Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2012-Q4)

30.12.12 :: Gegenschwingungen im Kontakt

Soziale Ängste können sich darin zeigen, dass man anderen bei allem immer zustimmt und sozusagen in der Kommunikation mitschwingt. Man ist der gleichen Meinung, lacht über die selben Dinge, unterstützt den anderen in seiner Vorstellungswelt. Auch dann noch, wenn man eigentlich ganz anderer Meinung ist. Manche Betroffene erleben das so, dass sie im Gespräch mit anderen eigentlich gar nicht sie selbst sind. Sie spielen eine Rolle und bedienen den anderen, in dem sie seine Vorstellungswelt positiv reflektieren. Anders können Sie sich Kommunikation in vielen Situationen nicht vorstellen.

In diesem Verhalten findet man auch eine kulturelle Prägung. In vielen sozialen Zusammenhängen gehen wir einfach nur nett miteinander um. Ein Verkäufer, der einem ein neues Auto verkaufen will, schmeichelt uns und redet uns nach dem Mund. Das, was er sagt, ist nicht wirklich seine Meinung, es ist nur Mittel zum Zweck. Auch er spielt eine Rolle, in der es um Mitschwingen und Bestätigung geht.

Bei sozialen Ängsten schwingen wir mit, weil wir den Konflikt scheuen. Die Situation, wo 2 unterschiedlichen Meinungen aufeinanderprallen. Wo einer was gut findet, was man selber eher ablehnt. Wo einer etwas will und man selber was ganz anderes will.

Für solche Situationen gibt es genügend Spielarten, nett zu sein. Also vordergründig mitzuschwingen, zwischen den Zeilen aber eigentlich nein zu sagen. Wird man eingeladen, sagt man dann "Liebend gerne, aber ich weiß noch nicht, ob ich Zeit habe."

Mitunter wirken solche Nettigkeiten, als ob wir kollektiv eine große Angst haben, uns mal die Wahrheit zu sagen. Doch die Wahrheit täte eigentlich auch mal ganz gut. Dann weiß man wenigstens, woran man ist. Dann weiß mein Gegenüber, was ich denke und wie ich etwas erlebe. Und an unseren Unterschieden könnten wir alle auch wachsen.

Ich hab mal über einige Jahre eine Gruppentherapie mitgemacht, in der wir nach einer ehrlichen Sprache gesucht haben. Es ging darum, den Mut zu haben, auch mal eine Gegenschwingung auszudrücken. Nicht verletzend oder abwertend, sondern einfach das andere auszudrücken, was bei einem selber aufrichtig da ist. So entsteht eine ehrliche Atmosphäre, die einem zwar auch ganz schön was abfordern kann, die aber ungeschminkte Realität ist.

Widersprüche sind Realität. Das ein Nein auch kränken kann, ist Realität. Und doch ist es heilsam, sich mit Realität auseinanderzusetzen, anstatt sie immer nur zu schönen, unehrliche Konversation zu betreiben oder stundenlang um den heißen Brei drumherumzureden. Die Wahrheit ist einfach und kommt mit wenigen Worten aus.

Bei der Beackerung sozialer Ängste ist es ja wirklich eine wichtige Frage: Will ich lernen, immer und überall nett zu sein, um nirgends anzuecken? Oder will ich es aushalten lernen, eine andere Meinung zu vertreten?

Ich denke, beides hat was. Es gibt Betroffene, die andere regelmäßig vor den Kopf stoßen, weil sie die Verbundenheit mit dem anderen nicht spüren können. Hier wäre es angebrachter, Einfühlung mit Mitgefühl zu üben und hier eben auch öfters mal mitzuschwingen.

Es gibt aber auch viele Betroffene, die viel zu stark mitschwingen und ihre Person völlig zurückstellen. Und hier wäre es gut, das Eigene stärker zum Ausdruck zu bringen, gerade dann, wenn man etwas anders erlebt. Also mal bewusst in eine Gegenschwingung zu gehen und dies dann aushalten. Anfangs ist das sehr ungewohnt und löst großes Unwohlsein aus. Dann spürt man den inneren Impuls, es wieder gutmachen zu wollen. Aber es braucht nichts gut gemacht zu werden, es ist vollkommen in Ordnung, anders zu denken und zu fühlen. Gerade in den Gruppengesprächen kann man üben, auch mal das auszusprechen, wo man anderer Meinung ist.

Das richtige Maß an Nettigkeit und Klarheit zu finden, ist sicherlich eine tägliche Herausforderung. Je nach sozialer Situation müssen wir passend wählen und unsere emotionale Intelligenz einsetzen. Ängste jedoch können unfrei machen, so dass wir immer nur nett sind. Selbsthilfegruppen können helfen, auch mal klar in eine Gegenschwingung zu gehen. Hier kann man auch darüber reflektieren, wie man diesen Schritt erlebt hat. So kann man gut experimentieren und Erfahrungen sammeln.

Noch ein Tipp: Oft kennt man nur die 2 Zustände "Ich bin für dich" oder "Ich bin gegen dich". Beim Thema Gegenschwingung geht es aber um etwas anderes, einen vielleicht noch unbekannten Zustand: "Ich fühle mich mit dir verbunden, bin aber anderer Meinung!" oder "Ich bin ok. Du bist ok. Das wir anderer Meinung sind, ist auch ok."

-- Fred

24.12.12 :: Frohe Weihnachten

Für alle, die es hinbekommen, wünschen wir frohe Weihnachten. Feiert schön und genießt das Fest.

Für die, die Weihnachten in unangenehme Gefühle kommen: Wir fühlen mit euch. Es gibt viele andere, die auch ihre Schwierigkeiten mit solchen Feiertagen haben. Es ist nicht nötig, mitzuschwingen und das zu tun, was viele andere tun. Man kann auch seine ganz eigene Art finden, diese Zeit zu gestalten. Wir wünschen euch den Mut, einen guten eigenen Umgang mit Weihnachten zu finden.

24.12.12 :: Schamgrenzen verschieben

Soziale Ängste entstehen oft aufgrund von Scham. Man hat Angst, in Situationen zu geraten, die beschämend und peinlich sind. Scham ist ein ganz starkes Gefühl von existenzieller Bedrohung. Man möchte im Erdboden versinken, weil man sich so nicht ertragen kann. Es ist damit auch eine ganz harte Ablehnung seiner Person. Diese harte Ablehnung kommt meist von außen in uns hinein. Irgendwann hat uns jemand beigebracht, dass dies etwas ist, was absolut unerträglich ist. Das Umfeld hat definiert, was unannehmbar ist. Manchmal treffen wir aber auch selber die Entscheidung, wie wir uns keinesfalls erleben wollen.

Es gibt im Grunde überhaupt keine natürliche beschämende Situationen. Scham ist ein erlerntes Gefühl. Es gibt also nur Situationen, die bestimmte Menschen für beschämend halten. Dies wird auch immer wieder in Gruppengesprächen deutlich. Etwas, was jemand als völlig beschämend erlebt, ist für andere gar nichts Besonderes und löst keine Schamgefühle aus. Und auch im Laufe der Zeit verändert sich viel, was früher für beschämend gehalten wurde, ist heute normal. Mitunter auch umgedreht.

Wenn Scham also nicht mit der Situation verbunden ist, sondern vielmehr mit unserer Art zu erleben, dann ist auch zu vermuten, dass man etwas daran verändern kann. Das, was man heute noch als beschämend empfindet, kann morgen schon als lustig empfunden werden. Diese Vermutung bestätigt sich in zahlreichen Erfahrungen von Gruppenmitgliedern, die hier eine Veränderung erleben.

Meist gehen solche Veränderungen einher, in dem man sich absichtlich in vermeintlich beschämende Situationen begibt, nun aber eine andere Bewertung vornimmt. Weil es sehr schwer ist, sich freiwillig in beschämende Situationen hineinzubegeben und die dann auch noch anders zu bewerten, braucht es hierfür meist therapeutische Unterstützung. Therapeuten, die einem helfen, ganz andere Empfindungen und Wahrnehmungen zu einer Situation zu bekommen.

Es ist ein unglaublich beglückendes Gefühl, wenn man etwas nun recht locker kann, was einen vor ein paar Wochen noch völlig beschämt hat. Das schafft das Gefühl großer Freiheit, die man nun gewonnen hat.

-- Fred

24.12.12 :: Rückschritte, die Fortschritte sind

Es gibt psychische Konstellationen, die sich deshalb nur schwer lösen lassen, weil man erstmal zurück gehen muss, um vorwärts zu kommen. Wir sind gewohnt, vorwärts zu gehen und möchten das nicht aufgeben, was wir bereits haben. So hängen wir in der Falle.

Manchmal verhalten sich Fliegen so, die unbedingt durch die Fensterscheibe fliegen wollen. Sie sehen die Freiheit und wollen hinaus. Aber die Scheibe wird nicht nachgeben. Stattdessen müssten Sie nochmal ein Stück zurück, um dann durch das halb geöffnete Fenster zu fliegen. Als Mensch können wir diese Situation überschauen, aber die Fliege erkennt die Lösung nicht.

Eine typische psychische Konstellation entsteht aus der Erfahrung, von anderen Menschen abgelehnt und ausgeschlossen worden zu sein. Das kann einen so starken seelischen Schmerz auslösen, dass wir zu einer vorläufig entlastenden Lösung greifen: "Ihr interessiert mich nicht mehr, ich komm auch alleine klar!" Diese Spaltung kann ein Gefühl der Überlegenheit mit sich bringen. Man ist nicht mehr abhängig von der Bewertung der anderen. Das ist scheinbarer Fortschritt.

