Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2009-Q4)

24.12.2009 :: Weihnachten

Weihnachten ist Symbol für Geborgenheit und Nähe in einem guten Umfeld mit lieben Menschen. Wer das nicht hat, für den ist das oft eine schwere Zeit. So ist es nicht verwunderlich, dass wir in unseren Gruppen immer wieder hören, dass Weihnachten schwierig auszuhalten ist.

Nicht nur die Einsamkeit ist schwierig auszuhalten. Auch die vielen sozialen Kontakte, die sich vielleicht zu Weihnachten aufdrängen, sind mitunter schwer zu ertragen. Wenn das Gefühl eben nicht wohlig und entspannt ist, sondern einem alles zu viel und zu anstrengend wird. Wenn man mehr sozialen Kontakt aushalten muss, als einem lieb ist.

Wir wünschen euch, dass ihr etwas findet, wie ihr Weihnachten so (um)gestalten könnt, dass es irgendwie gut wird. Oder zumindest, dass ihr entlastende Ideen habt, damit es leichter wird.

Wer noch was unternehmen will: Über den internen Sopha-Kontakt Verteiler könnt ihr mit anderen etwas planen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist z.B. schon eine Wanderung angesagt.

Manche Menschen wissen nicht,
wie wichtig es ist, dass sie da sind.

Manche Menschen wissen nicht,
wie gut es tut, sie nur zu sehen.

Manche Menschen wissen nicht
wie tröstlich ihr Lächeln wirkt.

Manche Menschen wissen nicht,
wie wohltuend ihre Nähe ist.

Manche Menschen wissen nicht,
wie viel ärmer wir ohne sie wären.

Manche Menschen wissen nicht,
dass sie ein Geschenk des Himmels sind.

Sie wüssten es,
würden wir es ihnen sagen.
(Paul Celan)

14.12.2009 :: Aktuelles Heft "Forum" Online

Das aktuelle Heft "Forum" ist Online. Dieses Heft erscheint 3 mal im Jahr und wird von der Dortmunder Kontaktstelle redaktionell betreut. Selbsthilfegruppen können hier Einblicke in ihre Arbeit geben. Das Heft liegt auch in gedruckter Form bei der Kontaktstelle aus.

Weblinks:

10.12.2009 :: Konkretes Erinnern hilft

Heute war in der Sendung Leonardo (WDR5) ein interessanter Beitrag zum Thema Depressionen. Man stellte in Studien fest, dass Menschen, die sich konkret erinnern, weniger zu Depressionen neigen und auch schneller wieder aus einer Depression herausfinden, als Menschen, die eine verallgemeinernde Erinnerung haben.

Beispiel: Eine Person sagt: "Mit meinem Hund spazieren zu gehen, ist schön." Eine andere Person hingegen sagt: "Ich war heute mit meinem Hund spazieren, dass war schön."

Die erste Person verallgemeinert, die zweite Person bezieht sich ganz konkret auf etwas, was sie erlebt hat.

In Therapie und auch in der Selbsthilfearbeit weiß man schon lange, dass Verallgemeinerungen problematisch sein können. Einfach deshalb, weil sie die Wirklichkeit verzerren. Es ist gut, genau bei dem zu bleiben, was ist und dies auch in seiner ganzen Kommunikation zu verankern. Denn so, wie wir kommunizieren, so denken und erinnern wir auch.

So typische Verallgemeinerungen, die man in Therapie vermeiden lernt, sind z.B. Aussagen wie: "Immer gehts mir morgens schlecht." Besser ist: "Heute morgen, als ich aufgestanden bin, ging es mir schlecht. Ich habe das schon häufiger morgens so beobachtet."

In letzterer Aussage steckt schon die Möglichkeit, dass es auch Tage geben kann, an denen das nicht so ist. Dies zu erkennen, kann wichtig sein. Also auch die Tage sehen zu können, an denen es gut war.

