Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2013-Q3)

27.09.13 :: Selbsterforschende Grundhaltung

Wie erlebt man eigentlich eine Gruppensitzung? Da wird es Momente geben, wo einen etwas interessiert. Das regt vielleicht Gesprächsimpulse an und wenn man sich fähig fühlt, wird daraus ein realer Wortbeitrag. Es kann auch sein, dass einen etwas hemmt und es so nicht dazu kommt, diesem Redeimpuls zu folgen. Es wird Dinge geben, die einen nicht ansprechen und langweilen. Vielleicht nervt einen auch die Art, wie miteinander gesprochen wird und man hätte es gerne anders. Oder man findet das Gespräch im Moment total spannend und ist hellwach am Zuhören, ohne selbst einen Redeimpuls zu haben.

Die Art, wie wir mit der Gruppe in Kontakt treten und wie wir sie erleben, ist das Resultat unserer Prägungen. Diese Prägungen sorgen dafür, dass wir uns für das eine interessieren, das andere langweilig finden und von diesem oder jenem genervt sind. Und sie sorgen dafür, auf eine bestimmte Weise mit all dem umzugehen und zu reagieren oder eben passiv zu bleiben. Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle hängen stark davon ab, wie wir geprägt sind und diese Prägungen sind ein Teil unserer Persönlichkeit. Interessen und angenehme Erfahrungen leiten uns dabei genauso, wie Verletzungen und unangenehme Erfahrungen.

In diesen Prägungen stecken natürlich auch zahlreiche sozialphobische Anteile. Oder anders ausgedrückt, genau da findet sich das, warum wir eigentlich zur Gruppe gekommen sind. Wir kommen mit unseren Seiten in Berührung, die schwierig oder einschränkend sind. Doch dessen sind wir uns ganz oft nicht bewusst.

Wie müsste eine Grundhaltung sein, die genau diese eigenen Prägungen kennenlernen möchte? Wir müssten die Gruppe als ein Erfahrungsfeld verstehen, wobei die Interaktion alles mögliche in uns auslöst. Und mein Interesse oder Aufmerksamkeit müsste dahin gerichtet sein, wie ich mich in diesem Interaktionsfeld erlebe. Dann erkenne ich z.B. Langeweile oder Ungeduld. Und dann kann ich sagen: Interessant, ich habe aufkommende Langeweile in mir erkannt. Was löst denn diese Langeweile gerade in mir aus? Oder ich erkenne einen Redeimpuls, teile den aber nicht mit. Dann kann ich sagen: Da ist gerade dieser Redeimpuls, ich würde gerne was sagen, aber ich sage nichts. Was hat es damit auf sich?

Es geht darum, sich freundlich und interessiert seinem eigenen Erleben zuzuwenden. Um sich so besser kennenzulernen. Das ist eine große Chance, langfristig über viele Einschränkungen seiner sozialen Phobie hinauszuwachsen. So lernt man etwas darüber, wie man sich in Gruppen verhält und welche ungünstigen Verhaltens-, Denk- und Wahrnehmungsmuster einen leiten. Wenn wir uns dessen bewusst sind und die Einschränkungen erkennen, können wir auch nach Wegen suchen, darüber hinauszuwachsen.

Das Interessante daran ist: Selbst wenn das konkrete Thema, worüber gesprochen wird, einen nicht so anspricht, so bleibt es doch immer ein spannendes Interaktionsfeld, in dem ich eingebunden bin und in dem ich mich kennenlernen kann. Das Erleben im Hier und Jetzt bleibt immer etwas, dem ich mich zuwenden kann. Und hier kann ich etwas über mich herausfinden.

Diese innere Erforschung kann auch wieder in die Gruppe zurückfließen. Das ist sehr hilfreich. Man kann mit anderen darüber reden, wie man etwas erlebt und was das mit einem macht. Das hilft dem eigenen Verständnis, regt die Gruppe an, über das nachzudenken, was gerade passiert und hilft auch anderen, genauso über sich zu reflektieren. Gleichzeitig entsteht eine neue Form der Kommunikation, die einem vielleicht noch ungewohnt ist. Das Reden über die eigene Befindlichkeit und das eigene Erleben. Diese Form der Kommunikation kann immer wieder sehr wertvoll im Leben sein. Der Gruppe hilft es, sich besser auszubalancieren.

Die Kommunikationswissenschaften haben schon lange herausgefunden, dass wir uns alle viel besser verstehen könnten, wenn wir mehr darüber reden, was etwas mit uns macht. Diese Form der Selbstoffenbarung und Selbstreflexion braucht es, wenn wir wirklich mehr Verständnis füreinander entwickeln wollen. Und nur dieses Verständnis kann die Verschiedenartigkeit überbrücken und Konflikte lösen.

-- Fred

12.09.13 :: Poetry Slam - Früchtetee

Ein kleines Heilmittel gegen überzogene Selbstvorstellungen.

Franziska Holzheimer:

Das wäre auch mal ein schönes Thema für einen Gruppenabend. Jeder schreibt mal 20 Sätze auf, die mit "Eigentlich..." beginnen und dann erzählen wir uns davon.

12.09.13 :: Warum viele Ratgeberbücher nicht funktionieren

Das Bedürfnis vieler Betroffener ist klar: Man möchte möglichst schnell aus der eigenen Problematik herausfinden. Man möchte möglichst schnell ein großes Selbstbewusstsein haben und angstfrei sein. Man möchte gelassen in der Welt sein und sich jeder Herausforderung gewachsen fühlen. Und so generell möchte man glücklich sein.

Auf der anderen Seite gibt es den Ratgeber-Büchermarkt, der genau dieses Bedürfnis aufgreift. Nach dem Motto: All das, was du willst, können wir dir erfüllen, wenn du dieses Buch kaufst. Und Bücher lassen sich gut verkaufen, wenn sie möglichst große und klare Vesprechen machen. Der Buchtitel ist dabei besonders wichtig. Und schnell erreichbar sollte das Ziel auch sein...

Wie wäre es mit dem fiktiven Titel "STARK und SELBSTBEWUSST in 7 Tagen!"? Das hört sich doch verlockend an. Vielleicht haben die ja doch recht. Man kann das ja mal ausprobieren, denkt man sich vielleicht.

Ich erinnere mich an die Anfangszeit, wo ich anfing, mich mit meinen Problemen auseinanderzusetzen. Ich glaube, ich habe dutzende dieser Bücher gekauft oder ausgeliehen. Immer wieder war die große Hoffnung da, mit diesem Buch einen durchschlagenden Erfolg zu haben. Doch je reißerischer der Titel war, um so weniger Substanz fand sich im Buch. Eine Zeit lang dachte ich sogar, es würde jede Menge Menschen geben, die mit so einem Buch tatsächlich all ihre Probleme überwunden haben. Nur ich stelle mich zu dumm an oder kann diese kostbare Information nicht für mich nutzen. Zumal die Bücher natürlich behaupteten, dass sich das Leben vieler Menschen durch dieses Buch schon revolutionär verändert hat.

Erst später, als ich vor allem durch Psychotherapie mehr Erfahrung darin hatte, was an persönlicher Veränderung machbar ist, begriff ich das schmutzige Spiel mit der Hoffnung. Und trotzdem spürte ich auch jetzt noch eine gewisse Anfälligkeit. Es könnte ja sein, dass so ein Buch doch recht hat und das es wirklich einen Weg gibt, der viel besser ist, als alles, was ich bisher kannte. Und in der Tat gab es in der Menschheitsgeschichte ja immer wieder Durchbrüche, wo man ganz neue Wege fand. Wege, die viel besser eine Problematik lösen konnten. Es wird niemals so sein, dass man dies gänzlich ausschließen kann.

Das große Problem vieler Ratgeberbücher ist die starke schablonenhafte Vereinfachung der Situation. Man möchte klar und eindeutig beschreiben, was man konkret tun muss, um sein Problem zu überwinden. Doch so funktioniert das in der Realität nicht. Die Frage: "Was muss ich tun, um zu mehr Selbstbewusstsein zu kommen?" kann nie allgemeingültig beantwortet werden. Für jeden von uns gibt es eine andere Antwort. Und die Antworten können sich sogar völlig widersprechen. Was für den einen gut ist, ist für den anderen schädlich.

Viele dieser Ratgeberbücher wollen uns das Verstehen unserer Problematik abnehmen. Sie tun so, als wüssten sie schon genau, wer wir sind und was wir brauchen und geben uns dann die konkreten Ratschläge. Doch selbst dann, wenn ein Ratschlag durchaus was taugt, ist er für uns im jeztigen Moment oft genug völlig verkehrt.