Eine echte Lösung ist es jedoch nicht, weil der Preis zu groß ist, den man dafür bezahlt. Denn das Bedürfnis, sich mit anderen verbunden zu fühlen, ist eben auch ein wichtiges und nährendes Grundbedürfnis. Zur Fortführung des eingeschlagenen Weges gehört nun typisch auch, dieses Bedürfnis vor sich zu verleugnen. "Ich brauche niemanden!" Daraus entstehen dann viele Angewohnheiten, das Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit abzuwehren. Und natürlich entsteht auch viel Mangelerleben wie Einsamkeit und Sinnlosigkeitsgefühle. Als Mensch müssen wir uns ausgewogen um alle Bedürfnisse kümmern, um in Balance zu sein.

Der heilsame Rückschritt wäre, seine scheinbare Überlegenheit wieder aufzugeben und den Schmerz wieder zu spüren, den Getrenntheit verursacht. Aber damit begibt man sich genau ins Zentrum dieses Gefühls, was man nie wieder im Leben spüren wollte. Das fühlt sich erstmal als totaler Rückschritt an. Dies wieder aushalten zu lernen, ist eine echte Herausforderung. Doch nur so ist eine echte Öffnung anderen Menschen gegenüber überhaupt wieder möglich.

Dies zeigt auch nochmal: Wer wirklich nach Heilung sucht, der darf niemals nie sagen. Man muss bereit sein, sich auf alle Verrücktheiten des Lebens einzulassen, wenn man denn erkannt hat, dass es für Heilung nötig ist. Therapie ist damit auch oft Vorbereitung, Mutmachen und Halt geben, damit man den sehr schwierigen Rückschritt wagt. Und dann leidet man erstmal, aber es geht nicht um das Leiden. Es geht darum, nochmal einen Schritt zurück zu machen, damit man dann den richtigen Schritt in die Zukunft machen kann. Einen Weg der Befreiung, der einen wirklich reicher macht.

-- Fred

23.12.12 :: Seine Angstgrenze klar erkennen

Bei Angsterkrankungen ist es ganz typisch, dass man sich seiner Angstgrenze nicht klar bewusst ist. In Situationen, wo es eigentlich die Angst ist, warum man etwas nicht tut, (er) findet man alle möglichen anderen Begründungen. Man sagt dann: "Ich hab im Moment keine Zeit dafür." oder "Ach nee, morgen vielleicht." Obwohl man eigentlich sagen müsste: "In mir macht sich bei der Vorstellung daran schon Angst breit und deshalb will ich nicht."

Man verleugnet also seine Ängste vor sich selbst und natürlich auch vor anderen. Das wird so stark zu einer Angewohnheit, dass einem irgendwann nicht mal mehr bewusst ist, dass es eigentlich ganz oft die Angst ist, warum man das eine lässt und das andere tut. Die Angst lenkt vielfach das Leben, aber bewusst ist es uns nicht.

In der Gruppe haben wir uns letztens darüber unterhalten, wo wir im Alltag ganz konkret Angstgrenzen spüren. Also etwas, wo man nicht weiter geht, wo man etwas nicht tut, weil dort Angst spürbar ist. Anfangs war das gar nicht so einfach, das ganz konkret benennen zu können, weil es vielfach eben nicht bewusst ist.

Selbsthilfearbeit ist nicht nur die konkrete Diskussion in der Gruppe. Oft ist es so, dass Gruppengespräche etwas anregen, was dann im Alltag für etwas sensibilisiert. So könnte es nach so einem Gespräch sein, dass man nun mal genauer auf seine Angstgrenzen achtet. Auf Situationen, wo man eigentlich etwas nicht tut, weil man konkret eine Angst spürt. Es geht dabei gar nicht darum, diese Angst nun zu überwinden. Es geht erstmal nur darum, sich der Angst bewusst zu werden und zu erkennen: "Ah ja, hier gehts jetzt für mich nicht weiter, weil ich diese Angst nicht haben möchte." oder anders herum "Wenn ich hier weitergehen wollte, würde stärkere Angst auf mich zukommen. Das will ich nicht."

Wer mit Klarheit all die Situationen erkennt, in denen Angst eine Grenze darstellt, hat schon sehr viel für sich erreicht. Denn mit dieser Bewusstheit bin ich nun auch in der Lage, mit der Angstgrenze zu experimentieren. Normal würde ich jetzt keinen Schritt weiter gehen, aber will ich es heute mal wagen? Was passiert eigentlich, wenn ich es wage? Welches Land begegnet mir hinter dieser Angstgrenze?

Dabei ist auch die Frage wichtig, was denn die eigentliche Befürchtung ist. Manche haben es sehr klar, was sie befürchten und können es benennen. Bei anderen ist es ein diffuses Gefühl, ohne klar benennen zu können, wovor man eigentlich Angst hat.

Bei sozialen Ängsten ist es oft die Scham, dass meine Angst sichtbar wird. Wenn andere sehen, dass ich zittere oder nicht mehr richtig sprechen kann. Schon die Vorstellung einer solchen Situation ist unerträglich und man will es unbedingt vermeiden, dass so etwas passiert.

Hier bietet eine Selbsthilfegruppe auch einen guten Schutzraum. Hier kann man sich vielleicht irgendwann darauf einlassen, dass all das passieren dürfte, was man befürchtet. Wenn hier Vertrauen entsteht und andere für meine körperlichen Symptome auch Verständnis und Mitgefühl haben, dann kann sich die Scham verlieren. Dann kann man sich vielleicht auch so zeigen. Und irgendwann kann die Erfahrung wachsen, das das alles eigentlich ziemlich unbedeutend ist. Es verliert seinen Schrecken und man kann es als ganz natürlichen Teil seiner Persönlichkeit annehmen.

Das Paradoxe daran: Viele unangenehme Symptome verlieren sich dann, wenn man sie wirklich annehmen kann und sie damit an Bedeutung verlieren.

-- Fred

07.12.12 :: Alfred Adlers Individualpsychologie

Alfred Adler ist einer der großen Psychologen aus der Schule der Tiefenpsychologie. Er ist ein Schüler von Sigmund Freud, jedoch kam es irgendwann zu einem Bruch, weil er in der Durchdringung der Materie zu anderen Erkenntnissen und einer grundsätzlich anderen Ausrichtung fand. Sein Schaffenswerk findet sich in der von ihm begründeten Individualpsychologie wieder.

Die Individualpsychologie hat vieles zu bieten, was gerade bei sozialen Ängsten große Bedeutung hat. Von daher können wir hier als Selbsthilfegruppe auch wesentliche Impulse für das Verständnis dieses Phänomens bekommen. Oder nochmal einen neuen Blick auf das Thema.

Da gibt es z.B. den Begriff Minderwertigkeit, der heutzutage in der Regel negativ gebraucht wird. Adler versteht es als etwas ganz Natürliches, mit dem man auf die Welt kommt. Ein Kind erlebt sich in vielem noch unfertig, hat noch wenig Fertigkeiten und Fähigkeiten. Und daraus entspringt ein ganz natürliches Gefühl, noch nicht all das zu können, was ein Erwachsener kann. Noch nicht so kompetent zu sein. Das muss kein unangenehmes Gefühl sein, es kann vielmehr ein positiv empfundener Antrieb sein: Ich möchte auch diese Kompetenz entwickeln. Wenn es gut läuft und die Bedingungen stimmen, dann freuen sich Kinder auf ganz natürliche Weise über alles, was sie lernen und nun können. Es ist schön, zu erleben, wenn man kompetenter wird.

Kompetenzentwicklung ist ja eigentlich auch nie abgeschlossen. Wir können täglich etwas dazulernen und unser Weltverständnis erweitern. So lange wir leben. Vielleicht ist es die gesunde Form menschlichen Lebens, sich weiter zu entwickeln, besser zu verstehen, kompetenter zu werden und durch seine Fähigkeiten mehr und mehr gestalten zu können. Und diese Energie, die einen da treibt, ist oft auch lustvoll und macht von daher Freude. Interesse und Neugier sind hier natürliche Geisteshaltungen, die die Lust an der Weiterentwicklung ausdrücken.

Wenn jedoch etwas mit diesem natürlichen Weiterentwicklungstrieb schief geht, entsteht aus dem natürlichen Minderwertigkeitsgefühl ein Minderwertigkeitskomplex. Dieser Komplex ist immer Ausdruck, dass etwas schief gelaufen ist. Diese Komplexe kann man als Erkrankung bezeichnen, denn werden sie nicht aufgelöst, kann der natürliche Entwicklungswille sich nicht entfalten.

Macht und Kontrolle sind z.B. Möglichkeiten, die einen Minderwertigkeitskomplex kompensieren sollen. Man löst das eigentliche Problem nicht, entlastet sich aber durch einen übertriebenen Machtwillen. Diese Kompensationsversuche bringen aber viele Probleme mit sich. Oft entstehen süchtige Verhaltensweisen, es muss z.B. immer mehr Macht werden, es reicht nie. Es braucht die Droge Macht. Gleichzeitig wird hierdurch ein gutes menschliches Miteinander zerstört. Die Beziehungen, die man mit anderen Menschen eingeht, sind von Macht geprägt, von Herabsetzung und Geringschätzung anderer, sowie von Kampf und Konkurenz.

Die Beziehungen die man lebt, sind auch ein zentrales Element in der Individualpsychologie. Man kann einen Mensch nie isoliert betrachten. Oder umgekehrt: Die Beziehungen und Bindungen, die ein Mensch aufbaut, sind höchst interessant beim Verständnis der eigenen Schwierigkeiten und Deformationen. Adlers Anliegen ist auch, wie ein gutes Gemeinschaftsgefühl entstehen kann. Wie kann jeder Mensch seinen Platz in der Gemeinschaft finden und hier auch Anerkennung und Wertschätzung bekommen? Darin sieht er einen zentralen Weg der Gesundung.

Diese Sichtweise ist wiederum sehr interessant bei der Betrachtung und Heilung von sozialen Ängsten, Schüchternheit und Sozialphobie. In der Selbsthilfegruppenarbeit kann man sich hier auch fragen: Hat jeder seinen Platz in der Gruppe? Was können wir füreinander tun, damit sich jeder wohl und integriert fühlt? Wie kann sich jeder mit seinen Fähigkeiten einbringen und neue Fertigkeiten entwickeln? Wie drücken wir gegenseitige Anerkennung aus? Es ist nicht selbstverständlich, dass sich sowas einfach so ereignet, nur weil wir alle mit einer ähnlichen Problematik zusammenfinden.

