Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2013-Q4)

15.12.13 :: Angst bleibt ein wichtiges Lebensthema

Als Gesellschaft halten wir das Thema Angst geschickt aus unserem Bewusstsein heraus. Es gibt wenige Menschen, die direkt über ihre Ängste sprechen. Angst scheint vordergründig nicht zu existieren. Von einigen wenigen Situationen abgesehen, wo es legitim erscheint, Angst zu haben. Wenn z.B. schaurige Verbrechen in den Medien gezeigt werden.

Dabei sagen uns doch viele Weisheitslehrer, dass die Angst ein ganz essenzielles Lebensthema eines jeden Menschen ist. Die Angst, die ein Leben lang immer und immer wieder präsent ist. Die Angst, mit der wir immer wieder ringen müssen und die uns so auch reifen lässt.

Doch auch wenn wir vermeiden, offen darüber zu sprechen - die Angst ist allgegenwärtig. Und wenn man mal genauer auf die Intention vieler scheinbar belangloser Gespräche achtet, man findet überall auch die Angst.

Es wird darüber gesprochen, wer gestorben ist, ob nun im näheren Umfeld oder Personen der Öffentlichkeit. Diese Anteilnahme vermischt sich oft mit der eigenen Angst und erinnert einen an die Endlichkeit des eigenen Lebens. Man versucht zu verstehen, warum jemand gestorben ist und was man anders machen kann, damit einem so eine Schicksal nicht widerfährt. Dann kommen so Sprüche wie: "Der hat ja auch zu viel getrunken." Und weil man selber nicht trinkt, hat man sich scheinbar der Angst entledigt: "Mir kann das nicht passieren, denn ich trinke ja nicht."

Umgedreht kann die Angst einen antreiben, alles Mögliche zu tun, um gesunder zu leben. Könnte man es genauer untersuchen, wäre es spannend, wie viel von all den Gesundheitsaktivitäten man auf die Reaktion von Angstgefühlen zurückführen kann. Im Gegensatz zu Vernunft oder Einsicht.

Existenzängste ziehen sich natürlich auch durch die ganze materielle Ebene: Werde ich meinen Arbeitsplatz behalten? Werde ich leistungsfähig bleiben? Ist mein materielles Vermögen gut geschützt und versichert? Was könnte mich in irgendeiner Form materiell bedrohen oder ruinieren? Auch um solche Themen drehen sich viele Alltagsgespräche, wobei man nur selten über Angst spricht. Man spricht hingegen über Absicherung, Vorsorge oder Aufbau von Kompetenzen. Man spricht darüber, wie man geschickt sein Leben managen kann. Doch das, was eigentlich treibt, ist die Angst.

Die Schönheitsindustrie lebt auch gut von den Ängsten der Menschen, nicht mehr genügend dem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen. Und sie sorgt natürlich auch dafür, dieses Ideal zu prägen und zu definieren. Angst ist gut fürs Geschäft. Genaugenommen die Angstvermeidung, die man mit Abhängigkeit erkauft. Doch sorgen diese Idealbilder auch ganz real dafür, dass man schlechtere Chancen in vielen Berufsfeldern hat, wenn man nicht mehr so diesem Ideal entspricht. Die Anforderungen sind hoch, die Angst zu scheitern, ebenso.

Das lässt sich auch ganz generell sagen: In einer Gesellschaft, wo in vielen Gebieten genaue Vorstellungen vorhanden sind, wie man sein sollte und was gut ist, steigt die Gefahr des Scheiterns und damit steigt die Angst. Wenn ich nicht all das erfüllen kann, falle ich raus, bekomme ich nicht die Anerkennung, werde ich nicht mehr gemocht. Wir sorgen durch unsere gesellschaftlichen Auffassungen vom Leben dafür, Ängste zu schüren und Druck aufzubauen. Dies erkennt man auch an immer wieder aufkommenden Gegenbewegungen - Menschen, die aus dem gesellschaftlichen Druck aussteigen und ganz bewusst nach einem freieren Leben und anderen Lebensmodellen suchen.

Das ist das Merkwürdige unserer Zeit: Wir schüren als Gesellschaft an vielen Stellen Angst. Und gleichzeitig ist Angst ein Tabu, worüber man nicht spricht.

Wichtig finde ich, zu erkennen, dass man mit seinen Ängsten eigentlich gar nicht so alleine da steht. Die gesellschaftliche Vermeidung, über Ängste zu sprechen, erzeugt da ein ganz falsches Bild. Man darf sich da nicht narren lassen.

In Angst-Selbsthilfegruppen wird dieses Tabu gebrochen. Hier ist ein Raum, wo man genau über solche Ängste sprechen kann und diese verstehen lernt. Und wo man immer wieder erstaunt feststellt, wie Angst zum Alltag so vieler Menschen gehört. Und nicht selten kommt man mit der Zeit auch zu der Erkenntis, dass eigentlich alle Menschen immer wieder in ihrem Leben mit Angst beschäftigt sind. Nur viele wissen das noch nicht, weil sie es nicht bewusst durchdringen und weil die gesellschaftlichen Tabus noch zu stark greifen. Man hat schlicht keine Vorstellung davon, was Angst ist und begreift nicht, welche Kräfte einen da an- und umtreiben.

Damit es hier nicht zu einseitig wird: Angst muss nichts sein, was das ganze Leben überschattet. Es ist sicherlich ein wichtiges Lebensthema, aber Lebensfreude, Lebenslust, Interesse, Neugier und Spaß am Leben sind natürlich genauso wichtige Themen. Es geht vielmehr darum, das ganze Gefühlsspektrum anzuerkennen und sich dem zuzuwenden, was gerade da ist und was unsere Zuwendung braucht.

-- Fred

04.12.13 :: Vergangenheitsbewältigung ist zu wenig

Wenn es um Problembewältigung bei psychischen Themen geht, ist man schnell in der Vergangenheit. Man nennt das dann Vergangenheitsbewältigung, also die Aufarbeitung schwieriger Lebenserfahrungen, die uns deformierten oder negativ prägten. Diese Prägung wirkt auch heute noch, doch man kann sich auch von diesen Nachwirkungen befreien oder einen neuen Umgang damit finden. Das wäre der Sinn von Vergangenheitsbewältigung.

Vergangenheitsbewältigung ist wichtig und meist auch der erste Schritt, weil die negativen Erfahrungen alles überschatten können. Dann ist der Blick zurück nur negativ. Doch in der Vergangenheit liegen natürlich nicht nur negative Erfahrungen. Dort finden wir auch gute Erfahrungen, die Quellen für Freude, Lebenlust, Interesse und Vitalität waren.

Hierin liegt eine große Chance. Denn viele dieser Quellen brauchen eine erneute Zuwendung. Mit dieser Zuwendung können wir sie wieder fließen lassen und das Gute der Vergangenheit im Hier und Jetzt neu kultivieren. Die Vergangenheit ist damit auch eine Schatzkammer, die wir öffnen können und von der wir jetzt profitieren können. Es kann ein Zugangsweg sein, mit unserer Lebendigkeit wieder in Kontakt zu kommen.

Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf: In Gruppengesprächen waren wir schon sehr oft bei der Vergangenheitsbewältigung. Da zieht es einen logischerweise automatisch hin. Das, was nicht gut war, ist sehr präsent. Und damit vergisst man die gute Seite. So passierte es in den letzten Jahren relativ selten mal, dass wir uns den positiven Dingen der Vergangenheit gewidmet haben. Dies könnte man sicherlich mal ganz bewusst angehen, damit auch dieser Bereich nicht unter geht.

Das hat auch noch einen weiteren positiven Effekt: Es kommt immer mal wieder von Betroffenen als Feedback, dass sie manche Gruppe runterzieht. So wichtig die Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten ist: Wenn über Bedrückendes gesprochen wird, besteht auch immer die Gefahr, dass man bedrückt aus einer Gruppe geht. Wobei man auch lernen kann, wieder Abstand zu solchen Erfahrungen zu entwickeln.

Die andere Seite ist aber eben auch wichtig: Das wir über das reden, was uns trägt, was uns nährt und was eben auch in der Vergangenheit gut war. Die Quellen, aus denen man schöpft. Dies regt gleichzeitig auch die anderen an, ebenso nach guten Erfahrungen Ausschau zu halten und diese für sich zu kultivieren.

Manchmal besteht die Lösung eines Problems nicht darin,
das Problem anzugehen,
sondern das Gute zu nähren.

-- Fred

02.12.13 :: Der optimale Therapeut

In einem Gruppengespräch haben wir uns über das Thema "Positive und negative Erfahrungen mit Therapeuten" ausgetauscht. Das war schon sehr interessant. Es zeigte mal wieder, dass es keine standardisierte Therapie für soziale Ängste geben kann, weil jeder Betroffene etwas anderes braucht.

Da gab es z.B. einen Betroffenen, der von dem kuschelweichen Kurs nicht profitieren konnte, denn was er eigentlich brauchte, war ein Mensch, der ihn auch fordert und mal klare Vorgaben macht. Es fehlte ihm oft der Mut, etwas mal konkret anzugehen. Er brauchte sozusagen eine Begleitung, die seinem eigenen ständigen Ausweichen etwas entgegensetzt und ihn dazu auffordert, in ganz kleinen Schritten sich auszuprobieren. Und jemanden, er auch bei der nächsten Stunde ganz konkret nachfragt, was aus den Hausaufgaben geworden ist.

Doch dann gab es wiederum eine Betroffene, die sagte, dass sie sowas viel zu sehr unter Druck setzen würde und sie gerade diese annehmende Art bräuchte. Ein Raum, eine Begegnung, wo sie nichts leisten muss, wo sie Vertrauen aufbaut und hier ihre Defizite verstehen lernt. Wo ein Therapeut, der zu viel fordert, vielleicht dafür sorgen würde, dass es zu einem schnellen Therapieabbruch kommt.

Ein Weiterer hatte das Bedürfnis, dass der Therapeut ihm die Grundlagen von Angsterkrankungen und sozialer Phobie erklärt, um überhaupt erstmal ein Verständnis für seine Krankheit zu entwickeln. Psychoedukation also. Stattdessen ging es in der Therapie immer um die Vergangenheit, für die derjenige zu diesem Zeitpunkt gar nicht offen war. Sein Empfinden war, dass diese ganze Vergangenheitsschau ihm nichts gebracht hat, er stattdessen konkretes Krankheitsverständnis und konkrete Alltagsübungen gebraucht hätte.

Umgedreht gibt es Betroffene, die genau diese Schau auf die Vergangenheit brauchen, um sich über sich klar zu werden. Warum bin ich der geworden, der ich heute bin? Was hat dazu geführt und wie beeinflussen mich vergangene Erfahrungen heute noch massiv? Wie kann ich mich aus dem Griff solcher alten Erfahrungen befreien? Auch hier gibt es genügend Betroffene, die eine eher verhaltenstherapeutische Therapie an ganz konkreten Problemen im Hier und Jetzt nicht sonderlich produktiv fanden, weil sie einfach eine tiefe Sehnsucht danach hatten, sich mehr in der Tiefe zu verstehen, um aus dieser Tiefe heraus ihre Probleme zu bewältigen.

Manche finden es gut, wenn der Therapeut völlig offen ist und eher dem Prozess des Klienten folgt. Andere brauchen das Gefühl, dass der Therapeut einen Plan hat und uns irgendwohin führen will. Ein Therapeut sozusagen, der das Land und das Ziel kennt und uns durch den Dschungel leitet.

Ein wesentliches Problem scheint zu sein, dass wir eigentlich alle was sehr unterschiedliches brauchen, Therapeuten aber meist nur eine Therapieform kennen und abdecken können. Und wenn diese Therapieform nicht das ist, mit dem ich jetzt im Moment etwas Sinnvolles lernen kann, dann geht die Therapie schief. Dann bewirkt sie nicht viel, wird widerwillig gemacht und produziert sinnlos Kosten.

Sogesehen müsste man zur Optimierung des Therapieprozesses eigentlich zuerst einmal einen Berater haben, mit dem man herausfindet, welche Therapieform im Moment sinnvoll ist. Um dann gezielt nach Therapeuten zu suchen, die diese Therapieform anbieten.

Was auch immer wieder auffällt ist, dass Einzeltherapie ganz stark dominiert. Fast niemand macht Gruppentherapie im ambulanten Bereich. Viele kennen sie nur aus der Klinik. Gruppentherapie kann aber gerade bei einer sozialen Phobie ein wichtiges Lernfeld sein. Auch eine Kombination von Einzel- und Gruppentherapie wäre sinnvoll. Es ist schon erstaunlich, dass in Kliniken fast durchweg hauptsächlich Gruppentherapie gemacht wird, im ambulanten Bereich hingegen fast durchweg Einzeltherapie. Das legt die Vermutung nahe, dass hier aus irgendwelchen Gründen Strukturen gewachsen sind, die sich nicht daran orientieren, was am Besten hilft.

Umgedreht kann das auch heißen: Wer die Möglichkeit hat, kann sich auf dem freien Therapiemarkt das als Ergänzung suchen, was die kassenfinanzierte Methodik nicht her gibt. Oder man sucht intensiver im kassenfinanzierten Bereich, denn auch hier findet man Möglichkeiten, die nur wenig bekannt sind.

-- Fred

27.11.13 :: Vorwurfshaltung

Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens Ungerechtigkeit erlebt haben. Ungerechtigkeit, wo man etwas nicht bekommen hat, was einem zugestanden hätte. Wo andere mehr bekommen haben, als man selbst. Oder Situationen, wo man nicht gesehen und nicht beachtet wurde.

Viele dieser Ungerechtigkeiten werden uns nur kurzfristig in Ärger, Wut oder Zorn versetzen. Vielleicht auch Trauer oder Resignation. Doch ein paar Tage später schon ist diese Erfahrung nicht mehr wichtig. Oft hilft es uns in solchen Fällen, wenn wir die umgedrehte Erfahrung machen, wenn uns das Leben mal großzügig beschenkt.

Es gibt aber Lebensläufe, da werden Ungerechtigkeitserfahrungen zu einem zentralen Lebensthema. Dieses Lebensthema kann so im Vordergrund stehen, dass man immer wieder ganz sensibel auf jede Form von Ungerechtigkeit reagiert. Daraus kann dann eine Vorwurfshaltung der Welt gegenüber entstehen. Warum werde ich benachteiligt? Warum sieht mich keiner?