Ich glaube, es ist unabdingbar, sich in erster Linie selber kennen- und verstehen zu lernen. Das Wort Selbstbewusstsein beinhaltet genau diese Botschaft. Es wird einerseits als Synononym für Selbststärke und Selbstsicherheit benutzt, im wortwörtlichen Sinne zeigt es aber die Lösung: Es geht darum, sich seiner selbst bewusst zu werden. Wer bin ich und warum bin ich so, wie ich bin? Was sind meine Stärken und was sind meine Schwächen? Welche Prägungen und welche Biografie habe ich? Dieser Selbsterforschungsprozess führt auch zu einer Selbstakzeptanz und die ist es vor allem, die zu Selbstsicherheit führt.

Das erscheint mir sinnvoll: Wenn Bücher dazu anregen, uns besser kennenzulernen. Wenn sie das Selbstmitgefühl und das Interesse an uns selbst stärken. Wenn sie uns dadurch befähigen, selber beurteilen zu können, ob ein Ratschlag oder eine Idee etwas für uns sein kann. Wenn Ratschläge nicht aufdringlich und mit hohem Gültigkeitsanspruch gegeben werden, sondern als eine Möglichkeit, die wir probieren können, die wir angeboten bekommen. Die wir aber genauso verwerfen können, wenn sie uns nicht passend erscheint.

Auch solche Selbsthilfe- und Ratgeberbücher gibt es. Sie haben in aller Regel nicht so reißerische Titel und machen keine so großen Versprechungen. Doch der Inhalt ist realistischer und erreichbarer.

Bei psychischen Veränderungen braucht man vor allem Geduld. Viele Muster und Angewohnheiten, die über Jahre gelebt wurden, lassen sich nicht in wenigen Tagen verändern. Bei den meisten ist es ein geduldiger Prozess über Jahre hinweg. Nicht umsonst laufen die meisten Therapien über 2-3 Jahre. Und auch nach einer solchen Therapie hört die Arbeit an sich selbst nicht auf. Man muss auch wegkommen von der simplen Idee, krank oder gesund zu sein. Veränderung ist ein Prozess, in dem in kleinen Schritten Verbesserungen eintreten. Und das auch nicht linear, es gibt Strecken, da scheint gar nichts zu passieren, dann gibt es Sprünge und dann auch mal wieder Rückschläge. Aber all das gehört zum Prozess der positiven Veränderung hin zu mehr innerer Freiheit, zu mehr Selbstvertrauen und zur Angstüberwindung.

Für mich ist hier der Weg das Ziel. Zu spüren, dass es mit der Zeit besser wird und sich daran zu erfreuen. Mit der Hoffnung und der Offenheit, dass es immer auch noch besser werden kann und ich immer wieder über eigene Beschränkungen hinauswachsen kann. Und vermutlich kann man das ein Leben lang. Wachsen und Werden kennt kein Ende...

-- Fred

28.08.13 :: Schöne Grüße an die Tagesklinik Lütgendortmund

Wir haben euch heute besucht und wollten einfach nochmal schöne Grüße an alle Patienten loswerden. Wer von Sozialphobie betroffen ist und Interesse hat, komme doch einfach mal bei uns vorbei. Links im Menü oben findet ihr alle Infos für Neueinsteiger.

Auch liebe Grüße an das ganze Team.

28.08.13 :: Spruch der Woche

Zum Lernen ist es nie zu früh und nie zu spät;
es ist immer höchste Zeit.
(Nossrat Peseschkian)

28.08.13 :: Überlegenheitsgefühle

Schaut man sich Biografien von Menschen an, die unter sozialen Ängsten, Schüchternheit oder sozialer Phobie leiden, so findet man häufig Unterlegenheitserfahrungen. Stärkere haben ihre Macht genutzt, um uns klein zu halten, zu demütigen, uns abzuwerten oder sich über uns lustig zu machen. Ein so hässlicher Gebrauch von Macht ist leider sehr verbreitet und wer nicht stark genug ist, wird hier zum Opfer.

In der Rolle des Unterlegenen lebt es sich erbärmlich und der geringe Selbstwert wird dadurch weiter untergraben. Denn irgendwann glauben wir an das, wie man mit uns umgeht: Das wir ein minderwertiges Wesen sind und deshalb zurecht all diese Demütigungen erfahren. Wir haben den Glauben an uns selbst verloren. Den Glauben an den großen Wert, den unser Leben hat und was durch uns verwirklicht werden kann.

Die einfachste Art, aus seinem Unterlegenheitsgefühl heraus zu kommen, ist der Rollenwechsel. Das nun wir uns überlegen fühlen und wir die anderen unterlegen wahrnehmen. Der starke Wunsch, aus einer Unterlegenheitsrolle herauszukommen, mobilisiert mitunter starke Kräfte. Da ist z.B. ein Betroffener, der immer mehr zu einem Musterschüler wird, fleißig lernt und so den anderen vom Wissen her sich überlegen fühlt. Oder ein anderer Betroffener, der körperlich stark trainiert und sich irgendwann kräftemäßig den anderen überlegen fühlt.

Manchmal beschert uns das Schicksal auch Geschenke, die uns in eine überlegene Position bringen. Eine eher zarte körperliche Gestalt verändert sich in der Pubertät zu einem sehr kraftvoll wirkenden Körper. Oder eine berufliche Laufbahn bringt uns in eine Führungsrolle, wo andere Menschen uns unterstehen.

Dieser Rollenwechsel kann jedoch zu vielen Problemen führen, wenn wir das bekannte Muster genauso weiterspielen. Nun behandeln wir die anderen, so wie wir behandelt wurden. Wir erfreuen uns an Demütigung, Zurechtweisunen oder sonstigen hässlichen Machtspielen. So werden wir selbst zu einem hässlichen Spieler, wenn auch in einer angenehmen Position.

Glücklich wird uns das nicht machen, weil wir selbst unter dieser hässlichen Art zu sein leiden. Es wird eigene Verhärtungen und Abstumpfungen produzieren. Wir betrachten die anderen von oben herab und verhindern so echte Beziehung bzw. echte Begegnung. Und wo keine Begegnung entsteht, bleiben wir einsam.

Das Problem muss tiefer verstanden werden. Es war nicht die falsche Rolle, warum man damals gelitten hat. Es war das falsche und kranke System, das also Stärkere die Schwächeren herabwürdigen und für ihrer Zwecke missbrauchen. Dieses falsche System ist die eigentliche Krankheit. Doch leider ist unsere ganze Welt seit jeher auf allen Ebenen für diese Krankheit anfällig. Unterdrückung und Machtmissbrauch findet man überall, viele Kriege sind Ausdruck solcher Konflikte.

Das große Problem ist, dass man durch solche Interaktionsmuster stark geprägt ist und man nur schwer daraus aussteigen kann. Ein Rollenwechsel fällt leicht, aber wirklich neue Interaktionsmuster zu erlernen, wie man auf gute Weise miteinander umgeht, ist schwer. Das hängt damit zusammen, dass wir meist über eine längere Zeit von Interaktionsmustern geprägt wurden und auch keine Alternativen kennen. Und unsere ganze Wahrnehmung ist stark von solchen Mustern geprägt. So nehmen wir z.B. sehr sensibel das Thema Überlegenheit-Unterlegenheit wahr. Wir haben ein richtiges Radar dafür und scannen in sozialen Situationen, wie die Machtstrukturen sind und wie wir uns richtig positionieren, um nicht Opfer zu werden oder um in eine Überlegenheit zu kommen.

Die Selbsthilfegruppe kann hier auch wertvolles Erfahrungsfeld werden, um neue Interaktionsmuster zu erlernen. Dafür braucht es ein Umfeld, wo jeder mit seiner Meinung gehört wird und eine grundsätzliche Wertschätzung erfährt. Eine mitfühlende Grundhaltung, die für Verständnis sorgt, baut Brücken und lässt echten Kontakt von Mensch zu Mensch entstehen. Ein möglichst gleichwertiges Miteinander ist wichtig, was oft auch bedeutet, dass die leiseren Stimmen verstärkt werden und die lauteren Stimmen sich immer auch mal wieder zurückhalten müssen.

Es geht um ein Klima, in dem Äußerlichkeiten oder Einschränkungen eines jeden nicht so eine große Bedeutung haben. Es geht vielmehr darum, verstehen zu lernen, was jemanden im Kern beschäftigt. Dafür müssen wir uns Zeit nehmen, um das zu ergründen. Und auch nachfragen, wenn etwas noch nicht klar geworden ist.

