Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2014-Q4)

31.12.2014 :: Jahresrückblick

Puh. Dieses Jahr war eine unglaubliche Dynamik in unserem Gruppengeschehen. Irgendwie war ständig irgendwo was los. Es gibt immer mehr Leute, die sich mit ihren Ideen einbringen, vor allem was Freizeitangebote angeht. Solche Angebote können dank Forum, Mailingliste und Online-Terminplaner recht schnell verbreitet werden. Und recht häufig finden sich dann auch genügend Interessenten. Wanderungen, Filmclub, Karaoke-Abende, Grillen, Spielgruppen, Billard, Kegeln, Diskobesuche, Klettergarten oder eine Kanufahrt - all das war dieses Jahr im Programm. Und trotz unserer Einschränkungen ist es mitunter schon erstaunlich, was auch alles geht, wenn man sich miteinander wohl fühlt. Karaoke zum Beispiel. Da hätt ich ja nie dran geglaubt, dass sowas funktioniert. Ging aber und war lustig. Was auch gut ging: Es gibt zahlreiche Karaoke-Versionen auf Youtube, wo die Texte mit eingeblendet werden. Und wenn man die mit Beamer auf die Wand projeziert, kann man super gemeinsam singen. So steht man als Einzelner auch nicht so im Fokus.

Ein paar Leute von uns sind dieses Jahr zum Gipfel der Schüchternheit gefahren. Den ersten Gipfel in diesem Jahr haben die Mannheimer im Mai organisiert. Der zweite fand in Wiesbaden statt, ich glaub im September. Auch da waren ein paar von uns mit dabei. Bei so einem Gipfel sind Sozialphobie-Selbsthilfegruppen aus ganz Deutschland eingeladen. Das Treffen lief über 2 Tage. In Mannheim waren glaube ich so um 100 Leute dabei, in Wiesbaden so um 50.

Was konkrete Lernfelder angeht, da lief dieses Jahr auch einiges: Wir machten einen professionell geleiteten Workshop zum Thema "Training emotionaler Kompetenzen". Hier ging es viel darum, achtsam für sich selbst zu werden, um dann Einfluss nehmen zu können auf seine Körperregulation und so entspannter durchs Leben zu gehen. Da gabs auch einiges an Theorie, was im Körper so alles abläuft, wenn man unter Stress gerät.

Im Workshop "Stimme - Präsenz - Selbstausdruck" lernten wir über 8 Abende, wie wir auf andere Menschen wirken. Durch unsere Stimme, aber auch durch die Art, wie wir mit Gestik und Körperhaltung kommunizieren. Und manch einer war völlig verblüfft, welche merkwürdigen Angewohnheiten er bei sich entdecken konnte, die dafür sorgten, dass er nicht so rüberkam, wie gewünscht. Oder das er einen Eindruck hinterließ, der er so gar nicht hinterlassen wollte.

Und dann lief das ganze Jahr auch die Vortragsgruppe, wo jeder üben konnte, vor Publikum zu reden. Für diese Gruppe holten wir uns Ende des Jahres auch nochmal professionelle Unterstützung für 2 Abende. Weitere 2 Abende folgen Anfang nächstes Jahre nochmal.

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an die Krankenkassen, die unsere professionell geleiteten Workshops zu großen Teilen mitfinanziert haben ( AOK Nordwest, Die Betriebskrankenkassen, Die Ersatzkassen, IKK classic, Knappschaft, SVLFG). Und ebenso ein großes Dankeschön an die Selbsthilfe-Kontaktstelle, die uns immer wieder in allen Fragen der Selbsthilfearbeit unterstützt. Auch die zentral gelegenen Räume erhalten wir sehr preiswert über die Selbsthilfe-Kontaktstelle.

Eine spannende Erfahrung war im August der Taketina-Rhythmus-Workshop. Was das ist, schaut man sich am besten auf Youtube an.

Bereits 2013 entstand die Idee, vor der Offenen Gruppe etwas anzubieten, wo man sich irgendwie körperlich-praktisch betätigt. Weil ein Gruppenmitglied gerade eine Yoga-Ausbildung machte, bot sie Yoga und Entspannung an. Dieses Angebot wurde gut angenommen, so dass sich eine kleine Gruppe von etwa 6 Interessierten bildete. Im Oktober diesen Jahres wurde diese Gruppe nochmal neu erfunden. Die Erfahrungen der letzten Monate zeigten, dass wir uns da etwas weiten sollten. Wir hatten inzwischen noch zahlreiche Erfahrungen durch das Stimmtraining gemacht. Hier gab es auch viele Übungen, die in so eine Gruppe hineinpassen könnten. Daraufhin wurde die Gruppe jetzt zur Sopha-Aktionsgruppe umbenannt. Dies ist neben der Vortragsgruppe ein Gegenpol zu den Gesprächsgruppen. Denn es kommt immer wieder mal das Gefühl auf "Nur reden bringt nichts, man muss auch was tun." Und dieser Rahmen soll genau dazu einladen - sich ausprobieren, mal seine Komfortzone zu verlassen und etwas tun, was man sonst eher nicht tut. Rollenspiele, Atemübungen, Entspannungen oder Aktionsspiele werden hier gemacht. Gemacht, nicht angeboten. Denn jeder ist hier mit dafür verantwortlich, Ideen einzubringen und auch mal was anzuleiten.

Das ganze Jahr über hatten wir ja die Offene Gruppe in 2 Teilgruppen aufgesplittet, weil es in einem Raum schon zu viel wurde. Und es wurden im Laufe des Jahres noch viel mehr, so dass wir dann an die Grenze von etwa 24 Personen an einem Abend herankamen. 12 Personen in einer Teilgruppe ist so das Limit, damit es noch gemütlich bleibt und jeder genügend ins Gespräch kommen kann. So mussten wir dann eine Warteliste einführen und den sofortigen Einstieg stoppen.

Kaum war die Warteliste eingerichtet, meldeten sich recht viele Interessierte. Am Jahresende waren wir jetzt schon bei der Zahl 25 angekommen, die auf der Liste stehen. Deshalb gabs dann die Idee, eine neue Gruppe zu gründen. Und weil so viele junge Menschen nachfragten, gründen wir jetzt eine Gruppe für Junge Erwachsene im Alter von 18-30 Jahren. Im Januar gehts los...