Vorwurfshaltung deshalb, weil man eigentlich will oder fordert, die Welt möge doch endlich mal anders werden. Warum seid ihr alle so egoistisch? Warum gebt ihr mir nicht endlich das, was mir zusteht? Mitunter ist einem diese Vorwurfshaltung nicht bewusst. Oder das eigentliche Bedürfnis hinter dem Vorwurf ist einem nicht bewusst.

Wenn du demnächst in einer Vorwurfshaltung bist, versuche mal, dein Bedürfnis zu formulieren, was hinter dem Vorwurf steht.

Man veharrt dann sehr lange in dieser Vorwurfshaltung an die Welt und sie wird regelmäßig aufgefrischt, weil man natürlich immer wieder etwas erlebt, was so nicht in Ordnung ist. Das können schon Kleinigkeiten sein, dass jemand sich in der Schlange vordrängelt oder jemand einem die Vorfahrt nimmt. Dann bekommt das große Lebensthema Ungerechtigkeit wieder Energie und lebt auf. Man füttert sozusagen regelmäßig sein Lebensthema.

Wenn man für sich eine Vorwurfshaltung an die Welt entdeckt, steckt eine große Chance darin. Die meisten Vorwurfshaltungen führen nämlich zu nichts und es ist klug, sie möglichst bald aufzulösen. Vorwurfshaltungen binden unsere psychischen Energien, aber sie verändern fast immer nichts. Wir hängen fest.

Sehr eindrucksvoll ist das, wenn einem jemand die Vorfahrt nimmt. Man kann sich danach fürchterlich aufregen, was es doch für unachtsame und egoistische Menschen gibt. Aber das ändert gar nichts. Damit werden es nicht weniger Menschen, die sich so verhalten. Und unsere Unmutsäußerung erreicht auch nicht diese Person, die uns da gerade ein Vorfahrtsrecht genommen hat.

In Vorwurfshaltungen steckt oft, das wir noch nicht angenommen haben, das die Welt so ist, wie sie ist. Annehmen heißt nicht, etwas als gut zu empfinden. Es heißt nur, zu begreifen, dass die Welt auch Ungerechtigkeit enthält und das es egozentrische Menschen gibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir das gut finden oder nicht. Es ist einfach so. Und wir führen einen Kampf gegen diese Realität. Doch können wir diesen Kampf jemals gewinnen?

Wenn man erstmal anerkannt hat, wie die Welt ist, kann man schauen, was man in einer konkreten Situation dafür tun kann, dass es gerechter zugeht. Und man kann sich um seine Bedürfnisse kümmern. Wenn man anerkannt hat, dass es Ungerechtigkeit gibt, will man nicht mehr die absolute Gerechtigkeit in der Welt herstellen und klagt die Welt auch nicht mehr an. Vielmehr konzentriert man sich auf das, wo man wirklich etwas bewirken kann, dass es besser wird.

Man konzentriert sich auf das, was geht, und vestrickt sich nicht mehr in das, was nicht geht.

Wenn uns jemand die Vorfahrt nimmt, können wir oft nichts tun. Zumindest nicht direkt. Wir können es aber zu einer wunderbaren Übung machen, Dinge anzunehmen, die wir nicht ändern können. Und wenn uns doch auch an einer Veränderung liegt, können wir indirekt etwas tun. Wir könnten uns irgendwie dafür einsetzen, Menschen den Wert eines achtsamen Miteinanders beizubringen. In welcher Form auch immer. Das wäre eine echte Bereichung. Die Vorwurfshaltung hingegen vergiftet uns selbst und auch andere. Sie ist eine unproduktive Ausdrucksform, die wir aber erkennen und über die wir hinauswachsen können.

Vorwurfshaltungen sind auch deshalb ungünstig, weil sie die Chance verringern, dass wir Menschen wirklich erreichen. Denn ausgesprochene Vorwürfe führen in der Regel nur zu Abwehr. Keiner will den schwarzen Peter zugeschoben bekommen. Wir bewirken keine wirkliche Veränderung. Menschen sind durchaus bereit, sich zu ändern, wenn sie ein Verständnis oder eine Einsicht entwickeln. Aber Menschen fühlen sich nur äußerst ungern schuldig.

-- Fred

20.11.13 :: Das Yin und Yang im Gruppenprozess

Was ist ein guter Gruppenprozess? Am Anfang brauchen die meisten Gruppen Zeit, um miteinander warm zu werden. Anfangs fließt die Energie noch nicht, stattdessen dominiert Zurückhaltung. Man checkt erstmal die Lage und versucht, die anderen einzuschätzen. Man könnte das auch als Fremdeln oder Scheuheit bezeichnen.

Wenn diese anfängliche Zurückhaltung weicht, fließt die Energie freier und ungehindert. Dann entsteht Lebendigkeit. Dann entstehen Wortbeiträge, die andere wieder anregen, auch was zu sagen. Manchmal wird so ein Prozess so stark angeregt, dass er überkocht. Dann wird der Druck bei vielen groß, sich sofort in das Gespräch einmischen zu müssen. Dann unterbricht der eine den anderen. Genauso kann es passieren, dass sich alles wieder etwas abkühlt. Diese Abkühlung ist keine Blockade, wie am Anfang. Es ist vielmehr eine ganz natürliche Sache, dass das Thema nicht mehr so viele Impulse und Ideen produziert. Wie ein Feuer, welches heruntergebrannt ist. Auch gibt es Rhythmen in uns, mal ist unser Denken schnell und die innere Energie stark, und dann wird alles wieder ruhiger.

Aus der Musik kennen wir auch solche unterschiedlichen Rhythmen. Und es ist nicht so, dass die schnellen und explosiven Momente besser sind, als die ruhig-besinnlichen. Beides hat seinen Reiz, beides braucht es. Und beides ist irgendwie in Bewegung und bewegt uns.

Damit ein Gruppenprozess gut funktioniert, braucht es Yin- und Yang-Energie.

Yin steht für empfangend, lauschend und aufnehmend.

Yang steht für Aktivität und Selbstausdruck, wenn wir also auf Sendung gehen und uns durch Redebeiträge einbringen.

Beide Qualitäten - Yin und Yang - sind zentral wichtig, damit eine Gruppe zu einem guten Gruppenprozess findet. Durch gutes Zuhören verbinden wir uns mit dem Thema, lassen in uns hinein, was gerade im Raum ist. Nur wenn wir dies gut in uns aufnehmen, kann eine Resonanz in uns entstehen: Meinungen, Emotionen, Gedanken, Ideen oder innere Bilder. Yin verlangt eine Wachheit und ein Sein im Hier und Jetzt. Wenn wir mit unseren Gedanken irgendwo sind, sind wir nicht mit dem Gruppenprozess verbunden. Dann ist nur unser Körper da, aber nicht unser Geist. Durch Abwesenheit koppeln wir uns vom Prozess ab, wir sind nicht mehr im Yin-Zustand.

Umgedreht ist auch die Yang-Seite von großer Bedeutung. Yang ist Veräußerung von Innerlichkeit. Wir bringen etwas in den Raum, was in uns passiert. Wir reden über unsere Gedanken, Meinungen, Erfahrungen und Erinnerungen. Wir teilen uns mit und teilen damit. Das, was zuvor nur in uns war, kommt in den Raum und kann so bei anderen resonieren. Yang ist mehr, als nur das Wort. Yang ist alles, was wir bei anderen wahrnehmen können: Die Gestik, das Artikulieren mit Händen und Füßen, der Tonfall, die Lautstärke und deren Modulation.

