Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2008-Q4)

30.12.2008 :: Bildungsabend am 4. Januar

Am 4. Januar, 19 Uhr gibt es wieder einen Offenen Bildungsabend, zu dem wir Betroffene herzlich einladen. Der Termin ersetzt die normale Offene Gruppe.

3 Themen stehen zur Auswahl, wir stimmen noch bis Freitag ab, welches Thema wir nehmen. Teilt euren Wunsch bis dahin bitte mit:

  1. Julia Onken - Mein Weg zum Glück
  2. Viktor Frankl - Die Suche nach Sinn
  3. Gabriele Haug-Schnabel - In der Kindheit wird die Erfahrungsschatzkiste gefüllt

Alle Vortrags-Mitschnitte gehen so etwa 50 Minuten. Danach können wir gemeinsam darüber diskutieren. Gegen 21:30 Uhr machen wir dann spätestens Schluß.

Bitte Decken mitbringen, damit wir es uns auf dem Fußboden gemütlich machen können.

-- Fred

27.12.2008 :: Anregung zum Jahresende

Lydia Daher im Poetry Slam im WDR-Fernsehen:

Ein kleiner Ausschnitt:

Ich bin nicht locker,
wie sollt ich es sein,
ich bin schließlich in Ernst-Haft,
so anstrengend allein.

Mein Heim, eine Haut aus Beton
die mir nicht passt auf meinen Kopf
ein Hut aus Ziegelstein-Ballast...

22.12.2008 :: Vortrag über Selbstwertgefühl

Frau Dr. Boglarka Hadinger spricht auf Radio Vorarlberg über das Thema Selbstwertgefühl. Ein sehr spannender Vortrag in 2 Teilen.

Weblinks:

22.12.2008 :: Das Unrunde lieben lernen

Kommunikation kann sehr rund und stimmig sein. Manchmal ist sie aber auch holprig und unharmonisch. Gerade im Kontakt mit noch fremden Menschen kann Kommunikation am Anfang erstmal etwas schwierig sein: Man fremdelt erstmal, muss sich an die Sprache des anderen gewöhnen. Vielleicht versteht man manche Wörter nicht, weil der andere undeutlich spricht. Vielleicht gibt es Missverständnisse, die auch zu peinlichen Situationen führen können.

Die große Frage ist, wie fühlt man sich, wenn Kommunikation noch nicht gut in Fluß ist? Und hier scheint es mir so, dass sozial ängstliche Menschen häufiger große Probleme mit diesem Zustand des "noch nicht ideal gelingenden Gesprächs" haben. Andere Menschen hingegen können recht gelassen in Momenten bleiben, wo Gespräche noch nicht so richtig geschmeidig sind. Mit der zuversichtlichen Haltung: "Wird schon gleich noch werden." Und selbst wenn ein Gespräch nicht gut in Fluß kommt, können sie im Nachhinein gelöst sagen: "War etwas holprig, ist aber völlig ok und kein Problem."

Hier zeigt sich ein wichtiger Ansatz, damit es für sozial-ängstliche Menschen besser wird: Gelassen werden. Annehmen, wie es ist.

Sich also darum zu bemühen, von der Geisteshaltung loszulassen, es müsse immer alles perfekt ablaufen. Stattdessen die Unperfektheit lieben lernen.

Das ist ein grundsätzlich anderer Ansatz, als ihn viele typischerweise wählen: Es klappt etwas nicht so, wie vorgestellt, man fühlt sich dafür schuldig und möchte endlich die Kompetenz entwickeln, damit jedes Gespräch bestens gelingt.

Auch das könnte man übrigens als Vermeidung bezeichnen. Man vermeidet das unangenehme Gefühl, was sich einstellt, wenn etwas nicht perfekt gelingt. Dieses tiefsitzende unangenehme Gefühl zu einer Situation lässt sich jedoch verändern. Und sich mit dem unangenehmen Gefühl zu konfrontieren, gibt einem die Chance, es annehmen zu lernen.

Was wäre, wenn man holprige Gesprächssituationen als interessant und spannend empfinden würde?

-- Fred

19.12.2008 :: Vermeiden, aber richtig!

Du sollst nicht vermeiden! Stell dich den Dingen! Solche Marschparolen bekommt man manchmal von Therapeuten, Ärzten und anderen Helfern zu hören. Sogesehen wird "vermeiden" schnell als schlecht bewertet.