Die Auseinandersetzung mit einigen Grundideen von Alfred Adlers Individualpsychologie könnte die Gruppenarbeit bereichern und Orientierung geben.

Weblinks:

-- Fred

06.12.12 :: Kennenlernplattform für Sozialphobie-Betroffene

Benjamin hat uns geschrieben, dass er eine Kennenlern-Plattform ins Leben gerufen hat, speziell für Menschen mit Sozialphobie, Schüchternheit und sozialen Ängsten. Es ist ein Hobbyprojekt, ohne kommerzielle Interessen. Das hört sich interessant an und wir wünschen viel Erfolg damit.

Weblinks:

30.11.12 :: Somatisierung von psychischem Stress

Letzten Mittwoch machten wir einen Bildungsabend und hörten von CD einen Vortrag über Psychosomatik. Die Psychosomatik ist das Bindeglied zwischen psychischen und körperlichen Störungen. Sie schaut bei körperlichen Erkrankungen und Problemen immer auch auf die psychischen Aspekte, die dabei eine Rolle spielen. Denn oft treten körperliche Schmerzen auf, obwohl körperlich gar nichts festgestellt werden kann. Weit verbreitet sind auch organische Funktionsstörungen bei Darm, Magen, Blase oder Herz, aufgrund psychischem Stresses.

Psychischer Stress war ein zentrales Thema dieses Vortrages. Ein Hauptauslöser für psychischen Stress sind gestörte Beziehungen und Bindungen. Besonders Gefühle von Ausgeschlossensein, ignoriert zu werden, sich nicht zugehörig fühlen, abgelehnt zu werden. Das sind auch genau die Themen, die oft im Zusammenhang mit Sozialphobie und sozialen Ängsten auftauchen.

Wenn psychischer Stress auf den Körper einwirkt und auch hier für große Probleme sorgt, wird deutlich, dass es bei der Krankheitsbewältigung viel darum gehen muss, psychischen Stress zu reduzieren. Diese Erkenntnis steht stark im Widerspruch zu manchen verhaltenstherapeutischen Ansätzen, die zentral eine Konfrontation mit angstauslösenden Situationen im Zentrum haben. Es gibt Betroffene, bei denen ging es in Therapie nur um Konfrontation, die Folgen von psychischem Stress hingegen wurden überhaupt nicht betrachtet. Es braucht hier umfassendere Therapie-Konzepte, die nicht nur einseitig und reduktionistisch einer Idee folgen.

Auch in den Selbsthilfegruppen hat diese Erkenntnis eine wichtige Bedeutung: Einerseits geht es auch hier darum, sich weiterzuentwickeln und auch mal was zu wagen, was Stress machen kann. Auf der anderen Seite hat eine gut vertraute Gruppe schon allein dadurch einen großen Wert, dass man sich dort gut mit anderen verbunden fühlt. Also die direkt heilsame Erfahrung, was eine gute Verbundenheit mit anderen Menschen bedeuten kann. Die Frage, wie man ein gutes Miteinander hinbekommt, in dem sich jeder wohl fühlt, scheint hier wichtig und zentral. Neben Herausforderung, braucht es auch immer wieder die wohlige Entspanntheit in der Gruppe. Und die Sensibilität der Gruppe, zu erspüren, wenn jemand herausfällt.

Die Psychosomatik betrachtet den Menschen nicht als Getrenntes Etwas, wie es die konventionelle Medizin oft tut. Sie schaut vielmehr, wie ein Mensch mit der Welt verbunden ist und welche Qualität diese Verbindungen haben. Denn auch das hat man wissenschaftlich durch Studien herausgefunden: Die Menschen, die gut in ein Netzwerk von Beziehungen eingebunden sind, werden am wenigsten krank. Guter menschlicher Kontakt ist der Gesundheit sehr förderlich.

Man könnte das sogar noch ausdehnen auf alle Lebewesen: Für manch einen ist ein Haustier ein zentraler sozialer Kontakt und Stresslöser. Und manch einer findet seine Mitte durch den Kontakt mit der Natur. Ein Spaziergang im Wald kann eine große Hilfe sein, um wieder zu seiner Mitte zu finden. Wir brauchen den Kontakt zu etwas Lebendigem. Immer wieder. Mit dem Leben im Kontakt zu stehen, fördert das eigene Leben.

Die psychosomatische Forschung hat viele Zusammenhänge zwischen Körper und Seele herausgefunden. Damit wurde ziemlich klar bewiesen, das beides eng miteinander verwoben ist. Für einen selbst könnte das bedeuten, sensibler für diese Zusammenhänge zu werden. Zu erspüren und zu erkennen, warum sich jetzt bestimmte körperliche Phänomene einstellen. Der Körper kann einem so wichtiges Hilfsmittel werden, um seine psychische Anspannung zu verstehen. Herauszufinden, was stresst und wie man sein Leben und seine Beziehungen verändern kann, um unnützen Stress zu reduzieren.

Der Vortrag hat auch noch ein wichtiges Mittel angesprochen, was bei emotionalem Stress hilft: Mit anderen darüber zu reden. Reden bringt Inneres nach außen. Stress löst sich auf. Wenn es gelingt, fühlt man sich besser, wenn man sich ausgesprochen hat. Vielen Betroffenen fällt es schwer, überhaupt über sich zu reden. Es ist ungewohnt und man hat keine Worte für das, was in einem passiert. Die Erfahrung der Gruppenarbeit zeigt aber auch: Wer immer wieder übt, über sich zu sprechen, entwickelt darin Fähigkeiten. Mit der Zeit wird man immer klarer das benennen können, was in einem stattfindet. Die emotionale Energie, die in einem gebunden war, wird nun frei und entfaltet sich. Sie wirkt nicht mehr drückend auf die Organe, sondern fließt nach außen ab.

-- Fred

23.11.12 :: Die Arbeit am eigenen Weltbild

Selbstwert und Weltbild sind eng miteinander verbunden. Das eigene Weltbild durchzieht so stark unser gesamtes Erleben, das von ihm wirklich fast alles abhängt. Grund genug, sich mit dem eigenen Weltverständnis zu beschäftigen, es zu verstehen und seinen Bezug zur Welt auch zu verändern.

Es ist ganz typisch, das Weltbilder unreflektiert in uns wachsen. Wir werden von der ersten Stunde an von unserer Umwelt geprägt. Die Menschen um uns herum geben uns ihr Weltbild weiter. Vieles davon übernehmen wir unhinterfragt. Auch unsere genetische Konstellation sorgt dafür, dass wir für bestimmte Vorstellungen empfänglich sind und andere wiederum abwehren oder nicht an uns heranlassen.

Es ist sehr wahrscheinlich, das wir alle eine Menge falsche Vorstellungen von der Welt haben. Unser Weltbild stimmt nicht mit dem überein, wie die Dinge wirklich sind. In der Regel bemerken wir das aber nicht. Oder wir wehren alles ab, was nicht passt und nehmen nur selektiv wahr, was passt. Meist machen wir das alle so geschickt, dass wir uns selber gut hinters Licht führen.

Selbstsichere Menschen sind oft nur deshalb selbstsicher, weil sie eine große Überzeugung darin haben, dass ihr Weltbild stimmt. Das kann man täglich in Politik und öffentlichen Reden erkennen. Sie lassen die Widersprüchlichkeit ihres Weltbilds gar nicht an sich heran und erkennen so auch nicht. Man könnte das arrogante Selbstsicherheit nennen. Ein bekannter Spruch drückt das ganz gut aus:

Meine Meinung steht fest. Bitte verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen!

Selbstsicherheit um jeden Preis scheint also gar nicht so sinnvoll. Man muss auch immer noch genug an all dem zweifeln können, wovon man überzeugt ist. Sonst erkennt man den Unsinn nicht mehr, der immer wieder in unser Bewusstsein hineingelangt. Falsche Gedanken, falsche Vorstellungen, fehlgeleitete Emotionen und Einseitigkeit.

Das Weltbild gibt die Orientierung in der Welt vor. In ihm stecken deshalb jede Menge Bewertungen: Dies ist gut, jenes ist falsch. Danach sollte man streben, das andere lassen.

Ein paar Beispiele, was im eigenen Weltbild verankert sein kann:

  • Je mehr du leistest, um so mehr Anerkennung wirst du bekommen.
  • Strebe danach, berühmt zu werden. So bringen dir viele Menschen Anerkennung.
  • Faule Menschen sind schlechte Menschen.
  • Sexualität ist etwas Schmutziges.
  • Ordentlich und diszipliniert zu sein, ist eine große Tugend. Hüte dich davor, dich gehen zu lassen.
  • Nur fleißige Menschen sind gute Menschen.
  • Andere Menschen sind böse und wollen mich schädigen.
  • Alle Menschen sind lieb und wollen nur mein Bestes.
  • Alle Menschen sind irgendwie hochwertiger, als ich.
  • Stell dich immer hinten an, andere haben grundsätzlich Vortritt.
  • Wenn man keine Ahnung hat, soll man seinen Mund halten.
  • Im Leben muss man etwas erreichen.

Viele Menschen haben ein starres Weltbild. Vorstellungen haben sich einmal ausgeprägt und werden so immer weiter aufrecht erhalten. Erfahrungen, die da nicht hineinpassen, werden abgewehrt.

Die Welt um uns verändert sich. Wir verändern uns. Das Leben ist Veränderung. Ein flexibles Weltbild passt sich immer wieder an das an, was ist. Die Suche nach Wahrheit ist die zentrale innere Haltung, um sein Weltbild beständig zu aktualisieren. Wie sind die Dinge wirklich? Passt meine Vorstellungswelt? Oder entdecke ich Widersprüchlichkeiten? Muss ich zentrale Vorstellungen aufgeben und nochmal ein ganz neues Verständnis entwickeln. In der humanistischen Gesprächstherapie wird dies Selbstaktualisierung genannt - darin wird die zentrale Antriebskraft menschlichen Lebens gesehen.