Vision wäre, dass jeder dadurch ein Miteinander kennenlernt, in dem er seine ursprünglich wahre Bedeutung wieder deutlich spürt: Ich bin wesentlicher Teil eines Ganzen. Ich bin wichtig. Das ist etwas ganz anderes, als in eine Überlegenheit kommen zu müssen. Ich glaube auch fest daran, dass ein Überlegenheitsgefühl niemals satt macht. Was wirklich satt und zufrieden macht ist, wenn man sich als wertgeschätzter Teil eines Ganzen erlebt. Wo man in einen ehrlichen Kontakt auf gleicher Ebene mit anderen Menschen geht. Wo man gestalten kann und sich auch über den Gestaltungswillen der anderen freut. Ein Umfeld, wo auch Konflikte ehrlich ausgetragen werden und man so um gute Lösungen ringt.

-- Fred

21.08.13 :: Gedanken vor schwierigen Situationen

Die Gedanken, die man sich vor schwierigen Situationen macht, sind eine wunderbare Quelle für die persönliche Weiterentwicklung. Hier kann sich z.B. zeigen, wovor man konkret Angst hat oder was man befürchtet. Gedanken können in Form von inneren Dialogen auftauchen oder aber als innere Bilder. Gedanken lösen schon im Vorfeld Gefühle aus und man kann erkennen, welche Gedanken in welcher Form gefühlsbeladen sind.

Gedanken im Vorfeld können auch aufzeigen, welche Ansprüche man an sich und die Situation hat. Das könnte z.B. so ein Gedanke sein: "In dieser Prüfung muss ich möglichst gut abschneiden!" oder "Keiner darf mir meine Unsicherheit anmerken!"

Diese Gedanken, wie man sein sollte und wie es laufen sollte, können wiederum etwas in uns auslösen. So könnten die obigen Gedanken z.B. Druck auslösen, weil man einem hohen Anspruch genügen muss oder will. Druck kann Ängste und Unwohlsein verstärken. Wenn man sich erstmal dessen bewusst ist, wie man sich auch durch seine Gedanken und seine Anspruchshaltung an sich selbst Druck macht, kann man prüfen, ob das wirklich nötig ist. Vielleicht kann ich meine Einstellung ändern, die zu einem entspannteren Umgang mit mir und der Situation führt.

Umgedreht gibt es auch Gedanken, die beruhigen und entspannen können, z.B. "So wie es kommt, so ist es in Ordnung!" oder "Das wird schon werden, ich bin da guter Dinge!". Sich bewusst Gedanken zu suchen, die einen beruhigen und die gut tun, ist hilfreich.

Sich vor solchen schwierigen Momenten genügend Zeit zu nehmen, um etwas über seine Gefühle und Gedanken herauszufinden, ist eine wertvolle Zeit. Die so gemachten Erkenntnisse kann man dann auch nochmal in die Selbsthilfegruppe oder in die Therapie einbringen. Erkenntnisse lassen sich so vertiefen.

-- Fred

15.08.13 :: Humorvoller Umgang mit seinen Schwächen

Unter Schwächen und Einschränkungen leidet man vor allem dann, wenn man sich damit nicht ertragen kann. Bei Sozialphobie sind es Gefühle von Scham, Peinlichkeit oder Minderwertigkeit, die dann auftauchen. Und das kann auch eine ganz ernste und verkrampfte innere Stimmung aufkommen lassen, unter der man leidet.

Ich erlebe immer wieder Beispiele, wo Menschen einer Schwäche mit viel Humor begegnet sind. Sie nehmen sich dabei im guten Sinne ein wenig selbst auf die Schippe. Sie können über sich lachen oder erfreuen sich an der komischen Seite ihrer Persönlichkeit. Der Umgang mit der eigenen Einschränkung bekommt etwas Spielerisches und das ist das beste Mittel, etwas zu entkrampfen. Das bringt eine Lockerheit in die Situation. Und genau diese unverkrampfte Lockerheit macht es dann auch möglich, über seine Begrenzungen hinaus zu wachsen. Viele Probleme sind nur deshalb so widerspenstig, weil wir verkrampft damit umgehen.

Natürlich hat das alles seinen Grund, warum wir heute verkrampft mit unseren Einschränkungen umgehen. Das lässt sich aus der Biografie oft sehr gut erkennen und schwierige Lebenserfahrungen haben dafür gesorgt, zu verkrampfen. Und doch gibt es immer wieder Menschen, denen gelingt es, eine neue Lockerheit im Umgang mit sich selbst zu finden.

Es gibt so einige Kabarettisten, die ihre komischen Seiten zum Programm gemacht haben. Ob das nun wirklich echte Einschränkungen waren oder ob nur das Thema aufgegriffen wurde, weiß man nicht, aber das ist auch gar nicht so wichtig. Der witzige Umgang damit zeigt, dass es geht.

Ein paar Beispiele:

Manchmal sind es Alltagssituationen, in denen man auf einmal einen anderen, lustigeren Umgang mit etwas findet. Das kann man als Gelegenheit nehmen, so etwas zu kultivieren. Denn auch der eigene Humor braucht regelmäßige Pflege, damit er sich entwickelt. Ich glaube übrigens nicht, dass es Menschen gibt, die überhaupt keinen Humor haben. Ich sehe es wie vieles andere: Die Möglichkeit zu Humor ist in jedem angelegt, man muss sich nur dafür öffnen und dieser Energie folgen.

Humor tut übrigens auch in Therapie sehr gut. Im Rückblick kann ich sagen, dass die witzigen Momente in der Therapie mindestens genauso hilfreich waren, wie die tiefe und ernste Auseinandersetzung mit Problemen. Humor überwindet Barrieren und Widerstände, urplötzlich können einem Dinge klar werden, an die man nicht durch viele Stunden "vernünftige Analyse" herankommt.

Auch bei unseren Gruppensitzungen ist es immer wieder ein echter Gewinn, wenn Humor mit im Raum ist.

Sozialphobie ist auch die Angst vor den komischen Momenten, die im Zwischenmenschlichen entstehen können. Doch komische Momente haben nicht nur die bedrohliche und peinliche Seite, man kann sich genauso auch auf das Komische freuen, weil es irgendwie witzig ist.

-- Fred

12.08.13 :: Mut zur Lücke

Sozialphobische Perfektionisten fühlen sich aufgrund eines viel zu überzogenen Selbstbildes minderwertig. Wenn man an sich irgendwas entdeckt, was noch nicht perfekt oder vollständig ist, entsteht Angst. Da reden z.B. in einem Gespräch ein paar Kollegen über etwas, wovon man kaum Ahnung hat und schon empfindet man sich als dumm oder minderwertig. Die ganze Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, zu erkennen, wo andere mehr wissen, als man selbst oder worin sie besser sind. Das ist die Messlatte für das, was wir selbst sein müssten. Es ist ein ständiges Konkurenz- und Unterlegenheitsdenken.

Das ist natürlich, etwas tiefer durchdacht, völliger Unsinn. Wir werden niemals zu einer Überperson werden, die in allem mindestens genauso gut ist, wie andere. Und selbst dann, wenn wir uns in dieser Hinsicht unglaublich anstrengen, bleibt die Frage: Wozu das alles? Ist das wirklich mein Lebenssinn? Oder renne ich die ganze Zeit einem falschen Ideal hinterher?

Ich denke, für nahezu jeden Menschen ist es ganz normal, sich im Kontakt mit anderen auch immer wieder seiner schwachen Seiten bewusst zu werden. Also der Seiten, wo man vielleicht noch nicht viel drüber weiß, womit man nicht so klar kommt, was einen nicht interessiert und womit man so seine Schwierigkeiten hat. Seiten, wo man nicht so glänzt.

Mut zur Lücke bedeutet, ja zu sagen, zu seinen schwachen Seiten. Sich also nicht damit verstecken zu müssen. "Ja, ich weiß darüber wenig, und es ist in Ordnung so." Das macht das ganze Leben viel entspannter. Wir müssen nicht mehr zwanghaft dazulernen und wir können entspannt mit solchen Situationen umgehen, in denen wir unserer Schwächen bewusst werden. Und wir können dazu stehen, ohne uns deshalb klein zu fühlen. Noch ist der Selbstwert vielleicht damit verknüpft, das muss aber nicht sein. Wir können lernen, unseren Selbstwert zu bewahren in Anbetracht unserer Schwächen. Für Schwächen muss man sich nicht schämen oder verstecken.