Sozialphobie-Gruppen haben verständlicherweise oft Schwierigkeiten, in einen guten Fluß der Energien zu kommen. Es gibt Betroffene, die grundsätzlich nur im Yin-Zustand sind. Es ist eine ganz tief verwurzelte Verhaltensweise, in einer Gruppe nichts zu sagen. Stattdessen beobachtet man nur und nimmt auf. Befindet sich also ausschließlich im Yin-Zustand. Wenn zu viele Gruppenmitglieder im Yin-Zustand verhaftet sind, fehlt in der Gruppe das Yang. Im Extremfall bedeutet das eine schweigende Gruppe ohne jegliche Anregung. Das ist aber eher selten, weil es immer auch Betroffene gibt, die ganz gut in Gruppen reden können. Und Betroffene, die sich mit etwas Mühe in den Yang-Zustand bringen können.

Was dann aber passiert, ist auch noch keine ausgeglichene Gruppe: Ein paar wenige Mitglieder bringen Yang hinein, der Rest bleibt weiter im Yin-Zustand. Im Extremfall unterhalten sich 2 Mitglieder pausenlos, während der Rest nur zuhört. Das wird dann kein wirklicher Gruppenprozess und die Kommunikation bleibt relativ einseitig. Es werden nur die Gedanken dieser beiden Mitglieder spürbar. Selbst wenn die Hälfte der Gruppe sich hin und wieder einbringt, bleibt der Rest der Gruppe ausschließlich im Yin-Zustand. Die Gedanken dieser Mitglieder werden nicht spürbar. Das ist ein echter Verlust für die Gruppe.

Problematisch ist diese Situation auch, weil scheinbar eine Gruppe funktioniert, da ein Gruppenprozess in Gang kommt. Die Mitglieder, die Gruppe für Gruppe im Yin-Zustand verharren, fallen kaum noch auf. Und man gewöhnt sich schnell daran und dann fallen sie noch weniger auf. So kann es passieren, dass zahlreiche Mitglieder jahrelang weiterhin im Yin-Zustand veharren, ohne dass diese Problematik der Gruppe sonderlich auffällt.

Das ist ein sehr bedeutsamer Umstand in der Sozialphobie-Selbsthilfearbeit. Denn ein sinnvolles Ziel ist doch, dass jedes Mitglied an seiner Yang-Schwäche arbeiten kann, um irgendwann ausgeglichene Yin- und Yang-Qualitäten zu entwickeln. Das ist die große Herausforderung, wie man es schafft, das Yin-Mitglieder immer wieder eingeladen werden können, Yang-Qualitäten zu entwickeln, anstatt dass sie immer mehr zum unbemerkten Teil der Gruppe werden.

Es geht dabei nicht darum, von jedem Mitglied Yang-Qualitäten einzufordern. Ob jemand Yang-Qualitäten entwickeln will, muss jeder schlussendlich selbst entscheiden. Das ist die Eigenverantwortung, die in der Selbsthilfe wichtig ist. Es geht vielmehr darum, ein förderliches Umfeld zu schaffen für diejenigen, die erkannt haben, dass Yang-Qualitäten für sie wichtig sind und die sich darin entwickeln wollen.

Das ist auch die interessante Frage, die man sich selber stellen kann: Wie ist es mit meinen Yang-Qualitäten? Kann ich mich genügend in Gruppen einbringen? Und wenn nicht, möchte ich ernsthaft daran arbeiten, dies mehr und mehr zu können?

Die Yin-Seite zu entwickeln ist übrigens auch nicht uninteressant. Denn nur, weil man in Gruppen die Yang-Seite nicht lebt, heißt das noch lange nicht, dass man wirklich im Yin-Zustand ist. Es ist gar nicht so untypisch, dass viele weit weg und ganz woanders in Gedanken sind. Oder Ängste und Unwohlsein binden das eigene Bewusstsein derart, dass man nicht wirklich Teil des Gruppengesprächs ist.

Ein Grund dafür könnte auch direkt etwas mit der fehlenden Yang-Seite zu tun haben. Wir brauchen ein Gleichgewicht von Yin und Yang. Wenn die Yang-Seite blockiert ist, laufen wir innerlich schnell über. Alle geistige Energie, die sich in uns aufbaut, bleibt innerlich und kann einen starken inneren Druck aufbauen. Bei manchen hat man den Eindruck, sie platzen innerlich gleich. Ein Schutzmechanismus ist dann, das man sich aus dem Geschehen ausklinkt und gedanklich irgendwo anders ist. Man kann sozusagen gar nicht lange zuhören, weil der Energiefluß nach außen - die Yang-Seite - blockiert ist.

Yin und Yang - beides sind wichtige Seinsweisen im Gruppenprozess. Mit beiden Seiten gut umzugehen und beide Seiten gut zu entwickeln, könnte ein wichtiges Ziel in der Selbsthilfe-Gruppenarbeit bei sozialen Ängsten sein.

-- Fred

16.11.13 :: Ausflug Pferdehof Cankuna

Heute haben wir einen länger vorbereiteten Ausflug zum Pferdehof Cankuna gemacht. Der Hof hat sich auf therapeutische Arbeit mit Pferden spezialisiert. Tiertherapeutische Angebote werden in den letzten Jahren in der stationären Psychotherapie vermehrt eingesetzt.

Ein Pferd ist ein guter Spiegel für das eigene Verhalten. Bei sozialen Phobien zeigt sich z.B. sehr gut, wenn jemand zu zurückhaltend ist und es ihm schwer fällt, Führung zu übernehmen. Dann folgt das Pferd nicht. Es geht dabei um den Einsatz der Stimme und der Körpersprache. Vielen ist es gar nicht bewusst, dass sie in diesem Bereich Defizite haben. Dadurch, dass das hier nun klar sichtbar wird, kann damit gearbeitet werden. Ziel der Arbeit ist es, klar und deutlich zu kommunizieren, was man will. Und dies auch mal etwas kraftvoller und dominanter. Das sind wichtige Verhaltensweisen, die bei sozialen Ängsten und Schüchternheit eine Nachnährung brauchen.

Pferde sind hier auch klare und eindeutige Kommunikationspartner. Sie zeigen uns unmittelbar und unmissverständliche durch ihr Verhalten, wie wir wirken. Pferde machen uns nichts vor, sie können sich nicht verstellen. So können wir wieder Vertrauen in das Gegenüber entwickeln.

Das Thema "Vertrauen entwickeln" hat auch eine weitere Bedeutun: Sich auf das Tier einzulassen und loszulassen. Zu spüren, dass das Pferd mich trägt und ich mich entspannen kann.

Überängstlichkeit ist oft eine Folge von Überbehütetsein. Man konnte sich in der Kindheit nicht ausprobieren und mal an seine Grenzen gehen. Die Eltern hatten ständig Angst, dass etwas passierte und so lernten auch wir, überängstlich zu sein. In der Auseinandersetzung mit dem Tier kann man nun wieder lernen, sich etwas zu trauen, z.B. mal im Trab zu reiten und auch hier Sicherheit zu entwickeln. Dies ist die zentrale Erfahrung: Mutig zu sein, sich etwas zu trauen und zu spüren, dass man es handhaben kann. Das macht Mut, auch im Alltag nicht vor allen Herausforderungen zurückzuschrecken, sondern sich auch mal auszuprobieren. Selbst wenn es auch hin und wieder schief geht.

