Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2012-Q3)

29.09.12 :: Bist du interessant?

Bist du ein interessanter Mensch? Das ist eine heikle Frage, weil es direkt an das Selbstwertgefühl gehen kann. Aber gerade deshalb könnte eine große Lernchance darin liegen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

Ist es überhaupt erstrebenswert, interessant für andere zu sein? Und hat man darauf überhaupt einen Einfluss? In Psychotherapie geht es oft darum, das Eigene zu finden und sich unabhängiger von der Bewertung anderer zu machen. Und jetzt sollte es doch auch wichtig sein, welchen Eindruck ich hinterlasse? Verliere ich mich nicht wieder, wenn ich mich so verhalte, wie mich andere spannend finden?

Ganz unabhängig von diesen Fragen lässt sich sagen: Es gibt Menschen, die eine angenehme Ausstrahlung haben. Etwas, was andere als angenehm und einladend empfinden. Hier entsteht eine positive Resonanz. Diese Menschen bewirken im Kontakt auch angenehme Gefühle im anderen. Und für angenehme Gefühle sind wir dankbar. So sind wir gerne mit diesen Menschen zusammen.

Das ist ja eine zentrale Frage in unserem Themenbereich: Wie kann ein angenehmer Kontakt zwischen Menschen entstehen. Was können wir dazu beitragen?

Hier mal ein paar Eigenschaften, die dazu beitragen können:

  • Interesse und Offenheit: Sich für den anderen und für anderes interessieren. Neugierig sein und Interesse entwickeln können. Interesse bedeutet zugleich Wachheit und positive Stimulation.
  • Wertschätzung: Fühlt der andere sich gesehen und wertgeschätzt, öffnet er sich und bekommt Interesse am Kontakt. Allen Dingen, die man wertschätzt, kann man sich konstruktiv zuwenden.
  • Konstruktiv und lebensbejahend: Wir alle suchen nach Glück und positiven Lebenserfahrungen. So suchen wir schlussendlich nach einem guten Leben. Allerdings kann auch durchaus ein Austausch über Probleme und unschöne Dinge dazu führen, sich mit dem anderen verbunden zu fühlen, was wiederum angenehm ist.
  • Verbundenheit: Ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Sich anderen Menschen nahe und verbunden zu fühlen, ist angenehm. Wenn wir Werte, Überzeugungen, Hobbys oder Lebenserfahrungen miteinander teilen und uns im anderen erkennen, kann Nähe entstehen.
  • Freude, Leichtigkeit, Spaß: Wir fühlen uns wohl, wenn Leichtigkeit in unser Leben kommt. In den meisten Partnerschaftsannoncen findet man Humor als wichtige Eigenschaft, die der Partner haben sollte. Humor und Spaß muntern auf und nehmen einem die Schwere des Lebens.
  • Lebendigkeit: Sie stimuliert unsere eigene Lebendigkeit und in der Regel fühlen wir uns dann gut, wenn wir lebendig sind und das Leben auskosten.
  • Schönheit: Körperliche Schönheit kann anziehend sein. Schönheit ist aber auch im Ausdruck zu finden, in der Mimik, in den Wörtern, in der Bewegung, in der Fähigkeit zu denken.
  • Hilfsbereitschaft: Die Bereitschaft, am Leben des anderen teilzuhaben und zu spüren, was der andere gerade braucht und ihm dabei behilflich sein. Hilfsbereitschaft ist eine Form der Wertschätzung und des Wohlwollens, die Herzen öffnet. So können Zuneigung, Interesse und Sympathie füreinander entstehen.
  • Emotionale bzw. soziale Intelligenz: Zu spüren, was in einer sozialen Situation gerade sinnvoll, konstruktiv und hilfreich ist. Im Kontakt mit dem zu sein, was sich gerade ereignet. Umgangsformen kennen. Sich einfühlen können. Sozial stimmig handeln.

Kurzum könnte man sagen, es gibt klar benennbare Eigenschaften, die uns interessanter machen, könnten wir sie in uns fördern und entwickeln.

Vielleicht ist die Frage, wie man für andere interessant wird, zu kurz gegriffen. Denn losgelöst von der eigenen Persönlichkeit können daraus sehr unschöne Entwicklungen entstehen. Menschen, die alles tun, um interessant zu werden und sich dabei selbst verlieren. Dann bemerkt man zwar, dass einen alle irgendwie mögen, man selber fühlt sich aber hohl und leer.

Umgedreht scheint es so zu sein, dass viele Menschen gerade deshalb interessant werden, weil sie authentisch sind und weil sie ihr Potenzial erschlossen haben. Sie sind ihren Begabungen nachgegangen und haben etwas in sich entwickelt, was nun Schönheit oder eine Herzlichkeit ausstrahlt. Sie wirken echt und berühren deshalb auch. Das macht sie interessant.

Interesse entsteht, wenn es gemeinsam etwas zu entdecken gibt. Etwas Neues, was vorher noch nicht da war. Eine Bereicherung. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie sich das ereignen kann.

Können wir das eigene Interesse fördern? Interesse ist etwas, was man nicht direkt willentlich herbeiführen kann. Man kann aber erkunden, was einen interessieren könnte und Bedingungen schaffen, damit es entsteht und sich ausdehnt. Und sicher kann man mit der Zeit auch offener und achtsamer für alles werden, was einem im Leben begegnet. Das könnte ein Schlüssel sein, mehr zu sich selber zu finden, zufriedener zu werden und gleichzeitig interessante Kontakte zu anderen Menschen aufbauen zu können.

Buchtipp:

19.09.12 :: Vermeidung und Kontrolle

Nicht immer ist es die konkrete Angst, die bei einer Angsterkrankung im Vordergrund steht. Es gibt Betroffene, die eigentlich recht wenig Angst verspüren. Die Betroffenheit zeigt sich eher in Vermeidung und Kontrolle.

Das Bewusstsein kann hier unglaubliche innere Festungen erschaffen. Das ganze Leben wird so abgesichert, dass einem nichts Beängstigendes mehr begegnen kann. Hierfür muss vieles vorausgedacht sein und eine feste Struktur im Alltag soll Sicherheit geben. Feste Struktur meint: Man tut Dinge auf ausgeklügelte und festgelegte Weise, die sehr gut dafür geeignet ist, das keine Angstsituation entstehen kann.

Beispiel: N bekam Angst, wenn er einen Nachbarn im Treppenhaus begegnete. Folglich gewöhnte N sich an, immer erst hinter seiner Tür ins Treppenhaus zu lauschen, ob da gerade niemand ist. Seine Tagesgewohnheiten strukturierte er so, dass er möglichst selten ins Treppenhaus musste und wenn, dann zu Zeiten, wo er möglichst niemanden dort traf. Seinen Müll brachte er z.B. Nachts um 2 Uhr raus.

Das eigene Denken kann sehr viel damit beschäftigt sein, das Leben immer weiter im Sinne der Angstvermeidung zu optimieren. Wo es in der Wirtschaft oft um einseitige Gewinnmaximierung geht und alles Handeln daraufhin optimiert wird, geht es bei dieser Form der Angstbewältigung um Angstminimierung um jeden Preis. Und viele sind extrem gut darin, sich Angstvermeidungsstrategien auszudenken und diese auch gut zu tarnen. So gut, dass selbst Therapeuten jahrelang nicht dahinter kommen.

Das Bedrohlichste für diese innere Festung ist Unvorhersehbarkeit oder spontane Situationswechsel. Dann gerät innerlich alles in Panik, weil hier die Vermeidungsmechanismen ausgehebelt werden.

Beispiel: B lebte sein Leben nach ganz festgelegten Ritualen. Im Grunde stand morgens schon fest, wie der Tag ablaufen wird. Und meist lief er auch so ab und Angst kam nur wenig auf. Doch dann störte ein Ereignis seine festen Rituale. Seine Mutter wurde krank und er musste sie nun öfters im Krankenhaus besuchen. Panik brach in ihm aus. Sein Denken beschäftigte sich nur noch damit, wie er diese Situation bewältigen kann und was ihm alles dabei passieren könnte. Für alles, was passieren könnte, dachte er sich schon Reaktionen aus.

Die innere Festung wird gerade in untypischen Lebenssituationen, die einen überraschen sehr stark deutlich. Wenn nichts mehr so läuft, wie man es sich eingerichtet hat. Dann wird die eigentliche Angst hinter dieser Festung klar spürbar.

Hier zeigt sich auch gleichzeitig der hohe Preis, den man für die Vermeidungs-Festung bezahlt. Man verliert die Freiheit im Leben. Man lässt keine Spontanität mehr zu. Man wird völlig unflexibel. Das Leben läuft geplant und verliert damit jede wirkliche Lebendigkeit. Man hat keinen freien Raum mehr, in dem sich ereignen darf, was auch immer sich ereignen will.

Die Kontrolle kann sich natürlich auch auf die Kommunikation auswirken. Man kommuniziert nur noch auf eine Weise, die Überraschungen ausschließt. Man macht dicht vor jeder Form neuer Erkenntnis, weil Neues die bisherige Festung bedroht. Kommunikation ist nur noch Wiederholung bestimmter Sprachmuster und Gedanken, wirklich Neues entsteht nicht.

Spontanität, Neugierde, Erkenntnis, Emotionalität, Lebensfreude, Verrücktheiten - all das sind Gifte für die Vermeidungs-Festung, weil nur schwer kontrollierbar.

Meist wird das Ausmaß der eigenen inneren Festung erst durch intensive Therapieerfahrungen deutlich. Das ist dann auch der Punkt, wo man sich fragen muss, ob die bisherige Lebensorientierung wirklich sinnvoll war. Oder ob sie einem viele spannende Lebenserfahrungen vorenthalten hat. Bei manchen Menschen wird der Einengungsdruck so groß, dass sie bereit sind, alles zu geben, nur um wieder den Duft der Freiheit zu spürn.

Wer sich für mehr Freiheit entscheidet, muss aufhören, sein Leben immer weiter abzusichern. Stattdessen geht es darum, immer wieder im Leben etwas zu riskieren und bewusst auch in die eigene Angst hineinzugehen. Die Angst darf nicht zu einer Grenzlinie werden, die man nicht übertritt. Stattdessen muss man sich immer wieder mutig in den Angst-Raum hineinbewegen. Etwas riskieren und das Kribbeln im Bauch spüren. Herausforderungen sportlich annehmen.