Man kann üben, konkret zu werden und Verallgemeinerungen zu vermeiden. Signalwörter für unzulässige Verallgemeinerungen sind z.B. "Immer", "Ständig" oder "Niemals". Aber nicht jede Verallgemeinerung kommt so offensichtlich daher. In unseren Selbsthilfegruppen machen wir zu jedem Gruppenbeginn eine Eröffnungsrunde. Hier kann jeder mitteilen, wie es ihm geht und was er die letzten Tage erlebt hat. Auch dies ist eine Schulung darin, sich an das zu erinnern, was war.

Im Grunde schafft man sich mit dem, wie man denkt und redet, eine Wirklichkeit. Verallgemeinerungen suggerieren einem, dass das Leben sich immer auf bestimmte Weise verhält, obwohl es eben oft auch anders ist. Und es kann manchmal ganz schön bedrückend sein, wenn das Leben sich tatsächlich immer wieder frustrierend wiederholen würde. Erst wenn man wahrnimmt, dass es oft auch anders ist, ergeben sich Impulse für neue Wege und Sichtweisen.

Man muss herauskommen aus vorgefassten Meinungen, Vorstellungen und Urteilen über die Welt und stattdessen jeden Tag von neuem das sehen, was wirklich ist. In der Zen-Meditation heißt es "Anfängergeist bewahren".

Hier wurde im Beitrag auch die Wirksamkeit von Achtsamkeits-Meditation erwähnt. Die Rückfälle in eine Depression halbierten sich bei einer Gruppe, die regelmäßig eine Achtsamkeitsmeditation praktizierten.

Alle Verallgemeinerungen sind falsch! Immer und überall!

Weblinks:

-- Fred

06.12.2009 :: Falsche Fragen - Blockierte Wege

Auf dem Weg zu mehr Gesundheit kann man immer wieder an Punkte kommen, an denen man sich durch falsche Herangehensweisen blockiert.

In der Gruppenarbeit ist ein typisches Beispiel, wenn man im Klagen hängenbleibt. Es ist sicherlich gut, das wahrzunehmen, was einen stört, was einen behindert oder was ungerecht ist. Nur dann muss irgendwann der nächste Schritt kommen: Etwas Sinnvolles draus zu machen. Eine gute Antwort auf das zu finden, was einem begegnet. Bleibt eine Gruppe hingegen im Anklagen der schlechten Welt hängen, werden nur negative Energien und Hoffnungslosigkeit verbreitet. Die ganzen Energien werden absorbiert, anstatt sie sinnvoll und konstruktiv zu nutzen.

Auch manche Fragen sind falsch gestellt. Die Frage z.B. "Warum muss ausgerechnet mir das passieren?" ist lt. Elisabeth Lukas deshalb falsch, weil wir die höheren Zusammenhänge mit unserem Mini-Verstand nicht verstehen. Das wäre ungefähr genauso, als würde ein Sperling fragen, welchen Zweck eine Hochspannungsleitung hat, auf der er sitzt. Vieles begreifen wir aus dem Moment heraus nicht und werden es vielleicht auch nie begreifen. (Siehe Elisabeth Lukas, In der Trauer lebt die Liebe weiter).

Anstatt uns an Fragen zu zermartern, auf die wir jetzt oder nie eine Antwort bekommen werden, sollte man sich den Fragen zuwenden, die jetzt Sinn machen, weil sie uns voranbringen. Solche Fragen sind nach Elisabeth Lukas z.B. "Was soll ich daraus lernen?", "Wie kann ich optimal damit umgehen?" oder "Lässt sich die Tragödie sogar noch in einen inneren Triumph verwandeln?". Das sind Fragen, die uns dazu anregen, konstruktiv auf Schwierigkeiten zu reagieren. Und sie regen die Kreativität an, die man immer braucht, wenn Bekanntes nicht zum Ziel führt.

-- Fred

05.12.2009 :: Emotionen fördern

Ein Leben ohne Emotionen ist kaum vorstellbar. Freude, Begeisterung, Verliebtheit, Mitgefühl, Verbundenheit sind angenehme Emotionen, nach denen Menschen immer wieder suchen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch schwierige Emotionen, wie Wut, Ärger, Enttäuschung oder seelischer Schmerz.

Es passiert oft, dass Menschen emotional verflachen. Wir sind in der Lage, unsere Emotionen zu dämpfen und zu verdrängen. Man kann es schaffen, den Fluß aller Emotionen stark zu blockieren.