Die 4 Stunden auf dem Pferdehof vergingen wie im Flug. Nach etwas Theorie und Kennenlernen, ging es daran, die Pferde zu putzen. Das war schonmal ein erster Kontakt mit dem Tier. Dann haben wir ein paar Bodenübungen gemacht, also das Pferd geführt und ihm Kommandos gegeben. Und dann ist auch jeder mal geritten und konnte sich so auf die Bewegungen des Pferdes einlassen. Einige sind noch nie geritten, so dass das eine ganz neue Erfahrung war. Alles in allem war es ein sehr interessantes Erfahrungsfeld, was alle in einer Abschlußrunde bestätigten. Insgesamt waren wir zu zwölft. Wir hatten 4 Pferde, so dass wir in kleinen 3er Gruppen arbeiten konnten.

Der Ausflug hat einen ersten Einblick in die tiertherapeutische Arbeit mit Pferden gegeben. Wer Interesse hat, so einen therapeutischen Prozess zu intensivieren, kann die Angebote des Hofes für sich weiterhin nutzen. Leider wird diese Form der therapeutischen Arbeit nicht von den Krankenkassen finanziert, die Kosten muss man also selber tragen.

Dieser Ausflug wurde allerdings als Selbsthilfe-Projekt von den Krankenkassen mitfinanziert, wofür wir sehr dankbar sind. Solche Erfahrungen sind sehr wertvoll, weil Heilung oft ganz vielschichtig abläuft. Jedem hilft etwas anderes und die Summe unterschiedlicher Angebote und Erfahrungen ist es schlussendlich, was hilft. Durch solche Projekte bekommt man einen ersten Eindruck, was von einer therapeutischen Arbeit zu erwarten ist und kann so hier evtl. dann auch weitermachen. Nur wer überhaupt einen ersten Eindruck hat, was es gibt, kann sinnvoll für sich wählen. Das Problem ist nämlich, dass viele Wege oft völlig unbekannt sind, weil nur ganz wenige Therapieformen eine Kassenzulassung haben. Es ist ein wichtiges Anliegen unserer Selbsthilfearbeit, über unterschiedliche Wege der Therapie von Ängsten informiert zu sein und das geht ganz oft nur über eine praktische Erfahrung damit. Einige aus unseren Gruppen hatten auch schon intensivere Erfahrungen mit tiertherapeutischer Arbeit und haben davon sehr profitiert.

Ein großes Dankeschön an alle Helferinnen auf dem Hof, die uns so gut umsorgt haben. Ebenso ein Dankeschön an alle Organisatoren im Hintergrund, die dieses Projekt ermöglicht haben.

-- Fred

04.11.13 :: Die Wunde der Ausgestoßenen

Von einem Menschen abgelehnt zu werden, kann je nach Situation schon sehr schwierig sein. Von einem Kollektiv oder einer Gruppe abgelehnt zu werden, in dem man sich vorher eingebunden gefühlt hat, hat aber noch eine viel größere Dimension. Dies kann einen tief erschüttern und traumatisch verletzen.

Man muss sich dabei die ganze Tragweite klar machen, was das bedeutet. Man hat sich mit der Gruppe gut verbunden gefühlt, war ein Teil davon, hat sich damit identifiziert. Wir sind nicht nur ein Teil der Gruppe, die Gruppe ist auch ein Teil von uns. Wir sind es zudem seit Urzeiten gewohnt, Teil von Gruppen zu sein, wir sind soziale Wesen. Es gab Zeiten, da bedeutete die Trennung von einer Gruppe den Tod. Hier hat also ganz real der Verlust der Gruppe das Leben bedroht. Vielleicht ist es in unseren Genen verankert, das solche Brüche auch genetisch eine dramatische Bedeutung bekommen.

In der heutigen Zeit erleben solche Brüche manche schon sehr früh. Schon in der Ursprungsfamilie kann es passieren, dass man sich nicht wirklich als Teil dieser Familie empfindet. Das man hier schon regelmäßig Ablehnung und Ausgrenzung in den ersten Lebensjahren erfährt. Später ist die Schule ein Ort, wo man Mobbing und Ausgrenzung erfahren kann. Und wenn man sich die Biografien von Menschen aus unseren Gruppen anschaut, ist das recht häufig der Fall. Dann kommt die Zeit der Pubertät, in der es viel darum geht, seine eigene Identität und seinen eigenen Weg zu finden. Auch hier ist die Gefahr groß, dass man von Gruppen Ablehnung erfährt und auf sich selbst zurückfällt. In einer Zeit, in der man doch eigentlich auch viel Halt bräuchte, weil man sich ja sowieso schon so entwurzelt fühlt.

Wenn in solchen Momenten dann auch der Rückhalt durch anderen Beziehungen fehlt, wird es besonders schwierig. Dann hat man das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Besonders dann, wenn man sich wirklich tief auf eine Gruppe eingelassen hat und sich stark mit ihr verbunden fühlte.

Im Berufsleben später steigt auch die Gefahr, ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Wir leben in einer sehr konkurenzdominierten Arbeitswelt, so dass es hier immer wieder zu Grabenkämpfen und Ausgrenzung kommen kann. Das kann man keinesfalls verallgemeinern, es gibt auch viele Arbeitsplätze, wo es sehr kollegial und solidarisch zugeht. Es geht eher um eine Tendenz und um Einflüsse, die auch zahlreiche problematische Arbeitsplätze hervorbringen, wo man schnell zu einem Ausgrenzungsopfer wird. Besonders schwer wird es hier wiederum, wenn man voll und ganz in seiner Arbeit aufgegangen ist und dies zu einem zentralen Feld für Bestätigung und Halt geworden ist. Wenn es sogar so extrem geworden ist, dass außer der Arbeit nichts Haltgebendes mehr da ist. Dann bricht alles zusammen, wenn man hier Ausgrenzung erfährt.

Was ist das Resultat einer massiven Ausgrenzungserfahrung? Die Verletzung kann so stark sein, dass nur noch Misstrauen zurückbleibt und man sich nicht mehr auf irgendeine Gruppe wirklich einlassen kann. Es kann durchaus sein, dass man zwar physisch Teil einer Gruppe ist, aber sich niemals vom Bewusstsein wirklich darauf einlässt. Man fühlt sich nicht als Teil einer Gruppe, erlebt sich eher als getrennt davon. Man ist anwesend, aber nicht Teil davon.

Dies ist ein wichtiger Schutzmechanismus. Wer sich auf nichts mehr einlässt, kann auch nichts verlieren. Denn das, was man verlieren könnte, lässt man ja gar nicht erst zu. Was juckt es mich noch, wenn ich von etwas ausgegrenzt werde, wo ich mich noch nie zugehörig gefühlt habe? Das Trauma wiederholt sich nicht, weil ich in Wirklichkeit nichts verliere. Von dieser Sicht ist die Reaktion zu verstehen, sich nicht mehr auf Gruppen einzulassen. Eigentlich ist das ziemlich gesund und logisch nachvollziehbar.