Viele Menschen unter einen Hut zu bringen, dass schafft nochmal ganz neue Herausforderungen. Ebenso die vielen Angebote noch zu koordinieren. Wer muss wann wie informiert werden? Wer kümmert sich um was? Was müssen wir alles an Informationen zu den Treffen weitergeben? Und ganz wichtig: Wie gehts eigentlich jedem so in diesem Ganzen, was größer und unübersichtlicher geworden ist? Da tauchten natürlich auch Ängste auf und auch mancher Ärger oder manche Unzufriedenheit. Passend dazu lautete das Motto des letzten Tagesworkshops dann auch "Umgang mit Konflikten".

Ein Highlight dieses Jahr war die 15 Jahre Sopha-Feier, die wirklich sehr schön gestaltet war. Einige hatten sich mit eigenen Beiträgen eingebracht, die informativ, humoristisch oder erfahrungsbasiert waren. Ein paar Wochen später war dann auch schon die Weihnachtsfeier da, die diesmal auch recht zahlreich besucht war. Wir hatten noch nie so eine große Wichtelrunde. Und später hatten zahlreiche Leute auch noch Lust, zu tanzen oder sich mit Gesellschaftspielen zu unterhalten.

Seit Jahren hatten wir immer ein Defizit, was den Blick auf das Ganze angeht. Es braucht einfach Menschen, die sich angucken, was da so entsteht, was gut läuft, wo es Unterstützung braucht, wo etwas geplant werden muss usw. So gründeten wir am Anfang des Jahres endlich mal so ein Gremium, den Sopha-Rat. In diesem Rat befinden sich derzeit 5 Mitglieder. Dieser Rat trifft sich alle 6-8 Wochen und wir reflektieren darüber, was gerade so passiert. Ebenso werden neu Ideen vorangebracht oder konkrete Vorhaben geplant. Wir haben im Rat alle das Gefühl, dass diese Treffen sehr wertvoll sind. Ja da fragt man sich sogar schon, wie konnte das vorher alles ohne so einen Rat funktionieren?

Der Sopha-Rat entstand auch aus der Idee heraus, Einzelne zu entlasten, die bisher immer sehr viel für das Ganze getan haben. Und das ist auch eine wichtige Aufgabe für die Zukunft: Wie können wir dahin kommen, Aufgaben noch besser zu verteilen, so dass viel mehr auch aktiv in die Ausgestaltung der Selbsthilfe eingebunden sind? Wenn jeder ein wenig dazu beiträgt, bringt das viel mehr, als wenn einige wenige ganz viel machen. Noch dazu wird es dann für alle entspannter.

Ein Ameisenhaufen ist ein gutes Bild dafür: Jede Ameise trägt irgendwie dazu bei, dass ein gut funktionierendes Ganzes entsteht. Und gerade diese Eigeninitiative ist ja auch eine sehr hilfreiche Erfahrung. Wenn man spürt, dass man durch seine eigene Kraft ganz interessante Angebote erschaffen kann. Das kann eine gute Quelle für Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sein. Und wie könnte man über seine Grenzen hinaus wachsen, ohne eine gute Portion Eigeninitiative? Die Eigeninitative bleibt das zentrale heilsame Element in der Selbsthilfearbeit.

-- Fred

27.12.2014 :: Neue Sopha-Gruppe für Junge Erwachsene

Der Ansturm der letzten Monate war schon ganz schön beeindruckend. Es scheint einen großen Bedarf zu geben, was Sozialphobie-Bewältigung angeht. Wir hatten noch nie so einen Ansturm und so richtig verstanden haben wir das Phänomen auch noch nicht.

Mittlerweile waren etwa 25 Interessenten auf der Warteliste. Und die 2 Offenen Gruppen sind derzeit mit jeweils 12-16 Personen am Abend auch rappelvoll.

Wir haben deshalb die letzten Wochen viel nachgedacht und Möglichkeiten ausgelotet. Jetzt steht der Entschluss fest: Wir gründen eine neue Gruppe speziell für junge Erwachsene im Alter von 18-30 Jahren.

Die Idee stand schon länger im Raum, mal etwas speziell für diese Zielgruppe zu tun. Da waren dieses Jahr z.B. die Workshops zum Thema Biografiearbeit, wo auch nochmal deutlich wurde, dass dieser Lebensabschnitt eine große Bedeutung hat: Schule, Studium, Ausbildung, berufliche Orientierung und klarkommen im beruflichen Umfeld, Partnerschaft und Familiengründung. Da könnte es gut sein, eine Gruppe zu haben, die dies mehr im Fokus hat.

Auch hatten wir das Gefühl, dass sehr junge Menschen in der Offenen Gruppe sehr häufig nur einmal kamen. Vielleicht liegt das auch daran, das die meisten in der Gruppe doch etwas älter sind. Die Altersklasse von 30-50 ist in der Offenen Gruppe stark vertreten.

Die neue Gruppe wird sich ab Januar 2015 am 2. und 4. Sonntag von 19-21:30 Uhr in der Kontaktstelle für Selbsthilfe treffen. Damit können jetzt sofort 13 Interessierte von der Warteliste nachrücken. Die Gruppe ist somit auch erstmal voll und wir schauen, wie es sich die nächsten Wochen entwickeln wird.

21.12.2014 :: Mein schwarzer Hund

Hier eine Empfehlung zu einem Buch über Depressionen, was eine Betroffene in einer Klinik kennenlernte.

http://www.amazon.de/dp/3888975379

Dazu gibts auch ein Video auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=1UiA32Qv4yE

Ein Buch für Angehörige findet ihr hier: http://www.amazon.de/dp/3888975948

19.12.2014 :: Zum Jahresende ein Dankeschön

Danke für die gemeinsame Zeit. Danke für die besinnlichen Gruppen und die Zeit zum Nachdenken und reflektieren. Danke für neue Einsichten. Danke für die angenehme Atmosphäre.

Hier ein schönes Lied von Hannes Wader, was dazu passt:

https://www.youtube.com/watch?v=glWwwUSVGTQ

30.11.2014 :: Arbeit als stabilisierendes Umfeld

Arbeit und soziale Phobie ist immer wieder ein Thema in unseren Gruppen. Zum einen gibt es natürlich die Schwierigkeiten und Einschränkungen durch die soziale Phobie, die viele berufliche Zusammenhänge schwierig machen. Es ist auch nicht selten, dass Menschen vor allem deshalb in unsere Gruppen kommen, um in beruflichen Zusammenhängen besser klarzukommen.