Natürlich kann es passieren, dass wir mit Menschen zusammenkommen, die uns abwerten, weil wir etwas nicht wissen oder können. Hier muss man aber immer ganz klar unterscheiden: Was ist die Reaktion der anderen? Und wie sehe ich mich? Oft ist beides verknüpft: Weil andere uns abwerten, fühlen auch wir uns klein. Nicht die Abwertung der anderen schmerzt, sondern unsere eigene Abwertung. Man könnte auch sagen: Wir glauben dem anderen, das wir minderwertig sind. Nur dadurch geben wir ihm die Macht und nur deshalb wirkt die Abwertung.

Wir könnten völlig gelassen damit umgehen, wenn uns die Abwertung der anderen nicht treffen würde. Wenn wir selbstbewusst zu unseren Schwächen stehen könnten. Wenn wir sagen könnten: "Ja, ich weiß, dass ich nur wenig davon verstehe, das ist aber völlig in Ordnung für mich!"

Es hat einen großen Wert, sich mit seinen Schwächen auszusöhnen und sie anzunehmen. Sich so nehmen zu können, wie man ist. Nicht mit gesenktem Kopf, sondern aufrecht. Akzeptanz zu entwickeln für das, was bei uns noch nicht so ist, wie es vielleicht sein könnte.

Akzeptanz muss nicht heißen, dass wir alles nun so belassen. Natürlich können wir uns auch weiterentwickeln. Aber nicht mehr aus einem unfreien inneren Druck heraus, um einer Scham zu entgehen. Stattdessen aus einer inneren Freiheit heraus, weil wir es wirklich wollen oder weil es uns interessiert. Interesse und Neugier sind die eigentlichen und ursprünglichen Triebkräfte, die uns von frühester Kindheit dazu angeregt haben, etwas zu lernen und zu wachsen. Nicht Druck, Beschämung oder Strafe. Im Erwachsenenalter kommen noch Strukturierung, Ausdauer und Zielsetzung hinzu. Fähigkeiten und Werkzeuge, die uns helfen, das zu erreichen, was uns wichtig ist.

Und doch bleibt unsere Persönlichkeit ein Leben lang auch lückenhaft.

Deshalb:

Hab Mut zur Lücke!

-- Fred

08.08.13 :: Psychosomatik

In der westlichen Welt sind wir Meister darin, Probleme konsequent aufzuteilen. Hast du eine Hautkrankheit, gehst du zum Hautarzt, hast du eine Depression, gehst du zum Psychologen. Diese Aufteilung hat durchaus seinen Sinn, wer kann schon in aller Tiefe über viele Fachbereiche bescheid wissen? Da ist es doch besser, Spezialisten zu haben, die sich sehr gut mit einem Fachgebiet auskennen und ausschließlich in diesem praktizieren. Denn so vertieft sich das Wissen auch durch viel Praxis auf genau diesem Gebiet.

Jedoch hat dieses System einen entscheidenden Mangel: Es gibt zahlreiche gesundheitliche Probleme, die lassen sich so nicht lösen. Man kann sie nicht lösen, wenn man nur isoliert auf einen Bereich schaut. Man muss vielmehr das Ganze sehen, die Zusammenhänge fachgebietsübergreifend verstehen. So wurde Ganzheitlichkeit zu einem Schlagwort gerade in den letzten Jahren.

Die Psychosomatik schlägt hier auch eine Brücke zwischen Körper und Psyche. Man hat nämlich häufig beobachtet, dass psychische Problematiken sich auf den Körper auswirken. Genauso wirken körperliche Probleme auf unsere Psyche ein. Eigentlich erschließt sich das aus dem Alltagerleben ganz schnell, dass man Psyche und Körper nicht voneinander trennen kann. Es ist ein ständiges und ganz natürliches Wechselspiel.

Die Psychosomatik ist ein recht komplexes Feld, es braucht ein vielschichtiges Wissen sowohl auf psychischer wie auf körperliche Ebene. Es gibt sehr viele Modelle und Hypothesen, wie was miteinander zusammenhängt. Hier ist aber auch noch ein großes Forschungsfeld, denn viele Zusammenhänge sind völlig unerforscht oder Vorstellungsmodelle wurden noch nicht durch Studien überprüft. Weiterhin wurden in den letzten Jahrzehnten auch einige Vorstellungsmodelle wieder verworfen, weil sie sich in Studien nicht bewahrheitet haben.

Ein typischer Zusammenhang zwischen Körper und Psyche, den viele Angsterkrankte kennen, ist der Einfluss von Angst auf den Magen oder Darm. Da treten z.B. Schmerzen aus diesem Bereich auf oder die Verdauung ist gestört. Gerade in Phasen, wo verstärkt Ängste auftreten. Man kann hier sehr gut beobachten, wie Magen oder Darm auf Stress oder Angst reagiert. Auch manche Hautkrankheit wird zumindest manchmal von psychischem Problematiken beeinflusst, z.B. die Neurodermitis.

Eine große Problematik besteht in der richtigen Abgrenzung. Die Frage also, wie stark psychische Faktoren eine Rolle spielen oder umgedreht, welch positiven Einfluss eine Psychotherapie auf die körperlichen Symptome haben kann.

Deshalb gehört es zur Psychosomatik, zuerst einmal nach heutigem Kenntnisstand abzuklären, was körperlich diagnostisch gefunden werden kann und ob es hier auch Behandlungsweisen gibt, die auf körperlicher Ebene ansetzen. Erst wenn dies hinreichend geklärt ist, beginnt die Arbeit auf psychischer Ebene. Psychotherapeuten, die sich psychosomatisch weitergebildet haben, kennen hier unterschiedlichste Zusammenhänge, wie sich psychische Thematiken somatisieren können, wie also psychische Probleme zu körperlichen Problemen werden. Und sie kennen auch Wege, wie sich diese körperlichen Symptome auflösen können.

Leider ist die Situation derzeit so, dass man nur wenige Psychotherapeuten findet, die eine fundierte psychosomatische Ausbildung haben. Und weil sich gerade in den letzten Jahren in diesem Bereich sehr viel getan hat, braucht es auch Experten, die auf dem neuesten Stand sind. Diese findet man noch seltener. Stattdessen findet man Experten, die auch heute noch ernsthaft behaupten, eine Depression wäre lediglich eine Stoffwechselkrankheit im Gehirn. Dies zeigt auch, wie wenig harte Fakten heute vorliegen und wie groß damit die Vorstellungen auseinanderliegen. Es gibt auch keine Therapeutenlisten, in denen die Psychosomatik besonders berücksichtigt wird. Auf der anderen Seite nennt sich fast jede Klinik zur Behandlung von psychischen Erkrankungen >>psychosomatisch<<, obwohl häufig keine diesbezügliche Fachkompetenz vorhanden ist. Das zeigen Erfahrungsberichte von Betroffenen, die zwar auf psychischer Ebene gut versorgt wurden, ihre somatische Probleme aber nicht bearbeitet oder in Zusammenhang gebracht wurden. Es scheint zu einer substanzlosen Mode geworden zu sein, sich "Psychosomatische Klinik" zu nennen. Wo das Wort auf der einen Seite so hoch gehängt wird, findet man es in der ambulanten Versorgung fast nie.

Aus der Selbsthilfearbeit kenne ich auch ungünstige Entwicklungen, wenn bestimmte Theorien viel zu hoch gehängt werden. Vor einiger Zeit war es recht populär, jede körperliche Krankheit nur noch als Symbol einer psychischen Problematik zu sehen. Da wurde dann schnell jeder Husten als Symbol gesehen, sich etwas vom Hals zu halten bzw. eine Aggression auszudrücken. Bücher wie "Krankheit als Weg" oder "Krankheit als Symbol" von Rüdiger Dahlke, haben dieser Vorstellung Vorschub geleistet. Das Positive daran ist sicherlich die Erweiterung unserer Vorstellungswelt um diesen Aspekt. Es kann durchaus sein, dass Husten so etwas im Einzelfall bedeuten kann. Problematisch ist die neue Einseitigkeit, mit der man auf einmal alle körperlichen Erkrankungen sieht. Nach dem Motto von Watzlawick: "Mit einem Hammer in der Hand wird jedes Problem zu einem Nagel."

Die Realität bleibt komplex und vielschichtig. Man kann nicht alles auf einen Zusammenhang reduzieren. Diesem falschen Reduktionismus begegnet man vielerorts und er ist sehr gefährlich. Er klammert wichtige Zusammenhänge aus, die für die Lösung von Problemen eine große Bedeutung haben können.

