Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2013-Q2)

28.06.13 :: Rückschritte

Viele machen sich auf den Weg der Veränderung und Verbesserung ihrer Lebensumstände. Und dann gelingen auch erste Veränderungen und die Freude darüber ist groß. Doch dann kommt auf einmal ein Rückschlag. Wo man meinte, ein Problem schon hinter sich gelassen zu haben, hat man es auf einmal wieder. Das kann schnell Frust, Enttäuschung und Resignation auslösen. Und das zieht einen dann zusätzlich runter.

Die Jahre in der Selbsthilfe haben mir gezeigt, dass Entwicklung keineswegs ein beständiges Voranschreiten ist. So funktioniert das Leben einfach nicht. Das wäre zu simpel. Die ganze Natur funktioniert nicht so. Wir werden niemals nur vorwärts auf dem kürzesten Weg zu einem Ziel hinlaufen. Wir werden Umwege gehen müssen und auch mal ein paar Schritte rückwärts gehen.

Bleibt auch die Frage: Was ist denn wirklich ein Fortschritt? Können wir das immer so klar sagen? Am Anfang hat man noch nicht mal eine Vorstellung, wie es sein müsste, damit es gut wird. Man spürt nur, dass es so, wie es jetzt ist, eben nicht gut ist. Mit der Zeit entwickeln sich Vorstellungen, was sich im eigenen Leben verändern muss und wo ungefähr das Ziel ist. Doch wissen wir es genau, dass dort das Ziel ist? Können wir uns nicht auch irren? Natürlich gehört das Irren hier genauso dazu. Wir müssen Ziele korrigieren und uns neu orientieren. Aber wir konnten nur losgehen und begreifen, in dem wir erstmal dem gefolgt sind, was wir für richtig hielten. Und jetzt, wo wir ein Stück weiter sind, erkennen wir, es braucht eine Korrektur.

Ob wir etwas als Fortschritt oder Rückschritt empfinden, ist eine Frage der Bewertung. Nur wie gut können wir eigentlich etwas bewerten? Manches, was erstmal wie ein Rückschritt aussieht, entpuppt sich später als eine wichtige und sinnvolle Erfahrung, die einen weiter gebracht hat. Und manch vermeintlicher Fortschritt wird später als Irrweg erkannt. Irgendein weiser Mensch meinte mal, in Wirklichkeit kannst du überhaupt nichts richtig bewerten und beurteilen. Das Leben ist so komplex, dass eine eindeutige Bewertung schlicht unmöglich ist.

Wenn man vermeintliche Fortschritte wie auf eine Art Punktekonto sammelt, dann wirkt jeder vermeintliche Rückschritt bedrohlich. Man scheint etwas zu verlieren und das kann wieder Ängste auslösen. Und Angst führt dazu, zu klammern. Man klammert sich an dem fest, was man hat und leidet, wenn davon etwas verloren geht. Doch wenn Leben und Fortentwicklung bedeutet, auch mal einen Schritt rückwärts zu machen, blockieren wir uns selber. Wir trauen uns nicht mehr, von etwas "Eingeheimsten" loszulassen. Aber vielleicht ist gerade dort das Glück zu finden, weil wir zuerst aus einer Sackgasse heraus müssen, um auf den richtigen Weg zu gelangen. Wer unflexibel geworden ist und klammert, sorgt dafür, dass das Leben wieder eng wird. Das, was wir eigentlich vermeiden wollten, tritt nun gerade ein: Rückschritte, weil wir unseren Freiraum und unsere Gelassenheit, dem Leben gegenüber verloren haben. Stattdessen folgen wir einer falschen Vorstellung, wir müssten möglichst viel ansammeln und dürften davon nichts mehr verlieren.

Gelassenheit und Gleichmut zu lernen, erscheint mir ein sinnvolles Rezept. Ich schaue, was mir jetzt sinnvoll erscheint und tue den nächsten Schritt. Wenn etwas Positives entsteht, nehme ich es mit Freude und Gleichmut an. Wenn etwas vermeintlich Negatives passiert, versuche ich zu verstehen, um etwas davon zu lernen und nehme es mit Gleichmut an. Und bei allem vermeintlich Negativem gilt auch: "Wer weiß, wozu das gut war." Es wäre nicht das erste mal, dass man viel später erkennt, dass diese Erfahrung doch sinnvoll und gut war.

Eine zu starke Beschäftigung mit Rückschritten oder Schicksalsschlägen bindet auch eine Menge Energie. Natürlich braucht es eine Auseinandersetzung mit dem, was passiert ist, um es zu verdauen und die Erfahrungen in sein zukünftiges Leben einzubeziehen. Doch dann ist es sinnvoll, das anzunehmen, was jetzt ist und das Beste daraus zu machen. Wir brauchen nicht erst bestimmte Bedingungen, um uns für ein besseres Leben zu engagieren. Wir können jeden Tag ein Stück daran arbeiten, ganz egal, wo wir auch immer stehen. Jeder Tag bietet die Chance, das Leben ein Stück lebenswerter zu machen und etwas Sinnvolles zu tun.

Hier findet ihr noch eine interessante Geschichte zum Thema:

-- Fred

24.06.13 :: Fernsehbeitrag Angst

Auf do1.TV werden regelmäßig kurze Filme veröffentlicht, die Journalistik-Studenten aus Dortmund erstellen. Letztens war ein Beitrag zum Thema Angst, Lampenfieber und Sozialphobie. Findet ihr hier:

http://www.do1.tv/2013/06/17/ortstermin-angst/

23.06.13 :: Top moderne Vermeidungsstrategien

In letzter Zeit fällt es mir immer öfter auf. Eine neue Kontakt-Vermeidungsstrategie. Das Handy. Dort, wo man früher mit anderen Menschen mal in Kontakt gekommen ist, vergräbt man sich nun in sein Handy. Das Angebot, was man heute alles mit einem Smartphone machen kann, ist groß und faszinierend. Das Gerät wird so zur immer verfügbaren Zuflucht. Ein vertrauter Ort, zu dem man sich jederzeit hinbegeben kann und mit der man so die momentane Realität ausblenden kann. Das Smartphone spendet einem irgendwelche positiven Gefühle, während die momentane Situation eher Unbehagen auslösen würde.

Bei uns in den Gruppen erlebe ich es in den Pausen. Die Pausen haben bei sozialen Ängsten eine ganz besondere Bedeutung. Sie können Unbehagen auslösen. Hier könnte man in Plaudereien mit anderen einsteigen, aber gerade diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme macht Stress. Nimmt man aber keinerlei Kontakt auf und wird auch nirgends eingebunden, fühlt man sich außen vor und auch das macht wieder Stress. Im Grunde ist dies aber eine wertvolle Übungssituation, aus seinen gewohnten Vermeidungsmustern herauszukommen und sich in Kontaktaufnahme zu üben.

Natürlich hält in unseren Pausen nun auch das Handy Einzug. Betroffene, die mit ihren Handys irgendwo in der Ecke stehen und regelmäßig die ganze Zeit damit verbringen. Sie wirken beschäftigt, was dann auch dafür sorgt, dass andere sie nicht ansprechen. So funktioniert diese Vermeidungsstrategie beiderseitig recht gut.

Wenn so wertvolle Möglichkeiten nicht genutzt werden, mal mit anderen Menschen in echten Kontakt zu kommen, finde ich das sehr schade. Das ist die Schattenseite vieler moderner Kommunikations-Technologie - sie verhindert auch oft echte und unmittelbare Kommunikation.

Was auch verloren geht, sind echte Pausen, in denen man mal verdauen kann, was man erlebt hat. Jede Pause wird mit irgendeiner aktiven Beschäftigung gefüllt. Gemachte Erfahrungen bleiben so nur oberflächlich und können sich nicht in unsere Persönlichkeit und in die bisherigen Erfahrungen integrieren.

-- Fred

17.06.13 :: Es wird immer jemanden geben, der dich nicht leiden kann

Eine Ausprägung sozialer Ängste ist die unangenehme Erfahrung, von anderen Menschen abgelehnt zu werden. Der Andere ist mir nicht wohlgesonnen, ignoriert mich, guckt mich herabschätzend an oder hat sonstige Vorbehalte mir gegenüber, die er offen oder versteckt ausagiert.

Das Menschen uns nicht leiden können, ist nur ein Teil des Problems. Bei der Betrachtung sozialer Ängste geht es vor allem darum, was das mit uns macht. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Man geht in eine Pizzeria. Die Bedienung dort ist alles andere als freundlich mir gegenüber. Ein nachfolgender Gast hingegen wird sehr freundlich empfangen. Was löst so eine Situation nun in mir aus?