Die umgedrehte Seite gibt es aber auch recht häufig: Betroffene berichten, dass das berufliche Umfeld für sie sehr wichtig ist. Dieses Umfeld gibt ihnen Struktur und hier fühlen sie sich auch immer wieder gut sozial integriert. Sie fühlen sich dort angenommen und wertgeschätzt. Die Kommunikation über fachliche Themen gelingt vielen besser, als Smalltalk-Situationen zu meistern. Die Fachkompetenz gibt Sicherheit und schafft Anerkennung.

In das berufliche Umfeld wächst man auch hinein. Mit der Zeit entwickeln man eine Sicherheit im Umgang mit der Situation. So ist es mitunter sogar so, dass sozialphobische Menschen in Berufen tätig sind, wo sie sehr viel mit anderen Menschen kommunizieren: Im Callcenter, als Verkäufer, im Dienstleistungsbereich, als Fotograf, als Abteilungsleiter, in der Justiz, als Polizist, als Krankenschwester oder im technischen Support. Wer sich in seinem Bereich sicher fühlt und Routine hat, kann auch in den auftretenden Gesprächssituationen sicher und gelassen sein.

Diese Situation kann denjenigen Mut machen, die noch Befürchtungen haben, dass im beruflichen Umfeld zu viele schwierige Situationen entstehen, denen man sich nicht gewachsen fühlt. In einem guten Team wächst man in seine Aufgaben hinein und dann profitiert man stark davon.

Vielleicht kann man erste Erfahrungen über ein Praktikum bekommen.

-- Fred

29.11.2014 :: Therapeuten sollten ihre Methode erklären

Als ich meine erste Therapie vor 20 Jahren machte, hatte ich eine Vorstellung. Ich dachte, ich mache da jetzt 25 Stunden und dann sind meine größten Probleme gelöst. Ich hatte auch eine Vorstellung davon, wie das passieren wird. Er wird mir zuhören, mich analysieren und mir dann sagen, was ich habe und was ich tun muss. Als jemand, der sonst technische Probleme löst, war dies die gewohnte Herangehensweise.

Mich verwunderte dann zunehmend, warum er mir Sitzung für Sitzung zuhörte, aber immer noch keine Analyse auf den Tisch kam. Es war durchaus angenehm, in welcher Form er mir zuhörte und was er so alles aus mir herauskitzelte. Ich sprach über Dinge und erkannte Seiten an mir, die mir selber noch nie bewusst wurden. Aber ich wartete immer noch auf die Analyse und die Problemlösung.

Als die 25 Stunden um waren, gabs eine Verlängerung um weitere 25 Stunden. Ok, dachte ich, mein Problem scheint so schwierig zu sein, dass man schon für die Analyse mehr als 25 Stunden braucht. Von der Problemlösung ganz zu schweigen. Ich fühlte mich noch ganz am Anfang des Prozesses.

Irgendwann, es war glaube ich so um die 40. Sitzung rum, hielt ich es nicht mehr aus und fragte meinen Therapeuten, wann denn endlich seine Analyse kommt und ich dann Instruktionen bekomme, wie die Probleme zu lösen seien.

Er war etwas erstaunt über meine Frage. Er machte mir klar, dass es keine Analyse geben wird und auch keine Phase der Problemlösung. Er erklärte mir, dass wir die ganze Zeit schon einen Prozess durchlaufen, der alles beinhaltet. Es wird gar nichts anderes mehr kommen, als diese Form der Auseinandersetzung mit mir selbst.

Ich war baff. Jetzt mache ich hier schon 40 Stunden Therapie und warte auf den Zeitpunkt, wo es richtig zur Sache geht. Und jetzt wird mir offenbart, dass ich schon die ganze Zeit im Prozess der Veränderung bin und ich auf etwas warte, was nie kommen wird. Die Verwirrung darüber war erstmal groß. Und ich wusste nicht, ob ich darüber nun enttäuscht sein oder mich freuen sollte.

In der nächsten Therapiestunde erlebte ich mich jetzt aber anders. Ich konnte mich viel besser diesem Prozess hingeben und viel besser in diese Richtung mitarbeiten. Da war keine Ungeduld mehr, sondern noch tieferes Einlassen mit noch tieferen Einsichten. Später las ich auch noch viel über die Methodik, was mir weiter half, mich darauf einzulassen und vor allem - daran zu glauben!

Erst über die Jahre wurde mir mehr und mehr bewusst, wie wichtig und hilfreich es doch ist, wenn Klienten wissen, nach welchen Regeln gespielt wird und wie die Methodik so grundsätzlich funktioniert.

Wenn einem diese Methodik nicht klar ist, kann es Persönlichkeitsanteile geben, die sich nicht darauf einlassen können. Ich spürte z.B. auch so Gedanken: "Ein Therapeut, der in 25 Stunden immer noch nicht weiß, was ich habe - versteht der vielleicht sein Handwerk nicht?" In einer Theatertherapie die ich später machte, kam der Gedanke: "So einen lächerlichen Spielkram mache ich nicht mit, ich brauche eine fundierte Methode." Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man mit Spass und völlig mühelos auch Probleme lösen konnte. Und ich hatte natürlich auch Angst, mich in so eine Spielerei hineinzubegeben. Das das die Ursache für meine Abwehr war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht.

In den Selbsthilfegruppen höre ich immer wieder von solchen Zweifeln und Abwertungen der Therapie gegenüber. Natürlich gibt es schlechte Psychotherapie, das muss auch mal gesagt werden. Aber recht häufig ist auch die Situation, dass einfach die Methode nicht verstanden wurde. Wie auch, wenn man nie drüber sprach. Aber genau dieser Mangel an Erkenntnis und Verständnis sorgt dafür, dass Zweifel, Abwehr und Widerstände entstehen. Oder anders herum: Abwehr und Widerstände, die sowieso in jedem therapeutischen Prozess entstehen, werden auf die Methode und den Therapeuten projeziert. Und oft kommt es gar nicht dazu, gemeinsam darüber zu reflektieren, weil viele eine große Angst haben, die Kompetenz eines Therapeuten anzugreifen. Stattdessen wird die Therapie dann nicht selten abgebrochen.