Ein guter Psychosomatiker bezieht sicher auch das Modell >>Krankheit als Symbol<< mit in seine Überlegungen ein, aber es gibt auch dutzende weiterer Theorien, die ebenso mit einbezogen werden müssen. Und in jedem Einzelfall muss herausgefunden werden, welcher Zusammenhang wahrscheinlich ist. Theorien können nur Arbeitshypothesen sein, die auch verworfen werden dürfen, wenn sie sich als unpassend erweisen.

-- Fred

05.08.13 :: Positive Überzeugungen

Wir hatten uns letztens in einer Kerngruppe mit unserer Biografie auseinandergesetzt. Was mir dabei aufgefallen ist: Viele Menschen haben positive Leitsätze, die sich in ihnen verfestigt haben, zu einer tiefen Grundüberzeugung geworden sind. Und dies half ihnen durch viele schwierige Momente im Leben. Dadurch bekamen sie auch immer wieder etwas, was sie wollten.

Ein Beispiel: Eine Grundüberzeugung könnte sein: "Da geht was! Irgendwas geht immer!" Und in der Tat führt so eine Überzeugung ganz oft zu positiven Ergebnissen, weil fast immer irgendwas geht, man muss nur Geduld und Ausdauer aufbringen und alles mögliche versuchen. So eine Grundüberzeugung wird damit immer wieder bestätigt und setzt sich so als tiefe und unerschütterliche Überzeugung fest. Eine Überzeugung, die uns durch schwierige Zeiten manövriert. Dort, wo andere schon längst aufgeben, bleibt derjenige weiter dran, der diese Überzeugung hat.

Solche positiven Grundüberzeugungen sind oft durch einen zufälligen Umstand in unsere Biografie gelangt. Irgendwann wurde sozusagen der Samen dafür gelegt. Vielleicht war es ein Mensch, den man mochte, der auch diese Überzeugung pflegte. So hat man sich Seins zueigen gemacht. Doch erstmal war es nur ein Samen, eine Sichtweise, etwas zu betrachten, die noch nicht gefestigt war. Meist gab es aber ein inneres Gefühl, dass diese Einstellung für einen bedeutsam ist. Vielleicht ahnte man schon, dass da was Wahres dran ist. Durch zahlreiche Bestätigungen der Grundüberzeugung festigt sich dann der Glaube daran. Oder man könnte es schon Erfahrungswissen nennen - wir wissen ja, dass es schon oft so funktioniert hat. Nicht immer, auch das ist klar, aber die Chancen stehen doch gut.

Eine andere Überzeugung, die jemand hatte: "Warum sollte ich das nicht mal versuchen? Ich tue damit keinem weh und mehr als ein Nein werde ich nicht ernten!" Das war seine Strategie, mit seinem Zweifel und seiner Angst konstruktiv umzugehen. Nur wer wagt, schafft die Voraussetzungen, auch mal gewinnen zu können. Es ist nicht so, dass man immer nur ein Nein erntet. Wenn man es aber aushalten kann, öfter mal ein Nein zu ernten, dann traut man sich auch und dann erntet man auch immer mal wieder ein Ja. Und das ist das Bereichernde.

Mit positiven Überzeugungen ist es, wie mit negativen Überzeugungen - sie haben großen Einfluss auf das, was wir erleben und was passieren wird. Die negative Grundüberzeugung: "Ich kann nichts!" zeigt ganz genauso ihre Wirkung. Nur eben in umgekehrter Richtung, dass sie unser Leben oft ärmer macht, das wir Chancen nicht nutzen und nicht dafür sorgen, dass etwas gelingt.

Es ist nie zu spät, sich ein paar positive Überzeugungen zu suchen und diese für sich zu kultivieren. Die Samen, die man heute säht, können irgendwann eine reiche Ernte einfahren. Das zeigen die Biografien der Menschen, die von solchen Überzeugungen getragen werden.

Hier haben wir einiges zusammengetragen:

Auch wenn hier sehr viele Sätze gesammelt wurden, sucht euch am besten erstmal nur einen Satz heraus. Weniger ist mehr. Lieber einen Satz für sich langfristig kultiviert, als 100 Sätze, die man morgen schon wieder vergessen hat. Sucht nach etwas, was euch anspricht, wo ihr schon eine Ahnung habt, dass das hlfreich für euch sein könnte. Es kann sein, das Sätze auch noch angepasst werden müssen, damit sie für euch Gültigkeit haben. Bleibt aber realistisch, gute Sätze müssen Realität widerspiegeln und keine Illusionen.

-- Fred

30.07.13 :: Unerwachsene Verhaltensmuster

Mensch, werd erwachsen! Das hört man manchmal, wenn sich jemand kindisch verhält. Was heißt das eigentlich, kindisch zu sein? Und was ist erwachsen?

Im Laufe unserer Entwicklung entstehen immer mehr Fähigkeiten, was sich gerade in der Interaktion bzw. im Kontakt mit anderen Menschen zeigt. Aber auch in unserer Weise, wie wir die Welt erkennen und verstehen.

Als Kind war Fantasie und Wirklichkeit noch nicht so stark getrennt, alles verschwamm miteinander. Und wenn Erwachsene sich unterhalten haben, haben wir kaum was davon verstanden. Auch wenn Kinder emotional sehr wach sind, fehlt die Fähigkeit der Reflexion, also dem bewussten Erkennen, was gerade abläuft und warum das so ist. Als Kind haben wir vieles naiv geglaubt, was man uns sagte, weil unser analytischer Verstand noch nicht so ausgeprägt war und weil uns noch viele Lebenserfahrungen fehlten.

Ein wichtiger Bereich ist auch das Thema Verantwortung. Als Kind hat man noch nicht viel Verantwortung, die Eltern übernahmen das für uns. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass wir mehr und mehr Verantwortung für unser Leben und handeln übernehmen wollen oder auch müssen.

Verantwortung hat 2 Seiten: Wir werden dadurch eigenständiger und freier. Wir können mehr selbst bestimmen und wir können mehr gestalten. Das Leben wird mehr zu unserem Leben. Insofern ist es ein natürlicher Entwicklungsprozess, dass wir im Laufe des Lebens immer mehr Verantwortung übernehmen wollen. Die andere Seite ist aber auch, dass Verpflichtungen entstehen und mit Verantwortung Situationen verbunden sind, die unangenehm sind.

Verantwortung zu übernehmen fordert uns auf jeden Fall einiges ab. Doch bei einer halbwegs gelungenen Entwicklung und wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann übernehmen wir gerne diese Verantwortung, weil der Zugewinn sehr viel größer ist, als die unangenehmen Seiten. Und es kommt noch was weiteres hinzu: Wir erkennen in vielerlei Hinsicht, dass die unangenehmen Seiten nötig oder unvermeidbar sind. Wir erkennen z.B., dass ohne Arbeit und ohne Fleiß auch nichts entstehen kann. So sind die Dinge nunmal. Erwachsen agieren heißt, zu erkennen, wie die Dinge sind und dann eine Entscheidung zu treffen, was man will. Und wenn man etwas will, sich dann auch dafür zu engagieren. Wir nähern uns damit immer mehr den Realitäten an und lernen, mit diesen immer besser zu agieren.

Wenn in der Entwicklung etwas schief läuft, dann kann es zahlreiche Löcher geben, wo wir nicht die Verantwortung übernehmen. Dort verhalten wir uns weiterhin, wie ein Kind.

Ein typisches Beispiel in unseren Gruppen ist, wenn ein verbindlicher Termin ausgemacht wurde, jemand nicht kann, aber nicht absagt. Oder wenn jemand zusagt, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen, dies dann aber nicht macht und auch nicht darüber redet. Viele Vermeidungsverhalten beinhalten die Situation, für etwas nicht die Verantwortung zu übernehmen. Die Verantwortung wird vermieden, weil es unangenehm ist. Natürlich kann es auch immer sein, dass einen Situationen völlig überfordern und deshalb eine Übernahme von Verantwortung nicht möglich ist.

Eine wichtige Voraussetzung, um sich persönlich weiter zu entwickeln, ist auch, Verantwortung für sein Denken und Handeln zu übernehmen. Das betrifft also die Frage: Was mache ich denn nun damit, wenn ich problematische Verhaltensmuster bei mir erkenne? Oder wie reagiere ich, wenn andere problematische Verhaltensmuster bei mir erkennen? Erwachsen wäre, dass ich Verantwortung dafür übernehme und mich ehrlich und ernsthaft damit auseinandersetze. Kindlich wäre, wenn ich keine Verantwortung dafür übernehme, es abstreite, es nicht an mich heranlasse bzw. die Augen vor dem verschließe, was sich da unangenehm anfühlt.