Es gibt Menschen, die stören sich nicht sonderlich an so einer Situation. Bei bestimmten Ausprägungen von sozialen Ängsten kann diese Situation aber sehr unangenehme Emotionen und Gedanken auslösen, die auch längere Zeit anhalten können. Solche Gedanken betreffen oft das Selbstwertgefühl. Die Abwertung des Gegenüber triggert die Selbstabwertung. Denn unbewusst glaube ich, was der andere mir signalisiert: Du bist nichts wert. So nimmt das Drama seinen Lauf.

Eine ganz wichtige Erkenntnis, die mir irgendwann kam: Es wird immer Menschen geben, die dich nicht leiden können. Ganz egal, wie du dich verhältst und wer du bist. Und das gilt für jeden Menschen. Jeder Mensch wird im Kontakt mit anderen Menschen die Erfahrung machen, dass man von bestimmten anderen Menschen nicht gemocht wird. Man kann so freundlich und offenherzig sein, wie man will, es wird sie trotzdem geben - diese Menschen, denen unsere Nase nicht passt. Vielleicht gerade deshalb, weil wir so nett sind.

Egal, wie man sich auch immer verhält, man wird auf Menschen treffen, die genau dieses Verhalten nicht mögen. Selbst wenn man sich nicht verhält und sich überall stark zurückhält, verhält man sich in Wirklichkeit und diese Passivität kann andere wieder nerven.

Das eigene Aussehen und wie man sich kleidet, wird auch immer unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Menschen, die das sympathisch und angenehm empfinden und Menschen, die uns dafür ablehnen. Mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Selbst Menschen, die dem Schönheitsideal der Gesellschaft entsprechen, erfahren Ablehnung, weil sie z.B. Neid bei anderen auslösen. Oder es werden ihnen andere Eigenschaften angedichtet - zwar hübsch, aber dumm im Kopf.

Natürlich können wir uns auf eine Art verhalten, die Wohlwollen bei anderen wahrscheinlicher macht. Aber auch ganz unabhängig davon, wie wir uns verhalten, wird es immer Menschen geben, die mögen uns einfach nicht.

Das Leben wird einfacher, wenn wir das einfach so annehmen können. Ja, dieser Mensch mag mich nicht und es ist in Ordnung so. Wir sind alle Menschen, die eine Menge alter Geschichten und Verletzungen mit uns herumtragen. Und Menschen entscheiden sich auch immer wieder ganz freiwillig dafür, Bestimmtes abzulehnen. Und wenn wir in dieses Raster passen, dann trifft es auch uns. Aber das dürfen wir auch beim Anderen lassen. Es betrifft uns eigentlich nicht und trifft uns damit auch nicht. Es ist eine Problematik des anderen.

Wie bei vielen Erkenntnissen ist es auch hier so, dass eine Erkenntnis alleine noch kein anderes Erleben ausmacht. Es ist vielmehr eine neue Orientierung, eine Alternative, wie man etwas sehen und verstehen kann. Eine Alternative zum Gewohnten, die sich schlüssiger und stimmiger anfühlt. Eine Erkenntnis muss dann aber immer wieder im Alltag als Idee aufgenommen werden. Wenn man so immer wieder seine alltäglichen Situationen auf neue Weise prüft und verstehen lernt, wird es über Jahre zu einer neuen Gewohnheit. Und irgendwann - oft unbemerkt - hat sich die neue Sichtweise integriert und man erlebt die Situation auf diese neue Weise, die mehr an der Realität ist. Denn darum gehts immer bei Erkenntnissen - dass sich das eigene Erleben mehr an dem orientiert, was wirklich ist.

-- Fred

15.06.13 :: Der Druck im erfolgreichen Umfeld

Soziale Phobien sind sehr vielschichtig. Ganz unterschiedliche Lebenssituationen und biografische Muster können dazu führen.

Erst kürzlich fiel mir ein Zusammenhang auf. Ich kenne einige Betroffene, deren Eltern beruflich sehr erfolgreich sind oder die anderweitig gesellschaftlich viel Anerkennung bekommen.

Wie lebt es sich in so einem Umfeld? Was macht das mit heranwachsenden Kindern, die in starkem Maße gesellschaftlichen Erfolg vorgelebt bekommen? Druck ist das Erste, was mir hier einfällt. Einerseits kann es ein direkter Druck sein, dass die Eltern natürlich auch so erfolgreiche Kinder wollen und vieles tun, damit dies auch gelingt. Die Messlatte liegt hoch und die Ansprüche an die Kinder sind gewaltig.

Dieser Anspruch kann ganz offen an das Kind herangetragen werden, oft aber auch subtil und wenig offensichtlich. Oder mit Doppelbotschaften verbunden: Auf bewusster Ebene ganz locker, aber unbewusst unbarmherzig fordernd. Dies kann zusätzliche Verwirrung schaffen, was Betroffene belastet. Denn eigentlich war doch gar kein Druck da, da ist nichts zu finden, was die Ursache für meine sozialen Ängste ist. Es ist sehr schwer, diese Zusammenhänge zu erkennen.

Wenn man diese Zusammenhänge nicht erkennt, dann leidet auch das Selbstwertgefühl, weil man die Schwierigkeiten nur noch direkt bei sich selbst sehen kann: Alles rundherum ist gut, also muss alles direkt in meinem Wesen begründet sein. So entstehen Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, das schon schwache Ich wird weiter beschädigt.

Dann gibt es da noch die Ebene, dass man als Kind in die Erfolgswelt der Eltern passen muss. Es wird immer wieder Anlässe geben, in denen sich die Eltern in irgendeiner Form präsentieren und die Kinder mit dabei sind. Hier können Ängste auftauchen, sich nicht adäquat präsentieren und verhalten zu können. Als Kind wird man Teil der Erfolgswelt der Eltern, die viel dafür getan haben, von der Umwelt auf bestimmte Weise wahrgenommen zu werden. Das darf jetzt nicht durch die Kinder unterlaufen werden, die aus dem Rahmen fallen. Die Kinder müssen gut ins Bild passen. Auch hier wird ganz viel erwartet, was Druck erzeugt.

Aber selbst dann, wenn erfolgreiche Eltern überhaupt nichts von ihren Kindern erwarten, kann ein erfolgreiches Umfeld starke Auswirkungen auf die Kinder haben. Es kann ein inneres Selbstverständnis entstehen, später mindestens genauso erfolgreich werden zu müssen, wie die Eltern es einem vorgelebt haben. Auch das sind meist unbewusste Programme, die einen antreiben und bestimmen.

Hier können dann immer wieder Versagensängste auftauchen. Man ist sozusagen in ein sehr anspruchsvolles Leben hineingeboren worden. Wird man dieses Leben auch adäquat ausfüllen? Wird man dem Anspruch genügen? Werden die Eltern irgendwann stolz auf mich sein?

Eine Bewältigungsstrategie kann natürlich auch sein, dass man das genaue Gegenteil tut und sich all dem verweigert. Auch so lebt man sein Leben nicht und entwickelt nicht sein natürliches Potenzial. Man kennt nur die Verweigerung oder den massiven Druck. Dazwischen gibt es erstmal nichts.

Kinder brauchen das Gefühl, einen eigenen Raum zu haben, den sie mit ihrer Persönlichkeit ausfüllen können. Das gelingt am besten spielerisch und im Gefühl, frei zu sein. Wenn durch ein erfolgreiches Umfeld aber schon stark die Richtung und das Ziel vorgegeben ist, bekommt das Eigene zu wenig Raum. Ein schwaches und verwirrtes Ich ist die Folge.

Es ist offensichtlich, dass solche Problematiken eine tiefenpsychologische Aufarbeitung brauchen, damit man wirklich erkennt, was in der Tiefe wirkt, was einen antreibt und welche Muster das Leben bestimmen. Es geht darum, das schwierige Umfeld zu begreifen, in welches man hineingeboren wurde. Ein Umfeld, welches eine ganz eigene Herausforderung mitgebracht hat, die erst im Erwachsenenalter reflektiert, verstanden und integriert werden kann. Und dann geht es ganz viel darum, das eigene Ich nachzunähren, Frei- und Entwicklungsräume zu schaffen, in dem sich das Ich ungezwungen erfahren kann. Um immer mehr zu dem zu werden, der man ist. Selbstfindung sozusagen. Ein so gestärktes Ich kann sich dann auch besser von Druck abgrenzen, den das Umfeld mitbringt.

-- Fred

13.06.13 :: Ins Unreine sprechen

Ein Gruppenmitglied erinnerte sich letztens an einen wichtigen Satz: "Sprechen Sie ruhig öfter mal ins Unreine!" Das sagte ein Therapeut vor Jahren zu ihm. Dieser Satz kam auch bei den anderen gut an, sie verstanden die Botschaft sofort.

