an jedem selbst, was er daraus macht.

-- Fred

02.04.2017 :: Schneller Termin beim Therapeuten

Therapeuten müssen ab dem 1.4.2017 kurzfristig therapeutische Beratung anbieten. Es geht hierbei um eine Kurzzeitberatung von 25 Minuten. Jeder Therapeut ist verpflichtet, 4 solcher Termine pro Woche anzubieten. Als Patient darf man maximal 6 solcher Termine in Anspruch nehmen.

Diese neue Möglichkeit löst natürlich nicht das Problem der langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Trotzdem besteht jetzt wenigstens die Möglichkeit, sich kurzfristig beraten zu lassen. Ob das so problemlos funktioniert, bleibt abzuwarten.

Was sich auch ändert: Therapeuten müssen nun mindestens 200 Minuten pro Woche telefonisch erreichbar sein. Manche Therapeuten haben sich nämlich wegen langen Wartelisten telefonisch sehr rar gemacht und z.B. nur noch einmal pro Woche für 30 Minuten einen Telefonsprechstunde angeboten. Das geht so jetzt nicht mehr.

Für eine Akutbehandlung sollen auch schnell und kurzfristig bis zu 24 Sitzungen a 25 Minuten zur Verfügung gestellt werden.

So lange sich die Anzahl der Therapeuten nicht erhöht, ist natürlich klar, was durch die neuen Anforderungen passieren wird: Die regulären Wartezeiten auf einen Therapieplatz müssen noch länger werden. Die Anzahl der Therapiestunden nimmt ja nicht zu. Werden einige Patienten kurzfristig vorgezogen, rutschen andere nach hinten.

Details findet ihr zum Beispiel hier:

23.03.2017 :: Traumatisiert durch psychische Extremzustände

Wenn man nach Traumatisierungen Ausschau hält, sucht man oft im Außen: Was ist einem Menschen zugestoßen? Welche Extremereignisse gab es, die auf einen Menschen schicksalhaft zugekommen sind?

Es gibt aber noch eine andere wichtige Quelle von Traumatisierungen und das sind innerpsychische Extremzustände, die mit dem Außen erstmal wenig zu tun haben.

Ein typisches Beispiel ist das Erleben einer Psychose. Der Bewusstseinszustand und das innere Erleben sind in einer Psychose oft stark anders, als man das von seinem Alltagsbewusstsein gewohnt ist. Und dies kann zu einem echten Horrortrip werden. Man fühlt sich z.B. existenziell bedroht. Menschen verfolgen einen scheinbar und jedes Wort, was um einen gesprochen wird, interpretiert das eigene Gehirn als Mobbing oder vernichtenden Angriff. Durch Psychosen können massive Ängste in einem entstehen. Vertrauen wird überall zerstört und das entwurzelt einen stark. Diese Haltlosigkeit und das Misstrauen der ganzen Welt gegenüber kann wiederum unerträgliche Ängste auslösen.

Mit Panikattacken ist es ähnlich. Mitunter kommen die scheinbar völlig grundlos ins Leben. Panikattacken sind extrem große Ängste, wo man das Gefühl hat, die nicht aushalten zu können. Sie überfordern massiv. Obwohl nichts im Außen ist, was einen geschockt hat, hat man dieses überwältigende Gefühlserleben.

Auch eine schwere Depression ist ein extremer Bewusstseinszustand, in dem Menschen Monate lang festhängen. Oft gingen destabilisierende Situationen voraus. Aber es gibt auch genügend Menschen, die ohne erkennbaren Grund in eine tiefe Depression fallen.

All das sind extreme Bewusstseinszustände, in die man hineingeraten kann. Und besonders dann, wenn es keine klaren Gründe dafür gab, bleiben sie auch im Nachhinein beunruhigend. Es könnte ja passieren, dass ich da jederzeit wieder hineingerate. Und das macht Angst.