Das Meer hat eine große symbolische Kraft, wenn es um Befreiung und Ausdehnung geht. Wer sich mit seiner eigenen inneren Befreiung beschäftigt, kann diese Kraft für sich nutzen. Ein Urlaub am Meer kann eine Hilfe sein.

Wenn Du ein Schiff bauen willst,
so trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten,
Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht
nach dem weiten, endlosen Meer.
(Antoine de Saint-Exupéry)

-- Fred

18.09.12 :: Wie verstehen wir Worte?

Andere Menschen wirklich zu verstehen, ist eine herausfordernde Aufgabe. In der Selbsthilfegruppe hört man manchmal die Formulierung "Das kenn ich auch ganz genau so!" Meist führt dies auch zu einer Erleichterung bei demjenigen, der es sagt. Da ist jemand, der so fühlt wie ich! Da erkenne ich mich im anderen. Das fühlt sich angenehm an und gerade für Neueinsteiger ist das eine wichtige Erfahrung: Ich bin nicht alleine mit meinem Problem, auch andere erleben das Selbe.

Belässt man es bei der Vorstellung, man wüsste jetzt, wie der andere sich fühlt, gehen viele Details verloren. Denn es ist fast nie so, dass der andere genau das erlebt und fühlt, was ich fühle. Es gibt lediglich eine gewisse Ähnlichkeit. Ein Phänomen, was man in ähnlicher Ausprägung erlebt. Unser Gehirn ist Meister darin, Ähnlichkeiten zu erkennen, selbst wenn nur sehr wenig Übereinstimmung vorhanden ist.

Wenn wir Wolken beobachten, kann man dies schön erleben. Diese Wolke sieht aus wie ein Nashorn, denkt man vielleicht. Natürlich ist diese Wolke nur in einem sehr entfernten Sinn ein Nashorn, aber eine klitzekleine Ähnlichkeit in den Umrissen bringt unser Gehirn dazu, es als Nashorn zu interpretieren.

Eine Zeit lang hat mir mal diese provokante These sehr weitergeholfen: "Du weißt überhaupt nichts darüber, wie der andere gerade empfindet." Immer dann, wenn ich eine geäußerte Erfahrung oberflächlich mit "Kenn ich auch!" abtun wollte, hab ich mir diese These vor Augen geführt. Das hat mich aktiviert, genauer hinzuhören und tiefer hineinzufühlen. Länger im Kontakt mit dem zu bleiben, was der andere beschreibt. Das führte zu einer Vertiefung des Verständnisses. Und im Laufe dieses Prozesses merkte ich fast immer: Ja, es gibt ein paar Dinge, die passen und es gibt auch einiges, was nicht zu meiner Erfahrung passt, was in der Tat ganz anders ist. Das ist zuerst nicht so gut auszuhalten, man hat sozusagen ein Bedürfnis, der andere möge die selbe Erfahrung gemacht haben. Wenn man es aber aushält, dann offenbart sich die Vielschichtigkeit der Phänomene, die niemals aufhört. Dann wird es auch nicht mehr langweilig in der Gruppe, nach dem Motto: Kenn ich doch alles schon! Was man kennt, ist lediglich ein sehr unscharfer Blick auf ein Phänomen. Genau genommen, weiß man nicht viel. Oder mit einem Bild ausgedrückt: Man weiß, dass der andere gerade über einen Wald spricht, aber jeder Wald ist anders. Meine Vorstellung von Wald entspricht meinen Erfahrungen, welche Wälder mir begegnet sind und welche Empfindungen ich dort hatte. Und das können ganz andere Erfahrungen sein, die jemand anderes mit Wäldern gemacht hat.

Wörter sind ganz wichtig für das gegenseitige Verstehen. Es gibt Wörter, die sehr unterschiedlich gebraucht werden und auch unklar definiert sind. In der Fachliteratur werden sie teilweise völlig anders benutzt. Ein schönes Beispiel sind die Worte Gefühl, Emotion und Empfindung. Manche verwenden sie völlig synonym, also für das selbe Phänomen. Andere unterscheiden hier, um bestimmte Teilaspekte eines Phänomens hervorzuheben oder abzugrenzen.

In dem Buch "Es lauscht am Stein der Weisen" vom Dortmunder Psychotherapeut Wolfgang Siegel, werden die Worte sehr andersartig definiert, wie ich es noch nirgendwo gelesen habe: Empfindungen sind das, was der gegenwärtige Moment in uns auslöst. Hier stellt er den Kontakt zur Gegenwart heraus. Gefühle hingegen entstehen aus dem, was wir früher mal erlebt haben und mit dem wir damals nicht fertig geworden sind. Sozusagen konservierte unangenehme Empfindungsbrocken, die noch in uns sind und die immer wieder auftauchen. Tauchen sie auf, hat uns eine schwierige Vergangenheit wieder eingeholt. Emotion hingegen definiert er als Reaktionen auf starke Empfindungen. Sie sind die Handlungsenergien, die durch Empfindungen ausgelöst werden.

Was er da beschreibt, sind einerseits interessante Aspekte aus dem Gefühlsleben, die auch meiner Erfahrung entsprechen. Ich käme aber nie auf die Idee, die Worte in der Art zu benutzen. Wenn er also über Gefühle, Empfindungen und Emotionen spricht, kommt es zwangsweise zu völligen Missverständnissen, so lange mir nicht klar ist, was er mit den Worten meint.

Dies zeigt übrigens auch: Möchte man von möglichst vielen Menschen unmittelbar verstanden werden, ist es gut, die allgemein üblichen Begriffsdefinitionen zu kennen und sich daran zu orientieren. Oder man nimmt sich erstmal viel Zeit, dem Gegenüber seine Begriffe zu erklären.

Wir alle haben unsere eigenen Vorstellungen, was Worte meinen. Gerade dann, wenn es um Details geht, merkt man so oft, dass es wichtiger wird, die Bedeutung von Worten zu klären. Sonst redet man permanent aneinander vorbei. Das trifft nicht nur auf die Psyche zu, es betrifft alle Lebensbereiche. Es sind schon Flugzeuge abgestürzt, weil die Beteiligten Begrifflichkeiten anders verstanden haben. In vielen Bereichen bemüht man sich deshalb, sich auf eine klare und unmissverständliche Bedeutung von Wörtern zu einigen.

Auch in der Selbsthilfegruppe wird es irgendwann wichtig, sich darüber zu verständigen, was bestimmte Wörter für jeden bedeuten. Nicht nur intellektuell, sondern auch die gefühlte Bedeutung. Man kann Gruppensitzungen damit verbringen, bestimmte Wörter zu erkunden und auch die Vielschchichtigkeit des Verständnisses zu erkennen. Gleichzeitig bildet sich dadurch ein differenziertes Verständnis der Phänomene heraus, die die Wörter beschreiben. Und man lernt neue Wörter, um Aspekte besser beschreiben zu können. So wird man genauer in seinem Ausdruck, kann besser ausdrücken, worum es eigentlich geht. Das wiederum hilft dem verstanden werden.

Mitunter entsteht auch ganz automatisch in einer Gruppe eine Sprache, die jedes Gruppenmitglied versteht, dem Außenstehende aber erstmal nicht so folgen können. Die Gruppe hat in vielen Gruppensitzungen Phänomene immer wieder so beschrieben und bestimmte Wörter benutzt, so dass jedem eingängig ist, was die Gruppe damit meint. Es hat sich sozusagen ein eigener Gruppencode gebildet, mit dem man Erlebtes beschreibt.

Sprache kann nie vollständig dazu führen, dass wir uns verstehen. Es braucht noch andere Kommunikationskanäle und manches werden wir nie vollständig miteinander teilen können. Die Sprache ist aber ein ganz bedeutsames Mittel, wie wir miteinander in Kontakt kommen und uns verstehen lernen können.

-- Fred

15.09.12 :: Wenn die Intuition geopfert wurde

Wie oft hat man im Leben eigentlich intuitiv richtig gehandelt, wurde aber von anderen Menschen angegangen? Und wie oft hat man dann der Fremdmeinung geglaubt und sich selber verurteilt?

Ich wette, jeder Mensch, der zurückblickt, wird Situationen finden, wo er sein Handeln oder seine Meinung als falsch bewertet hat, weil andere es so gesehen haben. Wenn man aber jetzt nochmal neu guckt, erkennt man, das vieles doch gar nicht so verkehrt war, wie man es selber gesehen hat.

Im Leben wird es immer wieder passieren, dass wir durch unser Handeln auf Gegenwehr und Ablehnung stoßen. Ist es deshalb falsch? Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben, neigen viel zu oft dazu, ihre eigene Intuition zu entwerten und stattdessen dem anderen Recht zu geben. Sie spüren nicht nach und suchen nicht wirklich nach der Wahrheit, stattdessen wird die andere Meinung für richtig angenommen. Man will gar nicht erst in einen Konflikt hineingeraten. Das ist eine sehr traurige Situation, weil hier etwas Gutes geopfert wird. Gleichzeitig verwirrt das die eigene Intuition und untergräbt gleichzeitig wieder den Selbstwert. Man traut dann seinen Gefühlen und seiner Wahrnehmung nicht mehr und wird unsicher. Stattdessen setzen sich andere Menschen mit ihren Meinungen oder ihrem Willen durch.

Hier zeigt sich, es ist gut, mal zurückzuschauen, um die Irrtümer im eigenen Leben aufzuarbeiten. Zu erkennen, wo die eigene Intuition, die eigene Wahrnehmung und die eigenen Gefühle richtig waren. Und hier nochmal die Situation im Nachhinein zu berichtigen: Ich lag richtig, die anderen haben geirrt. Ich hab es geglaubt, aber jetzt berichtige ich meinen Irrglauben. Ich erkenne im Nachhinein etwas wichtiges in mir an. Wer dies tut, schafft mehr Klarheit in sich und stärkt sein Selbstvertrauen. Manchmal können dadurch sogar tiefe Kränkungen aufgearbeitet werden, so können Wunden heilen.