Eine Ausprägung sozialer Phobie ist es nämlich, Zweifel zu haben, ob das, was man zu sagen hat, überhaupt gut und wertig genug ist. So führen ganz viele Redeimpulse nicht dazu, ausgesprochen zu werden, weil man seine Gedanken nicht für wertig genug hält oder sie noch nicht bis ins Letzte innerlich durchformuliert hat. Und wenn man dann wirklich soweit ist, einen Gedanken innerlich genau formuliert zu haben, ist das Gespräch schon viel weiter und der Inhalt würde nicht mehr passen.

Daraus kann dann eine richtige Gewohnheit werden, dass man nur noch im Kopf lebt. Nichts wird mehr ausgesprochen, es finden nur noch innere Dialoge statt. Spontane Redeimpulse werden unterdrückt. Doch weil das Gewohnheit ist, fällt es einem nicht mal mehr auf.

Ins Unreine sprechen wäre dann die Aufforderung, seine Gedanken nach außen zu bringen, auch wenn die noch nicht zu Ende gedacht sind. Sich zu trauen, auch mal Dinge von sich zu geben, deren Sinn sich erst im weiteren Verlauf des Redens ergibt. Und wenn sich mal kein Sinn ergibt, weil man den Kontakt zu seinem ursprünglichen Impuls verloren hat, ist das auch kein Problem. In einer Selbsthilfegruppe darf das sein. Hier kann man die Erfahrung machen, das wir nicht erst perfekt sein müssen, um reden zu dürfen. Hier kann man einfach drauf losreden.

Wer das immer wieder übt, verändert ganz tiefgreifend seine Redegewohnheiten. Es kann sogar sein, dass man eigentlich von seinem Naturell jemand ist, der gerne über das redet, was ihn bewegt. Wir hatten schon ein paar mal Betroffene in der Gruppe, die eine große Wandlung durchgemacht haben. Früher sagten Sie in Gruppengesprächen nie was und jetzt waren sie sehr aktiv in Gesprächen. Aus einer inneren Lust heraus. Reden machte ihnen eigentlich Spaß, aber etwas hielt sie lange Zeit davon ab.

Nicht jeder Mensch wird so veranlagt sein, aber es ist eine Bereicherung, wenn man Hemmungen auflösen kann und so seinen Redeimpulsen einen freien Lauf lassen kann. In dem Sinne, dass man seinem natürlichen Bedürfnis mehr folgen kann.

Umgedreht kann es auch eine Menge Stress machen, seinen natürlichen Redeimpulsen nicht zu folgen. Redeimpulse sind eine Energie, welche nach außen will. Fließt diese nicht nach außen, wirkt sie im Inneren und macht Stress. Manche sind nach einem Gruppengespräch ziemlich kaputt, was daran liegen könnte, dass die eigenen Energien nur innerlich gewirkt haben und sich nicht veräußern konnten.

Es ist wie eine Abflussverstopfung, man läuft innerlich über, weil nichts abfließen kann.

-- Fred

10.06.13 :: Lied der Woche

Fee Badenius - Du liebst mich trotz allem

Hier ein paar Hintergründe zu Fee Badenius:

06.06.13 :: Lied der Woche

ZAZ - Je veux

Ich will Liebe, Freude, gute Laune
euer Geld ist nicht das,
das mich glücklich machen wird...

Ich habe genug von eurem guten Benehmen,
das ist zuviel für mich!
Ich esse mit den Händen, so bin ich!
Ich rede laut und bin direkt, tut mir leid!

06.06.13 :: Krisen-Handbuch

In der Selbsthilfearbeit ist mir aufgefallen, dass es oft leichter fällt, für andere gute Ideen zur Problembewältigung zu finden. Wenn man jedoch in einer eigenen schwierigen Situation steckt, dann kann man vieles davon nicht abrufen und für sich nutzen.

Krise und Probleme scheinen das Denken eng zu machen. So das man dann nicht mehr an all seine guten Ideen und Sichtweisen herankommt, die man in guten Zeiten hat.

Daraus entstand die Idee eines Krisen-Handbuchs. Mit der Zeit lernt man ja immer besser seine Schwachstellen und Baustellen kennen. Wunde Punkte und Fallen, in die man immer mal wieder gerne hineintappt. Dann wertet man sich z.B. für etwas ab, obwohl man schon längst weiß, dass das eigentlich keine gute Idee ist. Man tut es aus Gewohnheit und schadet sich damit.

In guten Zeiten könnte man seine Ideen in einem Krisen-Handbuch festhalten. Mit der Zeit hat man für alle unangenehmen Situationen, in die man gerne hineinrutscht einen Plan aufgeschrieben, wie man damit umgeht. Also heilsame Vorstellungen und Sichtweisen. Gedanken, die ein guter Gegenpol zu einer kurzzeitigen verzerrten Sichtweise sein können. In guten Zeiten fühlt man sich einfach in sich ein und überlegt, was könnte mir in so einer schwierigen Situation gut tun. So, als wäre man sein eigener Therapeut für schlechte Zeiten.

Die aufgeschriebenen Texte können im Krisenfall sehr wertvoll sein. Denn so ein Büchlein ist wirklich genau auf mich zugeschnitten. Und mit der Zeit wird es immer umfangreicher und ausgefeilter. Es wird zu einem Notanker in schwierigen Zeiten.

Oft ist es auch so, dass man in Büchern, die man liest, wertvolle Textpassagen findet, die einen sehr ansprechen. Auch diese Passagen kann man in sein Krisen-Handbuch übernehmen.

Auch wenn so ein Krisen-Handbuch sehr persönlich ist, kann es Sinn machen, auch in den Austausch mit anderen darüber zu gehen. So hat man die Chance, nochmal neue Ideen und Sichtweisen aufzunehmen und auch Dinge zu korrigieren, die sich vielleicht doch nicht als hilfreich erweisen oder noch nicht zu Ende gedacht wurden.

-- Fred

31.05.13 :: Lied der Woche

Herbert Grönemeyer - Selbstmitleid

26.05.13 :: Körperscham

Durch andere beschämt zu werden, bedeutet, in seinem Wesen abgelehnt zu werden. Ein bedeutender Bereich der Ablehnung kann der eigene Körper sein. Über den Körper wird man sichtbar und alles, was von der Normalität abweicht, kann für andere Grund sein, sich darüber lustig zu machen oder einen dafür abzuwerten. Zu dick, zu dünn, merkwürdig geformt, Narben - die Möglichkeiten sind vielfältig, Lieblosigkeiten anderer zu ernten.

Und dann kommt auch noch die Bewegung hinzu: Die Art, wie ich mich bewege, kann auch wieder Anstoß für Mobbing sein. Die Angst aufzufallen führt dann zu körperlicher Anspannung und bewusst kontrollierter Bewegung, die hölzern wirkt. Somit verschlimmert sich die Situation noch.

Viele von sozialen Ängsten Betroffene tragen ihre Verletzungen mit sich rum, auf körperlicher Ebene beschämt worden zu sein. Und weil Schamgefühle so schwer auszuhalten sind und stark das Selbstwertgefühl untergraben, ist die Abwehr auch groß, die um solche Verwundungen gewachsen ist. Ebenso die Vermeidung. Man will nie wieder solch unangenehme Situationen erleben.

Sich mit diesen Schamgefühlen auf körperlicher Ebene auseinanderzusetzen, kann eine große Chance sein, seine körperliche Freiheit zurückzugewinnen. Und das kann ganz viel positive Wirkungen haben. Man kann vielleicht wieder Dinge tun, die einen erfreuen und wonach man eigentlich eine große Sehnsucht hat.

Beispiel: Tim ging seit vielen Jahren nicht mehr ins Schwimmbad, weil er eine körperliche Auffälligkeit hatte, für die er sich stark schämte. Er hatte große Angst, wieder dafür belächelt zu werden. Er hatte Angst vor den Angriffen anderer Menschen.

Ein weiteres Beispiel: Susanne tanzte eigentlich ganz gerne. Alleine zu Hause. Aber sie konnte sich nie vorstellen, mal irgendwo öffentlich zu tanzen. In ihrer Jugend hatten sich Mitschülerinnen über ihre steife Art der Bewegung lustig gemacht. Dies war eine tiefe Verwundung und sie wollte nie wieder in so eine Situation kommen, wo andere über seine Art der Bewegung urteilen.