Ich habe zahlreiche Menschen erlebt, die nach solchen schwierigen Erlebnissen sehr starr in ihrem Verhalten wurden. Da gibt es z.B. die Flucht in Ordnung und Struktur. Alles muss nach genau geplanten Mustern ablaufen. Diese Muster geben Halt. Die Idee dahinter ist: "Wenn ich mich genau so verhalte, wird nichts passieren." Das kann sich bis zur Zwanghaftigkeit steigern.

Das große Problem starrer Lebensweisen ist, dass die Kreativität und seelische Freiheit verloren geht. Und damit die Freude, das in Resonanz gehen mit seiner Umwelt, das Mitschwingen und die Hingabe. Und damit geht auch echtes Berührtsein verloren und damit echter Kontakt. Und schlussendlich geht bei allem die Liebe verloren. Man ist im Überlebebensmodus, erlebt vieles als Bedrohung, wovor man sich schützen muss.

Flirten und Verlieben brauchen auch Loslassen und Offenheit. Sexualität ebenso. All das ist bedroht, wenn man zu starr an Konzepten festhalten muss, die einem helfen, das Traumata zu "managen".

Kann man etwas tun, um sich aus solchen Erstarrungen herauszuentwickeln? Ich habe Menschen erlebt, die das geschafft haben, die sich befreien konnten. Dabei war immer viel Mut im Spiel. Sowohl bei ihnen selbst, als auch bei den Therapeuten. Sich schwierigen Situationen des Lebens nochmal zu stellen, ist immer eine große Herausforderung. Erfolgsgarantien gibts keine. Es geht auch nicht ohne Risiko. Aber wenn es gelingt, wird das Leben wieder sehr viel reicher.

Gute Hilfe ist bei solchen Veränderungsprozessen besonders wichtig. Die Traumatherapie hat in den letzten 30 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Es gibt Therapeuten, die sehr gut in traumatherapeutischen Methoden ausgebildet sind. Es gibt sogar Kliniken, die sich auf Traumabewältigung spezialisiert haben.

Für Selbsthilfegruppen erscheint es mir wichtig, achtsam miteinander umzugehen. Jedes Gruppenmitglied kann Traumatisierungen in sich haben. Solche Traumatas können aufbrechen, wenn wir am anderen "herumbohren" oder uns zu stark konfrontieren. Das ist auch ein Grund, warum wir uns eher auf den erfahrungsbasierten Ansatz stützen.

Bei diesem Ansatz kommt es nicht dazu, das wir aktiv an anderen "herumdoktern". Vielmehr konzentriert sich jeder einfach auf seine Erfahrungen, die er mitteilt. Was man damit macht, kann jeder selbst für sich entscheiden. So kann jeder auch gut dosieren, was er an sich heranlässt und was er von sich fernhalten muss.

Grundsätzlich erscheint es mir sinnvoll, in der Selbsthilfe sehr achtsam bedrängende Situationen wahrzunehmen und diese zu stoppen. Die gewaltfreie Kommunikation bietet hier auch Methoden, wie wir anderen Wichtiges mitteilen können, ohne zu bedrängen oder Druck aufzubauen.

-- Fred

18.01.2017 :: Ausbildung Psychotherapie nicht optimal

Die Ausbildung zum Psychotherapeuten ist oftmals steinig. Auch Therapeuten sind oft mal überfordert mit ihrer Situation. Hier ein interessanter Artikel im Spiegel:

18.01.2017 :: Komm raus aus deiner Normtreue

Normtreue kann eine Form von Vermeidungsverhalten bei sozialen Ängsten sein. Man hat dann sehr feine Antennen dafür, was andere von mir erwarten. Und diese Erwartungshaltung versuche ich, so gut es geht, zu erfüllen.

Hohe Normtreue ist mir selbst öfters mal aufgefallen, wenn ich ärgerlich auf andere werde, die die Norm brechen. Es gibt also Vorgaben, wie man sich verhalten soll. Ich tue das und erlebe andere, die es nicht machen. Wenn die dann auch noch Erfolg damit haben oder nicht gerügt werden, ärgere ich mich. Aber diese Wut auf die anderen ist nicht selten meine zu große Regeltreue. Ich könnte es auch öfters mal entspannter angehen.

