Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2010-Q2)

30.06.2010 :: Heinz Peter Röhr in Dortmund

Heinz Peter Röhr ist seit vielen Jahren Therapeut in der Fachklinik Fredeburg. Auch ist er Buchautor zahlreicher Bücher über Sucht, Narzissmus, Borderline, Ängste und Depressionen. Die Kreuzbund-Selbsthilfe in Dortmund hatte ihn eingeladen und so stellte er heute sein neues Buch "Wegweiser zum Glück: Die geheimen Programme der Seele entschlüsseln" vor.

In dem Buch geht es ganz viel um das Thema Selbstwert, es ist damit auch äußerst interessant für unsere Selbsthilfearbeit. Der Selbstwert - so Röhr - entwickelt sich vor allem in den ersten 6 Lebensjahren. Hier kommt es darauf an, wie wir gespiegelt werden. Spiegeln heißt, wie die Eltern auf uns reagieren. Ob wir uns angenommen und willkommen fühlen, ob wir wertgeschätzt werden und genügend Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung erfahren.

Recht oft läuft in dieser Phase etwas schief. Daraus entstehen die "Geheimen Programme". Dies sind Prägungen oder Grundüberzeugungen, die einen im späteren Leben ganz stark dominieren. Es gibt 3 Hauptprogramme, die bei vielen Menschen auftreten:

  1. Ich bin nicht willkommen - Das Gefühl, dass man eigentlich nicht gewünscht ist, keine Daseinsberechtigung hat.
  2. Ich genüge nicht - Das Gefühl, den Erwartungen meiner Eltern nicht zu genügen.
  3. Ich werde nicht satt - Ich habe nicht genügend bekommen. Ich hätte mehr gebraucht: Aufmerksamkeit, liebevolle Zuwendung, gesehen und gehört zu werden.

Diese drei geheimen Programme verursachen große psychische Spannungszustände und wir suchen nach einem Ausweg, diesem Schmerz zu entrinnen.

Die darauf typische Gegenreaktion nennt er Gegenprogramme. Wer sich nicht willkommen fühlt, versucht vielleicht durch Leistung, endlich eine Daseinsberechtigung zu bekommen. Oder man wird perfektionistisch, um hierdurch die Anerkennung zu bekommen.

Das Problem dieser Gegenprogramme ist, dass sie einen ursprünglichen Mangel kompensieren wollen, es aber nicht schaffen. Das Gegenteil ist der Fall, sie machen nicht satt und so braucht man immer mehr davon. Sucht ist vorprogrammiert, ob nun Arbeitssucht, um noch mehr Leistung zu bringen, Sucht nach Anerkennung, oder Alkohol, um sich zu betäuben und den seelischen Spannungszustand nicht mehr zu spüren. Auch erhöht man unter Alkohol sein Ego und fühlt sich groß.

Viele suchen in Beziehungen ihr Glück und hoffen, der Partner würde ihre Bedürfnislöcher stopfen und die Auswirkungen der geheimen Programme auffangen.

Die Gegenprogramme, ob nun Sucht, Leistung, Depression, Überanpassung oder Beziehungen - sie funktionieren alle nicht. Man wird damit nicht glücklich, die alten geheimen Programme wirken weiter und sorgen immer wieder für das Auftauchen dieser Grundgefühle. Nicht nur das, die alten Programme sorgen sogar dafür, dass wir immer wieder schmerzliche Erfahrungen machen, die diese bestätigen. Wir suchen z.B. unbewusst Situationen, wo uns andere Menschen ablehnen. Als Bestätigung, dass diese alte Grundüberzeugung stimmt. Wir bringen uns unbewusst in schmerzliche Situationen.

Die Erlösung findet man nur dann, wenn man erstmal durchschaut, was da für alte, geheime Programme in einem wirken. Wenn man sozusagen das Geheimnis lüftet. Wenn einem klar wird, dass man in der Kindheit nicht willkommen war, dass man nicht das bekommen hat, was man gebraucht hätte. Es geht hier also erstmal um einen Erkenntnis- und Erinnerungsprozess. Und hierbei tauchen auch alte Gefühle wieder auf.

Das, was nicht war, was gefehlt hat, muss betrauert werden, damit man es irgendwann loslassen kann (Trauerarbeit). Loslassen heißt, sein Schicksal schlussendlich bejahen zu können: "Ja, so war es."

Das entsprechende Gegengift sind dann die sogenannten "Neuen Programme". Wer sich nicht willkommen fühlt, will ja irgendwann zu dem Gefühl gelangen "Ich bin willkommen". Ein erster Schritt ist eine Verinnerlichung dieses Satzes. Es geht dabei nicht darum, sich dies nur stumpf einzureden. Es geht darum, sich wirklich davon zu überzeugen, dass man willkommen auf dieser Welt ist. Wir alle sind einzigartige Geschöpfe und wir haben ein Recht, hier zu sein. Und es ist gut, das wir hier sind. Es geht darum, seine Antworten darauf zu finden, warum man willkommen ist und warum diese These stimmt.

Wichtig dabei ist vor allem das Hier und Jetzt. Nur dort können wir beginnen, uns anzunehmen. Jetzt in diesem Moment. Es geht immer wieder darum, Hier und Jetzt zu üben, sich anzunehmen, sich liebevoll zu sehen, sich willkommen zu heißen.

Die "Neuen Programme" suchen nicht nach Erlösung im Außen durch mehr Leistung, Suchtmittel oder Anerkennung durch andere. Sie führen uns immer wieder zu uns selbst zurück. Denn wir sind schlussendlich das, was wir glauben. Wenn wir glauben, wir wären nicht willkommen, dann hat auch alles im Außen keine Wirkung.

Hier geht es auch um Erwachsenwerden. Wir sind nicht verantwortlich für das Leid und den Mangel, den wir in der Kindheit erfahren haben. Wir sind aber jetzt dafür verantwortlich, uns die Anerkennung und Zuwendung zu geben, die wir brauchen. Wir sind für uns verantwortlich. Wir sind jetzt für unseren Selbstwert verantwortlich.

Alte Programme können uns immer wieder heimsuchen und überwältigen, aber wir können uns auch immer wieder im Hier und Jetzt an unseren "Neuen Programmen" orientieren: "Ich bin willkommen. Ich genüge immer. Ich habe alles, was ich brauche."

Neben Psychotherapie sprach Heinz Peter Röhr auch die Meditation als einen Zugangsweg an, zu sich zu kommen und bei sich anzukommen. Viele haben in der Meditation die glückselige Erfahrung gemacht, einfach zu sein im Hier und Jetzt, ohne irgendwas haben zu müssen. Wunschlos glücklich zu sein.

Wer durch die Einstellung zu sich Selbst zu einem ganz neuen Selbstwert findet, der ist unabhängig geworden. Der Selbstwert hängt nicht mehr vom Lob anderer ab. Ich brauche nicht mehr auf Biegen und Brechen die Anerkennung durch andere. Ich genüge mir, ich ruhe in mir, ich bin mir meiner Stärken wie meiner Schwächen bewusst. Anerkennung durch andere kann ich annehmen, aber ich hänge nicht davon ab.

Alles in allem ein sehr inspirierender Vortrag von einem erfahrenen Praktiker. Das Buch lässt sich sicherlich auch gut als Unterstützung für die Selbsthilfearbeit nutzen.

Wer sich schon intensiver tiefenpsychologisch mit sich beschäftigt hat, wird nichts grundlegend Neues an dem Ansatz finden. Es ist eher ein interessanter und einfach strukturierter Zugangsweg, um sich mit seinen problematischen Strukturen zu beschäftigen, die in früher Kindheit entstanden sind.

In der Klinik Fredeburg wird das Team 2 von Heinz Peter Röhr geleitet. Hier wird auch zentral nach dem Konzept gearbeitet, wie es das Buch beschreibt. Alte geheime Programme sollen durch neue Programme ersetzt werden.

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-- Fred

27.06.2010 :: Ressourcenorientierte Psychotherapie

Lange Zeit hat die Psychotherapie sich besonders auf die Defizite konzentriert. Es ging um die Bewusstmachung der eigenen Probleme, Schwächen und Verstrickungen. In manchen Phasen der Therapie hatte ich das Gefühl, nur noch aus Problemen zu bestehen. Das Gefühl machte sich breit, ich wäre völlig kaputt.

An so einem Tag machte ich in einer Klinik eine starke Kontrasterfahrung. Wir bereiteten einen bunten Abend vor, bei dem sich jeder mit etwas einbringen konnte. Was ich an diesem Abend erlebte, war überwältigend. Jede Menge Menschen, die so wunderbare Sachen aufführten. Der Chor präsentierte seine neuesten Stücke, jemand spielte am Klavier, ein weiterer las seine Gedichte. Zwei taten sich zusammen und führten ein paar Sketche auf.