Die Problematik hier ist allerdings: Wir können nur ein befriedigendes Leben führen, wenn wir uns verletzbar machen. Wenn wir bewusst in etwas hineingehen, wo es schmerzt, wenn es schief geht. Das ist leider so. Es ist ein Grundprinzip des Lebens. Schützen wir uns vor allem, wo wir verletzt werden können, mangelt es uns an einer Menge lebenswichtiger Erfahrungen und "Nährstoffe". Dann werden wir einsam und das Leben wird sinnlos. Und wir verlieren unsere Kraft.

Eine gescheiterte Liebesbeziehung ist ein schönes Beispiel dafür. Wir sind verletzt und sagen uns vielleicht: Nie wieder werde ich mich verlieben! Ok, das hört sich gut an, weil man so auch nie wieder so verletzt werden kann. Aber dann geht auch die wunderschöne Erfahrung verloren, einem Menschen ganz nahe zu sein und sich mit ihm verbunden zu fühlen. Und so entscheiden die meisten Menschen sich nach einer Phase der Trauer und des Schmerzes, sich doch wieder auf einen neuen Menschen einzulassen. Und oft geht es ja auch gut und dann profitiert man stark von dieser Entscheidung. Dann wird man emotional wieder satt.

Mit Gruppen ist es ähnlich. Es kann gelingen und dann wird es gut. Dann ist es auch gut, was zu riskieren und den Mut aufzubringen, sich hineinzugeben. Vielleicht nicht völlig naiv und leichtsinnig, sondern immer auch im Bewusstsein habend, dass es scheitern kann und ob ich den Schmerz dann auch tragen kann, wenn es scheitert. Gleichzeitig auch Vorsorge treffen, was hilft, wenn es scheitert. Und doch wird es schlussendlich keine Strategie geben, die uns vor Schmerz gänzlich schützt.

Ziel einer Therapie oder einer persönlichen Auseinandersetzung müsste dann sein, einerseits den alten Schmerz wirklich zu verdauen. Um dann wieder fähig zu werden, in kleinen Schritten, sich genau den Erfahrungen zu öffnen, die damals so unangenehm geendet sind. Das ist alles andere als leicht. Ja vielleicht ist es eine Herausforderung, die sich erstmal völlig unmöglich anfühlt. Und doch sieht man in Therapie auch immer wieder, wie das scheinbar Unmögliche sich doch ereignet. Wir Menschen sind schon unglaublich zäh und können auch ganz viel an Schmerz verdauen.

Selbsthilfegruppen können ein gutes Umfeld sein, sich wieder auf eine Gruppe einzulassen. Hier zeigt sich auch, wie wichtig es ist, gemeinsam ein gutes Umfeld zu schaffen. Eine gute Kultur zu schaffen, in der Ausgrenzungserfahrungen recht unwahrscheinlich werden.

Eine positive Affirmation wäre:

Ich möchte mich angenommen fühlen.

-- Fred

01.11.13 :: Mensch wichtiger als Methode

Es gibt einige Studien zur Psychotherapie, die kommen zu einem interessanten Ergebnis: Die Therapie-Methode ist gar nicht so entscheidend, das Heilsame geht viel mehr von der Person des Therapeuten aus. Insofern wird auch immer wieder unterstrichen, wie wichtig es ist, dass man den Therapeuten als angenehm erlebt. Oder das man zumindest das Gefühl hat, das dieser Mensch etwas hat, was mich anspricht oder was mir helfen könnte.

Vielleicht kann man sich das so vorstellen, wie in der Kunst. Man geht durch eine Galerie und schaut sich Bilder an. Manche Bilder berühren einen gar nicht. Andere Bilder findet man ganz nett. Und dann kommt auf einmal ein Bild, was einen tief anspricht. Meist kann man es gar nicht beschreiben, was einen nun daran anspricht. Aber es berührt einen irgendwie tiefer.

Es kann nun sein, dass einen die Ursprungs-Intention dieses Künstlers anspricht. Also das Eigentliche, warum er dieses Bild gemalt hat. Doch es kann auch anders sein. In das Bild sind alle möglichen unbewussten Seinsweisen des Künstlers eingeflossen. Man könnte sagen, dass jedes Bild dieses Künstlers ein Teil seines Wesens auf ganz subtile Weise widerspiegelt. Etwas gelangt ins Bild jenseits seiner eigentlichen Intention.

Die eigentliche Intention könnte man mit der Therapiemethode vergleichen. Und ganz viel Weiteres wirkt auf subtile Weise und zeigt etwas von dem Wesen des Therapeuten. Und dies kann einen auch ansprechen und es ist vielleicht das Eigentliche, was dann heilsam wirkt.

Wenn ich an meine Therapien zurückdenke, so hatte das Wesen des Therapeuten eine große Bedeutung für mich. Da gab es jede Menge jenseits der Methode, was mir etwas Gutes vermittelte: So ganz grundsätzliche Haltungen und Weltsichten. Aber auch diese ganzen liebevollen und annehmenden Seiten, die manchmal kaum zu bemerken waren, aber doch irgendwie lange nachwirkten. Wache Momente in der Therapie von unglaublicher Wirkkraft. Etwas, was mich tief berührt hat.

Als ich mir eine Klinik suchte, war es ähnlich. Die erste Klinik in der ich war, war nicht unbedingt schlecht, aber es sprach mich nichts tiefer an. Man könnte auch sagen, die hatte einen Stallgeruch, der mich nicht ansprach. Ich weiß aber von vielen anderen, dass die sich dort gut aufgehoben fühlten, es fehlte dort also nicht grundsätzlich etwas.

Die zweite Klinik, die ich mir anschaute sprach mich sofort an. Und es bestätigte sich auch in ganz vielen weiteren Details, die ich an dem Tag wahr nahm. Ich war unzählige Male tief beeindruckt von dem, was ich da erlebte. Für mich war sofort klar, dass dies der Ort ist, wo ich hin will und wo Heilung für mich wirklich möglich ist. Und so kam es dann auch und es bestätigte sich, dass hier genau das gelebt wurde, was mich tief ansprach.

Leider ist das mit der Intuition und dem Gefühl, was einem wirklich gut tut, nicht immer einfach. Es gibt auch diese Irrwege. Mich haben Dinge angesprochen, die verlockend waren. Es war auch irgendwie berührend, aber es fühlt sich doch etwas anders an. Und dem zu folgen war nicht gut für mich. Ich merkte irgendwann, dass mir diese "Energien" nicht wirklich gut taten. Vielleicht kann man ja eine gewisse Weisheit für sich erarbeiten, womit es einem irgendwann leichter fällt, Verlockung und heilsame Anziehung zu unterscheiden.

-- Fred

29.10.13 :: Bringt nichts...

Immer wieder höre ich von Menschen, die auf der Suche sind und schon einiges ausprobiert haben, diese "Bringt nichts..." Aussagen. Ein paar Beispiele:

  • Reden bringt nichts.
  • In der Vergangenheit rumzustochern, bringt nichts.
  • Diese ganzen Verhaltensübungen zu machen, bringt nichts.
  • Um seine Probleme zu kreisen bringt nichts.
  • Dieses ganze Herumanalysieren bringt nichts.
  • Medikamente bringen nichts.
  • Diese ganzen Lebenshilfebücher bringen doch alle nichts.