Meist passiert dies unbewusst und aufgrund von Emotionen bzw. Erfahrungen, die man nicht aushalten oder ertragen konnte. Wenn man nicht zu fühlen wagt, was da ist, dann schaltet man die Gefühle ganz aus.

Damit wird das Leben emotionslos. Es fühlt sich hohl, leer und lustlos an. Lebenssinn geht verloren, das Leben wird mühsam.

Viele, die aus so einem emotionslosen Leben wieder gelernt haben, zu fühlen, sagen, dass ihnen die schlechtesten Emotionen immer noch lieber sind, als die permanente Gefühlslosigkeit. Nicht fühlen können macht das Leben arm.

Insofern liegt ein großer Wert darin, wieder mehr und mehr fühlen zu lernen. Impulse in sich wahrzunehmen und sie auszudrücken. Deshalb ist auch Inhalt fast jeder Therapie die emotionale Entwicklung. Und nicht selten wird deshalb auch oft und viel geweint - das unangenehm Festgehaltene beginnt wieder zu fließen.

Was kann man tun, um wieder ein reiches Gefühlsleben zu haben? Es geht vor allem darum, sich Zeit zu nehmen und hinzuspüren, was in einem passiert. Gefühle wahrnehmen und hinschauen. Also das Gegenteil von wegschauen und nicht wahr haben wollen. Man spricht auch davon, sich den Gefühlen zu öffnen. Das man das, was in einem passiert, an sich heranlässt und zulässt.

Immer mal wieder in sich hineinzuspüren und einen Kontakt zu seinen Gefühlen zu bekommen, kann zu einer guten Angewohnheit werden. Und mit der Zeit wird sich die ganze Gefühlswelt für einen wieder auftun.

In der Selbsthilfe kann man lernen, über seine Gefühle zu sprechen. Auch dies fördert die emotionale Öffnung. Denn oftmals ist es schwer, sich Emotionen überhaupt zuzugestehen. Öffnen sich Menschen emotional in Gesprächen, kann das in den Raum fließen, was in einem an Emotion da ist. Und das regt wieder andere an, sich auch zu öffnen und zuzulassen, was ist. Emotionale Verbundenheit hat eine unglaublich motivierende Kraft.

Es geht dabei auch darum, unangenehme Emotionen zu spüren. Auch die gehören zum Leben und man kann nicht wirklich nur die angenehme Seite zulassen, die unangenehme aber draußen halten. Es geht eher um die Einstellung: "Alles was ist, will ich fühlen und durch mich hindurchfließen lassen." Das scheint auch der gesündeste Umgang mit negativen Emotionen zu sein - können sie ungehindert durch uns hindurchfließen, durchlebt man sie wirklich und kann dann wieder von loslassen.

Beim Thema Trauer zeigt sich das schön. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen nicht wirklich einen Verlust betrauern. Der eigentliche Schmerz wird nicht durchlebt und 20 Jahre später bricht genau dieser alte Schmerz mit aller Heftigkeit heraus. Er war nur die ganze Zeit konserviert und hat vielleicht dafür gesorgt, überhaupt nicht mehr richtig fühlen zu können. So erzählte es mir eine Trauerbegleiterin.

Natürlich hat die emotionale Verdrängung auch seine Gründe und man muss sich nun wieder vorsichtig an vermintes Gebiet herantrauen. Vielfach wird man auf schmerzliche Erfahrungen treffen. Manches kann so schmerzlich sein, dass man unbedingt therapeutische Hilfe benötigt. Überhaupt ist es sinnvoll, sich der emotionalen Welt mit Hilfe eines Therapeuten zu nähern. Dieser kann einen auffangen und ein sinnvolles Tempo halten, so dass man nicht erneut überfordert wird.

Am Anfang einer Selbsthilfe Gruppensitzung machen wir öfters mal eine Fühlübung: Die Augen schließen und einfach mal spüren: "Wie bin ich gerade da? Wie erlebe ich mich in meinem Körper? Was kann ich gerade wahrnehmen?"