Ich konnte das gar nicht glauben, dass die selben Menschen, die ich in den letzten Tagen nur aus Problem-Gesprächen kennengelernt hatte, auch so viel Potenzial, Witz und Leichtigkeit in sich trugen. Wenn man sich nur noch stark auf seine Defizite konzentriert, glaubt man gar nicht, was auch an Potenzial in allen steckt.

In den letzten 30 Jahren etablierte sich deshalb eine positive ressourcenorientierte Psychotherapie. Die Idee, auch das Potenzial und die gesunden Seiten des Patienten zu würdigen und zu fördern, hielt Einzug in verschiedenste Therapierichtungen.

Gerade bei Sozialphobie ist die Ressourcenorientierung wichtig. Ein Hauptproblem vieler ist ja ein mangelndes Selbstwertgefühl. Sie erkennen ihren Wert nicht, sie erkennen ihr Potenzial nicht. Sie haben kein Vertrauen in sich selbst und können ihr Potenzial nicht in die Welt bringen.

Das eigene Potenzial kann genauso unbewusst sein, wie die eigenen Schwachpunkte. So muss eine gute Psychotherapie auch diese positiven Seiten ins Bewusstsein hiefen. Menschen, die sich ihrer Stärken voll bewusst sind, werden diese nutzen und entwickeln.

Wenn wir in der Selbsthilfe danach fragen, was für Schwächen wer hat, kommen oft ganz viele Antworten. Fragen wir jedoch, was wer gut kann, kommt gar nicht so selten die Antwort: "Ich wüsste nicht, worin ich gut bin.". Meist sehen die anderen aber mehr und können demjenigen dann sagen, was er gut kann. Die meisten können schon positive Dinge wahrnehmen, nur nicht bei sich selbst.

Insofern ist auch eine ressourcenorientierte Selbsthilfe eine sinnvolle Orientierung. Man kann sich gegenseitig klar machen, wo die Stärken liegen. Man kann sich unterstützen, damit sich Potenziale entwickeln. Man kann eine Achtsamkeit für die positiven Dinge entwickeln, um sie dann mitzuteilen. So wird Positives gesehen und gewürdigt. Und das ist die Grundlage, damit es gedeihen kann.

Weblinks:

-- Fred

24.06.2010 :: Verlockende Trägheit

Der große Gegenspieler von Veränderung ist diese verlockende Trägheit, die sich ganz von selbst immer wieder überall breit macht. Eigentlich kommt man als Selbsthilfegruppe zusammen, um was zu verändern. Dann dauert es gar nicht so lange, und alle haben es sich gemütlich in der Gruppe eingerichtet. Alte Rollenmuster werden ausgefüllt, keiner macht mal einen Schritt nach vorne. Man will lieber im Gewohnten bleiben, als Veränderung zu wagen. Mit anderen zusammen wird es dann noch gemütlicher. Eine beliebte Spielart ist auch, gemeinsam die Missstände in der Welt anzuklagen. Dann hat man einen Schuldigen und kann in seiner passiven Rolle bleiben.

Ich glaube, man muss sich als Selbsthilfegruppe immer mal wieder aufrütteln, um heraus zu kommen aus dieser Komfortzone. Die Kraft und die Verlockung, alles so zu belassen, ist sehr groß. So braucht es immer wieder bewusstes Wollen, um sich von problematischen Verhaltensmustern zu befreien. Es gibt leider manchmal nur diesen ungemütlichen Weg.

Ein schönes Aufbruchs-Lied von Herbert Grönemeyer ist "Bleibt alles anders":

-- Fred

20.06.2010 :: Selbstausdruck

Von Sozialphobie betroffen schaut man oft einseitig in die Richtung, wie man die Angst los wird. Eine andere Perspektive ist jedoch auch sinnvoll: Sozialphobie schränkt die Möglichkeiten von Selbstausdruck ein. Wir haben alle ein Bedürfnis, mit unserem Wesen und Fähigkeiten in die Welt zu kommen. Das kann etwas sehr Lustvolles sein, zu spüren, dass man etwas kann und das andere daran Gefallen finden. Es ist schön zu spüren, wie man andere begeistern und mitreißen kann. Oder Lob und Anerkennung zu erfahren.

Bei Sozialphobie geht es also auch darum, neue Entfaltungs- und Ausdrucksräume zu schaffen. Das kann sowohl im Hobby wie im Beruf gefunden werden. Unsere Erfahrung in den Gruppen ist z.B., dass Betroffene viel davon profitieren, wenn sie einen Beruf ausüben, in denen sie ihre Fähigkeiten einbringen können. Auch ehrenamtliche Aufgaben oder die Mitarbeit in der Selbsthilfe kann ein Feld des Selbstausdrucks werden. Und viele profitieren von kreativen Hobbys wie malen, töpfern, schreiben oder basteln. Manche tanzen gerne und zeigen sich damit auch. Andere singen gerne. Und auch sportliche Aktivitäten können als etwas verstanden werden, sein Potenzial zu erleben. Das kann das Selbstwertgefühl verbessern.

Wenn man wirklich etwas will und auch Lust darauf hat, dann ist das eine gute Kraft, um Mut aufzubringen, sich auch beängstigenden Situationen zu stellen. Selbstausdruck wird hier direkt zum Motor, sich mit seinen Ängsten auseinanderzusetzen.

Das tragende Motto ist dann: Ich will, ich kann, ich werde!

-- Fred

18.06.2010 :: Arbeit mit dem Inneren Kind

Es ist schon gut 20 Jahre her, als Erika J. Chopich und Paul Margaret ihr Buch "Aussöhnung mit dem inneren Kind" herausgebracht haben. Um so schöner ist es zu erleben, dass dieser therapeutische Ansatz keine kurze Modeerscheinung ist, sondern auch heute noch für viele eine wertvolle Hilfe ist.

Allgemein in der Psychologie anerkannt ist, dass wir alle mehrere Subpersönlichkeiten in uns integeriert haben. Die Subpersönlichkeit "Innerer Erwachsener" und "Inneres Kind" kann fast jeder in sich finden. Als wir Kind waren, haben wir auf eine bestimmte Art und Weise die Welt erlebt, hatten eine Art zu denken, zu fühlen und uns auszudrücken. Wenn man älter wird, bleiben diese alten Formen und Muster in einem und manchmal verhält man sich sogar wieder ganz genauso kindlich. Man wird z.B. bockig oder braucht sein Kuscheltier, um den Schmerz zu ertragen. Wenn man in sich hineinlauscht, kann man manchmal ein freudig erregtes Kind erleben, oder ein verletztes Kind.

Genauso verinnerlicht man die Eltern. Das, was früher die Eltern gelebt haben, findet man nun in sich. Der Einfluss der Eltern lebt in einem weiter. Die inneren Eltern erkennt man an den erwachsenen Sätzen, die in einem ablaufen, z.B. "So solltest du das nicht machen!" oder "Ich hab dir doch gesagt, dass das schief gehen muss!" Es ist aber nicht nur die ermahnende oder negativ bewertende Seite, genauso kann man aufmunternde und haltgebende Verinnerlichungen der Eltern bei sich finden.

Die Arbeit mit dem Inneren Kind greift nun diese beiden Subpersönlichkeiten auf, weil hier oft ganz viele Spannungen zu finden sind. Viele Dinge konnten sich auch nicht vollständig entwickeln. Oder negative Formen, mit sich und der Welt umzugehen, findet man sowohl im Eltern- wie im Kind-Ich. Vor allem tauchen die ganzen Wunden der Kindheit wieder auf und nahezu jeder hat irgendwo eine verletzte Kinderseele in sich. Wenn hier etwas nachreift und nachgenährt wird, kann ein verantwortungsvoller Erwachsener entstehen, der auch die Bedürfnisse erkennt und lebt, die mit dem Kind in Erscheinung treten. Auch kann man sich lösen aus ungünstigen Familienbotschaften. So gibt es z.B. gerade bei Sozialphobie viele Menschen, die unter einem streng-bewertenden Erwachsenen leiden. Sie sind nie gut genug, weil der innere Erwachsene ihnen das suggeriert.

Die Arbeit mit dem inneren Kind ist vor allem eine emotionale Auseinandersetzung mit sich selbst. Das fällt oftmals nicht leicht, insofern ist es gut, hier auch therapeutische Unterstützung zu haben. Viele Therapeuten kennen die Arbeit mit dem Inneren Kind. Auch in manchen Kliniken wird mit diesem Modell gearbeitet.