Hier zeigt sich auch wieder, es lohnt sich, sich seine Lebensgeschichte anzuschauen. Mit den Augen und der ganzen Lebenserfahrung von heute werde ich vieles nochmal neu bewerten können. Neu im Sinne, dass es jetzt wahrhaftiger wird und ich Täuschungen oder Irrtümer aufarbeiten kann. Das führt zu psychischer Gesundheit und psychischer Robustheit. Das Vertrauen in sich wird gestärkt.

Auf der anderen Seite werden uns auch immer wieder im Alltag Situationen begegnen, wo wir der Angewohnheit folgen, andere Vorstellungen als richtig zu bewerten und die eigene Intuition zu verwerfen bzw. zu entwerten. Hier lohnt es sich, inne zu halten, nochmal genauer nachzuspüren, um seine Wahrheit zu erkunden. Es geht nicht darum, sich öfters recht zu geben, es geht darum, das heraus zu finden, was man wirklich als richtig und wahr empfindet. Wer so immer wieder nach der Wahrheit sucht, klärt seinen Geist und wird sicherer in seinem Urteilungsvermögen.

-- Fred

13.09.12 :: Schuld abladen verboten!

Es gibt Menschen, die können einen emotional ganz schön manipulieren. Ob bewusst oder unbewusst. Ich hatte mal eine Kollegin, die das gut beherrschte. Und ich hatte keine Ahnung von solchen Spielchen und tappte voll hinein. Sie strafte mich oft durch subtile Ignoranz. Mich schmerzte das, so zu spüren, dass ich bei ihr nicht erstmal grundsätzlich angenommen bin. Doch wie durch ein Wunder war sie manchmal das genaue Gegenteil und umschmeichelte mich. Das tat mir gut und ich hoffte, das das nun so bleiben möge. Natürlich war es nicht so und ich rätselte immer wieder, was ich denn wohl wieder falsch gemacht habe, dass sie mich nicht mag.

Viel später erkannte ich, dass sie ihre Gefühle dafür einsetzt, andere Menschen zu manipulieren. Jemand anderem unangenehme Gefühle zu bereiten, wenn er nicht das tut, was man von ihm will und gute Gefühle in ihm auslösen, wenn er das tut, was man möchte. Oder jemanden zuerst sehr unangenehme Gefühle machen und ihn dann davon erlösen. Ihn sozusagen erpressbar machen: Wenn du machst, was ich will, dann sorge ich dafür, dass es dir wieder gut geht.

Wie gut solche emotionalen Manipulationen funktionieren, hängt in starkem Maße von der eigenen emotionalen Vestricktheit ab. Manche Menschen sind hier wunderbare Opfer, andere nur wenig manipulierbar. Auch merke ich, dass ich hier ganz bestimmte wunde Punkte habe, wo ich schnell manipulierbar bin, anderes wiederum lässt mich kalt, da habe ich Distanz. Obwohl ich merke, dass andere hier ihre Manipulations-Einfallstore haben.

Ein schönes Einfallstor für Manipulationen ist ein mangelndes Selbstwertgefühl und mangelnde Selbstliebe. Wenn ich mir selbst nicht die Wertschätzung geben kann, dann bin ich stark auf die Zustimmung von anderen angewiesen. Und wenn sie mir die aus taktischen Gründen entziehen, dann leide ich. Und dann tue ich vielleicht Dinge, die eigentlich nicht meinem Wesen und meinen Überzeugungen entsprechen.

Oftmals laufen diese schmutzigen emotionalen Spielchen auf unbewusster Ebene. Der Täter ist sich zwar schon meist irgendwie bewusst, das sein emotionales Spiel ihm gerade irgendwie nützt, aber er durchblickt oft nicht in der Tiefe, was er da tut. Und die Opfer erkennen oft nicht, dass hier eine Manipulation im Gange ist.

Ich glaube, es ist schonmal ein erster hilfreicher Schritt, sich bewusst zu machen, dass Emotionen ganz oft dazu benutzt werden, damit bestimmte Akteure ihren Willen durchsetzen. Das hat rein gar nichts mit unserer Liebenswürdigkeit oder Kompetenz zu tun, es ist reine Taktiererei mit Kalkül.

Im nächsten Schritt ist es wichtig, sich überhaupt erstmal die emotionale Ebene bewusster zu machen. Was fühle ich gerade? Warum fühle ich so? Was hat diese Gefühle in mir ausgelöst?

An Gefühlen hängt fast immer auch eine Menge Vergangenheit, von daher ist die nächste Frage wichtig: An welche Situationen erinnert mich dieses momentane Gefühl?

Und dann die Frage: Wie gehe ich typischerweise mit dem Gefühl um? Zu welcher Handlung bewegt mich normal dieses Gefühl?

Es geht darum, sich die ganze Kette der emotionalen Verstrickung bewusst zu machen. Hat man das Spiel erstmal genau verstanden, ist man auch in der Lage, auszusteigen und was Besseres draus zu machen.

Im Zwischenmenschlichen hilft auch manchmal, die unbewussten Spiele bewusst zu machen, in dem man vor allem die eigene Gefühlslage anspricht: "Ich spüre gerade Schuldgefühle und würde dir deshalb am liebsten deinen Wunsch erfüllen. Aber das werde ich jetzt mal ausnahmsweise nicht tun ;-)"

Viele Spiele funktionieren nur im Dunkeln, holt man sie ans Licht, lassen sie sich nicht mehr spielen. Als Zerstörer eines Spiels begibt man sich aber auch in eine heikle Situation, hier muss man gut abwägen, was in der konkreten Situation möglich ist.

Wer sich etwas intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, findet im Buchklassiker Spiele der Erwachsenen Anregung. Mittlerweile gibt es auch viele neuere Bücher über die Transaktionsanalyse, die das Thema vielleicht noch leichter verständlich vermitteln.

-- Fred

10.09.12 :: Lied der Woche

Alyssa Graham hat uns in Castrop in der Kulturhauptkneipe besucht. Wunderschöne Musik...

http://www.youtube.com/watch?v=S2t6D_NvPTs

08.09.12 :: Buchtipp

Gestern war in Castrop bis 24 Uhr verkaufsoffen. So sind wir mal in die Altstadt gezogen. Es war eine schöne Atmosphäre, viele kleine Geschäfte, die sich Mühe gaben, sich zu präsentieren. Nicht so ein Trubel, sondern eher eine sanfte Belebtheit. In einem kleinen Buchladen blieben wir etwas länger hängen. Ein Buch interessierte mich: "Leise Menschen - starke Wirkung". Es zeigt auf, dass Introvertierte und Extrovertierte völlig anders ticken. Beide haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Das Buch zeigt die Stärken der Introvertierten, womit man sich selber auch nochmal mehr darüber bewusst werden kann. Es zeigt auch auf, wie man diese Stärken im Leben für sich nutzbar macht. Umgedreht zeigt es auch, wie man mit seinen Schwächen umgeht bzw. wie man in Umfeldern klar kommt, wo viele extrovertierte Menschen die Situation bestimmen. Denn hier gibt es oft eine Kränkung: Obwohl man Sachkompetenz und was zu sagen hätte, besetzen die Extrovertierten die Situation. Als Introvertierter hat man Mühe, sich einzubringen oder gesehen bzw. gehört zu werden.

Ich glaube, das Buch vermag gut, den Selbstwert von introvertierten Menschen zu stärken und sie in ihrem Sosein zu unterstützen. Denn Introvertiertsein ist kein Mangel, sondern es sind die 50% der Menschen, die anders als die 50% der Extrovertierten leben. Mit anderen Vorlieben, Bedürfnissen und Stärken.

Das Buch war zu allem Unbehagen allerdings eingeschweißt, so dass man als Introvertierter erst einen Verkäufer bitten musste, ob man mal einen Blick reinwerfen darf ;-)

Link zum Buch:

04.09.12 :: Lied der Woche

Hellsongs - Seek and destroy

04.09.12 :: Selbstliebe - die gute Beziehung zu sich selbst

Eigentlich sollte es ja so sein, dass man sich und sein Leben als wertvoll und kostbar empfindet. Wer so empfindet, geht gut mit sich um und bringt sein Leben zur Entfaltung. Er ist sich wohlgesonnen und kümmert sich um das kostbarste Geschenk: Das eigene Leben.

Leider ist es jedoch so, dass es den meisten Menschen an Selbstliebe mangelt. Es gibt viele Gründe, warum sich eine Selbstliebe nicht ausprägen konnte. Die Umstände, in denen man aufgewachsen ist, können lieblos gewesen sein. Menschen, die als Vorbilder fungierten, hatten vielleicht selber wenig Selbstliebe.

Genauso ist es möglich, sich selbst für lieblose Wege zu entscheiden und kalt oder gnadenlos gegen sich vorzugehen. In einem gewissen Sinne sind wir frei, uns auch für Lieblosigkeit zu entscheiden. Meist sind es Ziele, Verlockungen, Süchte oder lieblose Lebensphilosophien, denen man sich verbunden fühlt und die einen dann einseitig beherrschen. Es gibt auch immer gesellschaftliche Strömungen, die gemeinschaftlich kalte und menschenverachtende Ideen leben und in deren Sog man schnell hineingeraten kann. Oft ist einem auch über längere Zeit nicht bewusst, wie lieblos die Wege sind, denen man folgt. Sie versprechen einem etwas, was sich zu lohnen scheint, doch schlussendlich zahlt man den Preis, innerlich zu verrohen und den Zugang zur Liebe zu verlieren.

Es gibt auch schwierige Lebenssituationen, wo wir mit schmerzlichen Gefühlen konfrontiert werden, die wir nicht aushalten. Auch dies können initiale Momente sein, wo wir uns gegen die Liebe entscheiden und so fortwährend kälter werden. Aus anfänglicher Schmerzvermeidung werden tiefsitzende kalte Angewohnheiten, die langfristig unglücklich machen und dem eigenen Leben schaden. Von daher ist in Psychotherapie auch immer die Aufarbeitung alter Erfahrungen mit darauffolgenden Lebensorientierungen so wichtig. Wir müssen uns wieder von Lieblosigkeit befreien.