Gerade bei Therapieformen, die sehr subtil und unbemerkt einen Prozess steuern, kommt schnell der Eindruck auf, hier passiert doch nichts oder ich erkenne gar nicht die Kompetenz und die Wirksamkeit des Therapeuten. Hier ist es besonders wichtig, immer mal wieder auf den Aspekt zu schauen, ob der Sinn einer Therapie gefühlt wird.

Wenn es dem Klienten klar ist, wie eine Therapie ablaufen wird und mit welcher Intention ein Therapeut arbeitet, dann können sich viele Vorbehalte auflösen. Dann fließt mehr Energie in den gemeinsamen Prozess, dann entsteht ein gutes Arbeitsbündnis.

Diese Idee hat auch etwas mit der Erkenntnis zu tun, dass der aufgeklärte Patient das bessere Modell ist. Dies hat man in der Medizin vor allem in den letzten 20-30 Jahren klar erkannt und hier gibt es ein starkes Umdenken. Auch in der Psychotherapie erscheint mir dieses Umdenken sehr wichtig zu sein. Gerade hier geht es ja um eine Stärkung der Eigenverantwortung. Denn Therapie kann schlussendlich ja nur funktionieren, wenn man die Verantwortung für sein Leben übernimmt.

Zum Glück gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten, sich selber über Therapieformen zu informieren. Manche Therapieformen gehen da mit gutem Beispiel voran und bringen Bücher auf den Markt, die direkt für Klienten geschrieben sind, die in einer solchen Therapie sind. Ich denke da z.B. an das Training emotionaler Kompetenzen (TEK), wo wir schon einige Workshops organisiert haben. Oder auch die Schematherapie, die sich in letzter Zeit deutlich stärker verbreitet und für die es sehr gute Patientenbücher gibt. Ebenso ist das bei der ACT-Therapie der Fall. Und auch in der Verhaltenstherapie ist die Aufklärung des Patienten seit vielen Jahren Tradition.

-- Fred

24.11.2014 :: Interesse zeigen...

Als ich letztens in einer Zahnarztpraxis war, bekam ich ein Gespräch zwischen einer Helferin und einer Azubine mit. Die Helferin meinte: "Du musst immer wieder Interesse zeigen, das ist ganz wichtig!"

Mich beschäftigte das weiter und ich dachte mir, das ist etwas, was viele sozial ängstliche Menschen nicht machen oder können. Interesse zeigen ist ja etwas Aktives, ein aus sich Herauskommen. Und das macht Angst.

Das Umfeld wertet diese Passivität aber nicht selten als Desinteresse. Und jemand, der sich für seine Arbeit nicht interessiert, ist schnell unten durch. Das wird gleichgesetzt mit Lustlosigkeit an der Arbeit.

Eigentlich ist das ja eine Verwechselung. Viele sozial ängstliche Menschen sind durchaus interessiert, aber sie zeigen es nicht. An dem Punkt ist es wirklich wichtig, sich klar zu machen, wie man beim anderen ankommt. Das gilt ja ganz grundsätzlich - schlussendlich zählt immer, was beim anderen ankommt und nicht, wie man innerlich fühlt. Nur Innerliches, was geäußert wird, kann beim anderen ankommen. Vielen ist das nicht bewusst, sie glauben und hoffen, der andere müsste das doch spüren. Tut er aber ganz oft nicht.

Es könnte also gut sein, an diesem Thema für sich zu arbeiten und mehr Interesse zu zeigen. Interesse für etwas kommt fast immer gut an und es gibt so viele Menschen, die zu wenig Interesse an dem haben, was sie gerade tun. Natürlich soll man auch keinen mit seinem Interesse nerven, es gilt auch hier, ein gutes Mittelmaß zu finden.

-- Fred

22.11.2014 :: Was gibts Neues?

Es ist viel passiert in den letzten Monaten. Irgendwie scheint die Welt manchmal energetisch aufgeladen zu sein und dann passiert an allen Stellen was.

Mal konkret:

Wir haben ein neues Gruppenangebot - die Sopha Aktionsgruppe. Hier wollen wir praktisch miteinander etwas ausprobieren. Rollenspiele, gruppendynamische Spiele, Yoga, Atemübungen und vieles mehr. Wir haben die letzten Jahre so vieles an Ideen aus Workshops, Klinikerfahrungen und Büchern zusammengesammelt, was auch alles mal gelebt werden will. Einige von uns spürten auch in den Redegruppen einen Mangel. Sie wollten nicht immer nur drüber reden, sondern sich ganz bewusst in praktischen Übungen fordern. Gut so, damit haben wir jetzt einen "Spielplatz", um sich auszutoben. Natürlich mit entsprechender Achtsamkeit, damit sich niemand überfordert.

Die Offene Gruppe platzt aus allen Nähten. So einen Ansturm hatten wir noch nie. Zuerst sind wir durch die Aufteilung in 2 Teilgruppen vor 2 Jahren langsam gewachsen. Dann waren aber beide Teilgruppen mit etwa 12 Teilnehmern voll. Deshalb müssen wir seit etwa 3 Monaten eine Warteliste führen und sind nicht mehr unmittelbar offen für Neue.

Diese Warteliste wächst nun stetig, weil sich recht viele Betroffene die letzten Wochen melden. Wir sind jetzt schon bei 20 Neuanmeldungen und müssen jetzt überlegen, wie wir mit diesem Ansturm umgehen. Wartezeiten von 6-12 Monaten sind ja nun auch keine Lösung. Dann hätten wir bei uns schon ähnliche Zustände, wie bei den Psychotherapeuten. Das wurmt uns, wollten wir doch eigentlich ein Angebot, wo jeder sofort mit einsteigen kann. Mal schauen, ob unsere Kreativität reicht, da eine Verbesserung der Situation zu erreichen.