Und noch ein letztes Beispiel: Julia hatte arge Probleme, mit anderen zu essen. Sie kontrollierte stark jede Bewegung, wie sie die Gabel zum Mund führte, wie sie trank, wie sie kaute und schluckte. Auf all das zu achten, war total anstrengend und dann noch der Kampf gegen das Zittern. Hat meine Hand jetzt doch gezittert und andere könnten sich jetzt darüber lustig machen? Das Problem wurde so massiv, dass sie alle Essens-Situationen vermied. Und wenn es sich nicht vermeiden lies, drehten sich schon Tage vorher ihre Gedanken um diese Sache und nachts konnte sie nicht mehr schlafen. Warum das alles mittlerweile so schwierig war und woher das alles kommt, das war ihr erstmal nicht bewusst.

Wenn man sich mit diesen Verwundungen auseinandersetzt, kann man nochmal ein ganz neues Verhältnis dazu entwickeln. Schamgefühle können nur Bestand haben, weil wir tief innerlich glauben, die anderen hätten recht und ich wäre deshalb wirklich ein verachtenswerter oder minderwertiger Mensch. Als Kinder und Jugendliche können wir noch nicht so gut differenzieren. Wir können nicht den Abstand entwickeln und sagen: "Da sind ein paar Menschen, die finden mich gerade blöd. Aber ich find mich so in Ordnung." Vielmehr glauben wir vielen Urteilen, die über uns gemacht werden und verinnerlichen sie. Fremde Werturteile werden zu unserer Weltsicht. Und diese bleiben beständig, auch wenn wir mittlerweile mit ganz anderen Menschen zusammen sind, die ganz andere Vorstellungen haben.

Durch eine Aufarbeitung kann man hier eine neue Beziehung zu sich finden. Man erkennt, dass die Abwertungen von damals lediglich Lieblosigkeiten und gehaltlose Werturteile der anderen waren. Man lernt, sich selber in seinem Sosein anzunehmen und wertzuschätzen. Ohne Aufarbeitung würde man sich stattdessen immer noch verurteilen und den Richtern von damals insgeheim recht geben.

Die Aufarbeitung führt zu einem starken Selbstwertgefühl. Da gibt es nichts mehr an mir, wofür ich mich schämen oder zu verstecken brauche. Alles an mir ist in Ordnung. Ich kann mich so zeigen, wie ich bin und ich kann dazu stehen. Genau das ist Selbstwert:

Ich kann zu dem stehen, der ich bin!

Die Auseinandersetzung mit Schamgefühlen ist schmerzhaft. Hoffnung gibt, dass eigentlich alles auf einer Verwechslung, einer falsche Vorstellung fußt. Und wenn wir die durchschauen, wird es gut.

Wir werden nie verhindern können, dass andere Menschen über uns lachen oder uns abwerten. Aber wir können ganz viel daran ändern, wie dies auf uns wirkt und wie stark wir uns mit solchen Werturteilen identifizieren.

Ich wünsche euch viel Erfolg bei der inneren Befreiung.

-- Fred

23.05.13 :: Studie zur Sozialen Phobie

Die Uni Bonn macht eine Studie zur Sozialen Phobie, an der Betroffene teilnehmen können. Ziel ist es, die biologischen Ursachen der sozialen Phobie besser zu erforschen. Ein besseres Verständnis könnte helfen, bessere Behandlungsmethoden zu entwickeln. Obwohl die soziale Phobie so verbreitet ist, steht die wissenschaftliche Erforschung noch ziemlich am Anfang.

Hier könnt Ihr euch näher informieren:

21.05.13 :: Lied der Woche

Peter Plate - Schüchtern ist mein Glück

16.05.13 :: Lied der Woche

Maike Rosa Vogel - Weizenfelder

11.05.13 :: Festgefahren im Ich 1.0

Schmerzhafte Lebenserfahrungen und Ängste können zu einer richtig festgefahrenen und starren inneren Haltung führen. Dann verhält man sich nur noch auf gut bekannte Weise, denkt in bekannten Denkstrukturen und lässt auch Gefühle nur noch in einer fest definierten Art zu. Man hat sozusagen rigide Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster, die man nicht mehr verlässt. Die Angst hat eine Festung zurechtgezimmert, in der man sich vor dem, was schwierig ist, schützt. Man hat sich zusammengezogen und verkapselt. Meist über viele Jahre hinweg, so dass diese Art zu sein, zu unserem Wesen geworden ist. Wir nehmen es gar nicht mehr als Besonderheit wahr, es ist selbstverständlich das geworden, wie wir leben.

Therapie könnte man als den Versuch verstehen, dieses Festgebackene zu lösen. Sich wieder zu öffnen, um neue Erfahrungen zuzulassen. Offenheit sorgt dafür, den stetigen Anpassungsprozess wieder anzustoßen. Anpassung im Sinne, das wir uns immer wieder auf das Leben ausrichten, was gerade gelebt werden kann. Das wir die Fähigkeit behalten, uns immer wieder auf neue Lebensumstände einzuschwingen. Das wir flexibel bleiben. Nicht nur, um in diesen neuen Umständen zu überleben, sondern uns möglichst gut mit unserem Wesen einzubringen, uns wohl zu fühlen und eine Sinnhaftigkeit zu erleben.

Festgebackenes zu lösen ist Risiko. Darum kommt man in Therapie in aller Regel auch mit seinen Ängsten in Berührung. Neues auszuprobieren, was man noch nicht kennt und worin man sich noch nicht sicher ist, kann beunruhigen. Wer sehr Schwieriges erlebt hat, kann auch Sorge bekommen, dass er damit nun wieder konfrontiert wird. Das sozusagen jede Abweichung vom Gewohnten wieder in diese schmerzhafte oder schambesetzte Situation führt. So gibt es auch immer viele Bedenken gegen die Öffnung, gegen die Veränderung, gegen das Neue. Auch als Abwehr bezeichnet.

Hinaus aus dem Ich 1.0 und hin zu einem Ich 2.0 ist aber auch eine spannende Entdeckungsreise, die stark bereichernd wirken kann. In Selbsthilfegruppen erlebt man immer wieder Menschen, die diesen Weg gegangen sind und sich so ein reicheres Leben erarbeitet haben. Dabei geht es nicht nur darum, von Ich 1.0 auf Ich 2.0 zu wechseln, sondern eine gewisse Offenheit und Flexibilität zu bewahren, so dass aus Ich 2.0 mit der Zeit Ich 2.1, Ich 2.2, Ich 2.3 usw wird. Irgendwann erlebt man es eher so, dass Leben ein kontinuierlicher Veränderungsprozess ist, in dem das eigene Ich sich stetig verändert. Jeder Tag bietet die Möglichkeit, in der Offenheit etwas Neuem zu begegnen.

Weil die Lösung aus der inneren Erstarrung so beängstigend und schwierig ist, braucht es gute Begleitung. In der Regel ist es eine tiefenpsychologische Therapie, in der man diesen Weg beschreitet. Es braucht ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zum Therapeuten und ein echtes Engagement auf beiden Seiten.

Ich hab den Verdacht, dass die Bereitschaft zur Veränderung ein Reifungsprozess ist. Man kann Öfnnung nicht erzwingen oder willentlich herbeiführen. Es braucht vielmehr Zeit und Erkenntnisprozesse, dass in der Öffnung eine große Chance für das eigene Leben liegt. Ich glaube aber nicht, dass der Weg dahin völlig außerhalb unserer Möglichkeiten liegt, uns einfach nur widerfährt. Ich glaube, man kann das Feuer in sich entfachen, um einen größeren Befreiungsschritt zu wagen. Der Austausch in der Selbsthilfegruppe kann zu einem Baustein werden, sein Bewusstsein auf diese Veränderung einzuschwingen.

Du kannst viel mehr sein, als du bist...

-- Fred

04.05.13 :: Kommunikations-Seminar

Heute war ein Seminar von der Kontaktstelle für Selbsthilfe, in dem das Thema Kommunikation im Mittelpunkt stand. Eingeladen waren alle Dortmunder Selbsthilfegruppen. Mit 18 Mitgliedern aus diversen Selbsthilfegruppen waren wir eine recht große Gruppe. Auffällig diesmal: Recht viele waren aus Gruppen mit psychischen Themen, vor allem Ängste, Depressionen und Süchte. Klaus Vogelsänger leitete das Seminar. Er bietet schon seit etwa 12 Jahren immer wieder Seminare in der Dortmunder Kontaktstelle für Selbsthilfe an, die recht beliebt sind.

Inhaltlich richtete sich alles an der Methode der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg aus. Diese Methode hat in den letzten Jahren auch in Deutschland großen Zuspruch gefunden. Es geht dabei zentral um die Frage, wie wir Kommunikationsbarrieren durchbrechen können, um wirklich wieder in einen aufrichtigen und ehrlichen Kontakt zu kommen. Wo wir uns gleichwertig begegnen. Mit dem Bemühen, den anderen aus seiner Sicht heraus zu verstehen und auch die eigenen Bedürfnisse deutlich zu machen.