Es spricht viel dafür, dass eine wohlwollende Beziehung zu sich selbst sehr zuträglich für die eigene physische und seelische Gesundheit ist. Ein Mensch, der liebesfähig ist, kümmert sich um das, was Leben braucht. Und seine Haltung strahlt auch in die Welt aus. So können herzliche Beziehungen entstehen, die wiederum Halt, Liebe und Lebenssinn geben. Leben und Liebe sind ganz eng miteinander verbunden. Genauso, wie Lieblosigkeit zu Destruktivität und Zerstörung führt.

Was können wir nun tun, um die eigene Liebesfähigkeit zu entwickeln. Auch wenn viele schon oft darüber gelesen haben, wie wichtig das zu sein scheint: Fragt man Menschen, was sie täglich für die Entwicklung ihrer Liebesfähigkeit tun, dann ist das Ergebnis meist mager. Unsere Kultur ist konsumorientiert, aber sie kennt wenig Übungen oder Rituale, seine Liebesfähigkeit zu entwickeln. Psychotherapeuten reden von der Wichtigkeit von Selbstliebe, haben aber auch oft wenig Konkretes anzubieten, wie man eine liebevolle Haltung entwickelt. Und in psychologischen Lehrbüchern sucht man mitunter vergeblich nach dem Wort Liebe, weil sie sich wissenschaftlich nur schwer packen lässt.

Es gibt andere Kulturen, wo der Entwicklung der Liebe große Bedeutung zukommt und von denen wir lernen können. In zahlreichen buddhistischen Strömungen ist Mitgefühl und eine liebevolle Haltung ein zentrales Anliegen, was ganz konkret trainiert wird. So gibt es z.B. Meditationen wie die Metta Bhavana oder die Liebende Güte, wo ganz praktisch diese Liebe geübt wird. Genaugenommen übt man, sich der Liebe wieder zu öffnen, die immer da ist und immer da war. Wer durch solche Übungen für das Thema sensibilisiert ist, wird auch im Alltag mehr Wert auf diesen Aspekt legen.

Ich glaube, auch eine Selbsthilfegruppe könnte Rituale entwickeln oder nutzen, die regelmäßig dem Aspekt Selbstliebe auf die Beine helfen. Wenn man hört, wie lieblos immer wieder Menschen mit sich umgehen oder über sich denken, dann schreit das förmlich nach einer positiven Gegenkraft, die wieder für eine Herzöffnung sorgt.

Was die Liebe angeht, so glaube ich aber auch, dass ganz vieles tagtäglich und unbemerkt passiert, was den Keim in sich trägt, zu mehr Liebe zu finden. Der Tag beginnt vielleicht schon liebevoller, weil einem ein anderer Mensch für einen kurzen Moment zulächelt. Das hat die Liebe in uns berührt und sie brennt für einen Moment und zeigt sich in Freude und Zufriedenheit. Vielleicht kann es gelingen, diesen Momenten im Alltag mit Achtsamkeit zu begegnen und sie zu fördern. Umgedreht fällt es oft nicht schwer, mal einen kleinen liebevollen Impuls in die Welt zu senden.

Buchtipps:

-- Fred

03.09.12 :: Gestörter Schlaf

Geht man wegen psychischer Probleme zum Psychiater, ist eines der ersten Fragen: "Wie schlafen Sie?"

Wer psychisch-seelisch aus dem Gleichgewicht ist, hat oft auch Probleme mit dem Schlaf. Um schlafen zu können, muss sich innerlich alles beruhigen. Man muss von allem loslassen können, um sich dem Schlaf hingeben zu können. Schlaf kann man nicht willentlich erzwingen, er geschieht einfach, wenn man müde ist und loslassen kann.

Um das Loslassen musste man sich vielleicht lange Zeit überhaupt keine Gedanken machen, es geschah einfach automatisch. Doch jetzt auf einmal, wo einen Ängste und Sorgen plagen, klappt es nicht mehr.

Es gibt da eine Ebene in uns, die kann nicht loslassen, weil irgendetwas eine große Bedeutung für unser Leben bekommen hat. Wenn wir das Gefühl haben, etwas bedroht uns ernsthaft oder wir haben für etwas keine Lösung, dann lässt ein Teil in uns nicht mehr los. Er kommt erst zur Ruhe, wenn er diese schwierige Situation auflösen konnte. Dieser Teil kann sich nicht gelassen zurücklehnen, er muss weiter ackern. Und so kreisen die Gedanken weiter, die wiederum unangenehme Gefühle produzieren, die wiederum sorgenvolle Gedanken produzieren. Ein Teufelskreislauf...

Eigentlich kann man dies als einen durchaus sinnvollen Mechanismus begreifen, der da wirkt. Wenn Gefahr droht, ist es gut, wenn wir uns nicht gleichgültig schlafen legen. Wenn wir stattdessen alles dafür tun, um der Gefahr zu entgehen, ob nun durch körperliche Aktivitäten oder durch Gedanken.

Das Problem ist, dass dieser besorgte Teil in uns nicht vernünftig aus einem ganzheitlichen Sinne sein kann. Vernünftig wäre es, jetzt erstmal zu schlafen und sich morgen erneut seinen Problemen zuzuwenden. Wenn man für eine Zeit loslässt, erhöht das auch die Chance, wirkliche Lösungen zu finden. Es wäre so oft eigentlich schlau, mal Pause zu machen und ganz loszulassen. Doch wir können den Schalter nicht so einfach umlegen.

Was kann man tun? Ein kostbares Werkzeug sind Entspannungsverfahren, die uns helfen können, loszulassen. Entspannungsverfahren funktionieren vor allem dann, wenn man regelmäßig trainiert. Genauso, wie man durch regelmäßigen Sport Muskeln aufbaut, so baut man durch mentales Training neue Vernetzungen im Gehirn auf. Das Gehirn wird sozusagen geformt, so dass es Fähigkeiten erlangt, besser loszulassen.

Die bekanntesten Entspannungsverfahren sind das autogene Training und die progressive Muskelentspannung. In letzter Zeit verbreitet sich auch immer mehr die Meditation im Kontext der Psychotherapie. Jon Kabat-Zinn hat hier in den letzten Jahrzehnten wichtige Grundlagenarbeit geleistet und im MBSR-Training werden diese Werkzeuge eingeübt. Unser Partner-Krankenhaus Lütgendortmund bietet regelmäßig einen MBSR-Kurs an.

In der Regel können bei allen Entspannungsverfahren nach ca. 3-6 Monaten Übung deutliche Entspannungseffekte beobachtet werden. Wer am Abend eine solche Übungssequenz praktiziert, kann dann deutlich besser einschlafen. Täglich sollte man etwa 30 Minuten Übungszeit einplanen.

Interessant ist der Effekt, dass manche Menschen eher unruhig werden, wenn sie ein Entspannungsverfahren ausprobieren. Sie fühlen sich unwohl in der Situation und hören dann schnell wieder damit auf. Nach dem Motto: "Das ist nichts für mich."

Oft kann aber gerade das ein Hinweis darauf sein, dass man Probleme mit dem Loslassen und sich sein lassen hat. Dann wäre es gerade gut, dran zu bleiben. An diesem Punkt ist es gut, in Begleitung mit einem speziell augebildeten Psychotherapeuten sich auf die Spur zu machen, was es mit der Unruhe auf sich hat. Hier können zentrale Themen gefunden werden, die das Leben eigentlich belasten. Ein typisches Muster wäre z.B., dass man ständig vor sich und seinen Gefühlen weglaufen muss, weil man sonst das Leben nicht erträgt. Eine Therapie, die diese belastende Situation auflösen kann, kann die Lebensqualität stark verbessern.

Hier zeigt sich, dass oft die unangenehmen Dinge die eigentlich Interessanten sind, die uns den Weg weisen können.

Neben den Entspannungsverfahren gibt es noch einen weiteren Weg. Situationen und Dinge beunruhigen uns deswegen, weil wir noch keinen Umgang damit gefunden haben. Wir können etwas lernen und wenn wir es gelernt haben, dann werden die Dinge leicht. Was leicht ist, besorgt uns nicht mehr, verliert seine beängstigende Bedeutung. Hier setzt der verhaltenstherapeutische Weg an. Man braucht Ideen für neue Verhaltensweisen und man muss sie regelmäßig praktizieren, damit sie sich festigen. Und auch hier spielt Entspanntheit eine Rolle: Oft sind wir in Situationen deshalb so unkreativ, weil wir viel zu angespannt sind. Wer entspannt ist, dem steht die Welt offen. Schon das alleine kann einen handlungsfähiger machen, wenn es gelingt, z.B. in einer Smalltalksituation entspannter zu sein. Beides bedingt sich: Fähigkeiten sorgen für Entspanntheit und Entspanntheit sorgt dafür, dass sich das eigene Potenzial erschließt.

Weblinks:

-- Fred

25.08.12 :: Respekt vor dem Leiden anderer

Es gibt eine indianische Weisheit, die mich schon längere Zeit begleitet:

Du weißt nichts über einen Menschen
bevor du nicht in seinen Schuhen gestanden
und eine Meile darin gegangen bist.

Ich habe mich in Gruppen oft dabei beobachtet, zu glauben, ich wüsste, was jetzt für einen Menschen das Richtige ist. Ratschläge als Außenstehender zu produzieren, ist oft so einfach. Und das Unverständnis ist groß, warum der andere es nicht einfach so macht. Aber der andere ist eben ein anderer, mit einem ganz anderen Möglichkeitsraum. Was der eine als einfach und naheliegend empfindet, ist für einen anderen nicht umsetzbar oder in weiter Ferne. Oder steckt man selber in einer ähnlichen Situation, wird einem auf einmal die eigene Hilflosigkeit bewusst, die man zuvor nicht spüren konnte.

Bei der Frage nach Lösungen schleicht sich ganz schnell der Fehler ein, zu meinen, der andere wäre genauso wie ich. Man denkt aus sich heraus, ohne sich genügend in den anderen oder in die Gesamtsituation hineinzufühlen.

In Selbsthilfegruppen hat man diese Problematik schon vor vielen Jahren erkannt und deshalb die Gruppenregel "Gib keine Ratschläge!" entwickelt, die in vielen Selbsthilfe-Ratgebern empfohlen wird. Gerade Gruppenanfänger neigen verstärkt dazu, durch Ratschläge helfen zu wollen. Doch wenn es um sehr individuelle Probleme geht, funktioniert dieser Ansatz nur schlecht. Wir müssen erstmal lernen, dem anderen wirklich zuzuhören und ihn tiefer begreifen. Ein Ratschlag aus einem tiefen Verständnis heraus kann dann durchaus wieder hilfreich sein.