Wichtig bei der Arbeit mit dem inneren Kind ist, dass man es als Arbeits-Modell auffasst, wie man einen Zugang zu bestimmten Anteilen in sich finden kann. Diese Subpersönlichkeiten sind nicht real fest in einem installiert. Harte Grenzen können verschwinden und fragmentiertes Bewusstsein kann zusammenwachsen, sich integrieren. Das, was man früher als getrennt erlebt hat, erlebt man irgendwann vielleicht als eine Einheit. Die Integration des eigenen Bewusstseins ist auch ein wichtiger Reifungsprozess, der mit fragmentierenden Methoden manchmal unterlaufen werden kann. Es gibt so ein Urprinzip, dass jede geglückte Reifung schlußendlich zu mehr Einheit und Integration führt. Verdrängtes und Abgespaltenes wird integriert und man bekommt einen umfassenderen Blick auf sich selbst und die Welt.

Shaina Noll hat die herzberührende CD "Songs for the inner Child" herausgebracht, die sich auch gut für die Arbeit mit dem inneren Kind einsetzen lässt. Wir haben die in unserer Bibliothek, falls jemand aus der Gruppe Interesse hat. Auch auf Youtube findet man einige Songs von der CD.

Weblinks:

-- Fred

16.06.2010 :: Sozialphobie und Trauma

Warum haben Menschen Angst vor anderen Menschen? Was wir bisher nur selten angesprochen haben, sind traumatische Erfahrungen. Es geht dabei um ganz massive und schockierende Erlebnisse, die das Vertrauen in andere Menschen erschüttern können. Meist sind diese Erlebnisse nicht verarbeitet und integriert, weil sie eine so große Massivität hatten, dass man sie nur verdrängen oder abspalten konnte. Im Kontakt mit anderen Menschen zeigen sich aber weiterhin die Symptome: Angstvolles Erleben, Angespanntheit, Panik.

Traumatische Erlebnisse sitzen ganz tief und können viele Jahre unerkannt bleiben. Die Betroffenen können nicht darüber sprechen, lassen das Thema auch gar nicht erst in ihr Bewusstsein kommen.

Für Traumatas braucht es einen anderen therapeutischen Zugang - eine alleinige Verhaltenstherapie wäre hier klar der falsche Ansatz. Es gibt mittlerweile zahlreiche Therapieformen, die sich speziell mit der Traumaverarbeitung beschäftigen. Auch gibt es Kliniken, die sich darauf spezialisiert haben.

Ein empfehlenswertes Buch ist: Trauma-Heilung von Peter A.Levine. Er hat die Therapieform "Somatic Experiencing" entwickelt. Im deutschsprachigen Raum gilt Luise Reddemann als Expertin für Traumabehandlung. Von ihr gibt es zahlreiche Bücher, die teilweise auch direkt für Betroffene geschrieben sind.

Was kann Selbsthilfe zur Heilung beitragen? In einem gut getragenen und vertrautem Umfeld kann über alles geredet werden. Manchmal passiert es, dass sich so Menschen öffnen und von ihren traumatischen Erfahrungen sprechen. Wichtig ist dann ein respektvoller, achtsamer Umgang. Es geht vor allem um zuhören, mitfühlen und bezeugen. Wer mitteilt, entscheidet ganz alleine, was er mitteilen möchte. Keiner sollte irgendwie bedrängen oder fordern. Es ist ja ein ganz sensibles Thema und der Betroffene weiß am besten, wo seine Grenzen sind. Meine Erfahrung ist, dass wir intuitiv in den Kerngruppen einen guten Umgang miteinander gefunden haben, wo auch solche Themen miteinander geteilt werden können. Es ist auch typisch, dass andere sich davon berührt fühlen, weil auch sie schon so lange etwas ganz Schweres, Unausgesprochenes mit sich rumschleppen.

Weblinks

-- Fred

12.06.2010 :: Wir lieben Dortmund

Kennt ihr den Dortmunder Liedermacher Boris Gott? Die nächsten Tage in Dortmund und Umgebung Live zu erleben.

...heute ist ein schöner Tag, hier im Norden meiner Stadt... es ist schön, hier zu sein, es ist schön, am leben zu sein...

08.06.2010 :: Spruch der Woche

Es gibt nichts auf der Welt,
das einen Menschen so sehr befähigte,
äußere Schwierigkeiten oder innere Beschwerden zu überwinden,
- als: das Bewusstsein, eine Aufgabe im Leben zu haben.
(Viktor Frankl)

Dies trifft auch unsere Erfahrung in der Selbsthilfegruppe. Wenn es irgendwie gelingt, herauszukommen aus dem Gefühl, dass man Opfer widriger Umstände ist und stattdessen das eigene Schicksal als eine Aufgabe annimmt, der man sich stellen möchte, dann wird viel Willenskraft mobilisiert und die Dinge ändern sich. Oder wie die buddhistische Nonne Ayya Khema gerne sagte: "Nicht ärgern, Ändern!"

02.06.2010 :: Spruch der Woche

Es ist ein Jammer,
dass die Dummen so selbstsicher
und die Klugen so voller Zweifel sind.

(Bertrand Russel)

30.05.2010 :: Den Prozess vollenden

Mit den richtigen Vorstellungen von Heilung kann man für sich einiges tun, um ein psychisches Problem zu bewältigen. In einigen Therapierichtungen findet sich diese Vorstellung:

Es gibt innerpsychische Entwicklungsprozesse, die abgeschlossen oder vollendet werden wollen.

Leben ist danach nichts Statisches, man ist viel mehr ein Wesen, was ständig in Entwicklung ist. Und diese Entwicklungsprozesse können ins Stocken geraten. Man hängt irgendwo fest und leidet darunter, etwas nicht abschließen zu können.

Bei der Gestalt-Therapie steht diese Idee ganz zentral im Mittelpunkt. Gestalt wird hier nicht im Sinne von "künstlerischem gestalten" gebraucht. Gestalt meint etwas Ganzes, was vollendet werden will. Ein halb fertiges Bild ist ein schönes Beispiel dafür. Es will zu Ende gemalt werden, erst dann wirkt es und entfaltet seine Schönheit. Erst dann ist es Gestalt geworden.

Mit dieser Idee im Kopf, kann man nun auf sein Leben schauen und dabei tauchen z.B. solche Fragen auf:

  • Wo hänge ich fest?
  • Welche inneren Prozesse wollen sich vollenden?
  • Wie wäre mein Leben, wenn sich etwas bestimmtes vollenden würde?
  • Wo kann ich Entwicklungsprozesse erkennen, die sich nicht vollendet haben?
  • Welche Schritte braucht es, um etwas in meinem Leben zu vollenden?

In der Psychologie findet man ja auch ganz klare Entwicklungsabschnitte, die ein Mensch durchläuft. So ist z.B. die Pubertät ein wichtiger Lebensabschnitt. Es ist ein Prozess der Ablösung und Neuorientierung. Und es ist ein kritischer Wendepunkt im Leben, der oft nicht hinreichend durchlebt wird. Sozialphobie entsteht auch öfters genau an diesem Wendepunkt. Hier könnte man im Nachhinein schauen, wie man diesen Prozess zu einem guten Abschluß bringt.

Ein ganzes Stück früher in der Entwicklung liegt die Trotzphase. Hier versuchen kleine Kinder, durch Sturheit, Bockigkeit oder kraftvolles Auftreten, ihre Interessen und Bedürfnisse durchzusetzen. Auch diese Phase ist ein wichtiges Erfahrungsfeld. Eine nicht richtig durchlebte Trotzphase kann mit Sozialphobie in Verbindung stehen. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum in unseren Gruppen nur selten jemand mal bockig oder trotzig ist ;-)

In einer Klinik haben wir diese Phase nochmal durchgespielt, so dass hier etwas nachreifen konnte und neue Erfahrungen diesen Prozess abgeschlossen haben. Die nachgereifte Version der Trotzphase könnte z.B. heute so aussehen, dass man auch mal kraftvoll Nein sagen kann oder sich für etwas einsetzt, was einem wichtig ist. Oder das man seine Wut spürt und diese sozialverträglich ausdrücken kann. Ebenso, das es vollkommen in Ordnung ist, wenn man nicht alles bekommt, was man will. Und damit einen erwachsenen Umgang findet.

In jedem Leben gibt es Prozesse, die nicht vollendet, nicht abgeschlossen sind. Es lohnt sich, seinen Blick mal auf diesen Aspekt zu lenken.