Seit Anfang des Jahres haben wir nun endlich den Sopha-Rat. Nachdem alles immer größer wurde, funktionierte unsere Anarchie nicht mehr, die auch dafür sorgte, dass sich nur ganz wenige für Sopha als Ganzes verantwortlich fühlten und sich damit überlasteten. Wir brauchten ein offizielles Gremium, was Sopha als Ganzes im Blick hat und sich Gedanken um die Entwicklung der Gruppen und Angebote macht. Ein Gremium, was immer wieder auf alles schaut, was da entsteht und frühzeitig Bewusstsein in die Bereiche bringt, die unsere gemeinsame Unterstützung brauchen. Man kann nicht alles einfach irgendwie laufen lassen und darauf hoffen, dass es schon gut gehen wird. Und es geht auch darum, all die Ideen, Chancen und Möglichkeiten aufzugreifen, die auf dem Weg so entstehen. Um einige von diesen zu konkretisieren und real in die Welt zu bringen. Denn das war auch immer wieder unser Problem: Viele Ideen versandeten einfach wieder.

So entstand jetzt über den Sopha-Rat z.B. unsere neue Aktionsgruppe. Mitglieder haben so auch klare Ansprechpartner, wenn es um neue Ideen geht. Insgesamt sind wir derzeit 5 Mitglieder im Sopha-Rat, der sich alle 6-8 Wochen trifft. Im Sopha-Rat ist eine sehr angenehme Arbeits-Atmosphäre entstanden, was mich sehr freut.

Ich hab mich die letzten Wochen mal daran gemacht, einen Moderationskoffer zusammenzustellen. Gekauft sind die sehr teuer, aber man kann ja vieles selber machen. Herausgekommen ist ein wirklich schickes Teil, in dem jetzt Stifte, Karteikarten, Papier, ein Timer, Schere, Klebeband, eine Zimbel, diverse pädagogische Kartensets und vieles mehr zu finden sind. Damit kann man jetzt auch strukturierter Gruppenabende machen. Wir wollen da in den nächsten Wochen damit auch neue Formen der Gruppenarbeit ausprobieren.

In den Moderationskoffer haben gestern auch die Gefühlsmonsterkarten Einzug gehalten, die wir in die Gruppenarbeit mit einbeziehen wollen.

Nachdem wir vor ein paar Monaten nochmal unsere Bibliothek mit zahlreichen neuen Büchern ausgestattet haben, wollten wir mal das Thema angehen, warum noch relativ wenig gelesen wird. Das war auch etwas, was im Sopha-Rat auffiel und diskutiert wurde. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass es nicht ausreicht, eine Bibliothek zu haben, dies zu kommunzieren und dann darauf zu warten, dass Bücher ausgeliehen werden. Als Idee entstand, jeden Abend ein paar Bücher mitzubringen und sie so "auf dem Silbertablett" zu servieren. Das Resultat war unglaublich, nach kurzer Zeit waren 15 Bücher verliehen. Das scheint also zu funktionieren. Gleichzeitig haben wir die den Ablauf der Bücherentleihe so optimiert, dass auch der organisatorische Aufwand damit minimiert wurde. Wir haben jetzt Leih-Karten, die jeder selber ausfüllt. Wenn man sich mal etwas Gedanken macht, kann man viele Abläufe wirklich gut optimieren und dann fluppt es auch. Das Buch Für immer aufgeräumt fand ich in dieser Hinsicht eine gute Anregung.

Zwischen den Gruppen läuft derzeit auch recht viel virtueller Austausch im internen Forum. Das haben wir vor etwa 1,5 Jahren gestartet. Die erste Zeit lief es sehr schleppend, mittlerweile sind wir bei 400-600 Beiträgen pro Monat.

Das Forum hat sich auch zum Platz etabliert, wo immer wieder Freizeitangebote geplant werden: Wanderungen, Diskobesuche, Spieleabende, Filmclub oder Karaoke-Abende. Man staunt ja manchmal, was trotz sozialphobischer Einschränkung doch so alles möglich ist. Viel hängt eben auch davon ab, ob man sich miteinander wohl fühlt und das scheint im Moment auch gut zu funktionieren.

Natürlich gibt es auch die andere Seite - es wird auch mal schwierig in den Gruppen. Konflikte sind unvermeidbar. Hier sind wir auf der Suche nach konstruktiver Auseinandersetzung. Im Sopha-Rat geben wir uns Zeit, auch die Dinge zu besprechen, die einfach nur nerven oder unschön laufen. In einer Situation, die wir selber nicht mehr gelöst bekommen, holen wir uns jetzt professionelle Hilfe in die Gruppe. Das ist dann auch ein gutes Lernfeld, was Konfliktlösungs-Strategien angeht.

Ach ja noch was zum Schluss: Unser Sopha-Flyer entstand vor 15 Jahren, erhielt vor 2 Jahren schon ein neues Cover. Jetzt haben wir auch endlich mal den kompletten Inhalt neu geschrieben und angepasst. Das war ein spannendes Projekt, was wir auch im Forum diskutiert haben. Wir sind der Idee "Weniger ist mehr" gefolgt und haben vieles reduziert. Ein Flyer soll eine gewisse Leichtigkeit haben und noch nicht zu sehr ins Detail gehen. Eine Wortwolke gibt Ideen, was so unsere Themen sind. Mir gefällt die neue Form richtig gut.

Der nächste große Event ist die Weihnachtsfeier, hier sind alle Vorbereitungen schon im Gange...

-- Fred

04.11.2014 :: Verfälschte Wahrnehmung

Wenn wir mit Menschen kommunizieren, kann es nie gelingen, dass wir uns allumfassend austauschen. Ganz im Gegenteil, wir werden in aller Regel nur einen ganz kleinen Ausschnitt von dem kommunizieren, was wir erlebt haben, was wir wollen oder worum auch immer sich das Gespräch dreht.

Ein einfaches Beispiel: Ein Freund erzählt uns, dass er sich mit seinem Bekannten an einem bestimmten Kino getroffen hat. Der Freund hat uns das Aussehen dieses Kinos nicht beschrieben. Wenn wir das Kino aber kennen, dann entsteht sofort ein Bild in unserem Kopf. Wir holen es uns ins Gedächtnis, wie wir es erlebt haben. Es kann durchaus sein, dass das Kino inzwischen völlig anders aussieht, trotzdem füllen wir die Informationslücke mit unserer Vorstellung.

Schwieriger wirds, wenn wir noch nicht mal das Kino kennen. Dann ensteht in uns ein Bild von irgendeinem Kino, was wir vielleicht kennen, was aber nur wenig mit dem zu tun hat, was uns der Freund erzählt.