Wenn man es sich mal genau anschaut, ist es ja so: Da gibt es eine Situation, die einem schwer fällt. Sie löst Ängste, Anspannung und Stress aus. Wer möchte schon gerne solche Gefühle? In der Regel keiner, und deshalb vermeidet man sie.

Im Grunde ist das ja auch eine gute Sache, wir machen im Leben Erfahrungen, die schmerzlich sind und lernen, es auf eine bessere Weise zu machen, die keine Schmerzen verursacht. Wer sich z.B. mit dem Hammer auf die Finger haut, passt beim nächsten mal besser auf. Und keiner wird sagen: Vermeide nicht, hau dir gefälligst auf die Finger!

Unbehagen zu vermeiden, macht also Sinn. Auch für unser seelisches Gleichgewicht kann das gut sein. Denn wer permanent unter starkem Stress steht, überfordert sich, wird krank, brennt aus oder verliert die Lust am Leben. Entspannung und angenehme Gefühle sind wichtig.

Bei der Therapie von Ängsten ist es nun leider so, dass man nochmal in beängstigende Situationen hineingehen muss. Das alleine reicht natürlich nicht, aber mit guter therapeutischer Unterstützung findet man zu einem konstruktiven Leid: Etwas, was schwierig ist, was einen aber irgendwie weiterbringt.

Ein einfaches Beispiel: Am Meer ins Wasser zu gehen, kann erstmal Überwindung kosten, weil das Wasser sich recht kalt anfühlt. Ist man erstmal drin, ist es irgendwie gut und man hat ein schönes Bade-Erlebnis. Ich hab also zuerst ein unangenehmes Gefühl auf mich genommen, um dann durch ein schönes Erlebnis dafür belohnt zu werden.

Manche vermeiden nun alles, was irgendwie Ängste auslöst und können sich so nicht weiterentwickeln. Oder man sitzt nur noch zu Hause, bekommt nichts mehr mit von der Welt da draußen. Hier ist es sinnvoll, diese Vermeidung zu überwinden.

Vermeidung wird meist verdrängt: Man ist sich der Vermeidung nicht bewusst oder man schiebt irgendwelche Gründe vor. Negative Bewertung von Vermeidung führt zu noch mehr Verdrängung. Man kann nicht klar sagen: "Ja, ich tue jetzt dies oder jenes nicht, weil ich diese Angst spüre." Stattdessen sagt man vielleicht: "Ich kann leider nicht kommen, ich hab zu viel Arbeit." oder "Ich bin schon anderweitig verabredet."

Ich glaub, es ist gut, hier mehr Bewusstheit hineinzubringen. Klar zu erkennen, wann man vermeidet und wann man sich Dingen stellt. Und ja sagen zu können, wenn man vermeidet. Das ist vollkommen in Ordnung. Nur bewusst sollte es einem sein, denn dann wird es auch eine bewusste Entscheidung, ob man sich einer Sache stellen will oder nicht. Und beides kann, je nach Situation gut sein.

Es kommt immer darauf an, ob man gerade eine Herausforderung braucht oder ob es besser ist, sich auszuruhen.

Sag ja zur Vermeidung und auch ja zur Herausforderung!

-- Fred

28.11.2008 :: Projekt EchtStark.net

Wir sind zufällig im Internet auf das Projekt EchtStark.net aufmerksam geworden. Bei diesem Projekt geht es darum, Kinder und Jugendliche in Sachen soziales Lernen und Selbstbehauptung zu unterstützen.

Wenn man Schilderungen aus unseren Gruppen lauscht, hört man oft, dass soziale Ängste ganz früh begonnen haben und die Schulzeit oft zur Qual wurde. Gleichzeitig sieht man, dass wir als Gesellschaft viel mehr tun könnten, damit Menschen nicht diese massiven Ausgrenzungs-Erfahrungen machen müssen.

Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie man gut miteinander umgeht und wie man sich selbst behauptet, finde ich ganz wunderbar. Das ist etwas, was vielen damals geholfen hätte - Menschen die heute als Erwachsene in unsere Gruppe kommen.