Weblinks:

-- Fred

28.05.2010 :: Das Unvorhersehbare lieben lernen

Eine Strategie, Ängste zu vermeiden, ist die starke Kontrolle über alles, was passiert. Man lebt genau nach Plan und weiß deshalb fast immer, was passieren wird. Neues meidet man und wenn es doch mal sein muss, dann erkundigt man sich haarklein über alle Details, die auf einen zukommen. Dann ist man wieder gut vorbereitet und es passiert möglichst wenig Unvorhergesehenes. Gedanklich hat man vielleicht sogar schon alle Situationen durchgespielt, die einem passieren können und weiß schon, was man sagen wird.

Das Leben wird so einer starken Kontrolle unterworfen. Damit man möglichst alles von sich fern hält, was plötzlich auftaucht und auf was man noch keine Antwort hat.

Einerseits schafft das tatsächlich Sicherheit und besänftigt die Angst. Auf der anderen Seite verliert man so viel. Manche sagen sogar, das wirkliche Leben spielt sich dort ab, wo wir von der Verrücktheit und Unberechenbarkeit des Lebens überrascht werden.

Von Kindern kann man hier viel lernen. Denn Sie suchen all das Neue, dass Komische, das noch nie Dagewesene. Und sie lassen sich davon faszinieren. Angst und Vorsicht ist auch da, aber sie wissen meist um den Reiz, dem Neuen und Spontanen zu begegnen.

Humor und spontaner Wortwitz sind typische angenehme Seiten des Lebens, die entstehen, wenn man alle Kontrolle loslässt und sich dem Spontanen hingibt, was einfach so auftaucht. Dialoge mit Menschen werden spannend, wenn wirklich neues im Kontakt miteinander auftaucht. Wenn jeder spürt, dass jetzt im Moment ein echter Kontakt entsteht, in dem was einzigartiges entsteht.

Nur wer Chaos in sich trägt, kann tanzende Sterne gebären. (Nietzsche)

In der Klinik sagten uns die Therapeuten oft: "Sie sind jetzt verwirrt? Das ist gut so." Sie meinten damit, wenn alles Vorgefertigte und Erwartete wegbröckelt, zeigt sich das Neue und vielleicht auch das Ursprüngliche. Um all unsere schmerzlichen Erfahrunen haben wir feste Mauern gebaut, die uns auch die Spontanität nehmen. Und wenn es in der aufdeckenden Therapie ein Stück weit gelingt, diese Mauern ins Wanken zu bringen, tauchen die wahrlich beängstigenden Dinge auf. Und daran kann man dann arbeiten. Mit dem Ziel, das irgendwann diese Mauern nicht mehr nötig sind und man ein freieres Leben führt.

Im ambulanten Bereich muss man behutsamer mit sich sein, hier kann man oft nicht so gut aufgefangen werden, wie in einer Klinik. Insofern sind aufdeckende Prozesse in der ambulanten Therapie auch sanfter. Denn Überforderung ist kein guter Weg.

Auch im Alltag und in der Selbsthilfegruppe kann man viel tun, alles Vorgefertigte mal etwas loszulassen, um sich einer neuen Freiheit und Lebensqualität zu nähern. Hierzu braucht es Mut und Behutsamkeit, damit man sich nur das zumutet, was man tragen kann. Ein typisches Beispiel in der Selbsthilfegruppe ist, dass man in der Eröffnungsrunde nicht schon alles vorfertigt, was man sagen will. Stattdessen wartet man einfach mal ab, bis man dran ist und schaut dann, was spontan kommt.

Genauso kann man sich in Gesprächen davon leiten lassen, was spontan kommt. Wenn man merkt, dass wieder die typischen vorgefertigten Sätze kommen wollen, versucht man wieder, Kontakt mit seiner Spontanität zu bekommen.

Es braucht Zeit, bis man wieder ein Gefühl für das Unmittelbare entwickelt.

Ich glaube, alles ergibt sich von selbst, wenn man eine Lust auf das Unvorhersehbare entwickelt. Spiel, Humor, Spontanität und Lebenslust sind direkte Nachbarn der Angst.

-- Fred

27.05.2010 :: Die eigenen Kränkungen und Verletzungen aufarbeiten

Besonders in der Kindheit und Jugend kommt jeder in Situationen, wo über einen gespottet wird, wo man persönlich angegriffen oder abgewertet wird. Treffen solche Abwertungen auf ein schwaches Selbst, wirken sie besonders stark und sind sehr schmerzlich.

Man durchschaut zu dieser Zeit die Situation nicht wirklich und zieht sich den Schuh an. Man glaubt, all das zu sein, was die anderen über einen sagen. Weil man noch kein stabiles Ich hat, was eine gefestigte Vorstellung von sich hat.

Abwertungen können nur dann treffen, wenn man an sie glaubt. Wenn man davon überzeugt ist, dass der andere mit seiner Aussage irgendwie recht hat. Würde jemand sagen, die Sonne ist grün, dann würden wir nur drüber lachen und wissen, das ist Unsinn. Wir haben eine gefestigte Vorstellung, welche Farbe die Sonne hat. Wenn aber jemand sagt, du bist ein Dummkopf, dann trifft es uns vielleicht. Es ist eine wunde Stelle, weil irgendetwas in uns glaubt, damit könnte der andere recht haben.

Ohne diese eigene Überzeugung, dass eine Abwertung eines anderen wahr ist, würde sie uns nicht betroffen machen.

So eigene schmerzhafte Überzeugungen über sich selbst haben die Dynamik, irgendwann einmal zu entstehen und sich dann nicht mehr zu verändern. Wenn wir als Kind eine Überzeugung entwickelt haben, uns z.B. wegen des Aussehens schämen zu müssen, dann hat sich diese Auffassung festgesetzt und wirkt nun mitunter ein Leben lang. Wir schleppen sie im "Lebensrucksack" mit uns rum.

Die Wahrscheinlichkeit, da mal genauer hinzuschauen und eine Neubewertung zu machen, ist gering, weil wir uns in der Regel schmerzliche Dinge nicht gerne anschauen.

Hier greift die aufdeckende Psychotherapie oder auch die Auseinandersetzung in der Selbsthilfegruppe. Man schaut sich all das nochmal an, wo man abgewertet wurde.

Welche Abwertungen habe ich als wahr für mich übernommen? Das ist eine wichtige Frage. Und wie sehe ich mich heute? Wie kann ich das heute neu bewerten?

Wir sprechen oft darüber, dass es wichtig ist, sich selbst zu lieben. Selbstliebe ist genau das, was die Abwertungen heilt, an die man noch glaubt. Immer dann, wenn man erlebt, wie man sich abwertet, kann man versuchen, sich so anzunehmen, wie man ist.

Dies ist nicht zu verwechseln, ein idealisiertes Selbstbild von sich zu erschaffen. Es geht um einen ehrlichen Blick auf sich selbst. Seine Stärken und Schwächen erkennen. Aber alles, was man erkennt, kann angenommen werden. Selbst dann, wenn man den Wunsch in sich trägt, eigentlich anders sein zu wollen.

Ein Paradox in der Therapie lautet: Wenn du dich so annimmst, wie du bist, veränderst du dich.

Das könnte z.B. so aussehen: "Ich weiß jetzt, dass ich handwerklich nicht sonderlich geschickt bin. Ich weiß auch, warum das so ist. Meine Eltern haben mich schon ganz früh abgewertet und gesagt: Du kannst nichts, du hast 2 linke Hände. Ich habe das so verinnerlicht, das ich fest daran glaubte. Heute weiß ich aber, dass sie mich schon ganz früh entmutigt haben. Jedes mal, wenn etwas nicht klappte, war das die Bestätigung dafür, dass sie recht hatten. Jetzt, wo mir das alles klar wird, will ich nochmal neu beginnen. Ja, ich bin sicherlich nicht sehr geschickt in handwerklichen Dingen, aber ich möchte das jetzt alles lernen. Ich möchte mir die Ermutigung geben, die ich damals nicht bekommen habe. Und Fehler möchte ich als Erfahrung nutzen, es demnächst besser zu machen. Ich weiß, dass ich es kann, wenn ich nur will. Vielleicht bin ich ja sogar sehr begabt, weiß das nur noch nicht."

Ich habe Menschen erlebt, die aus einer vermeintlichen Schwäche eine große Stärke entwickelt haben.

-- Fred

23.05.2010 :: Die richtige Haltung finden

In einer Radiosendung gestern sagte jemand mit einem schweren Schicksal: Mein Lebesnmotto war schon immer: "Das Beste draus machen, wenn man es nicht ändern kann!"