Meist folgt dann eine Aussage, was stattdessen was bringen soll. Also nicht reden, sondern was tun. Nicht über Probleme kreisen, sondern Lösungen leben. Nicht analysieren, sondern handeln.

Mich beschäftigt das immer, was von solchen Aussagen zu halten ist. Ich glaube, irgendwie haben alle recht, auch wenn sie sich gegenseitig widersprechen. Wie das? Wer gerade eine Woche Pizza gegessen hat, wird sicherlich sagen: Pizza scheint nicht das Richtige zu sein, stattdessen erscheint mir ein Schnitzel besser. Es ist also die Problematik, dass eine gewisse Einseitigkeit jetzt nach etwas anderem schreit.

Mit einem Hammer kann man wunderbar Nägel einschlagen, aber nicht jedes Problem ist ein Nagel. Wenn uns eine Schraube begegnet, dann brauchen wir einen Schraubendreher. Mit einem Hammer ist da nicht viel zu machen. Das wäre eine weitere Problematik: Mit den falschen Werkzeugen an seinen Schwierigkeiten zu arbeiten.

Und dann gibt es die unzulässigen Verallgemeinerungen: Wenn ich eine soziale Phobie habe und mir eine Verhaltensübung nichts gebracht hat, dann kann das auch keinem anderen nützen, der unter einer sozialen Phobie leidet. Manchmal sogar noch mehr: Keine Verhaltensübung kann jemals irgendjemandem helfen.

Die meisten Menschen sind es gewohnt, viel zu stark ihre persönlich-konkrete Situation zu verallgemeinern. Das führt zu ganz vielen falschen Aussagen. Was individuell richtig ist, ist allgemein einfach falsch. Die weit verbreiteten Man-Formulierungen zeigen diese Tendenz zu eigentlich ganz unsinnigen Verallgemeinerungen: "Wenn man durch die Stadt geht, fühlt man sich ja ganz unangenehm." Ist das nicht eigentlich eine ganz komische Aussage? Das hört sich so an, als würden alle Menschen diese Erfahrung so machen.

Warum verallgemeinern wir eigentlich alle so gerne? Vielleicht weil es uns schwer fällt, zu unserem Erleben zu stehen. Vielleicht aber auch, weil wir insgeheim wünschen, dass die Welt so ist, wie wir sie erleben und alle anderen Menschen ähnlich empfinden.

Wenn man die konkreten Lebensumstände und die Biografie eines Menschen betrachtet, dann ist oft gut nachvollziehbar, dass jetzt eine bestimmte Art der Krankheitsbewältigung eben nicht angesagt ist und es stattdessen etwas anderes braucht. Das kann aber in ein paar Wochen schon wieder anders sein. Und wenn man es auf andere Menschen ausdehnt, dann ist es sowieso meist anders.

Für jedes hilfreiche Werkzeug und jeden hilfreichen Aspekt lassen sich auch Gründe finden, warum sie eben nicht gut sind. Sie sind deshalb aber nicht grundsätzlich schlecht. Es kommt wie so oft drauf an.

Ich glaube, anders herum wird ein Schuh draus: Jedes Werkzeug oder jeder Zugangsweg kann unter bestimmten Bedingungen eine hilfreiche Wirkung entfalten. Und das ist die hohe Kunst: Im jeweiligen Moment für sich herauszufinden, was hilfreich sein könnte und was einen vielleicht gerade nicht weiter bringt. Das gerade Passende zu wählen. Etwas, was für mich gerade stimmig ist.

Ok, ganz sicher wird es auch Dinge geben, von denen geht generell keine hilfreiche Wirkung aus. Die kann man sozusagen abhaken, weil sie auf falschen Vorstellungen basieren. In Gruppengesprächen wird sich das aber recht schnell herausstellen, weil hier Einigkeit herrscht. Anders hingegen, wenn diese Widersprüchlichkeiten entstehen, dass einem etwas geholfen hat, was ein anderer ablehnt. Hier ist es spannend, ob man heraufinden kann, warum es für diese Person hilfreich war. Diese Erkundung könnte zu einem nachvollziehbaren und schlüssigen Ergebnis führen. Und dann können auch andere für sich prüfen, ob das für ihre Lebenssituation passend ist. Umgedreht ist die Erkundung, warum es für einen anderen das Falsche war, ebenso hilfreich, weil man hierüber verstehen lernt, unter welchen Umständen etwas nicht gut ist.

Das ist ja bei fast allem im Leben so: Wir müssen verstehen lernen, unter welchen Umständen etwas hilfreich ist und unter welchen Umständen etwas schadet. Sonne ist schön, aber zu viel Sonne macht einen Sonnenbrand. Schnee ist schön, aber man kann auch darauf ausrutschen. Musik ist schön, aber nicht jede Musik für jeden und laute Musik des Nachbarn, wenn man gerade schlafen will, auch nicht.

Insofern finde ich Gespräche besser, die keinem irgendwas überstülpen, weil wir schlussendlich nicht wissen, was wer im Moment wirklich braucht. Wenn wir stattdessen erkunden, warum welcher Weg für wen sinnvoll war, dann hat man eine gute Grundlage, es auf sein Leben zu beziehen. So lernen wir von den Erfahrungen der anderen und können selber entscheiden, was wir an hilfreichen Impulsen aus einer Gruppe mitnehmen.

-- Fred

20.10.13 :: Vom Wert der Entspannung

Seit langem ist in der Psychotherapie der Wert der Entspannung bekannt. Es gibt zahlreiche Entspannungsverfahren, die schon lange gelehrt werden, z.B. das autogene Training oder die progressive Muskelentspannung.

In den letzten Jahren scheint die Bedeutung, die der Entspannung beigemessen wird, zu steigen. Neuere Forschungen haben aufgezeigt, wie viele körperliche Prozesse von entspannten Phasen positiv beeinflusst werden. So reagieren z.B. Entzündungsprozesse auf einem entspannten Organismus, die damit zurückgefahren werden. Was hier wissenschaftlich nachgewiesen wird, ist ja schon lange auch Alltagswissen: Bei einer starken Erkältung hilft Bettruhe, die für eine Entspannung sorgt.

Bei psychischen Problematiken hat man oft auch somatische Auswirkungen, wie Verspannungen, Reizdarm oder Kopfschmerzen. All diese Probleme reagieren häufig gut auf praktizierte Entspannungsverfahren.

Menschen, die unter Ängsten leiden, haben vielfach psychischen Stress, wo andere Menschen eher entspannt sind. Der tägliche Stresslevel ist dann höher und um so wichtiger wird es, aktiv für Entspannung zu sorgen.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Entspannungsprogramme entwickelt, bei denen man nicht nur eine Methode lernt, sondern wo sehr umfangreich das Thema Entspannung angegangen wird. Theoretische Hintergründe werden erklärt und individuelle Stressmuster analysiert und Veränderungen erarbeitet. Zahlreiche praktische Übungen sorgen dann für Entspannung. Wenigstens eins dieser praktischen Übungen sollte dann möglichst dauerhaft praktiziert werden.

Eins gilt für alle Entspannungsverfahren: Sie machen nur Sinn, wenn man sie regelmäßig praktiziert. Möglichst täglich. Denn darum geht es ja, dass unser Körper tägliche Phasen der Entspannung hat. Und die Verfahren funktionieren auch nur dann, wenn man sie regelmäßig übt.