Wenn man sich die Ziele der Projekt-Homepage durchliest, so findet man vieles, was auch für unsere Gruppenarbeit große Bedeutung hat:

  • Stärkung emotionaler Kompetenz -> Wahrnehmung und Ausdruck der Gefühle, Einfühlungsvermögen
  • Stärkung sozialer Kompetenz -> Wertschätzender Umgang, gute Formen der Kommunikation, Handlungsalternativen erlernen
  • Stärkung der Körperwahrnehmung -> Kraft - Stärke, Anspannung - Entspannung, Körper als Medium des Selbstausdrucks

Weblinks:

23.11.2008 :: Selbstachtung kommt vor Selbstbehauptung

"Ich möchte mich mehr duchsetzen können!" ist ein Wunsch, den man öfters in unseren Gruppen hört. In einem professionell geleiteten Workshop konnten wir einen wichtigen Impuls mitnehmen: Wir müssen uns zuerst einmal selber wertschätzen können.

Insofern ist die Frage wichtig: "Was kann ich gut? Was kann ich an mir wertschätzen?"

Wenn ich mir meiner Stärken und meines Wertes bewusst bin, dann wird auch ein Wille da sein, dieses >> Gute << zu nähren und zu beschützen. Dann werde ich mich dafür einsetzen und werde Kräfte entwickeln.

Wenn ich hingegen überhaupt nicht an mich glaube, meinen Wert nicht erkenne, dann werde ich auch schnell zurückstecken und mich klein machen. Dann zeige ich mich so, wie ich mich sehe: Als unbedeutend und unwichtig.

Aber nein! Ich bin wichtig und das, wofür ich stehe, hat Bedeutung! Wenn das wirklich auch tief gefühlt wird, dann verändert sich viel und man wird ganz automatisch mehr für sich einstehen können.

Wir haben in den Gruppen schon öfters die Erfahrung gemacht, dass viele kaum eine Vorstellung von ihren Stärken haben. Viele wissen bestens bescheid, was sie nicht können. Da könnten Bücher mit gefüllt werden. Aber wenn die Frage ist, was man gut kann, was die eigenen Stärken sind, ist oftmals Leere da.

Es lohnt sich also, sich für seine Stärken zu öffnen. Zu beobachten, was man gut kann. Hier geht es auch darum, die kleinen Dinge wertzuschätzen. Und auch darum, sein Herz zu öffnen. Für sich. Sich das zu geben, was man vielleicht früher nie von seiner Umwelt erfahren hat: Eine liebevolle Zuwendung und Wertschätzung.

Hier zeigt sich auch schön, dass Entwicklung Zeit braucht. So ein Bewusstseinswandel, sich mehr und mehr wertzuschätzen, ist nicht mal eben zu machen. Wo Geringschätzung so früh begonnen hat und so viele Jahre in uns wirkte, kann man nicht erwarten, dass eine neue Orientierung schnell in uns Fuß fasst. Es ist vielmehr ein Übungsweg, den man besser in Jahren zählt. Um so wichtiger, diesen Übungsweg zu beginnen und dran zu bleiben.

Solche Workshops können immer wieder ein guter Impuls sein, diesen Weg einzuschlagen und dabei zu bleiben.

-- Fred

11.11.2008 :: Freie Krankenhauswahl

Stationäre Psychotherapie kann ein effektiver Weg sein, an seinen psychischen Themen zu arbeiten. Ganz oft läuft es jedoch so: Der Arzt, die Krankenkasse oder der Rententräger legt irgendeine Klinik fest. Als Patient denkt man, man hat überhaupt keine Wahl - entweder diese Klinik oder gar keinen Klinikaufenthalt.

Viele wissen nicht, dass man in gewissem Umfang eine freie Krankenhauswahl hat. Und sich eine geeignete Klinik auszusuchen, ist auch wichtig. Einerseits erhöht die eigene Auswahl den Behandlungserfolg: Worum ich mich selber kümmere, was mich selber überzeugt hat, auf das lasse ich mich besser ein. Psychotherapie beinhaltet in der Regel Schritte, mehr Eigenveranwortung für sein Leben zu übernehmen. Und so beginnt die Therapie im Grunde schon an dem Punkt, sich selber eine passende Klinik zu suchen.