Oft genug scheitert Kommunikation daran, dass wir viel zu sehr in unseren Emotionen verstrickt sind, um überhaupt den anderen mit seinen Bedürfnissen noch sehen zu können. Gefühle wie Wut, Ärger oder Ohnmacht sorgen dafür, dass wir unsere Aggressionen ausagieren und uns voneinander immer weiter entfernen. Lösungen, mit denen wir alle gut leben können, rücken so in weite Ferne.

In Kleingruppen haben wir nach einem bestimmten Schema geübt, Problemsituationen "abzuarbeiten". Zuerst geht es darum, möglichst neutral die Situation zu beschreiben, die sich ereignet hat. Das ist gar nicht so einfach, weil die Gefühle oft mit reinspielen, so dass man gar nicht mehr neutral sein kann. Aber gerade das ist auch die Herausforderung, dies zu lernen.

Nachdem die Situation neutral erfasst wurde, geht es um die eigenen Gefühle, die dabei auftauchen. Und auch hier ist es gar nicht so einfach, seine Vorwürfe oder Abwertungen von seinen Gefühlen zu trennen. Denn oft genug ist man der festen Meinung, man selber hätte alles richtig gemacht und das Problem liegt beim anderen. Mit seiner Wortwahl zeigt man dann dem anderen, dass man das so sieht. Diese versteckten Angriffe sind aber wenig geeignet, wirklich in einen aufrichtigen Kontakt zu kommen. Die eigenen Gefühle herauszufinden, die erstmal unabhängig vom anderen da sind, ist hier ganz wichtig. Was fühle ich eigentlich? Wir haben gemerkt, dass das wirklich immer wieder schwierig ist, klar benennen zu können, welche Gefühle bei einem auftauchen. Gefühle, die nicht gleich wieder eine Wertung des Gegenüber ausdrücken.

Nach den Gefühlen geht es um eine Klärung der eigenen Bedürfnisse. Was brauche ich, was möchte ich eigentlich? Wie müsste es sein, wenn es gut für mich wäre? In aller Regel reagieren wir immer dann ärgerlich, wenn jemand unsere Bedürfnisse missachtet. Und auch hier ist uns oft genug gar nicht bewusst, um welches Grundbedürfnis es eigentlich geht.

Erst wenn diese 3 Punkte geklärt sind, heißt die Frage: Und Jetzt? Was macht man jetzt mit all dem, was ausgedrückt wurde? Erst jetzt geht es um Lösungen.

Der normale Ablauf ist oft genug, dass viel zu früh nach Lösungen gesucht wird. Ohne seine Gefühle oder Bedürftigkeiten auszudrücken, wird gleich nach Lösungen gesucht. Dabei geht Wesentliches verloren oder wird nicht verstanden. Jetzt aber, wo klar ist, was vorgefallen ist, was es in einem ausgelöst hat und welche Bedürfnisse nicht erfüllt sind, kann man sich auch an Lösungen machen. Wenn mehrere Personen beteiligt sind, gilt es natürlich, dass jeder seine Gefühle und Bedürfnisse ausdrückt.

Wichtig ist hier auch, die Gefühle und Bedürfnisse des jeweils anderen zu respektieren und anzuerkennen. Um dann nach einer Lösung zu suchen, die für alle irgendwie gut ist. Die alle Bedürfnisse berücksichtigt. Und das kann man natürlich nur, wenn man zuvor erstmal die Bedürfnisse geklärt hat.

Wozu das alles? Marshall Rosenberg drückt es ganz einfach aus - es geht schlussendlich um eine Lebensverschönerung durch bessere Kommunikation.

Beim Seminar hatten wir viel Spaß und es war eine lockere Atmosphäre. Und es war interessant, anderen Menschen aus anderen Gruppen zu begegnen und etwas aus ihrer Gruppenarbeit zu erfahren.

Zum Thema Gewaltfreie Kommunikation haben wir vor Jahren auch schonmal einen Artikel geschrieben: KonfliktLoesung

-- Fred

29.04.13 :: Weiterkommen, weiterkommen...

Von allem kann man zu viel bekommen, so dass es zu einer ungesunden Geisteshaltung wird. Sparsam sein, kann eine gute Angewohnheit sein, wer aber immer und überall geizig sein muss, wird sich oft Schwierigkeiten einhandeln.

Da gab es die recht erfolgreiche Werbung mit dem Spruch: "Ich will so bleiben wie ich bin... Du darfst!" Warum das funktioniert hat? Weil man es satt hatte, sich ständig etwas vorzuenthalten und seine Impulse zu kontrollieren. Da ist der Wunsch groß, endlich mal wieder zulangen zu dürfen.

In der westlichen Welt geht es oft um Weiterkommen, Weiterentwicklung, Wachstum, Veränderung. Sowohl im Job, wie auch in psychotherapeutischen Zusammenhängen. Man möchte etwas erreichen, möchte seine Probleme hinter sich lassen, möglichst bald. Und das geht nur, in dem man sich ständig weiterentwickelt. Man setzt sich Ziele, die dann erreicht werden müssen. Möglichst schnell.

Wer sowas jahrelang mitgemacht hat, kommt vielleicht an einen Punkt, wo man keine Lust mehr auf dieses "Immer Weiter" hat. Man will endlich mal bei sich ankommen. Möchte sich in seiner Begrenztheit einfach liebhaben und annehmen.

Wer gerade so drauf ist, dafür gabs letztens in der Gruppe eine Buchempfehlung:

Natürlich ist auch das nicht die Lösung und eigentlich nur der andere Extrempunkt: Sich gar nicht mehr verändern zu wollen. Aber dieser Gegenpol kann auch mal ganz hilfreich sein, wenn man ihn nicht mit einem Ideal verwechselt.

Eigentlich gehört zu jeder Therapie ja auch diese Seite: Sich annehmen lernen, so wie man ist. Das man in Ordnung ist, so wie man ist. Das man nicht erst sein Leben lang etwas leisten muss, um am Ende endlich sagen zu können, jetzt bin ich in Ordnung. Es ist ok, seine Schwachpunkte zu haben, und unglaublich entlastend, sich damit sein lassen zu können. Gerade bei leistungs- und erfolgsorientierten Menschen, die all zu oft gegen sich selbst kämpfen, ist dies vielleicht die heilsamste Botschaft in einer Therapie.

-- Fred

27.04.13 :: Wovor genau hast du Angst?

Man kann 20 Jahre über Angst stöhnen und hat sich noch nie mal genauer angeschaut, was da eigentlich Angst auslöst. In der Tiefe hat man es nicht verstanden, hat nie genau genug hingeschaut und die Gefühlsnuancen wahrgenommen. Es ist ungefähr so, wie man täglich Sonne und Licht erlebt, aber erst wenn man eine fotografische Ausbildung macht, schaut man genauer hin, was Licht eigentlich ist und was Licht bewirkt. Und auf einmal entdeckt man so viel Neues. Oder man fängt an, die Natur zu malen und achtet erst jetzt auf so viele Details, weil man die ja aufs Papier bringen möchte.

Manchmal ist eine derbe Provokation heilsam. Und die könnte lauten:

Eigentlich weißt du gar nichts über deine Angst!

Über seine Angst lernt man nichts, wenn man noch so oft wiederholt, dass man hier oder dort Angst hat. Angst muss erkundet werden und das gelingt über Hinspüren und genaues Wahrnehmen, was sich ereignet. Wie es sich anfühlt. Was im Moment der Angst alles erlebt werden kann. Und wenn man dies dann mit anderen bespricht, kann es nochmal klarer werden und Erkenntnisse können wachsen. Wie letztens, als eine Betroffene erkannte, dass es gar nicht das Zittern ist, was ihr Angst macht, sondern die Scham darüber.

Durch genaues Hinschauen können tiefere Themen klar werden. Etwas, was hinter der Angst steht und worum es eigentlich geht. Man bewegt sich hin zu den eigentlichen Ursachen, zum Kern des Problems. Dann merkt man vielleicht, das hinter der Angst eigentlich Scham steckt. Und bei Scham steckt immer auch ein Wertesystem dahinter, was man irgendwann einmal gelernt und für sich als gültig übernommen hat. Doch ist es auch heute wirklich noch gültig? Sind es wirklich meine Werte? Oder hat sich das eigentlich alles schon längst überlebt? Zu diesen Fragen gelangt man erst, wenn man seine Angst genauer verstehen will.