Ein Entspannungsprogramm, was in den letzten Jahren weite Verbreitung gefunden hat, ist das sogenannte MBSR-Training. Es kommt aus Amerika und wurde von Jon Kabat-Zinn entwickelt. Übersetzt heißt es soviel, wie achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Achtsamkeit ist das zentrale Konzept, was in verschiedenen meditativen Übungen trainiert wird. Es geht aber nicht nur darum, in den Übungen Achtsamkeit zu praktizieren, es ist vielmehr ein Lebensprinzip. Wer mit mehr Bewusstheit seinen Tag erlebt, der erkennt seine Stressoren viel besser und kann dann darauf gezielt und unmittelbar Einfluss nehmen. Das Training wird in der Regel von den Krankenkassen bezuschusst. Ein Kurs kostet z.B. 200-250 Euro und die Krankenkassen übernehmen 80% der Kosten. In Dortmund gibt es mehrere Angebote, auch unser Partner-Krankenhaus in Lütgendortmund bietet solche Kurse an.

Ein relativ neues Programm ist das sogenannte TEK. Dies steht für Training emotionaler Kompetenzen. Auch hier wird ein theoretischer Hintergrund gegeben, werden Stressmuster aufgespürt und Alternativen erarbeitet. Und auch der achtsame und tolerante Umgang mit sich selbst werden eingeübt. Im Grunde wird einem ein Baukasten an Techniken und Haltungen angeboten, die alle eine Stressreduktion zum Ziel haben. Nicht nur, während man bestimmte Entspannungsübungen macht, sondern vielmehr geht es um eine Veränderung im Alltag, damit hier gar nicht mehr so viel Stress entsteht. Solch ein Training wird derzeit regelmäßig in der LWL-Klinik in Dortmund Aplerbeck angeboten.

Weil auch wir uns dem Thema intensiver zuwenden wollen, startet in Kürze ein Projekt, in dem es vorwiegend um Entspannung und Entstressung seines Alltags geht. Hier werden Elemente des TEK-Programms mit einbezogen. Weil das Interesse an dem Thema so groß ist, die Plätze aber limitiert, werden wir vermutlich im nächsten Jahr so einen eigenen Kurs fortsetzen. Das Buch zum TEK-Programm wird bald in unserer Bibliothek verfügbar sein.

-- Fred

10.10.13 :: Beachtung schenken und bekommen

In einem Vortrag von Wolf Büntig kam ich auf das Thema Beachtung. Beachtung ist für ihn ein Grundbedürfnis, was wir alle brauchen. Er unterscheidet klar zwischen Beachtung, die man erfährt und Anerkennung, die einem dann zuteil wird, wenn man etwas Außergewöhnliches erbracht hat.

Bei Beachtung geht es nicht darum, gelobt zu werden oder etwas besonderes zu sein. Es geht einfach darum, dass andere Menschen einen sehen und als Mensch anerkennen. Für diese Form der Beachtung gibt es viele Ausdrucksformen.

Bei Sozialphobie könnte das Thema Beachtung nochmal eine besondere Bedeutung bekommen. Es ist ja naheliegend, dass Schüchternheit, Zurückhaltung und Gehemmtheit gerade zu einem großen Mangel an Beachtung führen kann. Deshalb lohnt es, sich diesem Thema zuzuwenden und zu schauen, ob man selber einen Mangel erlebt und wie man da was verändern kann.

In der Gruppenarbeit gibt es viele Möglichkeiten, Beachtung zu erfahren und auch andere zu beachten. Beide Seiten können durch soziale Ängste eingeschränkt sein und bedingen sich. Da kommt z.B. jemand zum Gruppentreffen und sagt nur flüchtig "Hallo", ohne jemanden anzugucken. Aus Schüchternheit und der daraus gewordenen Angewohnheit, Kontakt zu vermeiden. Würde ein echter freundlicher Augenkontakt entstehen, würden beide etwas schenken. Und beide würden beschenkt werden. Man erfährt Beachtung und beachtet den anderen wohlwollend positiv. Ich denke, in diesem Bereich ist ganz viel möglich.

Im Grunde geht es darum, neue Verhaltensweisen zu erlernen, mit denen man Beachtung schenkt und mit denen man selber auch beachtet wird. So das Beachtung zwischen den Mitgliedern einer Gruppe hin- und her fließt. Beachtung öffnet so auch für alles weitere, was sich in der Gruppe ereignen wird.

Unsere Vortragsgruppe, die derzeit läuft, ist eine besondere Form, Beachtung zu erfahren. Hier üben wir ja ganz bewusst, durch Vorträge oder Stehgreifreden, eine Zeit lang im Mittelpunkt zu stehen und dafür auch Beifall zu ernten.

So unangenehm und peinlich das auch erlebt werden kann, die andere Seite gibt es dabei auch: Ein angenehmes Gefühl der Beachtung. Oder irgendetwas, was einen motiviert, genau dies zu tun. Vielleicht kann am Anfang nur das Unangenehme erlebt werden, aber wenn das mit der Zeit mehr und mehr nachlässt, kann man vielleicht auch die andere Seite erleben, die einen Befriedigung gibt. Eine Seite, die angenehme Gefühle auslöst.

Oft sind wir uns unserer wahren Bedürfnisse gar nicht bewusst, weil darüber so viele Ängste liegen, dass wir sie nicht wahrnehmen oder zulassen können.

Ich bin ab und zu mal in einer Nachsorgegruppe einer Klinik. Menschen, die in der Regel nicht von sozialen Ängsten betroffen sind. Was mir dort immer wieder auffällt, ist die positive Beachtung, die man bekommt. Das sind schon so kleine Sachen, dass jemanden auffällt, wie man die Tür hineinkommt und man sofort positiv angesprochen wird. Hier erlebe ich sehr viele kleine Momente der Beachtung und das zeigt mir, wie angenehm das auch sein kann.

Interessant ist, wie oft wir erwarten, beachtet zu werden, ob nun bewusst oder unbewusst. Und das wir gekränkt sind, wenn wir diese nicht bekommen. Erst letztens ist mir dies passiert: Ich komme bei einer Versicherung rein und gehe zum Tresen. Dort sitzt eine Frau, die mich bemerkt haben muss. Sie guckt aber nicht hoch, sondern liest eine Rechnung, die sie in der Hand hat. Ich stehe direkt vor ihr am Tresen, doch sie ignoriert mich. Das dauerte bestimmt eine Minute, bis sie endlich mal hochblickt und "Ja bitte?" sagt. Ich spürte, etwas in mir war gekränkt. Wenn ich diesem Teil gefolgt wäre, hätte ich am liebsten gesagt: "Ich glaub, von Ihnen will ich gar nichts mehr, ich suche mir eine andere Versicherung." Es ist wohl der Teil in mir, der sich an frühere Kränkungen erinnert, wo andere Menschen mich mit Ignoranz straften. Verbunden mit einer Wut darüber. Es tut weh, wenn man nicht gesehen wird und so vielleicht auch herabgewürdigt, abgewertet und isoliert. Wobei ich auch glaube, dass man über solche Empfindlichkeiten hinauswachsen kann.

-- Fred

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