Die Suche nach Wahrheit wird in vielen spirituellen Traditionen geschult, weil es eine wichtige Grundhaltung für echte Erkenntnis ist. Dieser Weg ist oft nicht leicht, weil man Geliebtes loslassen und unangenehme Wahrheiten annehmen können muss. Etwas, was viele auch aus Therapie kennen. Ständig ist das Leben doch wieder anders und stimmt nicht mit dem Weltbild überein. Das ist unbequem. Es scheint aber einen großen Wert zu haben, realistisch in die Welt zu blicken und diese immer besser zu verstehen. Verzerrte Weltsicht führt zwangsläufig zu Schwierigkeiten.

Manche von Sozialphobie und Selbstunsicherheit Betroffene scheinen nur deshalb das Problem zu haben, weil sie ein falsches Weltbild haben. Da gab es z.B. jemand, der glaubte, jede Begegnung mit anderen Menschen müsse ein erstklassiger Kontakt werden, wo man sich wohlgelaunt begegnet und eine gute Schwingung zueinander entsteht. Passierte das nicht, glaubte er, er hätte etwas falsch gemacht. Das wäre ungefähr so, als würde man sich in die Idee versteigen, jeden Tag muss Sonnenschein sein und wenn dem nicht so ist, hat man etwas falsch gemacht. Ein verzerrtes Weltbild sorgt dafür, dass man sich schlecht und unwürdig empfindet.

In Selbsthilfegruppen kann man sich gut darüber austauschen, welche Vorstellungen man von der Welt hat. Es geht dabei gar nicht so sehr darum, ein gemeinsames richtiges Weltbild zu finden. Es geht vielmehr darum, einen Raum zu schaffen, in dem jeder über sein Weltbild reflektieren kann und Anregungen anderer auf sich wirken lässt. Durch diese Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen können diese sich entwickeln und wandeln.

Ist das eigene Weltbild irgendwann einmal vollendet? Ich glaube, die Suche nach Wahrheit geht ein Leben lang weiter. Wer sucht, wird dadurch reicher, kommt aber nie an. Ein Suchender bleibt ein Suchender. Ein fortwährender Prozess. Aber alles andere würde das Leben auch langweilig machen. So lange es noch neue Einsichten zu entdecken gibt, bleibt das Leben spannend.

-- Fred

22.11.12 :: Die Bedeutung von Träumen

Wenn wir in den Gruppen herumfragen, welche Bedeutung den Träumen in Therapie zukommt, so ist das Resultat: Träume spielen in vielen Therapien kaum eine Rolle. Therapeuten beziehen Träume weder aktiv ein, noch wenden sie sich vertiefend Träumen zu. Ein Wissen über Traumdeutung scheint nur wenig vorhanden zu sein.

Doch es gibt auch Ausnahmen. Einige Betroffene berichten, wie wichtig die Einbeziehung von Träumen in ihrer Therapie war. Träume waren hier ein wichtiger Zugang zu psychischen Themen, die sich noch nicht richtig auf der Oberfläche zeigten. Durch Träume konnte psychisches Material aufgedeckt und bearbeitet werden. Träume gaben Orientierung und Lebenssinn. Träume führten zu tiefen Einsichten und Erkenntnissen. Träume zeigen uns Wünsche und Sehnsüchte.

Es gibt auch immer wieder Betroffene, die sich aus eigenem Interesse mit ihren Träumen auseinandersetzen. Sie finden hierin eine Möglichkeit, sich verstehen zu lernen und psychische Probleme zu lösen. Auch wird es als Seelenhygiene verstanden: In Träumen tauchen unverarbeitete und schwierige Lebensthemen auf, die so nochmal neu verstanden werden können, wenn man seinen Träumen aufmerksam begegnet. Träume sind so genauso Teil der eigenen Erfahrungswelt, die einem helfen können, sein Leben zu meistern.

Der Austausch über Träume kann auch schnell mal Ängste auslösen. Ist das nicht verbotenes Terrain, dem man sich nur mit einem Therapeuten nähern sollte? Kann die Beschäftigung mit eigenen Träumen nicht zu neuen Schwierigkeiten führen.

Meine Erfahrung ist, dass jede Beschäftigung mit der eigenen Psyche auch zu Schwierigkeiten führen kann. Entweder, weil einem Unangenehmes bewusst wird oder weil man sich zu viel zumutet und so überfordert. Träume fallen da nicht als problematischer auf, als andere Zugangswege, sich verstehen zu lernen. Zumindest hören wir sehr selten mal von Problemen im Umgang mit Träumen in unserer Gruppe.

Wer sich jedoch verstehen lernt, hat wesentlich größere Chancen, seine Probleme zu bewältigen, sich zu verändern, Sinn im Leben zu finden und vor allem auch psychisch stabiler zu werden. Das ist ja auch ein Hauptgrund, warum wir überhaupt Selbsthilfegruppen anbieten, in denen wir uns regelmäßig über psychische Themen austauschen.

Ich glaube, es wäre gut, wenn Therapeuten wieder öfters auch Träume in die Therapie mit einbeziehen. So lange das nicht der Fall ist, kann man sich nach Selbsthilfewegen umschauen, wie man selbst mit Träumen arbeiten kann. Schaut man sich auf dem Buchmarkt um, gibt es unzählige Lebenshilfebücher, die sich mit Träumen beschäftigen. Hier kann man sich Anregung holen.

Betroffene, die sich schon längere Zeit mit Träumen beschäftigen, empfehlen anfangs etwas ganz Einfaches: Es geht erstmal nur darum, offen zu werden für Träume, sich dafür zu interessieren. Wenn man abends ins Bett geht, dann mit dem Wunsch, sich morgen an die Träume zu erinnern. Und morgens, wenn man aufsteht, nimmt man sich einen Moment Zeit, sich an die Träume zu erinnern. Schon dieses Interesse sorgt bei vielen nach ein paar Monaten dafür, sich der Träume bewusster zu werden und sie reflektieren zu können. Manch einer, der behauptete, er träume nie, war ganz überrascht, dass da doch ganz viel zu entdecken war.

Ein nächster Schritt könnte ein Traumtagebuch sein: Man notiert sich regelmäßig bedeutsame Trauminhalte. Hier ist es auch gut, verstärkt auf die Emotionen zu achten, die Träume auslösen. Über ein Traumtagebuch kann man gut sich wiederholende Themen erkennen, sich immer wieder in einem anderen Gewand zeigen. Oder Träume, die sich genau so öfters wiederholen. Viele Träume können auch wie Puzzlesteinchen sein, aus denen man irgendwann ein Ganzes erkennt. Eine neue Erkenntnis ist gewonnen.

Weblinks:

-- Fred

11.11.12 :: Verzeihen Sie niemals

Ich lese seit ein paar Wochen das neue Buch vom Dortmunder Psychotherapeuten Wolfgang Siegel. Ich hatte bereits schonmal darüber geschrieben.

Auf Seite 149 fand ich unter dem provokativen Titel "Verzeihen Sie niemals" eine wichtige Kernaussage, die mich sehr anspricht:

Jedes Unrecht, das geschehen ist, muss vollständig gesehen und verstanden werden, damit die Energien, die es freisetzt, nicht auf einen negative Weise weitergegeben werden. ... Verzeihen ist also ein vorzeitiger Abbruch der tiefergehenden Klärung des Problems, das weiter schwelen wird bis zum nächsten Brand.

In einer tiefenpsychologischen Therapie hab ich erlebt, wie wichtig es ist, das eigene Leid aufzuarbeiten. Zu verstehen, was passiert ist und dies neu zu bewerten. Dem Leid den rechten Platz zu geben. Erst als die leidvollen Lebenserfahrungen und der Schmerz wirklich verstanden waren, konnte ich es auch loslassen.

In gespeicherten Leid ist eigentlich noch viel Ungerechtigkeit gespeichert. Da ist etwas nicht stimmig, da hat man für etwas herhalten müssen, was nicht zu einem gehörte, da fühlt man sich selber schlecht und minderwertig, obwohl andere Menschen die Quelle für Leid und Bösartigkeit waren.

Umgedreht genauso: Zu erkennen, wo man sich selber auf eine Art verhalten hat, die nicht in Ordnung war. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil man aus seinem Wesen heraus einfach spürt, dass das kein liebevolles oder menschliches Verhalten war. Etwas, was sich nicht mit meinem eigentlichen Wesen verträgt.

Sehr oft ist es so, dass man mit jeder Menge unverarbeiteter Erfahrungen rumläuft, die nicht zu Ende gedacht oder gefühlt wurden. Dies sind konservierte wunde Punkte in einem, die immer wieder im Alltag durch ähnliche Situationen getriggert werden. Und weil man auch jetzt nicht zulässt, sie wirklich zu verstehen, greift man andere Menschen an, verdrängt den Schmerz, fühlt sich minderwertig, hat Schuldgefühle, bekommt Angst oder wird depressiv.

Hier zeigt sich auch wieder, dass unser Organismus einen guten Selbstheilungsmechanismus hat. Der Organismus reagiert auf Unordnung, auf etwas, was sich nicht richtig einfügt, weil es falsch ist. Das, was nicht stimmig ist, taucht immer wieder auf, damit wird man immer wieder konfrontiert. Wenn man sich dem, was auftaucht, des Verstehen willens wirklich ernsthaft zuwendet, dann können sich diese Unstimmigkeiten klären, an denen viele unangenehme Gefühle hängen. Dann können die Wunden heilen. Dann kann wieder Frieden einziehen.