Ich hörte letztens einen Therapeuten im Radio, der von einem tiefen Respekt dem Leiden seiner Patienten gegenüber sprach. Das hat mich angesprochen, weil das auch meine Erfahrung aus der Selbsthilfe ist. Es ist das Annehmen, dass Menschen mit Problemen in die Gruppe kommen, die sie aus ihrem jetzigen Seinszustand nicht gelöst bekommen. Sie tun schon das Beste, was ihnen möglich ist und sie haben oft schon vieles ausprobiert. Aber es gelingt ihnen nicht, sich aus ihrem Leid zu befreien.

Mit einem Respekt davor, kann man nun erstmal einfach annehmen: "Ja, du leidest und ich kann dir auch nicht sagen, wie du dein Leiden überwinden kannst." Mir ist mit der Zeit aber auch immer bewusster geworden, das braucht es überhaupt nicht. Gesundung ist etwas anderes, als der schnelle Ratschlag, den man einfach befolgt. Und es ist auch nicht nötig, für andere angestrengt nach einer Lösung zu suchen.

Was mir oft heilsamer erscheint, ist: "So, wie du bist, kannst du jetzt hier sein. Du kannst davon berichten, kannst dich mit deinem Leid auseinandersetzen, kannst es durch darüber reden kennenlernen." Das nimmt den Druck raus, etwas lösen zu müssen. Das respektiert erstmal das Leid, so wie es ist. Und damit entsteht erstmal wirklich Raum und Zeit, das Leid zu verstehen, anstatt es mit einem Ratschlag wegzubügeln.

Respekt vor dem Leid ist eine Form, Gelassenheit zu entwickeln. Gelassenheit, dem, was ist, Wertschätzung entgegenzubringen. Und mit der Zeit reifen Stück für Stück auch viele kleine Erkenntnisse und Fähigkeiten, die Veränderung bewirken. Oft sind es die fast unmerklich kleinen Dinge, die in der Summe über längere Phasen zu beachtlichen Veränderungen führen.

Anzunehmen, was ist, braucht auch Mut. Den Mut, das Leid und die Schwierigkeiten einfach so zu betrachten, wie sie sind. Aber genau das ist schon eine Veränderung, die Wichtiges bewirken kann. Im Annehmen und Erkennen, was ist, entsteht Veränderung.

-- Fred

17.08.12 :: Vermeidungsgewohnheiten

Rund um Ängste entstehen Vermeidungsgewohnheiten. Wem es z.B. unangenehm ist, in einer fremden Stadt nach dem Weg zu fragen, der versucht lieber mit einem Stadtplan klar zu kommen.

Vermeidungsgewohnheiten durchziehen meist recht unbemerkt unser Leben. Vieles, was wir tun, tun wir genau deshalb so, weil wir etwas vermeiden. Manchmal wird einem das bewusst, wenn man doch mal Dinge auf eine Weise machen muss, die man sonst eigentlich vermeidet. Mitunter scheut man auch viele Verpflichtungen, weil sie damit verbunden sein können, dass man seine Vermeidungsgewohnheiten nicht mehr leben kann.

Es kann eine interessante Aufgabe für die persönliche Entwicklung sein, sich seine Vermeidungsgewohnheiten mal bewusst zu machen. Sozusagen ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann man einen Bogen um eine bestimmte Angelegenheit macht. Aufgrund einer Angst oder eines Unwohlseins.

Für alle Vermeidungsgewohnheiten bezahlt man nämlich einen Preis. Und der kann auf Dauer recht hoch sein. Wer z.B. ständig menschliche Nähe vermeidet, wird nie die wohltuende Erfahrung machen, die Verbundenheit auch mit sich bringen kann. Wer immer Kontakte vermeidet, lernt keine neuen Menschen kennen, womit wiederum keine Freundschaften entstehen.

Vermeidungsgewohnheiten muss man aktiv aufspüren. Oft sind sie uns nicht mehr bewusst, weil sie ein Teil von uns geworden sind. Wenn man sie entdeckt, kann man gleichzeitig auch darüber nachdenken, was diese Angewohnheit für Auswirkungen auf mein Leben hat. Um dann vielleicht eine Veränderung und ein neues Ausprobieren einzuleiten.

In der Regel wird es erstmal unangenehm, wenn man genau das tut, was man bisher vermieden hat. Aber die Erfahrung zeigt auch oft, dass mit der Zeit sich etwas verändern kann. Dann ist es nicht mehr schwierig, macht keine Ängste mehr, stattdessen kann Neugier und Interesse entstehen. Und man macht wohlige Erfahrungen, die man so wieder machen möchte.

-- Fred

13.08.12 :: Umfrage Soziale Phobie und Partnerschaft/Sexualität

Der VSSPS-Verein macht gerade eine Umfrage zum Thema Partnerschaft und Sexualität im Zusammenhang mit Sozialphobie. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für einen neuen Leitfaden, der allen Betroffenen wieder zu Gute kommt.

Wer sich daran beteiligen mag, folge dem Link: http://www.vssps.de

13.08.12 :: Angst - ein ganz natürliches Gefühl

Angst ist eigentlich ein grundsätzliches Lebensthema für jeden Menschen. Egal, unter welchen Umständen wir leben und aufwachsen: Das eigene Leben ist auch immer bedroht von Schmerz, Krankheit und Tod. Wir können sicherlich Risiken minimieren, doch was wir auch immer tun, das Leben bleibt immer auch bedroht. Und wer erfüllt leben möchte, muss sich bewusst auch Risiken aussetzen.

Mit so einem Lebensthema wie Angst umzugehen, ist wahrlich nicht einfach und kann einen immer wieder an die eigenen Grenzen bringen. Da erscheint es sehr merkwürdig, wie wir als Gesellschaft mit so einem wichtigen Thema umgehen. Anstatt wir alle viel dafür tun, um mit diesem Phänomen besser klar zu kommen, vermeiden wir oft jegliche Kommunikation darüber. Oder wir machen uns darüber lächerlich, wenn jemand mal eine Angst äußert. Menschen, die unter Ängsten leiden, fühlen sich als schlecht oder minderwertig. Sie erliegen der gesellschaftlichen Illusion, das hätte sonst keiner, nur man selber wäre betroffen.

Angst ist immer noch etwas, was bei uns wenig gesellschaftsfähig ist. Das Reden über Angst löst bei vielen Schamgefühle aus. Angst ist tabuisiert. Die Sorge ist da, für seine Angstgefühle Ablehnung und Ausgrenzung zu erfahren.

Viele Menschen sind damit groß geworden, dass in der Ursprungsfamilie nie über Ängste geredet wurde. So musste man ganz alleine mit einem essenziellen Lebensgefühl klar kommen. Vielleicht führte gerade dies dazu, jetzt unter einer Angsterkrankung zu leiden. Denn nicht die Ängste sind das Problem, sondern wir alle müssen lernen, auf sinnvolle Weise mit unseren ganz natürlichen Lebensängsten umgehen zu lernen. Wer hier keine Vorbilder und Unterstützung hat, kommt in starke Bedrängnis und ist von seinen Ängsten überfordert.

Es ist nicht selten, dass Menschen das, was schwierig ist, verdrängen. Dann wird nicht darüber geredet. Aber wirklich verdrängen kann man etwas nicht. Die Quelle versiegt nicht, es bleibt weiter in uns, auch wenn es nicht mehr nach außen dringt. Gleichzeitig verweigern wir uns der Zuwendung einer Angelegenheit, die eigentlich unsere Zuwendung braucht. Zuwendung und Auseinandersetzung kann dazu führen, dass wir lernen, mit unseren Ängsten umzugehen. Verdrängung macht lernen und Erkenntnisgewinn unmöglich und der Angstdruck wird immer größer.

Verdrängen und nicht darüber reden erscheint mir als etwas, was kurzfristig entlastet, aber langfristig zu vielen massiven Angstproblemen führt. Schlauer erscheint es mir, so früh wie möglich sich seinen Ängsten sinnvoll zuzuwenden, um sich diesem Lebensthema zu stellen. Um einen Umgang damit zu finden, um der Angst einen rechten Platz im Leben zu geben. Dann wird die Angst nicht übermächtig und kann ein sinnvoller Teil in unserer Lebensbewältigung sein.

Insofern ist eine Angst-Selbsthilfegruppe ein sehr sinnvoller Gegenpol zu der sonst so oft praktizierten Nicht-Kommunikation. Hier kann über Ängste gesprochen werden, hier können Erkenntnisse zum Umgang mit Ängsten reifen. Nicht nur, weil man angstkrank ist, sondern weil wir gesellschaftlich bedingt alle mehr oder weniger Defizite haben, sinnvoll mit Ängsten umzugehen. Eigentlich wäre es für jeden Menschen gut, immer wieder Orte zu haben, wo er über seine Ängste reden kann.

-- Fred

01.08.12 :: Schlagfertigkeit

In Stern-TV kam heute ein Beitrag zum Thema Schlagfertigkeit. Interessant, was die Hirnforscher dabei herausfanden: Schlagfertig kann man nur dann sein, wenn die Aktivierung des Gehirns bei einer bestimmten Interaktion nach einer kurzen Erregung sofort wieder in den Normalzustand geht. Wer länger emotional erregt bleibt, kann schlicht nicht schlagfertig sein. Durch die emotionale Erregung ist das Gehirn blockiert und kann nicht mehr frei und kreativ reagieren. Hier lässt sich jetzt gut verstehen, warum bei sozialen Ängsten und Phobien es oft so schwer ist, schlagfertig zu sein. Auf eine Provokation oder Frechheit durch andere, ist man schnell ängstlich erregt und das blockiert.

Anders, wenn eine Provokation von einem guten Freund oder in einem vertrauten Umfeld kommt. Wenn man hier entspannt sein kann, dann kann man auch schlagfertig sein, weil dann keine ängstliche Erregung da ist und man spontan und frei reagieren kann.