Irgendwie hat er es auch geschafft und ist trotz seines Schicksals handlungsfähig geblieben und nutzt sein Potenzial. Man hört immer wieder von Menschen, die trotz eines schweren Schicksals wieder auf die Beine fallen und das Beste aus dem machen, was da ist.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die an Ihrem Schicksal zerbrechen. Die Einschränkungen des Lebens nehmen einen so stark ein, dass der Blick darüber hinaus nicht möglich wird. Es gibt wenig Hoffnung, stattdessen Verzweiflung und Trauer. Man hat das Gefühl, die Arschkarte des Lebens gezogen zu haben, und steckt in der Opferrolle fest.

In Therapie und Selbsthilfe geht es auch immer darum, eine gute Lebenshaltung zu finden. Eine Haltung, in der man Hoffnung findet, die eine Grundlage für Entwicklung ist. Vielleicht ist es sogar das Größte, was passieren kann: Wieder zu einer hoffnungsvollen Haltung hinzufinden.

So eine Haltung kommt natürlich nicht von alleine. Es braucht Erfahrungen oder Ideen, wie das eigene Leben gelingen kann. Wie man wieder Sinn in dem Möglichkeitsraum findet, der einem gegeben ist. Erst wenn man erkennt, dass alles da ist, was man braucht, um ein sinnerfülltes Leben zu gestalten, kann auch wieder eine hoffnungsvolle Haltung entstehen. Wenn man erkennt, dass man die Kraft hat, sein Leben in die Hand zu nehmen.

Die Gefahr hoffnungsloser Haltungen ist, dass sie einen gefangen halten und die ganze Aufmerksamkeit binden. Und man zieht alles an, was auf dieser Welt ungerecht und hoffnungslos ist. In den Fernseh-Nachrichten sieht man nur noch das, was sich so anfühlt. In seinem Umfeld sieht man nur noch Ungerechtigkeit und Bösartigkeit. Die innere Haltung färbt die ganze Wahrnehmung und zieht einen noch mehr in diese Haltung hinein.

Insofern ist es gut, ganz bewusst Versuche zu unternehmen, sich aus hoffnungslosen inneren Haltungen herauszuholen. In einer Klinik tanzten wir immer vor einer Gruppensitzung. Der Therapeut kam zu mir und sagte: "Ja, dir geht es nicht gut und das darf auch da sein. Trotzdem lass es mal für einen Moment los und lass dich auf etwas anderes ein. Tanz einfach mal und lass alles andere los." Und in der Tat funktionierte das auch - auch die Freude kann in Zeiten von Traurigkeit da sein. Einfach, wenn man den Blick mal woanders hinwendet und eine andere Erfahrung macht.

Auch in der Selbsthilfegruppe muss man aufpassen, wie die Gruppenstimmung ist. Hoffnungslose Stimmungen sind sehr mächtig. Eine Person hat durchaus die Kraft, die eigene hoffnungslose Stimmung in der Gruppe auszubreiten. Die Hoffnungslosigkeit kann manchmal so überzeugend sein, dass alles Hoffnungsvolle verstummt. Ich hab es schon erlebt, wie unsere Gruppe für ein paar Abende in einer hoffnungslosen Stimmung war und einige Leute schon absprangen. Einer sagte mir: "Das ist mir hier zu sehr eine Jammergruppe! Es geht immer nur darum, was alles nicht geht und was schwer ist. Aber keiner sagt mal, was er geschafft hat oder wo er mit sich weiter gekommen ist."

Ich denke, es ist gut, wenn man als Gruppe wach für die Gruppenstimmung ist. Wenn diese zu einseitig wird, kann man darüber ins Gespräch kommen. Und meist reicht es schon, die Aufmerksamkeit da hinzulenken. Es braucht nur jemanden, der es mal anspricht. Den Rest erledigt das Gespräch darüber und die Gruppen-Intelligenz.

Auch Strukturen können helfen. Wir sind gerade dabei, in einer Gruppe ein Ritual einzuführen. Wir machen in jeder Sitzung eine Runde, wo es nur um die guten, hoffnungsvollen Dinge geht: Was hat funktioniert? Womit bin ich weitergekommen? Was geht jetzt schon besser? Was für positive Dinge habe ich erlebt?

-- Fred

22.05.2010 :: Jede Zelle meines Körpers ist glücklich

Da habe ich einen Ohrwurm verpennt, der 2008 im Netz überall augetaucht ist. Aber hört selber:

http://www.youtube.com/watch?v=ZTjyRu88PRE

Wer hat's produziert? -> http://mosaro.at/index.php?fdd=no

Das passt gut zu dem letzten Thema, wie man bei aller Angst vor Krankheit auch positive Zugänge zu seinem Körper finden kann.

-- Fred

15.05.2010 :: Provokation durch das Gegenteil

Wenn man nach Ideen sucht, sich zu verändern, kann die Technik helfen, das Gegenteil zu denken. Wenn man z.B. überlegt, wie man seine Angst in einer bestimmten Situation los wird, kann man überlegen, wie man die Angst stattdessen verschlimmern könnte. Wer sich mehr entspannen möchte, könnte sich überlegen, was zu tun ist, damit man noch angespannter wird.

Der Sinn dieser Technik ist, dass man in eine Richtung denkt, in die man normalerweise nie denken würde. Und das kann einem neue Ideen geben, wie man das eigentliche Problem tatsächlich lösen kann. Wenn man darüber nachdenkt, wie ein Problem sich noch verschlimmern lässt, erkennt man auch sehr gut die eigentlichen Auslöser. Sind die erkannt und benannt, fällt einem auch besser ein, was für die Lösung zu tun ist.

Beispiel: Was kann ich tun, um mich noch einsamer zu fühlen? Dafür bleib ich am besten möglichst viel alleine. Ich rufe niemanden an, gehe nicht mehr raus und auch alle Ablenkungen lasse ich weg. Also kein Fernseher einschalten, kein Radio. Einfach nur dasitzen und äußere Reize reduzieren. Ein paar Gedanken könnten auch noch helfen, z.B. "Für mich interessiert sich sowieso niemand." Falls das Telefon klingelt, werde ich nicht rangehen. usw...

Im Umkehrschluß weiß ich nun, was das Gefühl von Einsamkeit verstärkt. Und es zeigt sich auch, dass es Dinge gibt, die Einsamkeit überdecken und andere, die Einsamkeit wirklich auflösen. Auch die Sache mit den Gedanken kann einen klar werden. Warum steigert man sich über Gedanken nochmal weiter in schmerzliche Empfindungen? Oder treiben Emotionen mich dazu an, so etwas zu denken?

Wie auch immer, man wird durch diese Technik angeregt, mal in einer anderen Art über seine Schwierigkeiten nachzudenken. Und das ist gut. Neues findet man nicht, in dem man Gewohntes immer wieder denkt. Neues braucht neue Gedanken.

Wer mehr zu kreativen Denktechniken wissen will, den empfehlen wir die Bücher von Edward de Bono.

Weblinks:

-- Fred

12.05.2010 :: Die Welt ist das, was ich sehe

Es ist ein interessantes Phänomen: In der Gruppenarbeit ist mir aufgefallen, dass viele eine favorisierte Perspektive haben, wie sie die Welt betrachten. Wir alle schauen eigentlich in die selbe Welt hinein, aber jeder konzentriert sich auf andere Aspekte. Da gibt es z.B. einen, der sich auf alle Ungerechtigkeit konzentriert. Wenn er Fernsehen guckt, erlebt er eine Welt voller Ungerechtigkeit. Der nächste konzentriert sich unbewusst auf Verbundenheit und erlebt im Fernsehen ganz viele Szenen, wo Menschen liebevoll miteinander umgehen.

Das Fernsehen selbst filtert auch schon ganz viel und präsentiert uns eine ganz bestimmte Perspektive der Welt. Das "Normale" bekommen wir eher selten in der Berichterstattung zu sehen, die Katastrophen und aktuellen Probleme dieser Welt hingegen schon. Doch auch manch Problematisches taucht einmal ganz groß auf, alle empören sich und dann verschwindet es genauso schnell wieder von der Bildfläche. Obwohl es noch genauso in der realen Welt vorhanden ist, wir sehen es nicht mehr. Wir sitzen wie in einem Zug, fahren an hungernden Menschen vorbei, sind kurz betroffen, um im nächsten Moment schon wieder ganz andere Landschaften oder Katastrophen zu sehen.

Ich glaube, es sind oft ganz tiefsitzende schmerzliche Lebenserfahrungen, die einen großen Einfluss haben, wie wir auf die Welt schauen. So kann die Erfahrung, massiv ungerecht behandelt worden zu sein, den zukünftigen Blick auf die Welt prägen. Man reagiert dann besonders sensibel auf alles, wo sich Ungerechtigkeit in der Welt ausdrückt.