Von der passenden Klinik hängt ab, ob man irgendwo seine Zeit abhängt, weil kaum Therapieangebote vorhanden sind oder unmotiviertes Personal nur "Dienst nach Vorschrift" macht. Oder ob man in einem freundlich-liebevollem Umfeld schnell Fuß fassen kann und von einem vielschichtigen Angebot von gut ausgebildeten Therapeuten und Ärzten profitiert. Die Spannweite an Qualität bei Kliniken ist sehr groß, das zeigen immer wieder die unterschiedlichen Erfahrungen, von denen wir in der Selbsthilfearbeit erfahren.

Neben dem eigenen Behandlungserfolg sollte man auch im Auge behalten, dass so eine Behandlung enorme Kosten verursacht. Ein typischer Klinikaufenthalt in einer psychosomatischen Fachklinik verursacht Kosten von 10.000 Euro. Da ist es auch im Sinne der Krankenkasse sehr wichtig, dieses Geld sinnvoll zu investieren. Wie unsinnig, wenn dieses Geld in eine Maßnahme gesteckt wird, die dem Patienten nichts bringt. Entweder, weil das Angebot der Klinik unzureichend ist, oder weil es nicht zu den Erfordernissen des Patienten passt.

Ich glaube an das große Potenzial, das viele Patienten ein wesentlich passenderes Angebot finden, wenn Sie sich hier auf die Suche begeben würden. Im Internet kann man recherchieren und zu Kliniken kann man direkt Kontakt aufnehmen. Öfters wird sogar angeboten, in einem unverbindlichen Besuch erste Einblicke in das Behandlungskonzept und die Umgebung zu bekommen. In der Selbsthilfegruppe kann man von anderen erfahren, welche Klinik-Angebote als hilfreich empfunden wurden.

Hat man seine Klinik gefunden, muss man mitunter ein gewisses Durchhaltevermögen aufbringen: Zuerst einmal muss man mit seinem Arzt darüber sprechen, ob dieser die eigene Wahl unterstützt und für sinnvoll erachtet. Wenn ja, kann es trotzdem weitere Schwierigkeiten geben. Gerne werden solche Wünsche von Krankenkasse oder Rententräger abgelehnt. Hier zählen eher abstrakte Verwaltungsakte und die werden komplizierter, wenn Patienten hier Wünsche äußern. So richtig Interesse gibt es für diese Wünsche nicht, weil es für Ärzte und Kostenträger unbequem ist. Hier lohnt es sich aber, unbequem zu sein. Denn wenn es gut läuft, profitieren alle davon - der Patient wie auch der Kostenträger.

Weblinks:

-- Fred

04.11.2008 :: So viel kaputt - aber so vieles nicht

Im Song "Kaputt" von "Wir sind Helden" wird etwas zum Thema gemacht, was auch in der Selbsthilfe immer wieder gesehen werden muss:

So viel kaputt,
aber so vieles nicht,
Jede der Scherben,
spiegelt das Licht.

Wenn wir uns als Selbsthilfegruppe mit dem Thema Sozialphobie und Soziale Ängste beschäftigen, dann ist das die kaputte Seite. Aber das ist nicht alles: Wir sind Menschen und jeder bringt auch ganz viel Heiles mit hinein.

Ich erinnere mich an einen Abend in der Klinik Heiligenfeld, wo wir als Patienten ein Programm gestaltet haben. Viele konnten etwas einbringen - Stücke am Klavier, Sketche, selbstgeschriebene Gedichte, Didgeridoo & Trommel. Mich hat das total berührt, wie lustig und lebensfroh das war. Pulsierendes Leben! Da waren nicht die Dramen, die noch vormittags in der Gruppentherapie durchlebt wurden. Jetzt war etwas anderes da - etwas Gesundes und Heiles. Wir konnten eine Menge Spaß miteinander haben.

Und selbst in seinem Unglück kann man etwas positives entdecken: Stärken, die gewachsen sind. Kräfte, die man mobilisiert hat. Und in vielem, was erstmal nur schwer aussieht, ist auch schon die Lösung oder das Gute zu entdecken, wenn man sich dieser Energie öffnet. Das beschreibt auch die obige Zeile im Song ganz gut: Jeder der Scherben, spiegelt das Licht.

Viele, die in Therapie zurückblicken, sehen erstmal all das Elend und das was nicht stimmte in der Vergangenheit. Aber irgendwann - wenn man das Elend ein Stück weit verarbeitet hat, kann man auch die guten Seiten entdecken. Im Song heißt es: So viel kaputt, aber zwischen der Glut, zwischen Asche und Trümmern, war irgendwas gut.