In den Selbsthilfegruppen ist es deshalb wichtig, darüber zu reden, was man erlebt und wie man etwas fühlt. Bei all dem, was auftaucht, ist auch ein Rückbezug immer wieder wichtig: Kenne ich das aus früheren Lebensphasen? An was erinnert mich das? Wann tauchte dieses Muster das erste mal auf? Welche inneren Bilder dazu habe ich? Es geht darum, das aktuelle Thema tiefer zu verstehen, um mehr an den Ursprung heranzukommen. Anstatt nur eine aktuelle Ungerechtigkeit zu sehen und Ärger und Schuldzuweisungen loszuwerden. Um sich kurzfristig zu entlasten. Es geht vielmehr darum, auszusteigen aus den typischen Abwehrmechanismen, um wirklich zu verstehen, was einem da im Ursprung widerfahren ist.

Es wird immer auch wieder Themen geben, die brauchen professionelle Unterstützung. Hier braucht es ein geschultes Ohr und Führung, jemand der einen unterstützt, etwas in der Tiefe durchzuarbeiten. Nicht selten kombiniert sich Selbsthilfe und professionelle Hilfe auch gut und unterstützen sich gegenseitig. In Selbsthilfe können Themen vorbearbeitet und in Therapie vertieft werden. Oder in Therapie vertiefte Themen können in Selbsthilfe nochmal nachverarbeitet werden. Über seine Themen zu reden, vertieft in der Regel das Verständnis und die Anregungen der anderen können helfen, nochmal andere Aspekte zu erkennen. Wenn man an einem Thema wirklich dran ist, entsteht oft eine große Energie, die sich entladen will. Man spürt ein großes Bedürfnis darüber reden oder schreiben zu müssen. Gerade bei Sozialphobie, wo es typisch nur ein kleines soziales Umfeld gibt, ist eine Selbsthilfegruppe als Rederaum sehr wertvoll.

-- Fred

29.10.12 :: Rollenmuster

Wer bin ich eigentlich? In einer der letzten Gruppen fiel uns auf, dass wir je nach Umfeld und Situation etwas anderes sind. Wir leben in Rollen. Wir checken, was das Umfeld von uns erwartet und welche Werte es vertritt und verhalten uns entsprechend. Je gewohnter ein Umfeld ist, um so weniger fällt uns auf, dass wir eigentlich eine bestimmte Rolle leben.

Es fällt jedoch dann auf, wenn verschiedene Welten aufeinandertreffen. Wenn man z.B. mit seinen Eltern shoppen ist und einen Arbeitskollegen trifft. Da treffen zwei Welten aufeinander: Ich im Berufsleben und Ich mit meinen Eltern. Und da ist uns aufgefallen, dass viele damit auch ihre Probleme haben. Wie soll ich mich denn jetzt verhalten? Und was denken die Vertreter der jeweils anderen Welt darüber?

Ähnlich brisant kann es sein, wenn man frisch verliebt ist und nun mit seinem neuen Partner die Eltern besucht. Die Eltern erleben mich nun als verliebten Menschen mit betonter Emotionalität. So kennen sie mich vielleicht noch nicht, wie werden sie wohl darauf reagieren? Wie werden sie über mich denken? Oder man ist mit seinem neuen Partner zu einer Betriebsfeier eingeladen. Hier werden mich die Mitarbeiter in einer anderen Rolle erleben.

Viele dieser Situationen brauchen Mut, besonders wenn man sich auch in kritischen Umfeldern bewegt. Werde ich zu dem stehen, wie ich bin? Werde ich authentisch sein können? Oder werde ich eine Facette von mir verbergen oder verleugnen? Wird das Umfeld über mich reden, wenn sie mich in einer noch nicht gekannten Facette wahrnehmen? Und wie reagiert vielleicht mein Partner, wenn er merkt, dass ich mich in diesem Umfeld so merkwürdig anders verhalte?

Auch das Umgedrehte kann passieren: Produziere ich mich besonders, um eines der Umfelder zu beeindrucken? Möchte ich einen bestimmten Eindruck hinterlassen? Ist es mir wichtig, auf eine bestimmte vorteilhafte Weise wahrgenommen zu werden?

Es ist interessant, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Seine unterschiedlichen Seinsweisen zu erkennen und zu verstehen, warum man in verschiedenen Rollen lebt. In der Regel werden einem dann auch überlebte Muster auffallen, die man heute eigentlich ablegen könnte. Mit etwas Mut. Der Lohn dafür ist, authentischer zu werden und mehr zu dem zu stehen, der man ist. Das ist im Grunde nichts anderes, als ein Stück mehr Selbstbewusstsein oder Selbstanerkennung.

Sich zu zeigen, wie man ist, braucht Mut. Sich für die Liebe lächerlich zu machen, braucht Mut. Eine gewisse Abschätzigkeit auszuhalten, braucht Mut. Doch an all dem kann das Selbst auch wachsen, kann sich innere Stärke entwickeln. Und nichts nährt so stark das Selbstvertrauen, als wenn man für etwas Eigenes einsteht. Besonders dann, wenn es nicht einfach war.

Mitunter gibt es auch eine unbewusste Angewohnheit, grundsätzlich solche Situationen zu vermeiden, wo unterschiedliche eigene Welten aufeinandertreffen würden. In Phantasie kann man hier mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, wenn man dies mal tun würde.

Ist es ein Ideal, gänzliche unterschiedliche Seinsweisen aufzulösen? Ich glaube nicht, es kann vielmehr als eigene Flexibilität verstanden werden, auf unterschiedliche Weise mit dem Umfeld zu kommunizieren und sich zu verhalten. Wir müssen uns auch immer wieder auf unser Umfeld einstellen, sozusagen kompatibel werden. Manche Umfelder verlangen auch besondere Verhaltensweisen, die wir nicht beeinflussen können. Wer z.B. viel Kundenkontakt hat, muss permanent freundlich und offen sein. Das ist die Erwartung, die sowohl die Kunden, wie auch der Vorgesetzte an einen hat. Es ist ein Teil der Arbeit und nur so funktioniert das Geschäft. Es ist eine Dienstleistung für den Kunden.

Von einem Therapeuten erwartet man z.B. auch, dass er aufmerksam zuhört und für einen da ist. Er ist in einer professionellen Rolle und soll uns nicht seine Lebensprobleme erzählen. Als Patient braucht man hier einen aufnahmefähigen Menschen, der in der Therapiestunde für einen da ist.

Ein reifer Umgang mit Rollen könnte vielleicht sein, dass man sich seiner Rollen bewusster wird und klar wählt, was man will und was nicht. Und das man, wo es geht, authentischer wird.

Ein wichtiges Anliegen in unseren Selbsthilfegruppen ist der authentische Selbstausdruck. Mit all dem da sein zu dürfen, der man ist. Darüber reden zu können und sich so seiner Selbst bewusster zu werden. So können die Gruppen ein Übungsfeld sein, mal ganz aus seinem Rollen-Sein herauszukommen und zu erspüren, wer man wirklich ist. Denn wer schon früh gelernt hat, ständig in irgendwelchen Rollen zu leben, hat vielleicht vergessen, wer er wirklich ist.

-- Fred

23.10.12 :: Vorbilder

Wir hatten mal einen Erfahrungsaustausch in der Gruppe, ob man aktuell Vorbilder hat oder früher welche hatte. Dabei kam auch die Diskussion darüber auf, ob es überhaupt sinnvoll ist, Vorbilder zu haben. Denn einige lehnten das ab. Anderen wiederum waren sie sehr wichtig. Ich kann das nur so deuten, dass es positive wie auch negative Aspekte gibt und es wäre gut, hier etwas mehr Klarheit zu bekommen.

Letztens erzählte eine Betroffene, wie sie Telefongespräche wesentlich besser geregelt bekommt, bei denen sie sich durchsetzen muss. Sie wollte sich nicht mehr vom Gegenüber abwimmeln lassen, sondern klar das einfordern, was ihr wichtig war. Sie beobachtete, wie andere das machten und las auch Bücher, die konkrete Verhaltenshinweisen gaben. Sie lernte zahlreiche Standard-Phrasen auswändig, die ihr gefielen. Und dann beim nächsten Telefongespräch konnte sie davon gleich 3 anwenden. Sie war verblüfft, dass es tatsächlich funktionierte.

Wir können uns also definitiv etwas von anderen abschauen. Wir brauchen uns nicht alles selber auszudenken, vielfach können wir übernehmen oder uns zumindest anregen lassen. Aus der Anregung wird dann unsere Form, die wir auf unser Wesen und unsere Bedürfnisse anpassen. Beides scheinen sinnvolle Formen, die je nach Situation funktionieren: Das direkte Übernehmen und die Anpassung von Ideen an unsere Vorstellungen.

Hier zeigt sich auch schon die erste Falle beim Umgang mit Vorbildern: Übernimmt man etwas, was nicht zu einem passt, entsteht ein Bruch. Etwas fügt sich nicht in uns ein, sondern wirkt aufgesetzt, künstlich oder fremdartig. Auch kann es sein, dass man Verhalten gar nicht übernehmen kann, weil es nur im Zusammenhang mit einer anderen Person auch passend und stimmig ist. Auch das Umfeld, in dem ein Mensch lebt, ist ganz entscheidend. Jedes Umfeld und jede Rolle hat seine Sprache und Verhaltensmuster. Ein Chef agiert z.B. anders, als ein Angestellter ganz unten in der Hierarchie. In der USA funktionieren ganz anderen Verhaltensmuster, als in Deutschland oder Japan. Verhalten muss zur Rolle und zum Umfeld passen, in dem man agiert.

Eine weitere große Falle ist, wenn man einen anderen Menschen vollständig als Vorbild nimmt und so werden will, wie dieser Mensch. Das muss schief gehen, weil wir nie die Kopie eines anderen werden können. Gleichzeitig würden wir auch die lieblosen und unentwickelten Seiten des anderen übernehmen. Und wir würden viele eigene kostbare Seinsweisen aufgeben. Jeder Mensch ist einzigartig und muss auch etwas ganz Eigenes in die Welt bringen. Ich sehe es auch so, dass das Eigene das Zentrale ist, worum es eigentlich geht. Das Übernommene steht dann im Dienst, um das Eigene zum Ausdruck zu bringen. Die Quelle, aus der alles Sein entspringt, muss das Eigene sein. Das ist dann authentischer Ausdruck.