Tiefer betrachtet ist Normtreue oft aus einer Angstvermeidung heraus geboren. Man möchte nicht anecken, möchte nichts falsch machen. Denn hier hängen Kränkungen und Schmerz dran. Nicht in Ordnung zu sein, nicht das zu machen, was von einem erwartet wird: Da kennen viele Menschen sehr frühe Erfahrungen, die schmerzhaft waren. Und als Bewältigungsstrategie hat man sich angewöhnt, möglichst gut alles zu erfüllen, was von einem erwartet wird.

Und heute? Müssen wir so weiter leben? Ist das gut?

Sich anpassen zu können, ist auf jeden Fall nötig, sobald man mit anderen Menschen in irgendeiner Form verbunden ist. Ob Arbeit, Urlaub, Partnerschaft oder Freizeit - wir haben alle andere Bedürfnisse und die müssen wir unter einen Hut bringen. Menschen, die sich nicht anpassen können, die nur ihr Eigenes sehen und keine Kompromisse machen können, sind sehr schwierige Zeitgenossen.

Doch das Eigene kommt bei überangepassten Menschen oft zu kurz: Zu fragen, was ich ich möchte. Und mich auch dafür einzusetzen.

Für die eigenen Bedürfnisse macht es immer mal wieder Sinn, von Normen abzuweichen. Und auch ganz wichtig: Oft gibts vermeintliche Erwartungen, die überhaupt nicht existieren. Die sind nur in meiner Vorstellung, geboren aus früheren Erfahrungen.

Insofern ist es gut, immer mal wieder zu reflektieren, was wohl mein Umfeld gerade von mir erwartet. Und hier - insofern das geht - einen Realitätscheck vorzunehmen. Andere z.B. zu fragen, ob das wirklich erwartet wird oder wie sie es sehen.

Erwartungen werden im Alltag oft nicht explizit ausgesprochen. Sie werden indirekt und oft unterschwellig kommuniziert. Das macht es mitunter so schwer, eine klare Vorstellung davon zu bekommen, was erwartet wird.

Will man hier etwas verändern, reicht schon dieser kleine Schritt: Herauszukommen aus dem Automatismus, jede vermeintliche Erwartung zu erfüllen. Stattdessen achtsam für das Thema "Erwartungen" zu werden. Hält man diese Achtsamkeit für mehrere Wochen aufrecht, lernt man etwas über sich. Man lernt, wie man auf Erwartungen reagiert und kann anfangen darüber reflektieren.

Wenn es gut läuft, kommt eine Veränderungsprozess in Gang und man findet eine neue Orientierung für sich. Man kann mal mutig wagen, von der Norm abzuweichen und macht seine Erfahrungen damit. Man bekommt ein neues Gespür dafür, wo es gut ist, sich anzupassen und wo es gut ist, seine Bedürfnisse mehr zu leben. Diese Neuorientierung beschenkt einen mit mehr Freiheit.

-- Fred

07.01.2017 :: Kalte Wege...

Minus 7 Grad war es die Nacht. Ein ganz schön kalter Wind, der einem draußen um die Nase weht. Und gerade unterhielt ich mich mit einem Bekannten über innere Kälte.

Mein erster Bewältigungsversuch, meine sozialen Ängste in den Griff zu bekommen, war ein kalter Weg. Ich kämpfte gegen meine Angst, wollte sie weg haben oder gar vernichten. Schon die Formulierung "in den Griff bekommen" ist Inbegriff für einen kalten Weg. Formulierungen, die wir oft selbstverständlich im Alltag wählen.

Es ist naheliegend, dass wir zu kalten und lieblosen Mitteln greifen. Was stört, muss weg! Was behindert, muss elemniert werden. Das ist auch etwas, was wir in der großen Weltpolitik tun. Das vermeintlich Schlechte oder Böse muss ausgerottet werden. Damit das Gute siegt. Dieses Muster scheint irgendwie in uns angelegt zu sein. Im Innen, wie im Außen.