Genauer hinschauen lohnt sich auch, um seine Vermeidungsstrategien zu erkennen. Die sind meist äußerst trickreich und schwer zu erkennen. Strategien, die dafür sorgen, eben keine Angsterfahrung zu machen. Eigentlich ganz praktisch, immer aber auch mit dem Problem behaftet, dass man etwas nicht mehr lebt. Etwas, was vielleicht eine große Bedeutung hat.

Die eigenen Vermeidungsstrategien sind für andere oft besser erkennbar und sichtbar. Wenn sie darauf achten. So kann eine Selbsthilfegruppe eine große Hilfe sein, seine eigenen Vermeidungsstrategien zu erkennen, wenn man das will. Hierfür braucht es die gleiche Achtsamkeit, wie man sich erforscht, auch füreinander. Eine konstruktive und mitfühlende Achtsamkeit, die Unterstützung ist. Um dann darüber zu reden, was man wahrnimmt.

-- Fred

24.04.13 :: Vortrag über Psychotherapie

Gestern war Bärbel Nellissen in der Kontaktstelle und hielt einen Vortrag über das Thema Psychotherapie und psychologische Beratung. Sie selbst ist psychlogische Psychotherapeutin in eigener Praxis in Essen und bei der Arbeiterwohlfahrt in Dortmund. Sie verfolgt einen tiefenpsychologisch-humanistischen Ansatz.

Der Vortrag war mit 20 Personen, aus zahlreichen Dortmunder Selbsthilfegruppen, recht gut besucht. Frau Nellissen gab Einblicke, was in einer tiefenpsychologischen Therapie passiert. Solche Einblicke können Ängste und Barrieren abbauen und einem so den Schritt in einer Therapie erleichtern, wenn er nötig ist. Und es ist oft so, dass dieser Schritt gerade bei Sozialphobie viel zu lange hinausgezögert wird.

Auch sind die derzeitigen Bedingungen, in eine Therapie zu kommen, nicht ganz einfach. In der Diskussion zeigten sich die Erfahrungen in Dortmund: Viele Therapeuten sind telefonisch nur schwer zu erreichen. Wenn man auf AB spricht, wird oft nicht zurückgerufen. Und wenn man dann doch Erfolg hat, kommt man auf eine Warteliste von 3-12 Monaten. Das ist auch das, was wir in unseren Gruppen immer wieder hören.

Frau Nellissen ermutigte dazu, diese Umstände so anzunehmen und sich daran anzupassen. Es ist, wie es ist, aber wenn man es weiß, kann man sich entsprechend drum kümmern. Man kann sich z.B. gleich bei mehreren Therapeuten auf die Warteliste setzen, um dann eine größere Auswahl zu haben. Denn das sagte sie ganz deutlich: Eine Therapie bei einem Therapeuten, wo man schon am Anfang spürt, dass es irgendwie nicht passt, macht keinen Sinn, ja kann sogar schaden. Es geht vor allem um das Gefühl, was man hier hat. Fühlt man sich angenommen und wertgeschätzt? Geht der Therapeut auf meine Bedürfnisse ein? Ist er interessiert an mir?

Umgedreht gilt allerdings auch: Bin ich wirklich für eine Therapie bereit? Ohne eine echte Bereitschaft, etwas in seinem Leben zu ändern, kann Therapie nicht funktionieren.

Ein wichtiges Thema ist immer wieder: Welche Therapieform ist für mich die richtige? Von den Krankenkassen bezahlt werden 3 Verfahren:

  • Tiefenpsychologische Therapie
  • Verhaltenstherapie
  • Psychoanalyse

Die Psychoanalyse wird relativ selten praktiziert und wenn, dann kaum als Ersttherapie. Sie ist sehr umfangreich und intensiv.

Die meisten Therapien sind auf Basis der Verhaltenstherapie. Etwa 80% der Therapeuten haben eine verhaltenstherapeutische Orientierung. Die Gründe dafür sind vielschichtig und teilweise politischer Natur. Unsere Erfahrung ist, dass durch die große Präsenz der Verhaltenstherapie immer wieder Betroffene in diese Therapieform gedrängt werden, obwohl eigentlich eine tiefenpsychologische Therapie sinnvoller gewesen wäre. Auch das beruht auf Erfahrungen, wo später in einer neuen Therapie tiefenpsychologisch gearbeitet wurde.

Man kann aber auch nicht sagen, das man bei Sozialphobie einen tiefenpsychologischen Ansatz präferieren sollte. Frau Nellissen erklärte uns ein paar Unterschiede zwischen beiden Therapieansätzen. Wenn man das auf sich wirken lässt, kann man vielleicht herausfinden, was der richtige Ansatz für einen ist. Wer so informiert eine gute Auswahl trifft, sorgt für ein passende Therapie, die einem auch wirklich weiterhilft.

Die Verhaltenstherapie konzentriert sich mehr auf ganz Konkretes, was man im Hier und Jetzt verändern möchte. Es gibt vielleicht bestimmte Verhaltensweisen, die man verändern möchte oder Fähigkeiten, die man vor allem durch Übung erlernen möchte. Mit Unterstützung eines Therapeuten. Ziele können klar benannt werden oder können zumindest innerhalb weniger Stunden gemeinsam erarbeitet werden. Auch geht es viel um eine Auflösung von Vermeidungsverhalten. Eine Therapie ist zeitlich recht überschaubbar, oft reichen schon 25 Stunden. In der Regel bekommt man Hausaufgaben und nutzt die Zeit zwischen den Therapiestunden für Übungen. Hier kann auch die Selbsthilfegruppe gut mit verzahnt werden, weil man hier mit anderen gemeinsam üben kann. Oder man übt in der Gruppe neue Verhaltensweisen.

Die tiefenpsychologische Therapie konzentriert sich eher darauf, das zu beleuchten, was uns in der Tiefe unseres Wesens lenkt. Hier wird Vergangenheit aufgearbeitet, schwierige Lebenserfahrungen verdaut, das eigene Wertesystem überdacht, Glaubenssätze und Prägungen bewusst gemacht und neu bewertet. Es geht ganz viel darum, sich besser verstehen zu lernen. Als Resultat kann mehr Echtheit ins eigene Leben kommen - man wird mehr zu dem, der man eigentlich ist und lebt dies. Man wird flexibler und kann sich an Gegebenheiten besser anpassen, anstatt erstarrt an alten Dingen festzuhalten. So wird das Leben wieder mehr zu einem Abenteuer, was gelebt werden will. Man erkennt mehr, wer man ist und was man will. Man räumt sinnbildlich Keller und Dachboden auf - Orte, wo sich im Laufe des Lebens viel angestaut haben kann, was einem im Leben behindert. Wer sich so mit sich selbst beschäftigt, erntet mehr Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz. Der tiefenpsychologische Ansatz braucht Zeit. Was viele Jahre geprägt wurde, lässt sich nicht in kurzer Zeit verändern. Frau Nellissen arbeitet typischerweise 2 Jahre mit ihren Klienten.

Es gibt durchaus auch Therapeuten, die in beiden Ansätzen ausgebildet sind und beides gut miteinander kombinieren können.

Falls ihr weitere Informationen zum Vortragsabend braucht, sprecht es in den Gruppen an.

Besten Dank an Frau Nellissen für den informativen Vortrag und an die Kontaktstelle, die es organisiert hat.

-- Fred

15.04.13 :: Schmetterling - Seele - Psyche

Interessant: Im altgriechischen stand das Wort Psyche sowohl für Seele, wie auch für Schmetterling. Der Schmetterling ist ein Symbol für Leichtigkeit, Beschwingtheit und Freude. Gestern hab ich schon einige Schmetterlinge entdecken können. Kaum wird es warm, erwacht die Natur...

-- Fred

09.04.13 :: Lied der Woche

Trotz alledem gesungen von Gari Belon

Letzte Woche war ja schon was von Gari Belon. Ich hatte ihn eher zufällig auf youtube entdeckt und so hörte ich in einige seiner Stücke rein. Mir gefällts.

Den Liedertext findet man hier:

-- Fred

08.04.13 :: Mit dem Vergleich war das Glück vorbei

Es war einmal eine Zeit, wo alle Menschen glücklich waren. Sie waren sich ihrer Selbst bewusst. Sie erfreuten sich an dem, was sie waren und wie sie mit ihren Fähigkeiten die Welt gestalten konnten. Sie erfreuten sich an anderen Menschen, an den Tieren, den Bäumen und der Sonne. Es zählte das, was war und hier gab es viel Wundervolles zu entdecken.