Verantwortung für sich zu übernehmen, ist ein längerfristiger Entwicklungsprozess. Denn natürlich gibt es viele gut nachvollziehbare Gründe, warum wir eben keine Verantwortung übernehmen und in der kindlichen Welt steckengeblieben sind. Wir können auch nur das verändern, wofür wir die Kraft spüren und was wir an Ressourcen zur Verfügung haben. Und es gibt Zeiten, wo eben auch nur wenig Kraft für Veränderung da ist.

Vielleicht ist es wichtig, das Gute nicht aus den Augen zu verlieren, was es uns schlussendlich bringen wird, Verantwortung zu übernehmen. Das ist vor allem ein selbstbestimmtes Leben, bei dem wir uns für das einsetzen, was in unserer Macht steht und gelassen werden für das, was nicht in unserer Macht steht. Und das sind auch befriedigende Beziehungen, in denen sich alle wohl fühlen und wo Vertrauen entstehen kann. Je selbstbestimmter wir leben können, um so sinnvoller werden wir uns auch erleben und um so wirksamer werden wir. Und das sind alles Quellen für Glück und Zufriedenheit. Gleichzeitig schützt es uns vor schwierigen Lebenssituationen und seelischer Vergiftung.

In großen Dimensionen gedacht, entsteht viel Leid auf dieser Welt, weil Menschen wegschauen und keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Hier zeigt sich aber auch, das gesellschaftliche Verantwortung in bestimmten Bereichen wächst. Das Thema Umweltschutz hat heute für uns eine ganz andere Bedeutung, wie vielleicht noch vor 40 Jahren. Wir übernehmen gesellschaftlich mehr Verantwortung.

Bei Sozialphobie hat das Thema Verantwortung zu übernehmen, eine ganz besondere Bedeutung. Ängste haben hier dazu geführt, sich stark aus Beziehungen und Handlungen zurückzuziehen. Auch wenn man so vielerlei Schwierigkeiten aus dem Weg geht, entsteht auf der anderen Seite ein unerfülltes Leben. Ein Leben ohne Fülle macht aber depressiv. Wir brauchen das Gefühl, Teil von etwas zu sein, Verantwortung zu übernehmen und mitzugestalten. Uns einzubringen mit unserem Denken, Fühlen und Handeln. Um so verbunden und wirksam zu sein.

In Gruppen lässt sich das gut üben, in dem man sich in das Gruppengeschehen einmischt. Das geht auf vielen Ebenen, ob nun im Gruppengespräch, bei Aktivitäten, in Projektgruppen oder bei vielen anderen Dingen, die man gemeinsam planen und umsetzen kann.

-- Fred

23.07.13 :: Logophobie

Die Logophobie ist eine spezielle Ausprägung einer sozialen Phobie: Die Angst vorm Sprechen oder kurz Sprechangst. Von einer Logophobie spricht man aber nur, wenn man unter starker Sprechangst leidet, denn nahezu jeder Mensch kennt Situationen, in denen auch Sprechängste auftreten.

Sprechängste, die viele kennen, ist das Reden vor Publikum oder vor Gruppen. Hier steht man im Mittelpunkt bzw. Aufmerksamkeitsbereich zahlreicher Menschen. In der Regel rührt die Angst daher, negativ, kritisch und ablehnend von anderen behandelt zu werden. Mit allen Spielarten, die denkbar sind: zynische Bemerkungen, beschämt werden, lächerlich gemacht werden oder herabgesetzt zu werden. Auch die Angst vor verbalen Angriffen fällt da mit hinein.

Oft ist es so, dass von der konkreten Redesituation eigentlich keine Gefahr ausgeht. Es kann also sein, dass man eigentlich vor wohlwollenden Menschen spricht, die keinerlei Angriffe oder Abwertungen gegen einen auffahren. Und trotzdem tritt die Sprechangst auf. Einfach deshalb, weil man so etwas befürchtet, auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist. In aller Regel findet man natürlich biografische Gründe dafür. Man hat Situationen negativer Bewertung erlebt. Diese können auch traumatisch gewesen sein, in einer Stärke und Heftigkeit also, die nicht aushaltbar war und die man deshalb nicht verarbeiten und integrieren konnte. Nun signalisiert einem der eigene Körper, solche Situationen auf jeden Fall zu vermeiden.

Körperliche Angstsymptone sind dann z.B. innere Angespanntheit, Eingefrorensein, starkes Schwitzen, Zittern, rot werden, ein veränderter Atemrhythmus, ein trockener Mund, Schluckbeschwerden, kein Blickkontakt usw. Wobei jeder für sich spezifische Körperreaktionen und Verhaltensmuster hat.

Die Angst vorm Sprechen kann schon sehr früh entstanden sein und ist damit sehr fest in die eigene Persönlichkeit integriert. Viele weitere Verhaltens- und Denkweisen haben sich darum entwickelt. Insofern sind massive Sprechängste nicht im Handumdrehen wegtherapiert. Es braucht Zeit und Ausdauer für eine Veränderung.

Bei der Therapie erscheint mir ein multimodaler Ansatz sinnvoll. Eine tiefenpsychologische Aufarbeitung ist wichtig, um die Ursachen zu erforschen und sich selber besser kennenzulernen. Sie hilft auch, eine annehmende Sichtweise auf seine ganzen Facetten zu entwickeln. Sie schafft im wahrsten Sinne des Wortes Selbstbewusstsein. Eine verhaltenstherapeutische Therapie schafft Übungsräume, in denen man das übt, was Angst macht. Übung ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Es braucht viel positive Erfahrung, die einen mit der Zeit davon überzeugt, dass man reden kann, ohne das etwas passiert. Das Vertrauen muss wieder aufgebaut werden, wozu es ein feinfühliges Umfeld braucht. Andere Formen des Selbstausdrucks können helfen, z.B. Theatertherapie oder Gestaltungstherapie. Positive Gruppenerfahrungen sind ganz wichtig, so dass z.B. Freizeit- oder Sportgruppen ein wesentlicher Baustein sein können. Es kann auch sein, dass man durch seine Sprechangst größere Defizite des Selbstausdrucks hat. Man weiß dann nicht, wie man Gefühle und Gedanken in Worte fasst. Oder es fehlen einem viel Interaktionsmuster in Beziehungen zu anderen. Auch das braucht Unterstützung und Entwicklung. Systemische Ansätze können helfen, die Beziehungen in der Familie zu klären und Einflüsse oder Prägungen zu erkennen.

Selbsthilfegruppen sind hier auch ein guter Übungsort. Einerseits erlebt man regelmäßig eine Gruppensituation, in der man sich einbringen kann, aber nicht muss. In einer Sozialphobie-Selbsthilfegruppe sind alle dafür sensibilisiert, dass das Reden schwer fällt. Das schafft Vertrauen und man spürt, man ist damit nicht alleine. Mit der Zeit kann auch Vertrauen wachsen, so dass es leichter wird, sich einzubringen. Durch regelmäßig eigene Gesprächsanteile lernt man, seine Erleben in Worte zu fassen. Es ist übrigens nicht so, dass alle von sozialer Phobie Betroffenen Redeängste in der Gruppe haben. Das hat Vorteile, weil sie z.B. den Gesprächsfluss in Schwung halten und als positives Beispiel dienen können. Worauf man aber aufpassen muss: Das den Redeängstlichen nicht der Raum genommen wird, sich auszuprobieren. Das kann passieren, wenn eine Gruppe zu stark von denen dominiert wird, die ohne Probleme reden können. Wir achten auf diesen Aspekt und ein Moderator wirkt hier ausgleichend.

Neben den normalen Gruppentreffen machen wir z.B. auch Gruppen, die Sprechängste ganz konkret angehen. Im Moment läuft eine Vortragsgruppe, bei der Teilnehmer die Vortragssituation üben. Jeder hat die Möglichkeit, einen Vortrag vorzubereiten und vor anderen zu halten. Das können Kurzvorträge von 5 Minuten sein, aber auch längere Vorträge von 30 Minuten. Auch kann man erstmal eine Zeit lang als Zuhörer dabei sein, um Vertrauen in die Situation zu bekommen. Wer so das Reden vor anderen öfter übt, entwickelt Sicherheit und Fähigkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Das hilft dann auch im Alltag, solche Situationen zu bewältigen.