Doch regelmäßig scheitern wir auch damit. Und dann wird uns irgendwann klar, dass es eben so nicht geht. Die Weisheit, die sich dann einstellt, enthält dann wieder die Liebe, die vorher so gefehlt hat.

Der kalte Weg ist deshalb so naheliegend, weil es eine Fortsetzung des Leides ist, was uns widerfahren ist.

Irgendwo las ich mal: "Die meisten psychischen Erkrankungen entstehen durch einen Mangel an Liebe. Und wie werden sie geheilt? Durch Liebe."

Menschen, die aufgrund von Lieblosigkeiten deformiert wurden, neigen glaube ich dazu, sich mit der selben Methode heilen zu wollen. Dann tun sie sich noch mehr Lieblosigkeiten an. Dann werden sie besonders diszipliniert und kämpfen gegen alles Ängstliche. Dann werden sie ehrgeizig und kämpfen gegen alles Schwache oder Zögerliche. Kurzum, sie entwickeln in sich mehr und mehr Kälte, um das wegzumachen, was entstanden ist. Entstanden genau aufgrund von Kälte und Lieblosigkeit.

Und was entsteht? Noch mehr innere Konflikte und Gespaltenheit.

Ein Beispiel: Da ist ein Mensch, der große Selbstzweifel hat und immer wieder starke Versagensängste entwickelt, wenn er einen Vortrag halten muss. Er fängt an, gegen diese Unsicherheit zu kämpfen. Er reißt sich zusammen, er will durch Disziplin und innere Kraftanstrengung diese verletzte Seite in sich loswerden. Er wirkt nach außen hart und handelt schablonenhaft. Er verliert so den offenen Kontakt zu seiner Umwelt, agiert nur noch in festgelegten Mustern. Um so mehr macht ihm alles zu schaffen, was unvorbereitet auf ihn zukommt. Er hasst es, spontan reagieren zu müssen und versucht nun noch mehr, alles zu kontrollieren. Irgendwann überfordert ihn all dieser Kraftaufwand, so dass er in eine Depression rutscht.

Solche und ähnliche Lebensgeschichten hab ich häufig gehört und auch meine Lebensgeschichte hat sich ähnlich abgespielt.

Aber was hat diesem Menschen vielleicht wirklich gefehlt? Wo war der Mangel an Liebe? Es fehlte vielleicht ein Mensch, der ihm schon in früher Kindheit immer wieder Mut gemacht hat. Ein Mensch, der die zaghaften Impulse eines unsicheren Menschen unterstützt hat. Der ihm gut zugeredet hat und so die Unsicherheit kleiner werden lies. Und so wuchs dann mit der Zeit immer mehr Vertrauen in das Leben und Selbstsicherheit. Aus einem verunsicherten Kind wäre so ein selbstsicherer Erwachsener geworden.

Genau das ist der liebevolle Weg, den ich für so wichtig halte. Vertrauen zum Beispiel kann man nie mit der Holzhammermethode aufbauen oder verordnen. Es braucht viel liebevolle Zuwendung, um immer wieder die Erfahrung zu machen, dass man sich auf etwas einlassen kann, ohne das es schmerzt.

Wer schonmal versucht hat, zu verstörten Tieren wieder Kontakt aufzubauen, weiß, wie mühsam das ist, einmal missbrauchtes Vertrauen wieder zu heilen. Aber es ist möglich und es ist der einzige Weg, überhaupt etwas in der Tiefe zu verändern. Wer wirklich wieder vertrauen können will, kann das nie über Disziplin oder kalten Willen erreichen. Das Vertrauen entzieht sich unserem direkten Willen. Man kann einen Hund an die Leine nehmen und ihn mit Befehlen trainieren. Vertrauen wird man so aber keins aufbauen.