Doch irgendwann begannen sie, sich zu vergleichen. Sie ärgerten sich darüber, wenn jemand mehr von etwas hatte, als sie selber. Sie wurden neidisch, wenn jemand etwas konnte, was man selber nicht konnte. Ebenso, wenn jemand hübscher aussah, als man selber. Sie konnten nicht mehr einfach so glücklich sein, mit dem, was sie hatten. Sie konnten erst dann glücklich sein, wenn sie mehr hatten, als ihr Nachbar. Sie fühlten sich klein, wenn jemand mehr Bildung hatte, als sie selber. Oder wenn jemand besser malen konnte. Fast alles auf dieser Welt konnte man dazu benutzen, sich zu vergleichen: Wie schneide ich gegenüber anderen ab? Bin ich besser oder schlechter?

Die Gedanken drehten sich nun nur noch um den Vergleich. Es gab ja so vieles, worin man sich vergleichen konnte. Fand man was, worin man besser abschnitt, fühlte man sich kurzzeitig gut. Doch recht bald fand man wieder ein Detail, wo man schlechter abschnitt und dann fühlte man sich schlecht. Beziehungen mit anderen Menschen drehten sich nicht mehr darum, den anderen kennenzulernen uns ich mit ihm zu freuen. Es ging eher darum, abzuchecken, worin man besser als der andere ist. Und wenn man viel fand, worin der andere besser war, fühlte man sich minderwertig.

Dieses Vergleichen führte zu einer unglaublichen Geschäftigkeit. Man tat alles mögliche, um in irgendwas besser zu werden. Nicht um der Sache willen und weil man es wirklich wollte. Es ging nur darum, in diesem Vergleich besser abzuschneiden. Man wollte mehr und mehr Sieger in dem Spiel werden, was man Vergleich nennt. Da Eigentliche, was früher noch Bedeutung hatte, verlor man so mehr und mehr. Auch waren alle ziemlich unter Stress, weil sie immer besser werden mussten. Denn auch die anderen rüsteten ja auf und wurden besser. Es war ein ständiges Wettrennen.

Einigen ging es in dem Vergleich vor allem um das Thema Geld. Sie wollten mehr Geld als andere haben. Dafür brachten sie Produkte auf den Markt, die das Spiel des Vergleichens befeuerten: Nur wenn du dieses Produkt hast, bist du besser, als andere! Das war die Botschaft. Und Menschen glaubten daran und arbeiteten viel, um sich solche Produkte kaufen zu können. Und diese Massensuggestion funktionierte tatsächlich - für einen kurzen Moment fühlten sich die Menschen gut, wenn auch nur oberflächlich.

Manchen fiel irgendwann auf, dass mit dieser Idee irgendwas nicht stimmen konnte. Denn die Gesellschaft wandelte sich. Das, was gestern noch für erstrebenswert gehalten wurde, war jetzt auf einmal nicht mehr angesagt oder sogar schlecht. Erst wollten alle möglichst schlank sein und wer sehr schlank war, wurde bewundert. Auf einmal war Fülle angesagt und die Schlanken wurden abwertend betrachtet. Erst waren große Autos das Maß aller Dinge, auf einmal rümpfte man die Nase vor Menschen, die so viel Benzin verschleudern und damit die Umwelt belasten. Nun waren kleine und umweltschonende Autos angesagt.

Wie kann das sein, dass man heute etwas für völlig erstrebenswert hält und morgen ist das gar nichts mehr wert? Und wer legt eigentlich fest, worüber ich mich heute glücklich fühlen darf und wofür ich mich schäme?

Da erinnerten sich die Menschen wieder, dass doch früher die Welt viel schöner war. Sie erfreuten sich damals daran, einfach nur zu sein. Sie erinnerten sich, dass sie sich gänzlich ohne jeden Vergleich an der Welt erfreuten. Ist Vergleich vielleicht nur ein Ersatz für echte Freude? Braucht man den Vergleich vielleicht nur, wenn man den Kontakt zu den Quellen wahrer Freude verloren hat?

-- Fred

07.04.13 :: Angst vor Ablehnung

Die Angst vor Ablehnung ist ein sehr tiefgehendes und zentrales Thema. Es ist ja umgedreht auch ein wichtiges Grundbedürfnis, sich zusammen mit anderen Menschen wohl zu fühlen. Sich mit seinem Wesen grundsätzlich angenommen zu fühlen, ist dafür sehr wichtig.

Eine starke Angst vor Ablehnung kann dafür sorgen, das der Aufmerksamkeitsfokus nur noch auf diesen Aspekt gerichtet ist. Und noch mehr: Jedes Signal, was irgendwie so gedeutet werden könnte, dass eine Ablehnung dahinter steckt, wird auch so gesehen. Hierdurch macht man seine Befürchtungen zu seiner Realität. Man hinterfragt nicht mehr kritisch, ob ein Signal wirklich Ablehnung bedeutet, man nimmt es vielmehr als unumstößliche Wahrheit an. Die Alternativen, was etwas auch bedeuten könnte, sieht man nicht mehr.

So produziert die Angst vor Ablehnung eine scheinbare Welt, in der viel Ablehnung vorhanden zu sein scheint. Viel mehr, als real wirklich vorhanden ist.

Wie oft hast du gedacht, dass andere Menschen dich gerade ablehnen, obwohl es tatsächlich so nicht gewesen ist?

Beispiel: Wir begegnen auf dem Hausflur einer Person und grüßen sie. Diese Person grüßt nicht zurück. Die Angst vor Ablehnung kann nun dazu führen, dass man sich absolut sicher ist, dass die andere Person damit ihre persönliche Ablehnung mir gegenüber ausdrückt. Diese Möglichkeit kann durchaus mal zutreffen, es gibt aber noch genügend andere Möglichkeiten, die man so aber ausblendet. Es könnte z.B. sein, dass diese Person in eigene Probleme stark verstrickt ist und so seine Umwelt gar nicht wahrnimmt.

Die Möglichkeit, dass vermeintlich ablehnende Signale gar nichts mit mir zu tun haben, sollte man wieder verstärkter im Auge behalten.

Letztens formulierte jemand in der Offenen Gruppe es so: Neben der Angst vor Ablehnung gibt es auch die Hoffnung, dass Menschen mich mögen und annehmen. Ich find das eine sehr schöne Aussage. Hoffnung ist eine Offenheit für etwas, was sich eben auch immer wieder ereignen kann. Und sie bringt unseren Blick auf das, was angenehm ist, anstatt immer nur angstbesetzt in die Richtung zu gucken, die befürchtet wird.

Die Hoffnung, dass es Menschen gibt, die uns annehmen und mögen, ist auch äußerst real. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich so verhält, ist sehr hoch. Ganz oft ist es lediglich die Angst vor Ablehnung, die uns dieses Angenommensein nicht spüren lässt.

Natürlich hängt auch viel vom eigenen Verhalten ab, wie oft diese Situation eintreten wird, dass Menschen einen mögen und dies klar erkennbar wird. Viele Schüchterne haben die Angewohnheit, sich "unsichtbar" zu machen. Sie verhalten sich in Gruppen so, dass sie möglichst wenig wahrgenommen werden. So entsteht kein Kontakt, doch nur im Kontakt können ja Gefühle von Sympathie und Zuneigung entstehen. Andere wiederum wehren Nähe durch eine schroffe Art ab und machen es so anderen Menschen schwer, sie zu mögen. Wie wir auf die Menschen zugehen, spielt also eine große Rolle. Und auch hier kann man soziale Kompetenzen lernen, die einen guten Kontakt zu anderen viel wahrscheinlicher machen.

In der Selbsthilfegruppe ist Feedback auch ein sehr wichtiges Werkzeug. Hierüber erfahre ich, wie ich auf andere wirke, wie andere mich wahrnehmen. Und wie andere Situationen bewerten. So kann es mir gelingen, einen realistischeren Blick auf die Welt zu bekommen und meinen verzerrten Wahrnehmungen auf die Spur kommen. Man kann sich sicher sein, dass jeder Mensch irgendwo auch eine verzerrte Weltsicht hat und es so gut ist, seine Vorstellungswelt immer mal wieder zu hinterfragen.

-- Fred

04.04.13 :: Lied der Woche

Die Gedanken sind frei vorgetragen von garibelon:

Das Lied kam 2005 in die breite Öffentlichkeit durch einen Werbespot des Internetdienstleisters GMX. Ursprünglich entstand das Lied bereits 1780, ist also altes deutsches Volkslied. Siehe auch Wikipedia...

Ich finde, das Lied gibt einem einen Geschmack davon, wie wohltuend und beglückend Freiheit ist.