Kurzum, wir füllen ständig jede Menge Informationslücken mit Vorstellungen, die in uns gespeichert sind. Das kann durchaus recht gut passen, so dass wir die Zusammenhänge und das Wesentliche verstehen. Es kann aber auch sein, dass wir total daneben liegen.

Ängstliche Menschen füllen Informationslücken bevorzugt mit bedrohlichen Vorstellungen. Sie haben viele Befürchtungen und sie wittern überall Bedrohung. Wenn jemand sagt: "Ich bin dann in die dunkle Nacht gegangen..." ahnen sie sofort, dass gleich etwas Fürchterliches kommt. Da tauchen dann schon Bilder auf, was da passiert sein könnte. Ein optimistischer Mensch denkt hingegen an einen angenehm warmen Sommerabend mit einem wunderschönen sternenklaren Himmel. Hier wird die Informationslücke mit völlig anderen Vorstellungen gefüllt. Beide erleben bei der gleichen Erzählung ein ganz anderes inneres Geschehen, entwickeln ganz andere Vorstellungen und Bilder.

Dies wiederum sorgt dafür, dass der ängstliche Mensch wirklich das Gefühl bekommt, die Realität wäre sehr oft bedrohlich. Wenn so oft am Tag bedrohliche Bilder und Vorstellungen auftauchen und man glaubt, genau das hätte man real wahrgenommen, dann hat man auch genau so ein Weltbild von einer gefährlichen Welt oder von Menschen, die einen permanent abwerten oder angreifen.

"Glaub nicht alles, was du denkst..." sagte mal ein schlauer Mensch. Es ist wirklich eine große Gefahr, wenn man die eigene Wahrnehmung nicht als das durchschaut, was sie ist: Eine Vermischung von Realität und einer Innenwelt, die etwas ganz Eigenes produziert. Diese Innenwelt entwickelt Phantasien, Vorstellungen, Ahnungen, Gefühle und innere Bilder. Und da müsste man erstmal fragen, ob das alles überhaupt etwas mit der Realität zu tun hat.

Viele Menschen sind felsenfest davon überzeugt: Was ich wahrnehme, das ist auch. Punkt. Aber das ist ein riesengroßer Irrtum.

Wie können wir uns aus diesem Dilemma befreien? Wir können achtsamer werden und erkennen, was in uns vorgeht, wie wir mutmaßen, welche Vorstellungen wir entwickeln, welche typischen Gedankenmuster in uns ablaufen. Wir können all das kritisch hinterfragen und nicht einfach alles so hinnehmen, als wäre es Realität.

Seine Wahrnehmung nicht als unumstößliche Realität zu sehen, sondern eher als eine Näherung, die oft genug auch daneben liegt, kann zu einer geistigen Haltung werden. Man löst sich sozusagen von dieser starren Vorstellung, das wäre alles wirklich so. Man kommt eher zu einer Haltung von: "Vielleicht ist es so, es könnte aber auch ganz anders sein." Und dann kann man auch eine Neugier entwickeln und sich nach Alternativen umschauen: "Wie könnte es denn sonst noch sein, was mit meinen konkreten Beobachtungen nicht im Widerspruch steht?"

Konkret kann das heißen: Wenn mich jemand morgens nicht grüßt, kann das bedeuten, dass er mich nicht mag. Aber was ist die Alternative? Es könnte genauso sein, dass er Stress in seiner Beziehung hat. Es könnte sein, dass er Kopfschmerzen hat oder nur schlecht geschlafen. Das alles könnte genauso gut sein, aber das fällt uns in der Regel nicht ein, wenn wir uns nicht darum bemühen, Alternativen zu finden.

Aber was nützen nun die Alternativen? Was ist denn nun die Wirklichkeit? Oft genug werden wir das gar nicht erfahren und nicht herausfinden können. Wer so seine Wahrnehmung hinterfragt, wird mit der Zeit immer mehr erkennen, dass er ganz oft eigentlich sagen muss: "Ich weiß es nicht." Aber das ist doch wesentlich realistischer, als ständig zu glauben, alle können einen nicht leiden oder ähnliche Horrorgedanken.

Mit der Zeit könnte aber durchaus so etwas wie Intuition wachsen. Das etwas in uns weiß, was wahrscheinlich ist. Das ist eine andere Quelle in uns, als die, die ständig nur das Schlimmste erwartet. Die Intuition ist nicht starr und nicht festgelegt, sie ist frei und vermutet mal dies, mal jenes. Sie ist weder optimistisch, noch pessimistisch. Sie versucht, sich der Realität zu nähern. Und sie lernt mit der Zeit dazu und kann immer feinfühliger erkennen, wie etwas vermutlich ist.

-- Fred

23.10.2014 :: Das angestaubte Wort Selbsthilfe

Gestern hatten wir mal wieder eine Sitzung im Evangelischen Krankenhaus Lütgendortmund. Wir erarbeiten dort gemeinsam mit 12 weiteren Selbsthilfegruppen Wege, wie das Thema Selbsthilfegruppen im Klinikalltag integriert wird.

In der Diskussion wurde nochmal deutlich, dass das Wort Selbsthilfegruppe in der breiten Bevölkerung oft auch ungünstige Assoziationen auslöst. Es tauchen da merkwürdige Bilder auf, wie Kaffeekranz, Jammergruppe und überlebte Rituale einer alten Generation. Auch das Fernsehen leistet seinen Beitrag. Es gibt viele Filmszenen, wo Selbsthilfegruppen eher auf die Schippe genommen werden. Darüber kann ich durchaus lachen, aber es prägt eben auch so ein Bild davon, was Selbsthilfegruppe ist.

Im Laufe der Sitzung kam eine interessante Geschichte. Eine Gruppe war erstaunt, wie viele Menschen zu einem Facebook-Treffen kamen. Alles Betroffene, die sich trafen, aber nicht unter dem Mantel einer "Selbsthilfegruppe". Sie hatten einfach in Facebook eine Betroffenen-Gruppe gegründet, lernten sich dort kennen und trafen sich dann auch real.

Das ist schon interessant zu beobachten, wie Menschen stark davon beeinflusst werden, nur weil ein Begriff eine falsche Vorstellung auslöst. Spaßeshalber dachten wir kurz in die Richtung, ob der Begriff besser durch einen neuen ersetzt werden sollte.