Weblinks:

-- Fred

02.11.2008 :: Lob tut gut?

In einer Gruppendiskussion ging es um das Thema Lob. Tut Lob einfach nur gut? Und bekommt man genug davon?

Mit dem Lob - das mussten wir feststellen - ist es gar nicht so einfach. Viele haben vor allem eins gelernt: Bei Lob ist erstmal höchste Vorsicht geboten!

Warum das? Hier einige Gefahren, die Lob mit sich bringt:

  • Wird man vor einer Gruppe gelobt - z.B. einer Schulklasse - zieht man automatisch Neid und Missgunst einiger anderer auf sich. Gleichzeitig kann es unangenehm sein, in dieser hervorgehobenen Rolle zu sein.
  • Lob kann Eingebildetheit und Arroganz fördern. Entweder, ich verändere mich wirklich in diese Richtung oder die anderen wollen mich zumindest so sehen. Beides ist nicht angenehm.
  • Lob verpflichtet! Jemand erinnerte sich, dass ein Lehrer ihn lobte und er fortan unter großem Druck stand, diesem Eindruck nun auch zu entsprechen. Man muss dann das bedienen, was der andere an einem so gut findet. Gleiches kann z.B. auch in Partnerschaft entstehen.
  • Lob manipuliert! Lob lädt dazu ein, etwas zu tun, was weiteres Lob bringt. Man lernt, wie man sich zu verhalten hat, um Lob zu bekommen. Nur entspricht dies auch meinen Lebenszielen und Idealen? Oder verliere ich mich? Hier gibt es viele Verirrungen, wo z.B. der Klassenkasper von seinen Mitschülern Anerkennung bekommt, in Wirklichkeit aber in dieser Rolle nur selten glücklich wird. Oder ein Chef lobt einen, wenn man Überstunden macht und fortan lebt man nur noch für seine Arbeit.

Dies zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, mit Lob umzugehen. So ist es auch nicht selten, dass man immer wieder hört: "Lob lass ich gar nicht wirklich an mich heran." Man blockt es also irgendwie ab, es berührt einen nicht wirklich. Das ist ja oft auch gar kein so schlechter Selbstschutz, begibt man sich so nicht in die Gefahr, die Lob mit sich bringen kann. Oder man wertet Lob immer ab, um gar nicht in diese Sonderrolle zu kommen.

Ein Bekannter reagierte auf ein Lob meist so: "Komm zur Sache, was brauchst du von mir?" Und oft hatte er in seinem Umfeld sogar recht damit...

Auf der anderen Seite brauchen wir Anerkennung und Wertschätzung für das, was wir tun und was wir sind. Bekommen wir das nicht oder kommt es nicht bei uns an, schwächt das unser Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Denn zu einem Selbstbewusstsein gehört es genauso dazu, über seine guten Seiten und Fähigkeiten ein möglichst realistisches Bild zu haben. Es ist nicht selten in unseren Selbsthilfegruppen, dass viele nur über ihre Mängel bescheid wissen, aber nicht ihr Potenzial kennen oder genug wertschätzen können.

Wie kann es gelingen, dass Lob bei uns ankommt, wir aber trotzdem nicht in Gefahr kommen? Das ist vielleicht die große Herausforderung. Lob muss einen wieder berühren und dazu führen, dass man sein Potenzial sehen und würdigen kann. Lob muss einem aber auch die Freiheit lassen, seinen Weg zu gehen.

In der Gruppenarbeit ist es gut, wenn man pauschale Wertungen und Urteile vermeidet, stattdessen davon spricht, wie man etwas ganz persönlich empfindet. Also nicht zu sagen: "Das ist gut, dass du immer so mutig bist!" sondern "Mir gefällt, dass du oft so viel Mut aufbringst. Ich wünschte, ich könnte das auch öfters mal.".

Ich glaube, es gibt viel Potenzial darin, dass wir uns in der Gruppenarbeit öfters mal sagen, was wir aneinander mögen.