-- Fred

01.04.13 :: Pilotprojekt Gesundungshaus Dortmund

Für Menschen in akuten psychischen Krisen, bleibt mitunter nur der Weg in die Psychiatrie. Worum geht es bei diesem Schritt eigentlich? Man spürt, man kommt nicht mehr alleine zurecht. Ängste, Depressionen oder sonstige schwierige Gefühle sind so stark, dass sie einen überfordern. Man braucht ein haltgebendes Umfeld, was einen wieder aufbaut. Die Bedürfnisse können hier sehr unterschiedlich sein. Der eine braucht vor allem Rückzug aus seinem normalen Umfeld und Ruhe, ein anderer braucht viel Kontakt mit anderen Menschen und ein weiterer vielleicht therapeutische Gespräche zur Klärung seiner Situation. Auch Medikamente können nötig sein, um kurzfristig für Entlastung zu sorgen.

Psychiatrien sind nach unserer Erfahrung nicht immer optimal. Die sterile Krankenhaus-Atmosphäre mit Pflegepersonal in weiß ist nicht unbedingt Balsam für die Seele. Der Massenbetrieb lässt wenig Freiraum für individuelle Zuwendung. Und wer Probleme hat, seine Bedürfnisse lautstark anzumelden, geht auch gerne mal unter und erfährt über Wochen so gut wie kein therapeutisches Angebot. Gerade bei Schüchternheit und sozialen Ängsten ist das ein Problem.

Wenn man dann noch die Tagessätze sieht, die für die Aufrechterhaltung solcher Massenbetriebe nötig sind, fragt man sich, ob es nicht auch mit weniger Geld viel besser geht. Immerhin sind es 250-400 Euro pro Tag und Patient, die so eine Einrichtung verschlingt.

Es gibt Hoffnung. In Dortmund soll dieses Jahr das Pilotprojekt Gesundungshaus starten. Zielgruppe sind vor allem Menschen, die zwar in Krisen stecken, die sich aber durchaus noch in einem guten Umfeld selbständig organisieren können. Es soll ein Angebot sein, wo man unkompliziert und ohne große Hürden mal eben für ein paar Wochen einkehren kann, um sich wieder zu stabilisieren.

Es soll ein kleines Haus mit etwa 30 Gästen sein. Das Wort Patient wird absichtlich nicht verwendet, weil Krankheit hier nicht im Vordergrund steht. Es geht um einen guten Ort, an dem man gesunden kann. Das Haus liegt im Grünen etwas außerhalb von Dortmund in Richtung Hohensyburg. Direkt vom Haus aus gehts in den Wald und man kann ausgiebig Spaziergänge machen und die Natur genießen.

Die Inneneinrichtung hat nichts mit Krankenhaus zu tun, sondern erinnert eher an eine Wohlfühloase. Wohltuende Farben und eine Inneneinrichtung, die Wärme und Natürlichkeit ausstrahlt. Nicht teuer oder luxeriös, und doch einfach wohltuend. Im Keller gibts ein kleines Schwimmbad und eine Sauna. Das Gebäude ist ein altes Fachwerkhaus, was derzeit hierfür hergerichtet wird. Es steht auf einem alten Bauernhof, wo auch noch viel Platz für weitere Ideen ist. Evtl. wird es etwas in Richtung Tiertherapie mit Pferden oder Lamas geben. Auch ein Gemüsegarten, der von den Gästen gepflegt wird, ist im Gespräch. Eine Wiese zum Sonnen und grillen ist auch vorhanden.

Die Organisation im Haus ist von viel Selbstverantwortung geprägt. Es gibt 4 kleine Wohngruppen von 7-8 Personen. Jeder hat ein Einzelzimmer, um sich jederzeit zurückziehen zu können. Die Wohngruppe hat einen Gemeinschaftsraum, wo man gemütlich beisammensitzen kann. Auch Gesellschaftspiele sind genügend vorhanden, um sich zu beschäftigen. Auf Fernsehen wird absichtlich verzichtet, um den realen Kontakt in der Wohngruppe zu aktivieren.

Für jede Wohngruppe gibt es auch eine gemeinsame Küche. Die Zubereitung der Mahlzeiten übernimmt die Wohngruppe in Eigenverantwortung. Ein Wohngruppentherapeut gibt hier Unterstützung, wenn nötig. Ziel soll aber sein, dass die Gruppe sich im alltäglichen Ablauf möglichst gut selber organisiert. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die Abnahme sämtlicher Verantwortung oft nicht gut für die psychische Gesundung ist, weil sie gleichzeitig ein Gefühl von Hilflosigkeit vermittelt. Wer sich selber weiterhin um ein paar wichtige Dinge des Alltags kümmert, hat mehr das Gefühl, sein Leben in der Hand zu haben. Und es ist auch schön, hier Erfolgserlebnisse zu haben und seine Fähigkeiten einzubringen.

Mit dem Wohngruppentherapeuten gibt es regelmäßig therapeutische Angebote. So soll täglich eine Gruppentherapie stattfinden, in der jeder seine Probleme einbringen kann. Auch geht es hier darum, das Miteinander in der Wohngruppe zu klären. Die Idee ist, dass eigene Problematiken auch in der Wohngruppe auftauchen werden und man sie so direkt aufarbeiten kann.

1-2 mal in der Woche hat jeder auch ein Einzelgespräch bei seinem Wohngruppentherapeuten. Hier können Dinge besprochen werden, die vielleicht (noch) in der Gruppe zu schwierig zu besprechen sind.

Der Wohngruppentherapeut regt auch Aktivitäten an, die die Gruppe in Eigenverantwortung durchführt. So werden Wanderungen und Ausflüge geplant oder man hört sich gemeinsam einen therapeutischen Vortrag an. Je nach Bedürfnis der Gruppe können viele weitere Dinge entstehen, z.B. gemeinsames Singen, Tanzveranstaltungen oder sportliche Aktivitäten.

Im Haus gibt es auch wohngruppenübergreifende Angebote. Es gibt einen zentralen Kreativraum, in dem jeder zu jeder Zeit Zugang hat. Dort kann gemalt werden oder man kann mit Ton arbeiten. Zu bestimmten Zeiten sind hier auch Therapeuten anwesend, die einem helfen, kreative Potenziale auszudrücken. Auch sollen hier mehrmals in der Woche geführte Kurse angeboten werden.

Ein paar Angebote laufen auch in der Großgruppe, wo alle Wohngruppen zusammenfinden. Hierfür gibt es einen großen zentralen Gruppenraum. Einmal in der Woche soll es hier z.B. die achtsamkeitsbasierte Bewegungstherapie geben. Auch weitere Entspannungstechniken wird es geben. Samstag abend wird auch ein Abend mit Tanz und Musik angeboten. Für alle, die Lust dazu haben. Und natürlich gibt es einmal die Woche ein Plenum, in dem alle Gäste gemeinsame Dinge planen, das Zusammenleben besprechen und Aufgaben verteilen.

Durch das starke Maß an Selbstorganisation der Wohngruppen soll das Haus mit relativ wenig Angestellten auskommen. Geplant sind 3 Wohngruppentherapeuten und 4 weitere Stellen. So kommt das Haus mit schätzungsweise 40-60 Tausend Euro pro Monat aus. Somit kommt man mit Tagessätzen von nur 50-70 Euro aus. Das ist ein viertel des Tagessatzes für einen Psychiatrieplatz bei gleichzeitig intensiver Betreuung! Damit könnte es ein Erfolgsmodell in doppelter Hinsicht werden: Extrem günstig für unser Gesundheitssystem und gleichzeitig viel dichter an den Bedürfnissen dran, die Menschen in psychischen Krisen eigentlich haben. Das Haus steht natürlich gesetzlich Versicherten genauso offen wie privat Versicherten. Hier werden keine Unterschiede gemacht.

Durch den selbstorganisierenden Charakter im Haus ist das Thema Selbsthilfegruppe natürlich auch von zentraler Bedeutung. Deshalb hat die Projektgruppe Gesundungshaus auch Kontakt mit uns und weiteren Selbsthilfegruppen aufgenommen. Noch im April soll es ein erstes Austauschtreffen geben, in dem wir die Zusammenarbeit abstecken werden. Wir freuen uns schon sehr darauf, weil das ein wirklich hoffnungsvolles Projekt ist. Da bringen wir uns gerne mit ein.

Weblinks:

-- Fred

Nachtrag: Leider war das nur unser Aprilscherz. So einen Ort wird es leider (noch) nicht geben. Wir hoffen aber darauf, dass er anregt, neue Wege in der Versorgung von psychisch Kranken zu gehen. Vielleicht wird dann so ein Ort mal irgendwann Realität. Psychiatrien sind auf jeden Fall wichtig und notwendig, es gibt aber je nach Situation auch viel bessere Konzepte, die zudem wesentlich preisgünstiger wären.

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