Ich erlebe es in der Selbsthilfegruppe immer wieder, das Menschen den kalten Weg versuchen. Oft sind es Menschen, die am Anfang ihrer persönlichen Auseinandersetzung stehen. Und auch Menschen, die keine psychotherapeutische Unterstützung haben. Also Menschen, denen ein warmherziger Begleiter fehlt und die so nie diesen Weg kennenlernen konnten. Wobei auch nicht jeder Psychotherapeut ein warmherziger Mensch ist, es gibt durchaus auch therapeutische Methoden, die kalt fordernd sind. Wobei mir als Problem nicht das Fordernde erscheint, denn das ist auch immer wieder wichtig in Therapie. Die emotionale Kälte erscheint mir als ein Problem.

Der kalte Weg scheint einem schnelle Erfolge zu versprechen. Der Herzensweg hingegen ist so wenig greifbar und scheint so aufwändig und langwierig zu sein. Das ist auch ein wesentlicher Grund, warum man gerne den kalten Weg wählt.

Das ist auch in der großen Weltpolitik zu beobachten. Da keimt der Wunsch bei vielen Menschen auf, etwas vermeinlich Böses auszurotten und zu vernichten. Der andere Weg, sich mühsam in vielen Gesprächen auf einen gemeinsamen Weg zu einigen, erscheint da unattraktiv. Und doch zeigt uns auch die Geschichte, dass Kriege oft zu noch mehr Unfrieden führen und so das Böse nähren. Und das liebevolle Wege auch immer wieder Erfolge zu verzeichnen haben. Und vor allem zeigt uns die Geschichte, dass es bei vielen Problemen keinen schnellen, sondern nur den sehr mühsamen Weg gibt.

Therapeuten haben mir öfters gesagt, man muss viel Geduld bei seiner persönlichen Entwicklung aufbringen. Was in vielen Jahren deformiert wurde, lässt sich nicht in wenigen Monaten wieder heilen.

Wir merken das auch in der Selbsthilfegruppe. Wie schnell verletzt ein falsches Wort einen Menschen. Und wie unendlich schwierig ist es, danach wieder Frieden herzustellen und diese Verletzung zu heilen. Kaputt gemacht ist schnell, heil machen bleibt ein mühevoller Job, wo man Geduld aufbringen muss.

Und oft zeigt sich: Eigentlich ist Heilung ganz einfach. Es braucht nur einen kleinen liebevollen Schritt, der z.B. verzeihen heißt. Aber um diesen kleinen Schritt zu gehen, brauchen Menschen doch oft Jahre. Weil sie (noch) nicht bereit sind, den liebevollen Weg zu gehen. Ein kleiner Schritt der Liebe muss manchmal jahrelang vorbereitet werden, bis er möglich erscheint. Und auch, bis sich einem der Sinn darin erschließt. Die Bereitschaft, liebevolle Wege zu verfolgen, entwickelt sich keinesfalls automatisch. Um so kostbarer ist es, erste liebevolle Impulse zu unterstützen und zu nähren.

-- Fred

02.01.2017 :: Neue Räume - wir können starten

Der Umzug der Kontaktstelle ist geschafft. Derzeit werden zwar noch viele Kartons ausgepackt und so manche Baustelle gibts auch noch. Aber die neuen Räume sind jetzt nutzbar, so dass ab sofort wieder alle Sopha-Gruppen tagen können.

Die Räume wirken frisch und sauber. Der ganze Innenausbau ist komplett neu gemacht. Wir sind gespannt, wie es sich anfühlen wird, wenn die ersten Gruppen dort stattfinden werden.

Zum Jahresanfang haben sich zahlreiche Interessierte angemeldet. Da wirken vermutlich die guten Vorsätze, etwas für sich zu tun. ;-) Wir freuen uns auf euch. Mal schauen, wie die ersten Gruppen besucht sind und ob bald Plätze frei werden. Hoffentlich wird die Warteliste nicht zu lang. Denn wenn man sich vornimmt, bei einer Selbsthilfegruppe mitzumachen, wäre es natürich optimal, sofort damit zu starten.

Hier findet ihr Infos, wie ihr die neuen Räume findet:

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