Wie wir auf die Wirklichkeit schauen, ist uns meist unbewusst. Wir gucken einfach in die Welt und meinen, genau so ist sie. Wir bemerken meist nicht unsere Vorlieben, wie wir auf die Welt schauen.

Dabei fällt mir auf, dass auch ich gerade einer Vorliebe gefolgt bin: Es sind nicht nur die schmerzlichen Erfahrungen, die unsere Sicht auf die Welt prägen. In diese Richtung schaue ich gerne. Es sind aber auch die guten Erfahrungen, die unsere Perspektive prägen, die wir einnehmen. Jeder Mensch wird auch Gutes, Hoffnungsvolles, Beeindruckendes und Interessantes in der Welt entdecken.

Es ist gut, sich darüber bewusst zu werden, das ganz viel davon abhängt, wie wir in die Welt hineinschauen. Und dieses "WIE" ist oft verborgen, muss erstmal erkannt werden. Wir gucken seit vielen Jahren so selbstverständlich mit unserem Blick in die Welt, dass wir es für die einzige Realität halten. Aber wir könnten alles auch ganz anders sehen und erfahren...

Ich glaube, es ist gut, sich von einseitigen Fixierungen der Perspektive zu lösen. Es ist bereichernd, die Welt aus vielen Perspektiven wahrnehmen zu können und an keiner Perspektive zu kleben. Vielleicht ist seelische Gesundheit damit verbunden, eine gute Balance in den verschiedenen Perspektiven zu finden, wie wir die Welt betrachten können. Selbsthilfegruppen können helfen, sich von unterschiedlichsten Perspektiven inspirieren zu lassen. Und sie helfen, seine eigene Perspektive zu erkennen.

In einer Klinik haben wir mal eine spannende Übung zu diesem Thema gemacht: Wir sollten durch die Klinik gehen und dabei alles Viereckige wahrnehmen. Das war schon irre, was man so alles auf einmal als viereckig erkennt. Die ganze Welt scheint nur aus viereckigen Gebilden zu bestehen. Dann wurden wir losgeschickt und sollten nun alles Runde wahrnehmen. Und siehe da, auf einmal waren wir erstaunt, wie viele runde Sachen die Welt zu bieten hat.

Diese Übung kann jeder für sich selber mal ausprobieren. Man kann das auch gut mit weiteren Eigenschaften machen:

  • Erkenne alles, was länglich ist
  • Erkenne alles, was blau ist
  • Erkenne alle Tiere, denen du begegnest
  • Erkenne alle Menschen, denen du begegnest
  • Achte auf die Haarfarbe der Menschen, die dir begegnen
  • Wer trägt eigentlich alles eine Brille?

-- Fred

12.05.2010 :: ...den vollen Geschmack der Angst erleben

Als Inspiration eine Antwort von Ken Wilber auf die Frage, wie man mit Angst umgeht, sie konstruktiv nutzen kann:

Im Augenblick des Erfahrens die Erfahrung so intensiv wie möglich zu erleben, den vollen Geschmack der Angst, das ist alles, was man tun kann...

Hier das ganze Telefon-Interview:

Wer ist Ken Wilber?

26.04.2010 :: Begrüßen, was man fürchtet

In einer Klinik bekamen wir regelmäßig sogenannte therapeutische Aufgaben für unsere Freizeit. Eine Aufgabe lautete z.B., einige Mitpatienten mit falschem Namen anzusprechen. Wenn ich also z.B. Petra auf dem Flur sah, sollte ich sagen: "Hallo Christina, wie gehts denn so?" Meine erste Reaktion war: "Nein, das ist doch völlig peinlich!" Mein Therapeut lächelte schelmisch und meinte: "Genau, gut so!". Ich hätte ihn würgen können, mit seiner Scharfsinnigkeit traf er immer genau in die Kerbe, die mir am meisten zu schaffen machte. Und doch hatte er für mich eine angenehme Form von Autorität oder Väterlichkeit. Das gab mir Kraft und innere Erlaubnis, sowas einfach mal zu tun.

Ganz bewusst etwas zu tun, was man sonst vermeidet und dazu auch noch von "höchster Stelle" die Erlaubnis dazu zu bekommen, dass war schon eine ganz besondere Erfahrung. Erleichternd kam auch hinzu, dass in der Klinik ständig irgendwelche verrückten Sachen passierten. Und nun war ich mal am Zuge.

Solche Übungen helfen, mal heraus zu kommen, aus einem festgefahrenen Verhaltensmuster. Irgendwelche Dinge dürfen auf keinen Fall passieren, weil es peinlich ist oder man sich so nicht ertragen kann. Sich zu erlauben, genau diese Dinge mal zu erleben und willkommen zu heißen, kann da sehr befreiend sein. Auch kann man so mal genauer beobachten, wie andere darauf reagieren.

Die Nachwirkungen von solchen Übungen sind, dass man lockerer werden kann. Es spielt alles nicht mehr so eine bedeutende Rolle. Und man hat ein wenig gelernt, wie man mit solchen Situationen umgehen kann.

Man kann das auch mit sich selbst oder mit einem Freund vereinbaren. Oder man spricht es mit der Selbsthilfegruppe ab, dass man in der kommenden Woche mal die eine oder andere peinliche Situation bewusst ausprobieren möchte. Man nennt das "vor anderen bezeugen", was wir auch oft in der Klinik gemacht haben. Das gibt nochmal Kraft, es dann wirklich auch zu machen. Gut ist auch, wenn man sich täglich mit jemanden über die gemachten Erfahrungen austauschen kann.

-- Fred

25.04.2010 :: Kontakt-Abbrüche

Wie wir in einer der letzten Gruppen feststellten, sind einige mit plötzlichen Kontaktabbrüchen konfrontiert. Menschen, zu denen man Kontakt hatte, melden sich plötzlich nicht mehr, gehen nicht ans Telefon und antworten auch nicht mehr auf SMS oder E-Mail.

Im Laufe der letzten Jahre Gruppenarbeit habe ich das auch immer wieder erlebt. Menschen, zu denen ich einen guten Kontakt hatte, waren urplötzlich nicht mehr erreichbar und kamen nicht mehr zur Gruppe.

Schwierig ist so eine Situation, weil Ohnmacht und Enttäuschung zurückbleiben. Und es bleiben viele Fragezeichen. Man kann nicht klären, woran es gelegen hat. Bei Sozialphobie kommt erschwerend hinzu, dass viele alles gleich auf sich beziehen. Wenn jemand den Kontakt abbricht, muss automatisch mit mir etwas nicht stimmen. Und das kann dann Grübeleien darüber auslösen, was denn an einem nicht in Ordnung ist. Dabei haben viele Abbrüche nicht viel mit einem persönlich zu tun.

Beziehungs-Abbrüche sind häufig schwierig, weil sie viele alte unverarbeitete Erfahrungen anstoßen. Die ganzen Kindheits-Dramen werden dabei aktualisiert. In dieser Zeit sind Beziehungs-Brüche besonders schwer auszuhalten, weil man als Kind abhängiger ist und Fähigkeiten noch nicht entwickelt sind, mit solchen Schicksalsschlägen konstruktiv umzugehen, sie wirklich zu verarbeiten.

Auch die Ohnmacht, die man spürt, aktualisiert frühe Ohnmacht-Erfahrungen. Und natürlich tauchen dann auch Gefühle von Ärger, Wut, Enttäuschung oder Verbitterung auf. Ebenso die Lust darauf, den anderen strafen zu wollen, in dem man nun seinerseits den Kontakt ablehnt, selbst wenn der andere nochmal auf einen zukommen würde.

Die andere Seite ist, dass gerade bei Sozialphobie für viele der einzige Ausweg aus einer verfahrenen Beziehungs-Situation der absolute Rückzug ist. Es gibt keine besseren Strategien, ein Problem im Kontakt mit anderen zu lösen. Man fühlt sich nicht fähig, darüber zu reden, um es aus der Welt zu schaffen. Man fühlt sich nicht fähig, ein Problemgespräch mit einem anderen Menschen zu führen. Oder es wäre so anstrengend und schwierig, dass man lieber den einfacheren Weg des Abbruches wählt. Nur selten wird der Weg des Abbruches leichtfertig gewählt.

So schwierig Abbrüche auch auszuhalten sind, wenn man sich zurückgestoßen fühlt, man kann einiges aus ihnen lernen. Für viele Gefühle, die dabei auftauchen, ist der andere nur ein Auslöser - nicht die Ursache. Alte unverarbeitete und schmerzliche Erfahrungen werden angestoßen. Es lohnt sich, daran zu arbeiten und diese alten Wunden zu heilen.