Wenn Redeängste dazu geführt haben, nicht in den Austauch mit anderen zu kommen, kann übrigens auch ein Internetforum oder eine Mailingliste sehr hilfreich sein. Hier kann man sich schriftlich mitteilen, was auch oft erstmal Ängste auslöst. Doch wer hier lernt, immer wieder über sich zu schreiben, erlernt Fähigkeiten, die auch in Gesprächssituationen hilfreich sind. Unter anderem deshalb haben wir seit einigen Monaten auch ein eigenes Internetforum für Gruppenmitglieder eingerichtet.

-- Fred

21.07.13 :: Schambelastete Themen

In jeder Familie gibt es Themen, die schambelastet sind. Darüber wird nicht geredet und man spürt schnell, dass sie tabuisiert sind. Worüber in Familien nicht gesprochen werden kann, ist sehr unterschiedlich. Meist sind es Themen, die mit stark belasteten Erfahrungen verbunden sind: Traumatische Erlebnisse oder starke Verletztheiten. Es kann aber auch eine Hilflosigkeit oder Ohnmacht sein: Ein Umgang damit fehlt und deshalb darf darüber nicht gesprochen werden.

Es gibt Themen, die gesellschaftlich schambelastet sind und wo die Familie diese gesellschaftlichen Normen übernimmt. Recht verbreitet ist z.B., dass Familienmitglieder nicht über ihre Gefühle reden können. Bei Männern ist das oft stärker schambelastet, als bei Frauen. Ein Thema, was auch oft schambelastet ist, ist das Reden über Sexualität.

Neben einer Tabuisierung und dem Nicht-darüber-Reden, kann auch eine Abwehr in der Form auftreten, dass man sich darüber lustig macht.

Diese schambelasteten Themen beinhalten gleichzeitig ein großes Befreiungspotenzial. Denn Scham ist ein erlerntes Gefühl und orientiert sich an Normen und Vorstellungen. Es ist dann sozusagen kein natürliches Gefühl, wie z.B. Wut oder Angst. Es entsteht einfach aufgrund der eigenen Sozialisation, in der man gelernt hat, was man als beschämend erleben soll. Und was man gelernt hat, kann man nun wieder loslassen lernen.

Themen von ihrer Schambelastung zu befreien, ist einerseits schwierig, weil Scham ja ein heftiges Gefühl ist, was man kaum aushält. Auf der anderen Seite entsteht so viel mehr innere Freiheit, dass es sich lohnt, solche Beschränkungen aufzulösen. Denn sie können einen daran hindern, seinen Bedürfnissen nachzugehen. Oder sie führen zu starken Schuldgefühlen, die einem die Freude an etwas nehmen.

Sozialphobie ist auch oft mit Scham verknüpft. Hier lohnt es sich, in diese Richtung zu schauen und schambelastete Vorstellungen aufzulösen. Die Erfahrung zu machen, das nicht die Dinge beschämend sind, sondern es nur unsere Vorstellung ist. Das erkennt man z.B. daran, dass manch andere völlig ohne Scham darüber reden können. Völlig unvorbelastet und frei.

Weil Scham ein starkes Gefühl ist, entstehen alle möglichen Vermeidungshaltungen. Menschlicher Kontakt aber birgt immer auch die Gefahr, dass solche beschämenden Situationen entstehen können. Man vermeidet so immer mehr, seine Gefühle, Meinungen und Vorlieben auszudrücken, zeigt sich so immer weniger.

Angstüberwindung bei Sozialphobie heißt also auch, Mut zum Reden zu haben, auch wenn dabei mal peinliche Situationen entstehen können. Wer zu stark jedes Wort kontrolliert, um niemals was Falsches zu sagen, lähmt sich selber stark. Die Empfehlung lautet dann: "Red, wie dir der Schnabel gewachsen ist."

...und geh locker damit um, wenn es mal schief geht.

Das gelingt natürlich selten ad hoc, aber wer regelmäßig übt, kann vieles gelassener sehen.

-- Fred

21.07.13 :: Lied der Woche

Reinhard Mey - Ich bring dich durch die Nacht

15.07.13 :: Das weitergetragene Familien-Wir

In Psychotherapie hat man sich lange Zeit nur den Menschen angeschaut, der ein Problem hatte. Spätestens mit dem Aufkommen der systemischen Therapie wurde nun auch in der Breite das Verständnis dafür bewusst, dass das Umfeld, in dem man eingebettet ist, ganz entscheidende Bedeutung bei individuellen Problemen hat. Man begann, sich nun auch mehr dafür zu interessieren, welchen Einfluss das System Familie hat.

Interessant im Zusammenhang mit sozialen Ängsten ist hier, wie die ganze Familie sich in Bezug auf andere Menschen und Gruppen sieht. Denn es gibt eben nicht nur eine individuelle Sicht (Ich bin schüchtern...), sondern auch eine Familiensicht. Die könnte z.B. lauten "Wir sind einfache Menschen und halten den Mund, wenn gebildete Menschen reden."

Familiensichten sind Überzeugungen, die die Mitglieder einer Familie teilen. Weil sie aus einem "Nest" stammen, weil sie sich verbunden fühlen. Familiensichten sind natürlich nur selten reflektiert und bewusst. Sie wirken unbewusst und unerkannt. Ihre Wirkung ist aber mitunter sehr stark und wesentlich, weil diese Überzeugungen als völlig selbstverständlich Gültigkeit haben und nie hinterfragt wurden. Manchmal werden solche Prägungen ein ganzes Leben lang nicht hinterfragt und von Generation zu Generation weitergegeben.

Das Familien sich aus irgendeinem Grund als minderwertig empfinden, trifft man häufig an. Der Vergleich spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Wir messen dem eine große Bedeutung zu, wie sich wer in der Gesellschaft positioniert. Das wird dann mit dem Wert einer Person oder Familie verknüpft.

Familienüberzeugungen - wie wir sind - sind deshalb auch so schwer zu erkennen und aufzuspüren, weil sie keine direkten Botschaften an eine Person sind. Wer klar und deutlich zu hören bekommt: "Du bist taugst nichts.", dann ist diese Herabwürdigung in der Regel präsent und kann später aufgearbeitet werden. Wenn eine Familie hingegen seit Anbeginn sich unterwürfig verhält und die Beziehung zu anderen Menschen auf eine bestimmte Weise lebt, dann ist das keine klar erinnerbare Botschaft oder Erfahrung. Es ist vielmehr völlig Selbstverständlichkeit, dass die Welt so ist, wie erlebt und dass man selbstverständlich die Beziehungen zu anderen Menschen in der unterwürfigen Art weiterlebt.

Wer diese Aspekte und Prägungen seiner Vergangenheit aufarbeiten will, findet in der systemischen Familientherapie wertvolle Unterstützung. Sie hat das System Familie im Zentrum ihrer Erkundung. Es gibt viele Werkzeuge, mit denen Einflüsse der Ursprungsfamilie aufgearbeitet werden können. Auch wenn diese Therapieform nicht von den Krankenkassen finanziert wird, ist sie doch eine fest etablierte Therapieform, die auch wissenschaftlich ihre Wirksamkeit nachgewiesen hat. Sie ist auch recht verbreitet und in vielen Beratungsstellen arbeiten Menschen, die eine Ausbildung in dieser Therapieform haben. Natürlich gibt es auch jede Menge Literatur, mit der man einen Einblick bekommen kann, welche Auswirkungen das gelebte Familienleben auf das eigene Leben hat.

Dies zeigt auch mal wieder, wie wichtig es ist, die Problematik Sozialphobie multidimensional anzugehen. Es gibt nicht die Therapieform, die am besten dafür geeignet ist. Die Problematik ist so vielschichtig und auf unterschiedlichsten Ebenen gibt Einflüsse, die einer Bearbeitung bedürfen. Das kann weder eine Verhaltenstherapie noch eine tiefenpsychologische Therapie alleine leisten. Es braucht vielmehr integrative Wege, die unterschiedlichste Ansätze integrieren.

Wichtig ist aber auch die andere Seite: Jedes Familiensystem teilt Überzeugungen, die uns Kraft und Optimismus geben. Auch die wirken oft unbewusst und helfen uns Tag für Tag. Auch hier ist es gut, sich diese bewusst zu machen, um das gute Erbe der Familie sich weiter entwickeln zu lassen.

Ein Buch, was nach einer Kurzrecherche ganz vielversprechend klingt:

-- Fred

05.07.13 :: Aufbau des Selbstwertgefühls doch nicht gut?