-- Fred

20.10.2008 :: Mit dem Leben tanzen

Was gibt Hoffnung? Es braucht gute Bilder, was Leben sein kann. Wir hatten letztens das Thema Lebendigkeit in der Gruppe. Vielleicht werden wir alle voller Energie und Lebendigkeit geboren, sind neugierig auf die Welt, wollen die Welt voll auskosten und entdecken.

Doch dann verschließen wir uns irgendwie - machen Erfahrungen, dass wir mit unserer Lebendigkeit oder unserem Wesen nicht willkommen sind. Wir ecken an, werden gedeckelt, klein gemacht, zu Ordnung und Disziplin aufgerufen. Vielleicht sind wir irgendwann nur noch funktionierende Wesen, die ihre Lebendigkeit verloren haben.

Wirklich verloren? Nein, ich glaube, der lebendige Teil in uns ist noch da. Und er will leben, will sich freuen, will in Fluß kommen und mit dem Leben tanzen. Wenn wir Kontrolle aufgeben könnten und ein wenig Mut haben, kann dieser Teil wieder mehr zum Vorschein kommen.

Ich find das eine schöne Idee, als Erwachsener sich nun auf den Weg zu machen, die ganze verschüttete Lebendigkeit zu reaktivieren. Wunden zu heilen und mit Mut und Verstand nochmal probieren, was früher misslang. Vieles ist heute möglich, weil man inzwischen ein Mensch mit viel mehr Fähigkeiten geworden ist. Man kann sich ein Umfeld suchen, in dem man lebendig werden darf. Und der Verstand kann helfen, das wir trotz unserer neuen Lebendigkeit nicht wieder in alte Fallen tappen.

Wer Lust hat, körperlich im Tanz lebendig zu werden, melde sich bei uns. Wir planen, mal wieder zum Tanz der 5 Rhythmen nach Unna zu fahren. Gemeinsam ist man mutiger...

Weblinks:

-- Fred

05.10.2008 :: Eindrücke vom Bildungsabend

Beim ersten Sopha Bildungsabend hörten wir einen Vortragsmitschnitt von Anselm Grün zum Thema "Selbstwert entwickeln". Hier ein paar persönliche Eindrücke, was mich angesprochen hat:

Anselm spricht von Urvertrauen. Ein Mensch mit Urvertrauen wagt sein Leben und hat ein tiefes Vertrauen in die Verlässlichkeit der Menschen. Ich stell mir gerade vor, wie das ist, wenn ich unter Menschen aufwachse, die mich als Mensch immer wertschätzen. Menschen, die mich annehmen, mich gern haben. Menschen, auf die ich mich immer verlassen kann. Und eine Welt um mich, die mich nicht überfordert, sondern in der ich immer wieder Chancen und Möglichkeiten entdecke. Nicht alles ist leicht, aber nichts überfordert mich. Wenn ich mir das für meine Kindheit vorstelle - ich glaub, das sind gute Voraussetzungen für ein später gut gelingendes Leben. So kann vielleicht ein Gefühl von Vertrauen und Zuversicht entstehen. Und ein unzweifelhaftes Gefühl dafür, im sozialen Gefüge wichtig und wertvoll zu sein.

Die Realität sieht leider oft anders aus: Unsichere und unklare Beziehungen, massive Abwertung und Ablehnung der eigenen Persönlichkeit, bedrohliche Erfahrungen, die einen stark erschütterten. Und dann die ganzen unseglichen Abhängigkeitsverhältnisse, in denen man seine eigene Persönlichkeit aufgeben und verleugnen musste, um als kleines Kind überhaupt überleben zu können. Das ist etwas, was viele Menschen erleben. Und nun? Was machen Menschen, die nicht das Glück hatten, in einem guten, tragenden Umfeld aufzuwachsen? Wo kommt jetzt das Urvertrauen her? Oder wie kann man wieder Vertrauen und Sicherheit finden, wo gleichzeitig viele Erfahrungen in einem sind, die ganz anders waren?