Das geht natürlich nicht, Selbsthilfe hat eine lange Tradition und der Begriff hat so viele Bereiche stark geprägt, dass man den nicht einfach ersetzen oder wegfallen lassen kann. Was aber durchaus geht: Gruppen müssen sich nicht Selbsthilfegruppe nennen, da geht genauso gut Gesprächskreis oder Betroffenengruppe. Wobei mich das Wort Betroffene auch wieder unangenehm berührt. Da schaut man wieder so auf die Defizitseite und das macht nun wirklich wenig Lust auf Gruppe.

Wir müssen uns das als Gruppe mal ernsthaft überlegen, ob wir den Begriff Selbsthilfe weiter pflegen oder ob wir uns da mal umorientieren. Wobei man eben auch immer viel aufgibt, wenn man den gut etablierten Begriff fallen lässt. Denn es war schon ein großer Kampf der letzten 40 Jahre, die Idee der Selbsthilfegruppen überhaupt erstmal ins Bewusstsein vieler Menschen aus helfenden Berufen zu bekommen. Das merken wir ja auch immer wieder in der Kooperation mit dem Krankenhaus. Das Selbsthilfegruppen ein wichtiger Baustein der Krankheitsbewältigung sein kann, braucht viel Bemühen, damit es auch überall in der Ärzteschaft und beim Pflegepersonal ankommt.

-- Fred

21.10.2014 :: Hochstatus und Tiefstatus

Wir hatten die letzten Wochen einen professionell geleiteten Kurs "Stimme - Präsenz - Selbstausdruck", der zu großen Teilen über Fördergelder der Krankenkassen finanziert wurde. Geleitet wurde der Kurs von Ute Einhaus. In diesem Kurs haben wir einiges mit dem Thema Hochstatus - Tiefstatus gemacht.

Mir war das zuvor noch gar nicht so bewusst. In allen Situationen, wo man mit Menschen kommuniziert, spielt auch immer der Status eine Rolle, den man in dem Gespräch einnimmt. Und wenn man sich gar nicht bewusst darüber ist, nimmt man instinktiv eine bestimmte Haltung ein, die sich durch Mimik, Gestik und Körperhaltung zeigt. Und sozial ängstliche und schüchterne Menschen gehen ganz häufig in den Tiefstatus. Das wiederum nimmt das Gegenüber gerne, um in den Hochstatus zu gehen, uns also zu dominieren.

Man muss hier auch noch unterscheiden zwischen dem kommunikativen Status und dem sozialen Status. Der Chef ist in seiner Rolle dem Mitarbeiter übergeordnet. Und getragen von dieser Rolle wird er in der Kommunikation vielleicht auch öfter Hochstatus einnehmen. Das muss aber nicht sein, er kann auch auf Augenhöhe kommunizieren und wird das in vielen alltäglichen Gesprächen vielleicht auch tun. Es kann auch sein, dass er in bestimmten Situationen in den Tiefstatus geht, ob nun bewusst oder nicht.

Wie auch immer, es ist sehr hilfreich, sich hier kennenzulernen, wie man sich verhält und wie man wirkt. Um dann auch damit zu experimentieren, mal bewusst in andere kommunikative Muster zu gehen. Wer oft im Tiefstatus ist, kann sich auch mal im Hochstatus ausprobieren. Natürlich in sozialen Situationen, wo das auch angemessen ist. Was man fast immer ausprobieren kann ist, sich nicht in den Tiefstatus drängen zu lassen, sondern souverän und auf Augenhöhe zu bleiben.

Ganz spannend ist, wie radikal sich manchmal Situationen verändern, wenn man eben nicht in sein gewohntes Status-Muster geht. Dann werden sich Menschen uns gegenüber anders verhalten. Dann ernten wir vielleicht mehr Respekt, Anerkenung oder wir werden mehr gehört und ernster genommen.

Buchtipps:

Weblinks:

-- Fred

13.10.2014 :: Alles nur Willenssache?

Die Sache mit dem Willen ist äußerst interessant. Es ist ein weit verbreitetes Vorstellungsmuster, dass man mit dem Willen fast alles erreichen kann. "Du musst nur wollen..." ist eine Empfehlung, die gerne gegeben wird. Auch kann der Wille angeblich Berge versetzen.

Der Wille wird auch gerne als etwas gesehen, worüber man frei entscheiden kann. Und damit gilt dann der Schluss: Wer nicht will, ist selber schuld.

Schuldgefühle entstehen wiederum nicht selten aus dem Gefühl, nicht genug Willen aufgebracht zu haben und deshalb mit irgendetwas gescheitert zu sein. Man ist selber die alleinige Ursache für das Scheitern. Und diese Schuldgefühle können stark belasten und quälen.

Im therapeutischen Umfeld gibt es auch den Spruch: "Ich kann nicht heißt, ich will nicht." Ein Spruch, der im richtigen Moment sicherlich eine positive Wirkung entfalten kann, wird aber auch so oft falsch verstanden und bei jeder Gelegenheit als Waffe benutzt. Leider auch von vielen Klienten, denen schon einmal in Therapie so etwas gesagt wurde.

Am eindruckvollsten wird die Unmöglichkeit >> beliebig zu wollen << sichtbar, wenn Menschen in einer schweren Depression sind. Dann geht nämlich gar nichts mehr über den Willen. Der Wille ist wie gelähmt. Und es sind oft Menschen, die ihren Willen arg überstrapaziert haben, die dann in einer Depression damit konfrontiert werden, dass ihr wichtigstes Werkzeug, Probleme zu lösen, völlig versagt.

Wenn das mit dem >> Einfach nur wollen << so einfach wäre, würden wohl viele Menschen schon längst abgenommen haben und auch das Rauchen aufgegeben. Hier zeigt sich, dass die Möglichkeiten vieler Menschen, einen bestimmten Willen aufzubringen, doch sehr begrenzt sind.

Sind wir nun alles nur recht willenlose Menschen und müssten einfach nur lernen, mehr Willen aufzubringen? Müssten uns mehr in den Hintern treten, den inneren Schweinehund überwinden oder mehr Druck von außen bekommen? Müssten wir einfach lernen, disziplinierter mit uns umzugehen und uns mehr abzuverlangen?