Auch wenn emotionale Erregung einen blockieren kann, ist es möglich, Schlagfertigkeit zu trainieren. Es gibt Methoden und Instrumente, mit denen man spontanen Situationen begegnen kann. Und es gibt Methoden, wie es einem gelingt, sich möglichst schnell wieder zu entspannen. Durch die Entspannung fließen die Gedanken wieder frei und dann gelingt doch noch eine spontane Reaktion. Wer regelmäßig übt, gewöhnt sich auch an solche Situationen und verliert seine Ängste davor. Vielleicht entsteht sogar eine Lust, mit solchen Situationen zu spielen.

Eine Methode, bei einer Provokation zu kontern ist, eine Frage zu stellen. Durch Fragen kann man ein Gespräch besser steuern und kann sich so besser freirudern.

Eine weitere vorgestellte Methode ist die Zustimmung, die ein Angreifer erstmal nicht so erwarten würde. Beispiel: "Man, bist du unverschämt. Ja sicher, warum auch nicht!"

Weblinks:

-- Fred

31.07.12 :: Selbstzweifel und Selbstbestätigung

Es gibt Menschen, deren Persönlichkeit konnte sich nicht hinreichend entwickeln und festigen, weil sie in einem dominanten Umfeld gelebt haben. Ein Umfeld, was Vorstellungen, Meinungen und Lebensmodelle stark diktiert hat. Ein Umfeld, wo wenig Raum für das Eigene blieb.

Ich glaube, das Eigene hat eine große Kraft in jedem Menschen. Es möchte sich entwickeln und entfalten. So ist es eine typische Situation, dass Betroffene in unsere Gruppen kommen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind. Sie suchen nach einer Befreiung und Entfaltung ihres Wesens.

Umgedreht sind Depressionen bei Sozialphobie vielleicht als etwas zu verstehen, wo das Eigene die Hoffnung und den Weg verloren hat, sich entfalten zu können. Gelingende Selbstentfaltung wäre dann der Weg aus der Depression.

Bei dieser Suche nach dem Eigenen entsteht oft auch ein Konfliktfeld mit den Eltern. Die Eltern stehen dann für das dominante Umfeld, was einen viele Jahre geprägt hat. Im eigenen Leben entwickelt sich vielleicht gerade etwas mehr Persönlichkeit und man geht eigene Wege. Ist dabei aber noch voller Selbstzweifel und wackelig auf den Beinen. Im Kontakt mit den Eltern bricht dann vielleicht wieder alles weg und man verhält sich genauso, wie man das früher getan hat. Ärgert sich im Nachhinein dann wieder darüber. Es fällt schwer, einfach Ich zu sein, wenn man wieder direkt in das alte dominante Umfeld gerät. Das Ich ist noch lange nicht stark genug, gegen das Dominante zu bestehen.

Selbstwerdung und Selbstfindung kann ein wichtiges Thema bei sozialen Ängsten, Schüchternheit und Sozialphobie sein. Und gleichzeitig sind oft die Selbstzweifel so groß. Sie entstehen, weil man sich nicht mehr so verhält, wie das lange Zeit von einem erwartet und gefordert wurde. Um das Eigene zu leben, wird man sich immer wieder gegen die alten Normen entscheiden müssen. Und damit entstehen Selbstzweifel, die einen mitunter sehr hartnäckig im Alten festhalten.

Eine große Hilfe für mich waren Therapeuten, die mir auf dem Weg zum eigenen Ich Mut gemacht haben. Ich brauchte öfters die Bestätigung: "Das, was du da machst, ist gut!" oder "Das ist genau richtig und stimmig, wie du darüber denkst." Sie redeten mir dabei nichts ein, sondern stützten lediglich den Teil, der eigentlich schon längst wusste, was richtig für mich ist. Und nahmen mir hier ein Stück falschen Selbstzweifel. Wenn man zu einem Therapeuten ein wirklich gutes Vertrauensverhältnis hat, kann diese aufrichtige Bestätigung viel voranbringen.

Wenn heute Selbstzweifel aufkommen, versuche ich immer wieder mal diese Strategie: Ich sage mir selbst: "Was du da jetzt tust, ist genau richtig. Genau so muss es sein!" Also wirklich mal in die Vorstellung hineinzugehen, dass es absolut richtig ist. Um dann mal zu lauschen, was als Reaktion in mir kommt. Dann kommt vielleicht ein "Nein, das kann nicht richtig sein, du musst doch..." Was dann als Antwort kommt, kann ich prüfen. Ist da was wahres dran? Oder ist das das alte Weltbild, was mich lange geprägt hat, was aber gar nicht meins ist? Ist es wieder dieser Konflikt, der sich ergibt, weil ich jetzt das Eigene mehr lebe und das Alte loslassen möchte? Oder ist es wirklich das Eigene, was Zweifel hat?

Selbstzweifel an sich sind ja nicht verkehrt. Sie helfen, nicht das Verkehrte zu tun, was uns nicht gut tut. Doch bin ich hier auf der Suche nach echtem Selbstzweifel, der wirklich ein Teil meiner Persönlichkeit ist. Und nicht der Selbstzweifel, der daraus entsteht, dass ich einem alten Weg nicht mehr folge, der noch nie der meine war. Manchmal ist es sehr schwer, den Unterschied herauszufinden.

Mir zu sagen, es ist genau richtig, was ich gerade im Moment tue oder denke, ist jedenfalls für mich eine gute Methode, mehr Klarheit zu bekommen. Gerade wenn das jetztige Sein stark im Konflikt mit dem alten Modell steht, gibt es schnell heftige Gegenreaktionen in mir. Das ist ein Indiz dafür, dass es nicht wirklich aus meinem Wesen heraus entsteht, sondern etwas Aufoktroyiertes ist. Introjekte einer vergangenen Zeit. Fremdkörper in mir.

Und manchmal tut es einfach nur gut, mir diese Selbstbestätigung zu geben, weil ich ja eigentlich weiß, dass es so ist und ich nur etwas Bestätigung brauchte.

-- Fred

30.07.12 :: Aufmerksamkeitswechsel

Gestern in der Offenen Gruppe kamen wir zu einer interessanten Kernaussage, dass viele Probleme bei Sozialphobie darauf zurückzuführen sind, dass man eine überkritische und negative Aufmerksamkeit auf sich selbst hat. Der innere Kritiker ist stark und überall präsent.

Selbstliebe, Selbstannahme und wertfreies Annehmen, was ist, sind hilfreiche Gegenmaßnahmen. Zu lernen, sich sein zu lassen und auch die vermeintlich negativen Eigenschaften liebevoll anzuerkennen und anzunehmen. Ein Lernprozess, der nicht einfach ist und doch kam auch von vielen die Rückmeldung, dass sie auf dem Weg dahin schon Fortschritte gemacht haben. Und eine große Überzeugung, dass dies der richtige Weg ist.

Es gab noch eine weitere Anregung: Bewusst die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken. Aufmerksamkeit kann nicht überall sein. Wenn man in der Öffentlichkeit etwas isst und einem dies unangenehm ist, kann man seine Aufmerksamkeit z.B. auf den Geschmack des Essens richten. Man isst ganz bewusst und hält seine Aufmerksamkeit dort, das hilft, sie von den schwierigen Gedanken wegzubekommen, die sonst so auftauchen.

Wir denken oft, so wie wir die Welt wahrnehmen, so ist sie. Doch in Wirklichkeit hängt ganz viel von der Art ab, wie wir die Welt wahrnehmen und was wir überhaupt davon sehen. Ganz unbemerkt selektiert jeder Mensch stark und sieht so nur das, was seine Aufmerksamkeit zulässt. Es lohnt sich, seine Aufmerksamkeit zu weiten, um Dinge zu sehen, die man früher vielleicht nie gesehen hat. Man kann es sich zum Hobby machen, immer mal wieder auf Aspekte zu achten, auf die man sonst nie geachtet hat. Man kann z.B. durch die Stadt geht und mal auf alle lächelnden Menschen achten. Man kann mal eine Zeit lang die Schuhe anderer Menschen betrachten. Oder man achtet besonders auf Farben.

Beim Thema Aufmerksamkeit wurde auch eins deutlich: Sozialphobie ist oft die Angst, bei anderen negativ aufzufallen. Manche quälen sich mehrere Tage wg. irgendeiner vermeintlichen Peinlichkeit, wo man kein vorteilhaftes Bild von sich hinterlassen hat. Hierbei wird vergessen: Die Aufmerksamkeit der anderen liegt ganz oft woanders. Das, woran wir tagelang zu knacken haben, haben andere nach 2 Minuten schon wieder völlig vergessen. Es ist einfach weg und taucht nicht wieder im Bewusstsein auf. Warum sollte man sich dann selber noch groß Gedanken darum machen?

Eigene Bewertungsmaßstäbe werden auch ganz oft nicht berücksichtigt. "Ich habe mich peinlich verhalten" kann man eigentlich nie sagen. Alle Sätze mit Bewertung basieren auf meinen Wertmaßstäben. Und Wertmaßstäbe sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Man kann lediglich sagen, dass man etwas selber als peinlich erlebt. Es kann sein, dass andere es völlig anders erleben. Und das ist sogar sehr wahrscheinlich. Es ist gut, seine selbstverständlichen Bewertungen zu erkennen und offen zu werden für das, wie andere es vielleicht sehen. In der Selbsthilfegruppe kann man sich immer wieder erkundigen, wie andere eine Situation bewerten würden. So kommt man sich mit der Zeit auf die Schliche, welche Bewertungsmuster man selber oft pflegt und ob die wirklich passend sind. Auch seine Sprachmuster kann man verändern, in dem man z.B. sagt, wie man etwas erlebt, anstatt es als unumstößliche Realität zu formulieren. Denn unsere Sprachmuster wirken auch wieder auf uns zurück und zementieren so falsche Weltsichten.

-- Fred

19.07.12 :: Lied der Woche

Maike Rosa Vogel - Abkommen (Live - Wohnzimmerkonzert Hamburg)

18.07.12 :: Wer bestätigt mich?

Das Leben wird sehr viel einfacher, wenn man regelmäßig von anderen Menschen aufrichtige Bestätigung bekommt. Vielleicht braucht es sogar regelmäßige Bestätigung, damit sich ein gesundes Selbstvertrauen aufbauen kann.