Ein Hoffnungsträger ist sicherlich: Heute ist nicht gestern. Heute als Erwachsener hat man viel mehr Freiheit, sich sein Umfeld zu gestalten. Man ist nicht mehr das kleine Kind, was auswegslos in einem schwierigen Umfeld gefangen ist. Man könnte das Leben nochmal ganz neu wagen. Mit den Bedingungen und Möglichkeiten, wie sie heute sind. Jedoch: Das braucht viel Mut, weil man trotz der alten schwierigen Erfahrungen nochmal einen neuen Versuch wagt. Hier ist finde ich auch wichtig, gut für sich zu sorgen, damit erneute Versuche nicht wieder in einem Desaster enden. Sich ganz behutsam nochmal zu trauen. Gleichzeitig muss man es auch schaffen, das Scheitern als ganz normalen Teil des Weges zu sehen. Denn das Leben gibt keine Garantien und es wird nicht immer alles gut gehen. Nicht einfach für Menschen, die schonmal massiv verletzt wurden. Wenn ich als verletzter Mensch vom Leben verlange, nie wieder verletzt zu werden, dann werd ich dem Leben nicht wirklich begegnen.

So, wie ich Anselm Grün verstehe, zeigt Urvertrauen noch in eine ursprüngliche Richtung: Leben ist ein Wunder und jedes Leben ist kostbar und einzigartig. Und vielleicht ist dieses Selbstverständnis in uns schon angelegt, zu fühlen, dass wir ein wertvoller Teil dieser Welt sind. Wenn dann aber das Umfeld uns nicht wertschätzt, nicht ernst nimmt, dann wird dieses Grundgefühl gebrochen. Das bezeichnet Anselm als eine spirituelle Verletzung. Ein schlechtes Umfeld zerstört also unsere Ur-Erfahrung, ein gutes Umfeld fördert hingegen dieses Grundgefühl von Urvertrauen und Selbstwert.

Wichtig für einen stabilen Selbstwert ist ein Umfeld, in dem alles da sein darf, so dass man nichts verstecken muss. Das man in einem Umfeld aufwächst, wo über alles geredet werden kann. Nur so kann man sich als ganzer Mensch wertschätzen und erlebt sich später nicht als gespalten - als ein Teil, der gut ist und ein Teil, der schlecht ist und den man verstecken oder abspalten muss. Dieser Teil wird als Schatten bezeichnet. Damit ist auch klar, wohin die Reise gehen kann, um wieder zu mehr Selbstwert zu finden: Den eigenen Schatten zu integrieren, heute über all das wieder reden zu dürfen, was mal tabu war. Sich seine Seiten anzuschauen, die vermeintlich nicht gut sind. Wieder zu all dem zu stehen, was man irgendwann einmal abgespalten hat, was man nicht zu sich zugehörig empfindet. Das ist ja heutzutage auch anerkannte Meinung in der Psychologie und Inhalt von tiefenpsychologischer Psychotherapie.

Sich zu blamieren, ist übrigens auch ein Schattenthema. Da ist eine Erfahrung, die man nicht machen möchte. Weil in einem das tiefe Gefühl verankert ist, dass es ganz peinlich und damit unannehmbar ist, wenn man auf eine bestimmte Weise ist. Die Heilung läge dann darin, wieder ja zu sich zu sagen, auch in Situationen, die man als blamabel erlebt.

Anselm spricht von einem spirituellen Selbstwert: Etwas in uns ist immer unantastbar und kann nie verletzt werden. Im Kern wurden wir nie verletzt. Ich bin mehr, als dieser Mensch, der gerade diese Verletzung erfährt. Für mich bedeutet das so etwas, wie Zuflucht zu seinem göttlichen Ursprung zu nehmen. Aber auch für nicht gläubige Menschen ist die Vorstellung nützlich, dass ich nicht als ganzes Wesen verletzt wurde, sondern es einen Kern gibt, der immer unverletzt blieb und in dem ich mich irgendwie verankern kann. Vielleicht in Form von Visualisierungen oder anderen Vorstellungsübungen.

Anselm Grün plädiert auch für einen Weg, nicht immer cooler und unantastbarer zu werden, sondern zu seinen Schwächen und seiner Unsicherheit zu stehen. Das ist für ihn ein echtes Selbstwertgefühl. Das andere hingegen ist aufgesetzte Stärke, dahinter ist meist ein verletztes kleines Ich zu finden. Für mich war das auch mal eine wichtige Erkenntnis und ein Wendepunkt, weil ich begriff, dass es eine viel bessere Basis ist, zu sich stehen zu können, anstatt immer eine Menge Kraft dafür aufzubringen, irgendwie sein zu müssen. Man braucht einen großen Kontrolleur, der darauf aufpasst, immer so zu sein, wie es das Selbstbild verlangt. Alles andere muss bekämpft werden.