An welche alten Erfahrungen von Verlassenwerden erinnert mich das? wäre eine wichtige Frage, die einen vielleicht zu alten Wunden hinführt. Alten Schmerz durch nicht verarbeitete Beziehungsabbrüche trägt fast jeder mit sich rum, auch wenn es manchmal viel Zeit braucht, um dahinter zu kommen.

Umgedreht ist es sehr bereichernd, zu lernen, wie man Schwierigkeiten mit anderen Menschen klärt. So besteht die Chance, einen befriedigenden Kontakt zu finden, anstatt Kontakt gleich vollständig abzubrechen. Vieles kann geklärt werden. Auch lernt man seine Bedürftigkeiten besser kennen. Wir hatten z.B. im Gruppengespräch das Thema, das es oft ein Missverständnis gibt, wie viel Kontakt jeder braucht. Der eine möchte täglich mit jemand anderem was unternehmen, dem anderen wird das viel zu viel, aber wöchentlich wäre super. Auch so etwas lässt sich aushandeln, wenn man gelernt hat, darüber zu reden.

Zu dem Thema passt sehr schön eine Textpassage aus "Die Einladung" von Oriah Moutain Dreamer:

Ich will wissen, ob du den Kern deines Leidens berührt hast, ob du durch die Enttäuschungen des Lebens geöffnet worden bist, oder zusammengezogen und verschlossen, aus Angst vor weiterem Schmerz.

-- Fred

18.04.2010 :: Vertikale Entwicklung

Wer meint, sozial nicht kompetent genug zu sein, könnte lernen und üben, um neue Fähigkeiten aufzubauen. Mitunter funktioniert das ganz gut. Es gibt aber auch viele, die haben eigentlich eine hohe soziale Kompetenz, zweifeln aber trotzdem ständig daran. Sie stecken in einer Denkweise fest, dass es unglaublich wichtig wäre, sich immer genau richtig zu verhalten und können diese hohe Messlatte nie perfekt erreichen.

Hier hilft eine horizontale Entwicklung - einfach immer besser zu werden - kaum weiter. Es braucht einen vertikalen Entwicklungsschritt: Aussteigen aus der krankmachenden Vorstellung, noch besser werden zu müssen.

Bei vertikalen Entwicklungsschritten steigt man immer aus einem System aus. Man wächst über diese Vorstellung hinaus. Hierfür braucht es in der Regel eine Erkenntnis. Mit dieser Erkenntnis bekommen die Dinge einen neuen Sinn und eine neue Bedeutung. Die Erkenntnis lässt einen schonmal aus dieser neuen Perspektive die Dinge sehen. Diese neue Sicht in sein Leben zu integrieren und sie in Fleisch und Blut übergehen zu lassen, ist oftmals ein längerer Prozess. Man rutscht immer wieder ins Altgewohnte, kann aber auch die neue Sicht einnehmen. Das gelingt immer besser, bis man irgendwann gefestigt über das Alte hinausgewachsen ist.

Psychotherapie hat sehr viel damit zu tun, vertikale Entwicklungsschritte zu machen. Hat man z.B. gelernt, dass die Meinung der anderen immer sehr wichtig ist, hat man bisher vielleicht versucht, dem möglichst gut zu entsprechen. Man blieb im System und wollte darin besser werden. In Therapie kann man lernen, diese Vorstellung in Frage zu stellen und kommt vielleicht dahin, dass es oftmals keine Bedeutung hat, was andere denken. Das es vielmehr darum geht, wie ich mich wohl fühle oder wie ich meins möglichst gut zum Ausdruck bringe. Ich bin nicht auf der Welt, um andere - oft zweifelhafte Vorstellungen - zu bedienen.

Die Systeme, aus denen man vertikal aussteigen kann, nimmt man oft lange Zeit selbstverständlich hin, ohne sie je zu hinterfragen. Man dient dem System und versucht, so gut wie möglich darin zu werden. Wer im Perfektionismus verhaftet ist, sucht ständig nach Lösungen, um noch besser zu werden. Ob es überhaupt gut und richtig ist, immer perfekter zu werden, wird nicht hinterfragt. Das Perfide am Perfektionismus ist auch, dass es oft belohnt wird, wenn man besser wird. Was man aber nicht sieht, ist der hohe Preis, den man dafür bezahlen muss. Die Schädlichkeit von Orientierungen ist manchmal schwer zu durchschauen.

Viele haben Sorge, ob sich andere vielleicht über sie lustig machen. Also verhält man sich so, dass man möglichst wenig Angriffsfläche bietet. Ein vertikaler Entwicklungsschritt würde bedeuten, sich von der Idee zu lösen, andere dürften nicht über mich lachen. Ein Blick in diese Richtung könnte eine echte Befreiung bedeuten.

Vertikale Entwicklung erschüttert und befreit zugleich. Zuerst fühlt es sich so an, als würde etwas wichtiges bedroht. Gewohnte Vorstellungen aufzugeben, beängstigt. In Wirklichkeit verliert man aber nichts, was wichtig und gut ist. Das Gute wird integriert, falsche Vorstellungen hingegen aufgelöst. Es braucht jedoch Mut und Experimentierfreude, neue Wege zu denken und auszuprobieren. Altes loszulassen, kann schmerzvoll sein, auch wenn es als falsch erkannt wird.

-- Fred

13.04.2010 :: Selbstsicher bewerben

Stephanie Glassl hat uns angeschrieben. Sie ist Diplom-Psychologin und bietet Bewerbungs-Coaching insbesondere für sozialphobische Menschen an. Ein erstes Informationsgespräch ist kostenlos. Leider ist Sie in Bielefeld und nicht in Dortmund ansässig.

Mehr Infos auf Ihrer Homepage:

13.04.2010 :: Die Gunst des Augenblicks nutzen

Jeder Moment des Tages bietet die Chance, das irgendwas gerade besonders gut gelingen könnte. Letztens war eine Frau in der Gruppe, die sich an diesem Tag besonders gut fühlte. Sie nutzte die Gelegenheit und redete mehr über sich, was ihr sonst eher schwer fiel. Das war eine gute Erfahrung. In der Pause spürte jemand, dass es gerade möglich ist, sich mal in ein Gespräch einzumischen, was 2 andere führten. Es war ein für ihn interessantes Thema und er spürte das Bedürfnis, eine Frage zu stellen. Die Chance ergriff er, weil es gerade so leicht war, sich einzumischen.

Wenn man aufmerksam darauf achtet, was der Augenblick an Chance bietet, dann findet man immer wieder Möglichkeiten. Jeden Tag. Etwas, wo man mal aktiv wird, wo man etwas tut, was sonst schwer fällt, wo man einer neuen Erfahrung eine Chance gibt. Und es sind ja vor allem die neuen Erfahrungen, die uns anregen und weiterbringen. Neue Erfahrungen machen ja auch den Reiz des Lebens aus.

Es geht im Grunde darum, die günstigen Umstände für uns zu nutzen. Hierfür muss man auch erstmal einen Blick dafür entwickeln. Nach einer Zeit der Übung kann das eine positive Angewohnheit oder Geisteshaltung werden: Immer die Augen offen zu haben für die Chancen, die der Moment einem bringt.

Es kann anfangs helfen, wenn man sich mit anderen zusammentut und sich täglich davon berichtet, was für günstige Momente der Tag einem geboten hat. Neue gute Angewohnheiten brauchen ein paar Wochen, bis man sie integriert hat. Wenn man dies jedoch geschafft hat, erkennt man ganz automatisch die Chancen des Augenblicks.

-- Fred

11.04.2010 :: Angst Genetische Veranlagung

Die Max-Planck-Gesellschaft hat eine Pressemeldung veröffentlicht, nach der ein bestimmtes Gen gefunden wurde, das für das Auftreten verstärkter Ängste verantwortlich ist. Es ist das GEN TMEM132D.

Man könnte sagen, dass Menschen mit dieser Gen-Spezifik öfters dazu neigen, angstvoll auf etwas zu reagieren. Angstgefühle werden in ihnen öfters aktiviert, als bei anderen Menschen.

Solch eine Veranlagung legt aber nicht alles fest. Frühkindliche Erfahrungen bestimmen stark, wie gut so eine Veranlagung integriert werden konnte. Es kann sein, dass man einen guten Umgang damit gelernt hat und das man gute Hilfe durch andere Menschen erfahren hat. Genauso kann es sein, dass die Umstände sehr ungünstig waren und die Veranlagung sich zu einem großen Problem ausgeprägt hat.