Es gibt sicherlich ein gewisse Versuchung, diese Idee zu glauben. Es gibt ja auch Erfahrungen, wo wir uns mal richtig bemüht haben und dann auch Dinge schafften. Es gibt Zeiten im Leben, wo man sich eher hängen und treiben lies. Und Zeiten, wo man disziplinierter und konzentrierter dem folgte, was man wollte.

Genauso gibt es die Versuchung, so eine Idee radikal abzuwehren und der Ansicht zu sein, das es keine Möglichkeit gibt, mehr Willen aufzubringen. Insofern polarisieren Diskussionen über den Willen auch sehr schnell, was dem eigentlichen Verständnis abträglich ist.

Den Willen wirklich zu verstehen, scheint sehr komplex zu sein. Manche Menschen haben sich ausführlich damit beschäftigt, z.B. Roberto Assagioli. Er hat viele Erkenntnisse in seinem Buch "Die Schulung des Willens" zusammengefasst. Er geht davon aus, dass der Wille nicht willentlich herbeizuführen ist. Man kann also nicht sagen "Du musst nur wollen.", weil wir eben diese Freiheit gar nicht haben, beliebig Willen zu erzeugen. Der Wille verhält sich damit ähnlich wie die Liebe, die man auch nur einladen, aber schlussendlich nicht willentlich erzeugen kann.

Assagioli ist aber davon überzeugt, dass man etwas tun kann, um seinen Willen zu entwickeln. Vielleicht kann man das ganz gut mit den Muskeln vergleichen. Wer wenig Muskeln hat, kann im Moment auch nur wenig Kraft abrufen. Über ein regelmäßiges Training kann man aber Muskeln aufbauen und hat dann auch mehr Kraft abrufbar.

Mir erscheint diese Vorstellung ganz zweckmäßig. Wille ist wie eine Kraft, die Widerstände überwinden kann. Ohne Willen folgen wir allen möglichen Trieben und Impulsen. Mit Wille können wir steuernd eingreifen, in dem wir verhindern, bestimmten Impulsen zu folgen (z.B. zu essen), oder in dem wir bewusst Dinge tun, die wir erstmal nicht als ein Impuls in uns spüren. Und je kraftvoller unser Wille ist, um so stärker können wir uns zu etwas aufraffen, was mit Widerständen belastet oder einfach nur anstrengend ist.

Die Willenskraft, die jeder Mensch so mitbringt, scheint sehr unterschiedlich zu sein. Es scheint so, als haben manche Menschen das Glück, schon genetisch oder durch ihre Lebenserfahrung damit gesegnet worden zu sein, viel Willenskraft aufzubringen. Und andere Menschen haben da weniger Glück und bringen nicht so viel Willenskraft von >> Natur aus << mit. Warum sollte es mit dem Willen anders sein, als mit vielen anderen Fähigkeiten und Fertigkeiten?

So ist es dann auch so, dass durch Training zwar jeder seine Willenskraft verbessern kann, aber hier auch große Unterschiede bleiben werden. Man sollte also nicht den Fehler machen, das Bemühen von Menschen an der absoluten Willenskraft zu verorten. Interessanter ist die Frage, wie viel tut ein Mensch, um seinen Willen zu entwickeln?

An diesem Punkt kommen wir aber zu einem ganz merkwürdigen Effekt: Um seinen Willen zu entwickeln, braucht man Willenskraft. Wille entwickelt den Willen. Damit fällt denen, die sowieso schon viel Willenskraft haben, die Entwicklung ihres Willens viel leichter, als denen, die wenig davon haben. Es bedeutet aber auch: Wenn man erstmal etwas Willenskraft entwickelt hat, dann wird die Weiterentwicklung auch einfacher.

Der Wille hat auch noch Gegenspieler. Es kann durchaus sein, dass ein Mensch recht viel Willen hat, dass es aber auch sehr starke Frustrationsmuster gibt. Es entstehen also bei kleinsten Misserfolgen starke Gefühle von Resignation und Frustration, die den ganzen Willen zunichte machen. Es kann so auch zu starken inneren Kämpfen geben - auf der einen Seite ein starker Wille, auf der anderen Seite eine starke Frustration. Und dieses entstehende Drama kann dazu führen, dass man in Zukunft noch weniger dem Willen folgt. In diesen Fällen ist es dann wichtiger, diese Frustrationsmuster zu verändern, als sich lediglich nur auf den Aufbau der Willenskraft zu konzentrieren.

Wie baut man nun den Willen auf? Auch hier greift die Parallele zum Muskelaufbau ganz gut. Es scheint so zu sein, dass wir dann Willenskraft aufbauen, wenn wir in die Spannung hineingehen, etwas zu tun, wonach uns eigentlich nicht ist. Etwas zu tun, wo erstmal keine Motivation für da ist. Einfach in irgendwas hineinzugehen, wo man sich erstmal bemühen muss. Genau so funktioniert ja das Muskeltrainig auch. Auch hier belasten wir die Muskeln und fordern uns etwas ab. Auch hier ist Anstrengung nötig, um erfolgreich Muskeln aufzubauen.

Hier dürfen wir auch auf einen Gewohnheitseffekt hoffen. Anfangs hat man vielleicht großen Widerwillen gegenüber solcher Anstrengung. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich daran und es fällt einem nicht mehr sonderlich schwer, dieser Bemühung zu folgen.

Willenstraining ist etwas, was wir ausdauernd und regelmäßig tun müssen. Wir verlieren wieder an Willenskraft, wenn wir längere Zeit damit aufhören. Insofern ist es gut, regelmäßig im Leben seine Herausforderungen zu haben, die einem Willen abverlangen.

Wer sich regelmäßig zu viel oder das Falsche abverlangt, läuft allerdings Gefahr, zu erkranken. Manche Depression wird sicherlich aus diesem falschen Gebrauch des Willens entstanden sein. Der Wille muss schlussendlich im Einklang mit unserem Wesen und unseren Überzeugungen stehen.

Für das regelmäßige Willenstraining sind übrigens auch so ritualisierte Tätigkeiten gut geeignet, wie täglich Yoga, Meditation, Entspannungstechniken oder Gymnastik zu praktizieren. Hier schlagen wir 2 Fliegen mit einer Klappe: Mit dem Ritual tun wir etwas für unsere Gesundheit, schulen aber gleichzeitig auch unseren Willen.

-- Fred

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