Vergleich - so Anselm - ist ein großes Problem. Wir finden immer Menschen, die besser sind, als wir. Neid und Unzufriedenheit entsteht. Viel Kraft wird verschwendet. Stattdessen sollten wir besser bei uns bleiben: Das zu leben, was ich bin, das zu verwirklichen, was mein Leben hervorzubringen vermag. Sich spüren, sich wahrnehmen, seins entwickeln.

Interessant fand ich die Anregung, dass wir als heranwachsende Menschen auch eine Vaterfigur brauchen, die uns lehrt, Rückrat zu haben. Ein Mensch, der uns beibringt, dass es gut ist, zu sich zu stehen, seins zu leben, sich auch mal durchzusetzen und für eine gute Sache zu kämpfen. Vielen Menschen fehlt eine solche Vaterfigur und das könnte auch ein guter Impuls für die eigene Entwicklung sein: Wie hole ich diese Erfahrung für mich nach? Welche Menschen gibt es vielleicht in meinem Umfeld, die so etwas leben und die mir so etwas lehren können?

Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde und oft im Zusammenhang mit Sozialphobie zu finden ist: Die Angewohnheit, alles auf sich zu beziehen. Man kann nicht auseinanderhalten, was meins und was deins ist. Wenn irgendwas schlecht läuft, bin ich natürlich schuld und sehe nicht, dass auch der andere seinen Anteil daran hat. Wenn jemand ärgerlich ist, muss ich nicht in Ordnung sein und komme nicht auf die Idee, dass der andere vielleicht eine alte Verletzung hat, die gerade aufbricht und nichts mit mir zu tun hat. Hier zu lernen, besser die Grenze zu ziehen zwischen "Deins" und "Meins", erscheint dann wichtig.

Zorn und Wut positiv als Zeichen der Befreiung zu sehen, fand ich einen guten Gedankenimpuls. Gerade Menschen, die anderen zu viel Macht gegeben haben, über ihr Leben zu bestimmen, reagieren irgendwann mit diesen Gefühlen. Gerade bei sozialphobischen Menschen glaube ich, ist das ein Kernthema: Versteckte und verborgene Wut, Ärger, Agression und Enttäuschung.

In der Zorn-Energie liegt viel Heilungspotenzial: Das richtige Gefüge von gesunder Machtverteilung wieder herzustellen. Und damit seinen Platz zurückzuerobern, der einem zusteht. Die Frage ist dann: Wie kann ich die massive Kraft des Zorns konstruktiv lenken? Zorn wirkt ja gern zerstörerisch, aber eigentlich will ich ja nur zerstören, weil mir nicht genug zugestanden wird. Wie kann ich mir also zurückerobern, was ich brauche? Was brauche ich überhaupt, um mich wohl zu fühlen?

Viele wollen ihre Vergangenheit abstreifen und irgendwie jemand anderes werden. Oder sie tragen eine tiefe Unzufriedenheit mit sich herum, weil nicht da war, was man hätte gebraucht. Anselm schlägt einen anderen Weg vor: Ja zu sagen zu seiner Lebensgeschichte und aus diesem Ausgangsmaterial sein Leben zu formen. Ja - es war, wie es war, und jetzt mach ich das Beste daraus. In dieser Form - nicht verdrängend mit der Vergangenheit umzugehen, gefällt mir. Sicherlich gehört zuvor erstmal Trauer dazu, aber irgendwann es wirklich annehmen zu können, um dann das Leben zu leben, was möglich ist. Seine Energie nicht mehr in all das zu stecken, was nicht war. Stattdessen das zu leben, was möglich ist, das erscheint mir sinnvoll. Aber auch nicht die Vergangenheit wegzudrängen, weil das der Ausgangsstoff ist, aus dem sich mein weiteres Leben gestaltet.

Sich anzunehmen, wie man ist, bedeutet übrigens nicht, so zu bleiben, wie man ist. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein Paradoxon, was man auch in der Psychotherapie kennt: Je mehr man sich in seinem Wesen annimmt, um so mehr übernimmt man Verantwortung für sein Leben. Das bedeutet, man wird Gestalter seines Lebens. Und Leben ist immer in Veränderung. Leben ist Tanz und Wandel.

-- Fred

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