Andere Menschen als Träger von guten Energien, Strukturen und Formen zu sehen, erscheint mir der richtige Ansatz. Jeder Mensch hat irgendwelche Verhaltensweisen, Einstellungen, Werte, innere Haltungen, emotionale Muster oder Beziehungsmuster, die einen ansprechen und berühren können. Man spürt darin etwas Nützliches, etwas Gutes, menschliches oder konstruktives. Und dann ist die Frage, kann ich das auch für mich in irgendeiner Art übernehmen?

Wer so seiner Umwelt begegnet, erfährt überall Bereicherung. Er lässt sich von dem Guten, was überall in der Welt und im Kontakt mit anderen Menschen zu finden ist, anregen. Man hat seine Aufmerksamkeit auf das, was man an hilfreichen Seinsweisen um sich herum wahrnehmen kann. Und macht es sich zu eigen, so dass es fortan im eigenen Leben seine Nützlichkeit entfaltet.

Natürlich muss man alles auch erst im eigenen Leben erproben. Manches wird man wieder verwerfen müssen, anderes bewährt sich. Übung spielt auch eine Rolle, denn ohne Übung bleibt vieles nutzlos. Die Idee muss erst in Fleisch und Blut übergehen, nur als Gedanke macht sie keinen Sinn und entfaltet keine Wirkung.

Es gibt sehr tiefreichende Strukturen, die unser Leben bestimmen. Das sind z.B. Grundhaltungen, Werte, das eigene Weltbild, Überzeugungen und Glaubenssätze. Sie bestimmen immer und überall, wie wir die Welt wahrnehmen, welche Empfindungen sich einstellen und wie wir darauf reagieren. Auch hier kann man Vorbilder finden, die einen nochmal tief beeindrucken und unser Leben tiefgreifend verändern können. Hier zeigen sich auch die zwei Seiten: Wenn es gut geht, hat sich in unserem Herzen oder im Wesenskern etwas positiv verändert. Das bereichert fortan unser Leben. Wenn es schief geht, können wir nachhaltig erschüttert werden oder uns in existenzielle Schwierigkeiten bringen.

Hier zeigt sich, dass Leben grundsätzlich auch immer Risiko ist. Das Leben möchte sich entwickeln und fordert uns auch immer wieder dazu auf. Gleichzeitig bedeutet Entwicklung, bewusst Risiken einzugehen und etwas auszuprobieren, was sich später evtl. als falsch herausstellt. Zum Glück ist es oft nicht so dramatisch und existenziell. Man kann mit genügend Sicherheit und Vertrauen neue Wege ausprobieren, ohne gleich eine schwere Bauchlandung zu machen, wenn es nicht funktioniert. An vieles kann man sich sanft und behutsam herantasten.

-- Fred

17.10.12 :: Auf zur nächsten Etage

Wenn man in eine Selbsthilfegruppe kommt, gibt es erstmal viel Neues. Man lernt die Menschen dort kennen. Ebenso die Abläufe, die Atmosphäre und das Beziehungsgeflecht in der Gruppe. In einer Gruppe muss man auch seinen Platz und seine Rolle finden. Vieles davon läuft eher unbewusst und automatisch, einfach dadurch, dass man dabei ist. Wenn es glückt, findet man seinen Platz in der Gruppe und fühlt sich dabei auch hinreichend wohl.

Nicht selten entsteht mit der Zeit aber eine gewisse Unzufriedenheit. Einerseits ist die Gruppe ein Ort der Gewohnheit geworden. Etwas, was funktioniert. Andererseits stellt sich eine gewisse Langeweile ein, irgendwas in einem ist unzufrieden oder es kommen Sinnlosigkeitsgefühle auf.

Beispiel: A kam schon seit 2 Jahren in die Gruppe. Sie kannte die Abläufe und fühlte sich darin sicher. Lediglich wenn die Gruppe mal was Neues ausprobierte, verunsicherte sie das stark. In der Diskussion hörte sie fast immer nur zu. Mit der Zeit spürte sie eine Frustration darüber. Sie fühlte sich immer nur als Beobachter der Gruppendiskussion. Ihr fielen öfters Dinge ein, was sie hätte sagen können, aber sie sagte nichts.

In gewisser Hinsicht ist man gefangen in dem Möglichkeitsraum, den man gut kennengelernt hat und den man als sicher empfindet. Auf dieser Möglichkeitsebene scheint es auch keine sonderlichen Veränderungen mehr zu geben.

Was es jetzt braucht, ist der Aufstieg in die nächste Etage, die ganz neue Möglichkeitsräume eröffnet. Doch die nächste Etage ist von der Empfindung erstmal wieder ganz ähnlich, wie der Neueinstieg: Man fühlt sich unsicher, man kennt noch nichts, man muss erst wieder Erfahrungen sammeln. Doch die nächste Etage bringt eine wirkliche qualitative Veränderung. Sie sorgt für ein neues Lernfeld, welches man sich jetzt erschließt und zu eigen macht. Bis irgendwann auch diese Ebene beackert ist und man zur nächsten Etage aufsteigt, auf der es wieder viel zu lernen gibt. Inklusive der ganzen Unsicherheit, die einem auch dort widerfährt. Mit der Zeit bekommt man aber auch Übung, mit Unsicherheit besser umzugehen.

Beispiel: A spürte, dass es nun an der Zeit ist, sich in Gespräche einzumischen. Anfangs mit all der Unsicherheit und den Selbstzweifeln. Die Gruppe unterstützte sie durch positives Feedback und Ermunterung. Es gab Fortschritte und auch wieder Rückschritte. Hoffnung und Selbstzweifel. Und doch gab es eine Kraft in ihr, gut Fuß zu fassen auf der neu erklommenen Etage. Mit der Zeit gelang dies und half ihr auch viel in alltäglichen Gruppensituationen, wo sie sich nun auch einmischen konnte.

Wir müssen sozusagen immer wieder bereit sein, all das Gewohnte loszulassen, um uns in neue Bereiche aufzumachen. Wir tauschen Sicherheit mit der Hoffnung, fruchtbares neues Land zu finden, was uns bereichert.

Es scheint schlau zu sein, nicht erst auf die großen Sinnlosigkeitsgefühle zu warten, sondern sich schon sehr früh zu fragen: Braucht es neue Erfahrungen? Was ist für mich als nächstes dran? Was könnte die nächste Etage sein, die ich erklimmen möchte?

Die Gruppe kann wesentliche Hilfestellung bei der Umsetzung sein, in dem man sie mit einweiht. Die Erklärung vor der Gruppe, was man als nächstes umsetzen möchte, kann einen gleichzeitig im Entschluss bestärken und Kraft geben. Ebenso kann man mitteilen, welche Unterstützung man von der Gruppe braucht.

-- Fred

16.10.12 :: Online Therapie

In letzter Zeit wird vermehrt die Online-Therapie erforscht, um sie als neue Möglichkeit der Psychotherapie zu etablieren. Es gibt hier viele kritische Stimmen und deren Argumente sind auch durchaus nachvollziehbar. Beispielsweise ist ein intensiver persönlicher Kontakt niemals über Online-Komunikation ersetzbar. Und gerade bei Sozialphobie könnte man sagen, braucht es diesen engen persönlichen Kontakt.

Auf der Pro-Seite kann man aber auch sagen, dass eine Online-Therapie eine geringere Einstiegshürde hat. Vielleicht fangen so Betroffene an, sich intensiver mit ihren Schwierigkeiten auseinanderzusetzen. Menschen, die sonst gar keine Therapie gemacht hätten. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass bestimmte Aspekte der Online-Therapie besonders hilfreich sind. Man weiß schlussendlich nie, wie neue Dingen wirken, wenn man sich nicht daran macht, sie zu erforschen.

Ein Forschungsprojekt, was derzeit läuft, ist "Positiv wahrnehmen und eigenständig reflektieren" (POWER)", zu finden unter https://www.online-therapy.ch/ibt/home.php. Diese Studie wird von der Freien Universität Berlin und der Universität Bern durchgeführt, steht also auf wissenschaftlich soliden Beinen. Wer Interesse daran hat, kann sich dort zur Studie anmelden.

Uns würden grundsätzlich Erfahrungen mit Online-Therapie interessieren. Die könnt ihr uns per Mail oder bei einem Gruppentreffen gerne mal mitteilen. Für uns als Selbsthilfegruppe ist ja auch immer wieder die Frage: Was hilft und was kann man weiterempfehlen?

15.10.12 :: Neue Musikanlage

Wir haben jetzt eine Musikanlage für Raum 1 angeschafft. Betrifft die Sonntagsgruppen - Kern1 und Offene. Wir können jetzt also auch in diesem Raum unkompliziert Musik oder Vorträge hören. Vorschläge sind willkommen.

11.10.12 :: Kritische Umfelder

Wenn Menschen wohlwollend miteinander umgehen, dann fühlt man sich grundsätzlich angenommen in seinem Sosein. Kritische Umfelder hingegen reagieren mit persönlicher Ablehnung. Solche Ablehnung kann viele Spielarten haben, Geringschätzung, Mobbing, sich über jemanden lustig machen, Ignoranz, Verachtung oder aggressives Verhalten.

Wie fühlt man sich in solch einem Moment? Das hängt davon ab, wie man diese Reaktion interpretiert. Oft ist es so, dass man auch selber so empfindet, dass man ein schlechter Mensch ist. Man sieht den Grund also tatsächlich bei sich. Die anderen reagieren so heftig auf mich, weil ich nicht in Ordnung bin. Dies kann auch zu Selbstverachtung und Selbsthass führen. Und natürlich fühlen besonders Menschen mit geringem Selbstwert in dieser Art. Auch Kinder, die noch kein stabiles Selbstgefühl haben, sind sehr empfänglich für Abwertungen durch andere, nehmen das sehr persönlich und haben dem nichts entgegenzusetzen.