Lange Zeit predigte man überall, dass ein hohes Selbstwertgefühl der Schlüssel für ein gutes Leben ist. Bei sozialen Ängsten und Schüchternheit gilt es als Schlüssel für ein selbstbewusstes und starkes Auftreten anderen gegenüber. Doch leider wie so oft - wenn man nicht genau hinschaut, erkennt man auch nicht die Schattenseiten und Irrwege, die so eine Orientierung mit sich bringen kann.

Wichtig ist immer die Frage, wie Menschen bestimmte Botschaften verstehen und was sie sich darunter vorstellen. Wird mit dem Wort Selbstwertgefühl zu unkritisch und wenig reflektiert umgegangen, wird schnell etwas falsches verstanden und etwas falsches kultiviert.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Schattenseiten dieser Selbstwertarbeit ein stärkeres Vergleichen sein kann. Man vergleicht sich also noch mehr mit anderen Menschen, um seinen Wert festzustellen. Man kultiviert also ein Vergleichsdenken, was in vielen Fällen eher schädlich für die eigene Zufriedenheit ist und das eigentliche Gefühl von Werthaftigkeit wieder angreift. Eine weitere Schattenseite ist eine Kultivierung des Narzissmus, also einer Selbstüberhöhung und Selbstverliebtheit, die egozentrisch ist. Man baut hier ein überlegenes Bild von sich auf und entfernt sich von der Realität. Man verdrängt seine eigenen Schwächen und zementiert so problematische Denk- und Verhaltensmuster.

Um dem entgegenzuwirken, wird heutzutage ein neuer Begriff geprägt: Das Selbstmitgefühl. Hier steht mehr im Fokus, sich selbst anzunehmen und anzuerkennen, so wie man ist. Es ist eine freundliche und wohlwollende Haltung uns selbst gegenüber. Selbstannahme führt zu mehr Gelassenheit und die Chance steigt, sich allumfassend entwickeln zu können, weil man seine Schattenseiten und Schwächen nicht mehr verdrängen muss. Gleichzeitig baut das auch Veränderungsdruck ab. Auch wenn Veränderung und Entwicklung gut ist, so leiden manche darunter, weil sie sich viel zu hohe Ziele setzen und sich so viel zu viel abverlangen. Hier ist es auch wichtig, das richtige Maß zu finden.

Bei Auditorium gibt es einen Kongress-Mitschnitt zum Thema: Neff, Kristin: Selbstmitgefühl und Wohlbefinden

Auch bei Amazon tauchen vermehrt Bücher auf, die das Thema Selbstmitgefühl aufgreifen.

-- Fred

01.07.13 :: Angst, Bedeutung und Aufmerksamkeit

Angst schafft Bedeutung und Bedeutung schafft Aufmerksamkeit. Wie das?

Was uns Angst macht, muss für uns eine besondere Bedeutung bekommen. Denn es ist eine Bedrohung. Unser ganzer Organismus reagiert auf diese Bedrohung, in dem ihm diese Umstände oder Situationen nicht mehr egal sind. Er sucht vielmehr nach Zusammenhängen und Mustern, wie er diese Bedrohung identifizieren kann. Und fortwährend achtet unser Organismus dann auf diese Muster in einem besonderen Maße. Erkennt er diese Angstmuster in der Umwelt, entsteht sofort wieder Angst. Die Angst löst dann die entsprechenden Angst-Reaktionsmuster aus, die uns geläufig sind.

Bei dieser Form der Aufmerksamkeit könnte man von einer angstgeleiteten Aufmerksamkeit sprechen. Das ist was anderes, wie eine interessierte Aufmerksamkeit. Solch eine angenehme Aufmerksamkeit zielt auf etwas, dem wir uns gerne und aus freiem Willen zuwenden. Woran wir Freude oder Spaß haben. Was uns anzieht. Womit wir gerne die Zeit verbringen. Die Angst hingegen sorgt dafür, jenes im Aufmerksamkeitsfokus zu halten, was gefährlich ist oder sein könnte.

Es ist eine interessante Frage, wie viel Zeit man mit welcher Form von Aufmerksamkeit verbringt. Menschen, die vieles beängstigt, verbringen sehr viel Zeit mit angstgeleiteter Aufmerksamkeit. Man beobachtet sein Umfeld dann stark aus der Intention der Gefahrenabwehr. Das kann dazu führen, dass man keinen Raum mehr hat für die genüssliche Achtsamkeit. Für das, was einen interessiert, woran man seine Freude haben könnte. Denn angstgetriebene Aufmerksamkeit hat natürlicherweise Vorrang.

Das bedeutet eben auch, dass wir uns erst dann den schönen und interessanten Dingen des Lebens so richtig zuwenden können, wenn wir uns nicht mehr bedroht fühlen. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, uns diese Freiräume bewusst zu schaffen, gerade dann, wenn wir oft unter Ängsten leiden. Denn diese interessierte Welt-Zuwendung ist wichtige Seelennahrung, die wir regelmäßig brauchen. Wenn immer nur Ängste unsere Aufmerksamkeit leiten, dann hungern wir sozusagen seelisch aus. Und das verursacht dann wieder depressive Verstimmungen.

Die Bedeutung, die beängstigende Dinge schaffen, kann uns auch längere Zeit beschäftigen. Selbst wenn im Moment keine Bedrohung herrscht. Das ist ja das Besondere des menschlichen Bewusstseins: Wir können zu jeder Zeit über Bedrohliches nachdenken, um Lösungen heraus aus einer Bedrohung zu finden. Wir können jederzeit unsere Bewusstsein dafür einspannen, sich mit Bedrohungen auseinanderzusetzen. Leider ist das auch oft genug kein Segen, sondern echte Belastung. Kreisende Gedanken, die keine Lösung finden, sondern immer wieder sorgenvolle Probleme durchkauen.

Zu einer guten Seelenhygiene gehört es deshalb, regelmäßige Auszeiten zu schaffen, in denen sorgenvolle Gedanken keinen Raum bekommen. Sozusagen Freiräume, in denen man sich erholen und auftanken kann. Zeiten, in denen man sich dem zuwendet, was Freude macht, was einen erfüllt.

Oft genug haben wir hier grundsätzlich die Wahl. Vieles ist im Moment nicht so bedrohlich, dass wir jetzt wirklich intensiv nach einer Lösung suchen müssen. Vielmehr ist es die Angst, die uns immer wieder dahin treibt. Regelmäßige Auszeiten zu schaffen kann man lernen, es braucht hier regelmäßige Übung, so dass man seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit bewusst leiten und lenken kann. Auch äußere Umstände können ganz automatisch dafür sorgen: Manche gehen Joggen, andere vergnügen sich in einer Disothek. Manche verschaffen sich Abstand durch Spaziergänge in der Natur. Es geht um Situationen in entspannter Atmosphäre, die uns so positiv vereinnahmen, so dass sorgenvolle Gedanken gar nicht mehr aufkommen.

Angst schafft Bedeutung, wie ich oben erwähnte. Und was Bedeutung hat, füllt unser Bewusstsein aus. So können wir umgedreht auch aus allem lernen, was für uns eine Bedeutung bekommen hat. Ist es eine angstbesetzte Bedeutung? Oder eine Bedeutung, die durch Freude und Interesse entstand? Wenn wir uns das anschauen, was für uns Bedeutung hat, können wir viel über uns lernen.

Angstbewältigung kann umgedreht heißen, dass vieles wieder bedeutungslos werden soll. Beispiel: Ob uns jemand anguckt oder nicht, hat vielleicht jetzt eine große Bedeutung, weil es uns stresst. Wenn die Angst davor sich aber aufgelöst hat, verliert auch diese Situation völlig ihre Bedeutung. Wenn wir Angst haben, in der Öffentlichkeit zu zittern, dann liegt die Lösung darin, die Bedeutung dieser Situation zu reduzieren. Das wir z.B. unsere Bewertung dieser Situation gegenüber verändern. Vor anderen zu zittern ist vielleicht jetzt noch sehr schambelastet. Ob etwas in uns Scham auslöst, ist allerdings eine Frage unserer Bewertung und die kann sich ändern. Dazu braucht es vor allem auch Übung.

Mit der Angst vorm Erröten ist es ganz ähnlich: Bewerten wir die Situation anders und können wir annehmen, dass es sein darf, hat es keine große Bedeutung mehr für uns. Und dann passiert es erstaunlicherweise auch nicht mehr. Angst, Bedeutung und angstgeleitete Aufmerksamkeit sind eng miteinander gekoppelt.

Insofern könnte man auch mal mit dieser Idee in die Welt gehen:

Es geht nicht darum, seine Angst zu bewältigen, sondern vieles bedeutungslos werden zu lassen.

-- Fred

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