Was heißt eigentlich Bestätigung? Es geht darum, dass andere Menschen Bezug auf das nehmen, wie ich lebe, was ich denke, wie ich handle und welcher Orientierung ich nachgehe. Bestätigung ist eine positive Form der Zuwendung, andere Menschen sagen mir, was sie gut, richtig und sinnvoll finden. Das kann mir einerseits helfen, die richtige Orientierung zu finden, andererseits gibt es mir Sicherheit. Wenn uns nie jemand bestätigt, kann eine große Selbstverunsicherung entstehen.

Ein typisches Beispiel, was wir öfters in den Gruppen erleben: Jemand teilt der Gruppe etwas mit, eine Meinung oder eine persönliche Geschichte. Als er fertig ist, entsteht auf einmal schweigen. Keiner nimmt Bezug darauf, keine Reaktion erfolgt. Die Gründe für das Schweigen können vielfältig sein. Unabhängig vom eigentlichen Grund passiert oft dies: Derjenige, der zuvor gesprochen hat, fühlt sich verunsichert. Gedanken schießen ihm durch den Kopf: Hab ich jetzt was Falsches gesagt? War irgendwas komisch an dem, was ich gesagt habe? Hab ich was Dummes gesagt? Die fehlende Resonanz stachelt die Selbstzweifel an. Gerade bei Menschen, die schnell an sich zweifeln und wenig Vertrauen in sich mitbringen.

Das Gegenteil ist der Fall, wenn jemand darauf resoniert und sagt: "Das kann ich gut verstehen, das kenne ich so ähnlich." Schon entspannt sich derjenige, weil er spürt, irgendwie richtig zu liegen oder etwas Sinnvolles gesagt zu haben. Resonanz ist wichtig und sie ist eine Form, wie wir uns Bestätigung geben können.

Eine interessante Frage ist: Wo hast du im eigenen Leben Quellen für Bestätigung?

Man kann sich verschiedene Umfelder anschauen, in denen Bestätigung möglich ist: Auf der Arbeit, in der Familie, bei Freunden, beim Partner, bei Freizeitaktivitäten, im Internet, beim Therapeuten oder in Selbsthilfegruppen. Erfahre ich genügend Bestätigung oder habe ich eher einen Mangel darin?

Es könnte durchaus sein, dass viele Menschen nur deshalb starke und selbstsichere Persönlichkeiten sind, weil sie sich viele Quellen für Bestätigung erschlossen haben. Würden diese Quellen wegbrechen, wären sie vielleicht sehr selbstunsicher und würden wesentlich öfter von Selbstzweifeln geplagt.

Natürlich hat Bestätigung auch ihre Schattenseite. Was andere Menschen gut finden, muss noch lange nicht das sein, was ich gut finde. So kann Fremdbestätigung auch dazu führen, dass sie mich verleitet, einen Weg einzuschlagen, der nicht meiner ist. Wenn der Chef einem dauernd für die vielen Überstunden lobt, werde ich vielleicht zum Workaholic, was mir eigentlich nicht gut tut. Hier ist es wichtig, Bestätigung richtig zu deuten. Also positives Feedback immer auch kritisch zu prüfen, ob dies auch wirklich meine Werte und Vorstellungen sind. Und auch die Motive der anderen im Blick zu haben.

Sehr angenehm ist es, wenn sich Menschen wirklich gut in einen anderen Menschen einfühlen können und aus dieser Perspektive ein aufrichtiges positives Feedback geben können. Gesprächstherapeuten sind geschult darin, sich in Patienten einzufühlen und diese Form von Feedback zu geben. Sie achten auch darauf, mit Ihren Äußerungen den Patienten nicht zu manipulieren. Ich erinnere mich daran, dass mir dieses aufrichtige Feedback oft sehr gut getan hat. Es hat mich nicht zu einem abhängigen Menschen gemacht, sondern ein Selbstvertrauen in mir gefördert.

Denn das ist auch ein positiver Effekt von aufrichtiger Bestätigung, es entsteht in einem immer mehr Sicherheit, sein Leben, sein Denken und sein Handeln richtig zu deuten und einzuschätzen.

Selbsthilfegruppen können ein guter Ort sein, sich gegenseitig zu helfen, all das Erlebte richtig einzuordnen, zu verstehen und einen wahrhaftigen Bezug zu sich und seinen Erfahrungen zu bekommen. Resonanz ist, wenn man mitteilt, wie etwas auf einen wirkt, wie man es erlebt.

In Selbsthilfegruppen entstehen natürlich auch Freundschaften. Menschen, die einem wohl gesonnen sind und mit denen man immer mal wieder etwas besprechen kann. Menschen von denen man aufrichtiges Feedback bekommt.

-- Fred

08.07.12 :: Angst oder Gewohnheit?

Wenn man sich das Verhalten von Zurückhaltung und Schüchternheit anschaut, ist eine interessante Frage: Ist es eine konkrete Angst im Moment, die einen so sein lässt? Sage ich also z.B. jetzt aufgrund eines unangenehmen Angstgefühls nichts?

Mir ist aufgefallen, dass es viele Situationen gibt, da ist es nicht die Angst, die Menschen zurückhält. Auch in einem wenig beängstigenden Umfeld verhalten sie sich ähnlich zurückhaltend und sie wirken auch nicht angstbesetzt.

Hier scheint mir etwas anderes zu wirken. Es sind ganz tief verinnerlichte Verhaltensmuster, die man auch als Gewohnheiten bezeichnen könnte. Jeder Mensch hat von frühester Kindheit alle möglichen Verhaltensweisen in sich ausgeprägt. Letztens laß ich in einem Buch über die Trotzphase eines Kindes. Dort stand, dass Kinder typischerweise in den Widerstand gehen, aber das manche Kinder auch in die Phantasie gehen. Meist dann, wenn es nicht möglich ist, im Außen in den Widerstand zu gehen und seinen Widerwillen auszuagieren. Man lernt hier also schon sehr früh als Kind, eine Situation in Phantasie zu managen, wo andere sich lautstark mit der Umwelt auseinandersetzen. Der innerliche Weg über Phantasie ist dann ein etablierter (einziger) Umgang mit solchen Situationen, der im Laufe des Lebens immer wieder gewählt wird. Das führt zu immer stärkerer Prägung.

Später in der Selbsthilfegruppe fällt es dann auf, dass bei konträren Themen manch einer sich nicht lautstark einmischt und protestiert, sondern still dem Geschehen zuschaut. Wenn man aber nachfragt, hört man auch hier, dass eigentlich auch eine "Protestenergie" da ist, diese aber nicht ausagiert wird. Sie bleibt in einem verborgen und man beschäftigt sich in Phantasie damit. Die Art, mit etwas umzugehen, ist vielleicht ein Muster, welches in frühen Kindheitstagen entstanden ist.

Dieses Verständnis ist ein wichtiger Schlüssel für Heilung. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob man etwas aus Angst nicht tut oder ob man einfach einem sehr gewohnten Verhaltensmuster folgt, weil man kein anderes Verhalten kennt. Aus diesem Verständnis würde es dann darum gehen, neues Verhalten in sich zu etablieren.

Man weiß heute schon recht gut, wie Verhaltensstrukturen in uns wirken und wie man neues Verhalten lernen kann. Von daher kann man hier hoffnungsvoll sagen: Betroffene können durch das Erlernen neuer Verhaltensweisen sehr viel befriedigender mit Situationen umgehen und so die Lebensqualität steigern. Es ist eigentlich ein Glücksfall, wenn es nur eine fehlende Verhaltensgewohnheit ist, die einen einschränkt. In der Selbsthilfegruppe fallen hier vor allem die ganzen Kommunikationsverhaltensweisen auf und hier ist auch die große Chance, die Gruppe als Übungsfeld zu nutzen, um etwas daran zu verändern.

Bei Verhaltensmustern gibt es aber auch eine schwierige und widerspenstige Seite. Es gibt eine starke Kraft in uns, die sich gegen jede Veränderung wendet. Man könnte es eine bewahrende Kraft nennen, die keine Veränderung will oder zulässt. Diese Kraft wird oft von der Angst gespeist. Denn jede Veränderung beinhaltet etwas beunruhigend Neues und das fühlt sich nach Bedrohung an.

Die meisten machen die Erfahrung: Wenn ich mich verändern will, braucht es eine gewisse Bereitschaft, in etwas erstmal Beängstigendes hineinzugehen. In etwas, was ich eigentlich nicht tun wollte oder würde. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es nicht gelingt, lange genug durchzuhalten, damit sich neues Verhalten wirklich in mir etabliert und dann zu einer bereichernden Möglichkeit wird.

Die Erfahrungen aus der Selbsthilfe zeigen: Es gibt immer wieder Betroffene, denen gelingt es, neue Verhaltensweisen in sich auszubilden. Meist gelingt das, wenn die Umstände entsprechend günstig sind. Wenn die Energien, die die Veränderung unterstützen, stärker sind, als die bewahrenden Energien.

Veränderungsenergien können aus einer aktuellen Lebenssituation erwachsen. Meist ist das der Fall, wenn sich eine Krise zuspitzt und man wirklich tiefer begreift, dass es etwas Neues braucht, weil man mit dem Gewohnten nicht weiterkommt. Eine erstklassige therapeutische Unterstützung ambulant oder in einer Klinik kann wichtige Veränderungsschritte in Bewegung setzen. Umgedreht wird hier auch öfters mal deutlich, dass wirklich gute therapeutische Hilfe oft Mangelware ist und man intensiv nach ihr suchen muss.

Selbsthilfegruppen haben hier eine besondere Dynamik. Gegenüber therapeutischen Angeboten gibt es hier niemanden, der sich auf meine optimale Weiterentwicklung konzentriert und mich entsprechend fördert. In einer Selbsthilfegruppe ist es sinnvoll, sich selbst Lernfelder zu suchen und sozusagen sein eigener Coach zu werden. In einer Selbsthilfegruppe findet regelmäßiger Austausch und Diskussion statt, aber es bleibt meine Verantwortung, wie ich diesen Austausch für meine Weiterentwicklung nutzen möchte. Der Aspekt, selber Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen, ist ein zentrales Merkmal von Selbsthilfeaneboten.