Interpretiert man die Situation hingegen so, dass man sich selbst nichts vorzuwerfen hat, kann man die Reaktion der anderen zwar auch als unangenehm und heftig empfinden, bezieht sie aber nicht auf sich und entwertet sich damit nicht. Man ist ja selber der Überzeugung, richtig zu sein und wurde nur Opfer einer unangemessenen Attacke. In der Regel hinterlassen solche Situationen nicht so starke Verletzungen, weil das Selbst nicht bedroht ist.

In der Regel wird man aus solchen Angriffen lernen und sein Verhalten ändern. Denn dem Umfeld kann man sich oft nur schwer entziehen. Im Laufe des Lebens haben wir eine Menge angesammelt an inneren emotionalen Achtung- und Stoppschildern. Diese reagieren blitzschnell. Sie erkennen kritische Situationen und lassen uns z.B. spüren: "Halt jetzt lieber deinen Mund!" oder "Tue dies jetzt keinesfalls!". Das alles geht blitzschnell, automatisch und entzieht sich auch oft unserem Bewusstsein. Betroffene wissen also gar nichts über diese inneren Prozesse.

Durch die alten kritischen Umfelder sind wir also auch heute noch mehr oder weniger stark eingeschränkt. Wir fühlen uns gehemmt und meiden vielfach Selbstausdruck. In den Gruppengesprächen wird diese Hemmung deutlich - viele hätten eigentlich wesentlich mehr zu sagen, als sie tatsächlich tun.

Wenn man heute nochmal durch den ganzen Schilderwald gehen würde, könnte man vermutlich ein Großteil aller Stopp- und Achtungsschilder abbauen. Sie sind gar nicht mehr gültig. Wir leben gar nicht mehr in diesem unfreundlich-kritischen Umfeld. Das Umfeld, in dem man heute lebt, ist ganz anders. Und doch verhält man sich noch so, wie damals. Je tiefer Verletzungen sitzen, um so größer ist die Gefahr, dass wir nicht wieder loslassen.

Um loslassen zu können, muss man immer mal wieder Dinge tun, die man eigentlich als "Darf man nicht" abgespeichert hat. Um erneut zu prüfen, ob das Umfeld sich noch so verhält. Natürlich kann hier auch der Verstand helfen: Der Verstand kann oft gut abschätzen, ob etwas angemessen und möglich ist, auch wenn man es noch nicht fühlen kann. Wer jedoch tief verletzt wurde, traut sich nicht mehr, neu auszutesten und so wieder seinen Möglichkeitsraum zu erweitern.

Hier zeigt sich, wie wertvoll eine systematische Aufarbeitung ist. Sich zu fragen, welche kritischen Umfelder und Erfahrungen man im Laufe seines Lebens gemacht hat. Was davon heute seine Gültigkeit verloren hat, um in diesen Bereichen dann wieder zu üben, sich genau so zu verhalten, wie man es lange vermieden hat. Je tiefer die Verletzung, um so langwieriger und schwieriger ist so ein Veränderungsprozess. Und gerade dann, wenn das Selbst verletzt wurde, ist die Hürde groß und die Verletzung sitzt tief.

Der Lohn jedoch ist der Mühe wert. Es geht vor allem darum, seine eigene Lebendigkeit und Vielfalt wieder zu erschließen. Und auch seine Talente. Glück, Zufriedenheit und Angstfreiheit entstehen dann, wenn wir aus einem großen Möglichkeitsraum schöpfen können. Unser Organismus ist eigentlich auf ständige Selbstaktualisierung und Ausdehnung unserer Möglichkeiten programmiert. Doch tiefsitzende Verwundungen blockieren uns in diesem natürlichen Wachstumsprozess. Hat man erstmal diese Blockaden identifiziert, kann man sich daran machen, sie aufzulösen. Die alten kritischen Umfelder sind ein Wegweiser, worum es bei mir gehen könnte.

-- Fred

09.10.12 :: Der Wunsch nach Verbundenheit

In der letzten Offenen Gruppe diskutierten wir, was oberflächliche Kontakte sind und welche Qualitäten tiefere Beziehungen mit anderen Menschen haben. Dabei entstanden durchaus einige Widersprüchlichkeiten, die mich weiter beschäftigt haben, wie man diese auflösen kann.

Ich will erstmal versuchen, klar zu definieren, worum es eigentlich geht. Menschen sind soziale Wesen. Es ist ein wichtiges Grundbedürfnis, sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen. Im Zustand der Verliebtheit lässt sich gut erkennen, was tiefe Verbundenheit ist. Hat es einen erstmal erwischt, entsteht ein großes Interesse und eine Offenheit für den anderen. Ebenso eine große Sehnsucht, mit dem anderen zu verschmelzen. Hierfür sind wir auch bereit, viel zu riskieren. Denn Offenheit macht auch verletzlich. Im Zustand der Verliebtheit passiert das alles von alleine, wir brauchen nichts dafür zu tun. Unser ganzer Organismus ist sozusagen in einem besonderen Zustand, in dem vieles anders als gewohnt ist.

Die Verliebtheit kann uns zeigen, was tiefe Verbundenheit ermöglicht und bedeutet:

  • Interesse: Durch das Interesse am anderen komme ich in einen intensiven Kontakt mit dem, was den anderen ausmacht. Was denkt der andere, was hat er für Meinungen? Welche Erfahrungen hat der andere gemacht? Und vor allem: Wie empfindet und fühlt der andere? Oder: Was macht den anderen als Ganzes aus?
  • Offenheit: Ohne Offenheit nützt das größte Interesse nichts. Ich werde nichts vom anderen erfahren und er wird nichts über mich erfahren. Es braucht Selbstoffenbarung, damit der andere etwas über mich erfährt. Und hier ist auch die Frage, was ich von mir zeige. Im ungünstigen Fall ist es nur eine Maske, die ich von mir zeige, hinter der ich mein wahres Wesen verberge. Im günstigen Fall zeige ich mich so, wie ich bin.
  • Authentizität: Wenn ich mich wirklich so zeige, wie ich bin, dann entsteht auch echter Kontakt. Authentisch zu sein, braucht auch immer wieder Mut. Weil ich dann auch etwas von mir zeige, was verletzlich ist. Authentisch sein setzt auch Selbsterkenntnis voraus. Nur wer sich selbst kennt und sich in seinem Sosein annehmen kann, kann dies auch im Kontakt zeigen.
  • Risiko: Wer offen ist, geht auch immer ein Risiko ein. Das betrifft vor allem die verletzlichen Seiten oder die Seinsarten, mit denen man sich noch nicht ausgesöhnt hat. In einem unfreundlichen Umfeld wird man sich hüten, irgendwas zu offenbaren, womit man sich angreifbar macht. Gerade die eigenen schwachen Seiten sind verletzlich und jeder hat gelernt, sich zu verschließen, um sich zu schützen.
  • Vertrauen: Ein Umfeld, dem ich vertrauen kann, lädt dazu ein, mich öffnen zu können. Ich kann mich dann vorbehaltslos mitteilen, weil ich weiß, dass man mich so annehmen wird, wie ich bin. Es braucht das Vertrauen in das Wohlwollen der anderen. Je mehr ich die Erfahrung mache, dass man mich mit all dem annimmt, wie ich bin, um so offener kann ich auch werden. Annehmen muss nicht bedeuten, dass man gleicher Meinung ist oder etwas gut heißt. Es heißt eher, dass eine Verbundenheit auch jenseits dieser Unterschiede erhalten bleibt.
  • Resonanz: Verbunden fühlen wir uns dann, wenn wir uns im anderen erkennen. Wenn wir Mitgefühl mit dem anderen haben, weil wir all das auch kennen, was der andere fühlt und erlebt. Wenn wir spüren, dass der andere ähnliche Gedanken und Überzeugungen entwickelt, wie wir selbst. Resonanz kann sowohl auf emotionaler wie auch auf geistiger Ebene entstehen. Die moderne Wissenschaft hat hier auch nachweisen können, warum wir das können: Spiegelneuronen sind die Basis dafür.

Hier löst sich nun auch ein Widerspruch auf. In der Diskussion sprachen einige darüber, dass sie vor allem intensive Gespräche mit anderen brauchen und die oberflächliche Art ablehnen. Andere wiederum sagten, dass sie gerade bei einer oberflächlichen Art sich besonders mit anderen verbunden fühlen und ernsthafte Gespräche eher als anstrengend erleben.

Das Resultat kann hier nämlich durchaus ähnlich sein: Bei vertiefenden Gesprächen kommt man in einen tiefen Bewusstseinskontakt: Was ein anderer für Gedanken entwickelt, wie er sozusagen gedanklich tickt. Diese Gedankenwelt kann sehr anziehend auf uns sein, weil wir vielleicht ähnlich denken. Durch Sprache können wir natürlich auch Kontakt zu der Gefühlswelt des anderen bekommen und diese erkunden. Auch hier kann Verbundenheit entstehen. Der Zugangsweg zum anderen ist das intensive Gespräch, das Ergebnis sind Empfindungen von Verbundenheit und Nähe.

Wer hingegen als Fußballfan mit seiner Mannschaft fiebert und auch andere genauso erlebt, fühlt sich mit diesen Verbunden. Im Raum entsteht eine gemeinsame Energie und das Gefühl ist auch hier Nähe und Verbundenheit. Gleiches kann entstehen, wenn man miteinander rumalbert. Die Inhalte sind hier nicht so entscheidend, aber in dieser Art des Miteinanders wird auch etwas kommuniziert, womit man sich verbunden fühlt. Und das können durchaus auch sehr tiefgehende Verbundenheitserfahrungen sein, weil sich hier das Wesen des anderen offenbart.