Auch später im Leben ist alles noch sehr formbar. Wie wir leben, was wir fördern und was wir vermeiden, bestimmt stark, wie wir uns entwickeln. Die richtigen Menschen und die richtigen Erfahrungen können das Leben reich und befriedigend machen.

Interessant könnten Forschungsergebnisse auf genetischer Ebene sein, wenn man hierdurch Medikamente entwickeln kann, die ganz gezielt ein genetisches Defizit verändern können. Heutige Medikamente wirken noch sehr unspezifisch und greifen recht grob in den Stoffwechsel ein. Hier gibt es ganz sicher noch viel Entwicklungspotenzial hin zu wirksameren Medikamenten.

Weblinks:

-- Fred

08.04.2010 :: Alles ist eine Erfahrung

Ich hatte mal einen Therapeuten, der sich für jede Form von Erfahrung begeistern konnte. Wo ich vielleicht sagte: "Man, war das vielleicht peinlich." sagte er: "Das ist ja spannend, das interessiert mich. Lassen Sie uns mal genauer erkunden, wie sich das anfühlt." Er vermittelte mir bei allem: "Spannende Erfahrung, fühl mal hinein." Irgendwie förderte er diese Grundhaltung in mir und so wurden aus peinlichen und unangenehmen Dingen ganz spannende Geschichten, die ich fühlte und die wir dann in der Therapie interessiert-neugierig durcharbeiteten. Etwas, was früher einfach unangenehm war, wurde jetzt zu interessantem Stoff für die nächste Therapiestunde. Dabei machte die Therapie noch richtig Spaß, weil diese neugierig-erforschende Haltung etwas sehr Positives hatte. Es war nicht so schwer problembelastet, sondern hatte mehr eine Leichtigkeit.

Es hat schon echt was für sich - diese innere Haltung, das alles schlussendlich eine Erfahrung ist, von der ich etwas lernen kann. Wertet mich jemand ab, kann ich mir sagen: "Interessant, was passiert in mir, wenn mich jemand abwertet? Wie fühlt sich das an?" Wenn mich jemand lobt, kann ich genauso achtsam wahrnehmen, was das in mir auslöst.

Die Weltsicht, dass es vieles gibt, was man keinesfalls erleben darf, löst sich so ein Stück weit auf. Und damit auch die Ängste davor. Man fängt an zu spielen mit Erfahrungen, die man zuvor angstvoll vermieden hat.

Obwohl ich manche Erfahrungen schon so oft gemacht hatte, ich wusste eigentlich nicht viel darüber, weil ich nie mal richtig hingefühlt hatte. Erst durch diese therapeutische Arbeit wurde ich angeregt, jede Erfahrung genauer zu erspüren. Gerade die unangenehmen Erfahrungen sind es ja, die man oft nicht wirklich spüren möchte. Doch es hat einen großen Wert, diese mal intensiver zu fühlen und genauer zu erforschen. Auch wenn es nicht einfach ist, unangenehme Erfahrungen auszuhalten. Ein guter Therapeut kann hier eine ganz große Hilfe sein, der einem Halt und Orientierung gibt.

Bei der Therapieform handelte es sich um Hakomi. Leider wird diese nicht von den Krankenkassen finanziert, obwohl Psychotherapeutenkammern einiger Bundesländer diese Form der Therapie schon offiziell anerkennen. Das Wort Hakomi kann übersetzt werden mit "Wer bist du?" und das beschreibt gut den Kern der Methode. Es geht immer wieder darum, die unmittelbare Erfahrung jetzt im Moment zu erforschen.

Wer Interesse hat, diese Form der Arbeit kennenzulernen, melde sich bei uns. Bei genügend Interessierten könnten wir mal einen Workshop organisieren. Wir haben Kontakte zu Hakomi-Therapeuten in der Umgebung.

Weblinks:

-- Fred

07.04.2010 :: Aufeinander zugehen

Bei Sozialphobie gibt's eine sich zuspitzende Gruppendynamik. Auf der einen Seite bräuchten viele eigentlich das Gefühl, willkommen zu sein. Sich angenommen zu fühlen. Um sich wirklich als Teil der Gruppe zu erleben. Dazu bräuchte es offene Menschen, die aufeinander zugehen und sich füreinander interessieren. Aber gerade das fällt ja vielen Betroffenen wieder schwer. So herrscht ein Mangel gerade an dem, was eigentlich wichtig wäre.

Ich glaub, diese Schwierigkeit löst sich am besten dadurch auf, dass man es als Übungsfeld begreift. Sich darin zu üben, auf andere zuzugehen, mit anderen in Kontakt zu kommen - auch wenn es mal unangenehm ist. Sozusagen nicht der Angst zu folgen, sondern der Menschlichkeit und der Zuwendung.

Wenn man nicht immer mal wieder bewusst hinschaut, passiert es ganz schnell, dass man als Gruppe gemeinschaftlich in Richtung Angst und Vermeidung tendiert. Dann wählen viele den bequemeren Weg und suchen nur noch gut vertrauten Kontakt. Man hat dann immer nur den gleichen Kontakt zu wenigen aus der Gruppe, andere - oft auch Neue - meidet man.

Man vermeidet, sich zu begegnen.

Der Frühling ist ja die Jahreszeit, neues zu wagen, sich auszuprobieren. Vielleicht könnte man das gemeinschaftlich dazu nutzen, sich auf andere zuzubewegen und in ungewohnten Kontakt zu gehen. Auch, wenn es erstmal etwas Mut braucht.

Ich werde mal ein paar Begegnungs-Übungen heraussuchen, die wir in den nächsten Gruppen machen könnten.

Weblinks:

-- Fred

01.04.2010 :: Blickkontakt Übung sehr erfolgreich

Sozialphobie äußert sich oft darin, keinen Blickkontakt halten zu können. Wir sind dieses Thema mit dem Dortmunder Psychologen Rainer Pludek mal angegangen. Aus einem interessierten Austausch darüber entstand ein gemeinsames Forschungsprojekt, an dem insgesamt 70 Probanden teilnahmen.

Hauptidee war, dass täglich über eine Blickvorlage geübt wird, Blickkontakt zu halten. Die Vorlagentechnik hat Rainer Pludek schon bei zahlreichen psychischen Problematiken erfolgreich eingesetzt.

Dabei wird ein bekannter Trick genutzt und der Blick auf den Bereich zwischen den Augen fixiert. Man schaut dem Gegenüber also nicht direkt in die Augen, sondern zwischen die Augen. Das wird von vielen als angenehmer erlebt.

Auf der Blickvorlage ist schematisch ein Gesicht abgebildet und mit einem Kreuz der Fixationspunkt. Die Probanden haben nun 3 mal täglich für 3 Minuten das Gesicht angeschaut. Wobei der Blick den Fixationspunkt einfängt. Man darf ruhig zwischendurch mal ganz kurz den Blick schweifen lassen, sollte dann aber rasch wieder zum Fixationspunkt zurückkehren.

Gleichzeitig soll bei Betrachtung des Gesichts eine innere Haltung geschult werden. Hierzu wiederholt man beim Betrachten die inneren Sätze:

  • Ich nehme dich an, so wie du bist (Übung morgens)
  • Ich entspanne mich, ich ruhe in mir (Übung mittags)
  • Wir begegnen uns in Freundlichkeit (Übung abends)

Zur Einhaltung der 3 Minuten dient ein Kurzzeitwecker.

Die Ergebnisse waren sehr positiv. Von den 70 Probanden hatten nach der 14 tägigen Übung 30 keinerlei Probleme mehr mit Blickkontakt. Weitere 20 spürten eine deutliche Verbesserung. Die restlichen 20 spürten nur eine geringe oder keine Verbesserung. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Übung vor allem dann erfolgreich ist, wenn man tagsüber auch immer wieder soziale Kontakte hat, in denen man die Erfahrungen der Übung auch in den Alltag integrieren kann.

Die positiven Erfahrungen sind ein Grund für uns, dieses Verfahren Betroffenen anzubieten. Wir werden hierzu regelmäßig Einführungs-Workshops anbieten, in denen man noch genauer eingewiesen wird, wie man die Übung macht.

Hier kann man sich die Übungsvorlage herunterladen. Zum Üben sollte man sie auf ein Blatt Papier ausdrucken.

Nachtrag: Achtet mal auf das Datum - ja, das war unser Aprilscherz. War alles frei erfunden. Wobei die Idee gar nicht so abwegig ist und wir uns vorstellen können, dass so eine Übung wirklich was bringen könnte.

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