Daneben wirkt aber auch in der Selbsthilfe einiges ohne mein Zutun. Wenn Nähe, Vertrautheit, Anteilnahme und Interesse entstehen, dann wachsen Beziehungen und Kräfte, die förderlich und hilfreich sein können. In diesem Beziehungsfeld werden unterschiedlichste Emotionen und Verhaltensweisen in mir angestoßen. Darüber kann ich mir bewusst werden und sie können Impulsgeber sein, Veränderungsschritte anzugehen.

Hier zeigt sich auch die große Chance, Selbsthilfe und Therapie stärker miteinander zu vernetzen. Wenn Therapeuten die Selbsthilfegruppe als ein Erfahrungsfeld nutzen, in dem der Patient sich ausprobiert, um dann die Erfahrungen in der Therapie zu reflektieren, kann das große positive Synergien mit sich bringen. Der Therapeut kann den Patienten auch Veränderungsaufgaben mitgeben, die er in der Selbsthilfegruppe ausprobiert. Denn hier besteht öfters mal ein Mangel, den wir in der Selbsthilfe spüren: Eigentlich gäbe es so viele Möglichkeiten, sich in der Gruppe ausuzprobieren, aber der eigene Antrieb und Mut dazu fehlt öfters. Hier würde eine Aktivierung helfen.

Schlussendlich kommt es darauf an, zu erkennen, welche neuen Verhaltensweisen mich bereichern könnten und diese dann beständig zu üben, so dass sie zu meinem festen Reportoire werden, auf das ich zurückgreifen kann.

-- Fred

02.07.12 :: Selbsthilfefreundliches Krankenhaus Lütgendortmund

Über etwa 1 Jahr haben 11 beteiligte Selbsthilfegruppen mit dem Evangelischen Krankenhaus Lütgendortmund am Projekt Selbsthilfefreundliches Krankenhaus gearbeitet. Die Hauptprojektphase ist nun abgeschlossen und zahlreiche Maßnahmen wurden umgesetzt, so dass sich das Haus nun selbsthilfefreundlich nennen darf.

Wir waren bei diesem Projekt auch mit dabei und sind nun eine der Partner-Selbsthilfegruppen. In den gemeinsamen Workshops der letzten Monate haben wir uns eingebracht und konnten so das Projekt schön wachsen und gedeihen sehen. Ich blicke gerne auf die Zeit zurück, weil es ein wunderbar konstruktiver Austausch auf Augenhöhe war. Manchmal war es etwas anstrengend, weil viel Stoff in kurzer Zeit durchzuarbeiten war. Dafür ist aber auch viel entstanden, was jetzt schon nützt oder was in Zukunft mit Leben gefüllt werden kann.

Das Projekt sorgte auch für Lektionen in Sachen Muffensausen :-) Letztens wurden wir nochmal zu einem "Kleinen Gespräch" eingeladen, wo wir der Fachabteilung etwas über unsere Selbsthilfegruppe berichten sollten. Bei der Vereinbarung des Gesprächs hörte es sich eher so an, dass wir uns mit 2-3 Ärzten/Psychologen der psychiatrischen Abteilung kurz austauschen. An dem Tag des Gespräches wurden wir dann plötzlich in einen großen Konferenzsaal geführt, in dem 15 Angestellte des Krankenhauses saßen (Ärzte, Therapeuten, Pfleger). Die wollten nun etwas von uns hören. Vielleicht war es gut, dass dies so überfallmäßig kam. Sonst hätten sich wohl schon 3 Tage vorher die körperlichen Symptome des Muffensausens eingestellt. Im Nachhinein war es doch auch eine gute Erfahrung, solche Situationen meistern zu können. Außerdem merkte ich, wie man als Betroffener doch manchmal überzogene Ansprüche an sich hat. Zu meinen, man müsse solche Situtationen völlig locker bewältigen können, ist einfach Unfug. Viele Menschen spüren in solchen Situationen eine gewisse Aufregung in sich, vor allem, wenn man noch keine jahrelange Routine in sowas hat. Und vielleicht kann man ja auch lernen, so eine Aufgeregtheit positiv zu bewerten und auch einen guten Umgang damit zu finden. Anstatt immer nur die große Problematik Sozialphobie darin zu sehen. Irgendwie lässt sich in so einer Aufgeregtheit auch etwas Lustvolles entdecken.

Für wichtige förderliche Dinge in Sachen Selbsthilfe ist in dem Projekt bereits gesorgt. Gleich am Eingang des Krankenhauses hängt eine große Informationstafel zum Thema Selbsthilfe. Dort hängen auch Flyer aller beteiligten Selbsthilfegruppen. Alle Abteilungen des Krankenhauses wurden darin geschult, Selbsthilfe-Informationen an Patienten weiter zu geben und die Möglichkeiten der Selbsthilfe aufzuzeigen. Wenn es langfristig gelingt, dass Patienten die Möglichkeit der Selbsthilfe deutlich wahrnehmen und sich bei Interesse auch genauer darüber informieren können, ist schon sehr viel getan.

Daneben können wir im Rahmen der Zusammenarbeit, Räumlichkeiten der Klinik für eigene Selbsthilfe-Angebote nutzen. Es gibt z.B. den oben schon erwähnten großen Konferenzraum, in dem sich wunderbar Lampenfieber provozieren lässt. Hier könnte man z.B. Vorträge üben. Es liegt jetzt nur an uns, hier etwas zu organisieren.

Darüber hinaus gibt es jede Menge Kooperationsmöglichkeiten. Hier heißt es für uns, kreativ zu werden und ein paar Ideen zu entwickeln. Von Krankenhausseite ist eine große Offenheit und ein Interesse an einer Zusammenarbeit da. Der persönliche Kontakt, den wir in den letzten Monaten mit zahlreichen Vertretern des Krankenhauses hatten, erleichtert uns das Aufeinanderzugehen sehr. Gerade bei sozialen Ängsten ist es gut, schonmal ein paar Menschen kennengelernt zu haben, an die man sich wenden kann.

Wer sich hier mit engagiert, hat auf jeden Fall genügend Erfahrungsfelder, die langfristig zu einem entspannteren Umgang mit seinen Ängsten und zu mehr Selbstsicherheit führen können.

Weblinks:

-- Fred

02.07.12 :: Wer bestätigt dich?

Ich glaube, wir brauchen alle irgendwie Bestätigung. Das Bedürfnis nach Bestätigung wird manchmal abfällig gesehen, wenn es nervt, dass manche Menschen überall nach Bestätigung süchteln.

Ich glaube, es gibt eine gute und gesunde Form von Bestätigung. Wir alle versuchen, unser Leben zu leben, haben Träume, Ideale, Ideen und wollen etwas. Und manchmal ist auch große Orientierungslosigkeit im Leben. Bestätigung ist im Grunde ein positives Feedback durch andere Menschen, die mir zu verstehen geben, dass sie etwas an mir schätzen. Etwas, was durch mich in die Welt kommt, erfährt Anerkennung und Wertschätzung. Ich spüre so, dass ich mit etwas richtig liege und das motiviert mich, weiter zu machen. Weiter zu machen, auch wenn es manchmal anstrengend und schwierig ist.

Bestätigung stärkt mir den Rücken und gibt mir Kraft. Vermutlich haben viele Menschen in ihrem Leben nur deshalb etwas schwieriges geschafft, weil sie immer wieder Bestätigung und Aufmunterung erfahren haben. Fehlt Bestätigung, kommt Unsicherheit auf. Man weiß nicht, ob man auf dem richtigen Weg ist. Man wird zögerlich und vielleicht zieht man sich auch wieder zurück. So kann sich die eigene Kraft nicht entfalten. Das gilt vor allem, wenn man ein geringes Selbstvertrauen hat und wenig Zugang zu seiner Intuition, die schon weiß, was richtig ist. Manche Menschen können das ja, sie bekommen wenig Zuspruch und wissen trotzdem genau, wo sie hin wollen. Sie spüren in sich eine starke Kraft, die ihnen Orientierung gibt.

Die gute Form von Bestätigung kann die Potenzialität von Menschen erschließen. Sie blühen auf und verwirklichen das, was in ihnen steckt.

Es ist eine spannende Frage: Wo wirst du im Leben bestätigt?

Welche Menschen gibt es in deinem Leben, die dir Bestätigung und Aufmunterung geben? Wer unterstützt dich bei deinen Vorhaben und Ideen? Wer interessiert sich für dein Leben und freut sich mit dir?

Weil bei sozialen Ängsten und eingeschränkten sozialen Kontakten die Quellen für Bestätigung oft rar sind, kommt der Selbsthilfegruppe hier eine besondere Bedeutung zu. Die Gruppe kann ein Raum für Bestätigung sein. Hier können andere Feedback geben, was sie gut und wertvoll finden. Das gibt Unterstützung für den eigenen Weg.

In einer Kerngruppe, die wir machen, wird dies besonders in der Eröffnungsrunde deutlich. Diese machen wir sehr ausgedehnt. Jeder hat hier Zeit, über das zu berichten, was ihn gerade beschäftigt und was in seinem Leben so passiert. Wir steigen hier zwar auch noch nicht in eine richtige Diskussion ein, aber Feedback ist willkommen. Jeder kann sozusagen mitteilen, wie das Mitgeteilte auf ihn wirkt und so dem anderen ein Stück Orientierung, Bestätigung oder Ermunterung geben.

Bestätigung hat natürlich auch eine Schattenseite und kann einen fehlleiten. Vielleicht bekommt man Bestätigung für etwas, was genauer betrachtet gar nicht so sinnvoll erscheint. Umgedreht muss man manchmal Dinge tun, die anderen nicht schmecken und für die man keine Bestätigung bekommt. Zumindest nicht aus dem Umfeld, in dem man wirkt. Hier zeigt sich, dass es gut ist, verschiedene Umfelder und Quellen zu haben, die aus anderen Blickwinkeln wahrnehmen. Ebenso ist der Blick von außen gut, von Menschen, die in eine Sache nicht eingebunden und involviert sind. Denen fällt es leichter, einen neutralen Standpunkt einzunehmen.

Selber kann man lernen, Bestätigung für sich sinnvoll einzuordnen. Also zu reflektieren, warum ich Bestätigung bekomme und ob das wirklich mein Weg ist. Hier gilt es, die Balance zu finden, um weder blind jeder Bestätigung zu folgen, noch überkritisch mit ihr umzugehen.

-- Fred

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