Man könnte also sagen, es gibt verschiedene Zugangswege und Spielarten, wie sich Verbundenheit und Nähe entwickeln kann. Manche Wege sind vielleicht in uns blockiert, aus welchen Gründen auch immer. Weil aber das Gefühl von Verbundenheit ein so wichtiges Grundbedürfnis ist, ist es gut, sich immer wieder neue Zugangswege zu erschließen, wie Verbundenheit entstehen kann.

Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass Zugangswege, die man lange Zeit abgelehnt hat, sich nun doch für einen erschließen. Weil man z.B. erkennt, dass die Ablehnung nur ein Schutz vor dem schmerzlichen Gefühl war, dass es einem selber nicht gelungen ist, auf dieser Ebene Verbundenheit herzustellen. Der Schmerz kann sehr groß sein, wenn man sieht, wie andere immer mehr miteinander verschmelzen und man sich selber so immer weiter draußen fühlt. Aber nicht die Verbundenheit ist eigentlich das Dilemma, sondern die eigene Blockade, nicht mitschwingen zu können. Man kann das nur ertragen, in dem man diese Art der Verbundenheit völlig ablehnt.

Natürlich gibt es auf der anderen Seite immer auch Bereiche, wo die eigene Wahl, nicht mitzuschwingen, völlig stimmig, nachvollziebar und wichtig ist. Nicht jede Form der Resonanz ist gut. Da fällt mir z.B. die Situation ein, wo sich in der Schulzeit einige miteinander verbündet haben, um gemeinsam einen Mitschüler zu mobben. Auch sie empfanden in ihrem Handeln Verbundenheit, aber es war eine bösartige Verbundenheit. Auch bösartige Verbundenheit kann sehr anziehend sein, vor allem auf Menschen, die einen Mangel an guter Verbundenheit haben.

Nach dieser Diskussion fiel mir auf, dass Verbundheit und tiefer Kontakt ein ganz zentrales Thema bei Sozialphobie ist. Denn soziale Ängste sorgen dafür, dass eine Öffnung und Resonanz nicht möglich wird. Der Aspekt der eigenen Verwundbarkeit ist übergroß und verhindert, das Risiko einzugehen, sich tiefer zu begegnen. Hier lohnt es sich auch, hinzuschauen, welche konkreten Ängste und Verletzlichkeiten man hat. Um diese aufzuarbeiten.

Meine Erfahrung ist, dass regelmäßige Gespräche in Selbsthilfegruppen viel dazu beitragen können, seine Ängste vor Öffnung abzubauen. Es braucht immer wieder Mut, an seine Angstgrenze zu gehen, aber mit der Zeit dehnt man so seinen Möglichkeitsraum immer mehr aus, was Offenheit angeht und erntet Verbundenheit.

-- Fred

06.10.12 :: Bereit für das Abenteuer

Bei einer Angsterkrankung kann man ganz schnell in ein defensives Vermeidungsverhalten hineinrutschen. Man umschifft dann alles, was Angst macht. Doch man kann nie alles umschiffen und so fühlt man sich immer wieder Situationen ausgeliefert, die beängstigen. Damit ist man gleichzeitig noch in der Opferrolle: Warum bringt mir das Leben nun schon wieder diese schwierige Situation? Ich will das nicht, aber ich muss!

Alles, was mit Angst zu tun hat, bekommt so eine ganz ungünstige Energie: Es ist belastend, man will es nicht, man fühlt sich ohnmächtig ausgeliefert. Innerer Widerstand und Abwehr kommen auf. Das alles ist ein Energiefeld, in dem positive Veränderung und inneres Wachstum kaum möglich ist.

Was es vielmehr braucht, sind bewusst und selbst gewählte Herausforderungen. Etwas, was Angst macht, wo man aber selber ja zu sagt. Etwas, was man wirklich möchte, weil man sich mit seiner Angst und seinen Schwierigkeiten auseinandersetzen will. Weil man aus dem Angstgefängnis heraus möchte und seinen Möglichkeitsraum erweitern will. Auch wenn die herausfordernde Situation die Selbe ist: Es macht einen riesen Unterschied, ob sie einem zustößt oder ob man sie bewusst als Herausforderung gewählt hat.

An bewusst gewählten Herausforderungen kann man wachsen. Man geht ein Risiko ein, stellt sich einer Angst und hat auch immer wieder Erfolg. Man ist derjenige, der agiert, der etwas ausprobiert, der experimentiert. Das schafft Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Man lernt, mit schwierigen Dingen umzugehen und es fließen einem die Kräfte zu, die man nur bei selbst gewählten Abenteuern spürt. Kräfte die dann kommen, wenn ein großes Ja in einem spürbar ist. Wenn man etwas wirklich will.

Hierfür kann man sich Vorbilder suchen, die diesen energetischen Zustand gelebt haben. Helden und Abenteurer, die wussten, dass sie schwieriges erwartet, die aber trotzdem mutig (nicht übermütig) vorangeschritten sind. Menschen, die etwas wollten und sich von einer Vision oder einer guten Idee tragen lassen haben. In vielen Märchen findet man solche Helden. Von dieser Energie kann man sich anstecken lassen.

Wichtig ist, nicht gegen seine Angst zu kämpfen oder Gefühle wegzudrücken. Es soll ein Gefühlsabenteuer werden. Es werden bei dieser Reise Gefühle auftauchen, angenehme und unangenehme. Und ich bin derjenige der fühlt und der es aushält, dies alles zu fühlen. Ich setze die Segel und spüre den rauen Wind. Wellen brechen am Schiff und Wasser spritzt mir ins Gesicht. Es wird schwierig und ich kann das spüren. Und dann ist die See wieder ruhiger und die Sonne strahlt mich an. Auch das kann ich spüren und genießen. Abenteuer heißt, alles wahrzunehmen, was ist und nicht, sich zu betäuben. Und Abenteuer heißt, Vertrauen zu entwickeln, in das was kommt und darin, es bewältigen zu können. Mit jeder Bewältigungserfahrung steigt das Vertrauen in einem, es hin zu bekommen.

Anfangs ist das schwer und vielleicht auch unmöglich. Zumindest was die großen Abenteuer angeht. Doch jeden Tag gibt es die vielen kleinen Dinge, die wir zu einem Abenteuer machen können. In dem wir uns dazu entscheiden, eine Herausforderung anzunehmen, anstatt uns durch irgendwas durchquälen zu müssen, was wir eigentlich nicht wollen.

Wer Angst hat, muss sich in Mut üben!

-- Fred

01.10.12 :: Wirksam werden

Wir haben letztens das Buch "Es lauscht am Stein der Weisen" vom Dortmunder Therapeuten Wolfgang Siegel für unsere Bibliothek gekauft. Darin findet man einen interessanten Kerngedanken. Es geht darum, wieder ausgiebig ins Empfinden zu kommen. Aus diesen Empfindungen entstehen Energien, die man nun konstruktiv wirksam in die Welt bringen soll.

Dieser Gedanke ist interessant, weil er ein wesentlicher Schlüssel für seelische Gesundheit sein könnte. Was passiert, wenn wir uns nicht spüren, wenn wir nicht offen für unsere Empfindungen sind? Dann prallt alles an uns ab und wir reagieren nicht auf all die Missstände, die uns umgeben. Und wir reagieren nicht auf unser eigenes Leid. So verschlimmert sich nicht selten alles. Und auch das Gute nehmen wir nicht wahr, was überall zu finden und zu fühlen ist. Das Gute, was viel positive Energie in uns wachrufen könnte, der wir dann folgen.

Missempfindungen sind ganz oft Aufforderung zum Handeln. Doch wenn man nicht handelt, dann spürt man immer mehr Probleme in sich. So entstehen nach Meinung des Autors ganz oft deshalb psychische Probleme, weil wir der Aufforderung unserer Empfindungen nicht auf konstruktive Weise nachkommen.

Missempfindungen sind ein deutliches Signal, dass etwas nicht in Ordnung ist und damit Aufforderung, es nun wieder in Ordnung zu bringen. Und wenn wir uns darum gekümmert haben, dann wird es auch wieder gut.

Natürlich kann man nicht alle Probleme so vereinfachen, aber auch in unserer Selbsthilfearbeit lässt sich dieses Thema öfters erkennen: Wenn jemand immer nur jammert, wie schlecht es ihm geht und sich die Gedanken nur um das eigene Leid drehen, dann baut sich ein sich selbst verstärkender Kreislauf auf. Das Problem produziert eine Energie, die einen noch mehr ins Problem hineinzieht. Stattdessen ist es hier oft wichtig, die Energie dahin zu lenken, wo es besser werden kann. Deshalb ist die Frage so bedeutsam: "Was braucht es, damit es mir besser geht?" Um dann die Energie in diese Richtung zu lenken.

Es lohnt sich, bei jedem schwierigen Gefühl sich zu fragen: Welche Aufforderung steckt dahinter? Was erwartet das Leben von mir, damit es wieder gut wird? Man kann das auch als eine Form geistigen Trainings verstehen, sich sozusagen so zu konditionieren, dass man konstruktiv und lösungsorientiert denkt.

Und natürlich braucht es oft Mut, um der ehrlichen Antwort zu folgen. Aber was haben wir für eine Wahl? Verdrängen klappt nicht wirklich und verschärft das Problem.

Ich glaube, wir können alle noch besser darin werden, uns selber gut wahrzunehmen und konstruktiv-wirksam auf das zu reagieren, was wir in uns finden. Wenn jeder das tun würde, wäre die Welt wohl ein ganzes Stück besser.

Weblinks:

-- Fred

01.10.12 :: WDR5 - Neugier genügt: Heilung per Mausklick

Therapie übers Internet war das Thema von heute. Wer noch reinhören möchte, findet ein Podcast auf der Seite. Ein spezielles Projekt wird vorgestellt, wo auch soziale Ängste Online behandelt werden.

Weblinks:

<< Archiv 2013 Quartal 1 | AktuellArchiv | Archiv 2012 Quartal 3 >>