Gemeinsames Singen kann auch emotional berühren, ist allerdings nicht immer so leicht. Hierfür braucht es schon etwas mehr Vertrauen zueinander. Leichter fällt es da, in berührende Songs einfach hineinzuhören und diese auf sich wirken zu lassen. Auch das machen wir in letzter Zeit häufiger mal.

Wir hatten mal eine Phase von 3 Jahren, wo wir 14 tägig den Tanz der 5 Rhythmen praktiziert haben. Man tanzt hierbei durch unterschiedliche Gefühlslagen - sanft und harmonisch, wie auch ausgelassen kraftvoll oder gar chaotisch und verrückt. Ich fand das sehr bereichernd, unterschiedliche Gefühle und Impulse in sich wahrzunehmen und auszudrücken.

Demnächst wollen wir auch mal einen TaKeTiNa Workshop organisieren. Es ist ein spannender Ansatz, um mal aus dem Kopf herauszukommen und sich dem Rhythmus hinzugeben.

Weblinks:

-- Fred

27.11.2009 :: Gedankenmuster ändern

Viele Menschen haben Gedankenmuster in sich ausgebildet, die immer wieder für schmerzliche Erfahrungen sorgen. Noch dazu beruhen solche Gedankenmuster oft auf falschen Annahmen.

Ein einfaches Beispiel, was wir letztens in der Gruppe hatten. Eine Frau erzählt, dass sie in der Stadt unterwegs war. An einer Ecke, etwa 30 Meter entfernt, stehen 2 Frauen und unterhalten sich. Auf einmal fängt eine der Frauen an, etwas lauter zu lachen.

Sofort war der Gedanke da: "Die lacht über mich! Die lacht mich aus!" Und dann gleich der nächste Gedanke: "Was ist denn so belustigend an mir?. Bewege ich mich vielleicht gerade komisch? Oder sieht man mir an, dass ich merkwürdig bin?"

Lange Zeit war ihr überhaupt nicht bewusst, was in ihr ablief. Sie hat das alles unreflektiert als Wahrheit verstanden. Aus ihrem Erleben war es selbstveständlich so, dass da 2 Menschen über sie lachen weil sie irgendwie merkwürdig war. Überhaupt war es für sie selbstverständlich, dass sehr oft Menschen über sie lachen. Sie erlebte das ja tagtäglich!

Irgendwann kam sie dahinter, dass da was nicht stimmt. Sie erkannte, dass diese Menschen gar nicht über sie lachen. Doch das Empfinden war so. Der Kopf war sich klar, dass die nicht über mich lachen. Aber das Gefühl war hundertprozentig davon überzeugt, dass es so ist. Und ihr geringes Selbstwertgefühl machte es leicht, zu glauben, dass sich die ganze Welt über sie belustigt.

In diesem Widerspruch entwickelte sich dann eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Und ihr fiel im Laufe der nächsten Monate immer öfters auf: Jedes mal, wenn andere Menschen lachen, kommt das Gefühl: "Die lachen über mich." Aber real - dass sagte ihr der Kopf - ist es gar nicht so. Die lachen über alles mögliche, ohne mich überhaupt wahrgenommen zu haben.

Irgendwann stellte sich die Erkenntnis ein, dass hier eine innere Täuschung vorliegt. Jedes Lachen löst eine feste Abfolge von alten Gedankenmustern aus: "Die lachen natürlich über mich, sie lachen mich aus." und "Ich muss komisch sein und verdiene es ja auch, ausgelacht zu werden."

Wer sich mit solchen Merkwürdigkeiten auseinandersetzt, findet oft sehr viele Gedankenmuster, die einen schon viele Jahre begleiten. Sie haben sich festgesetzt und laufen nun automatisch ab. Sie stimmen aber nicht mehr oder sie stimmen nur selten. Sie halten uns davon ab, das zu sehen, was wirklich ist.

Und nun? Was macht man mit solchen Gedankenmustern, die einen immer wieder etwas Schmerzliches erleben lassen, was gar nicht wirklich existiert?

Man kann an dem Punkt, wo alte falsche Gedanken ablaufen, sinnvolle neue Gedanken dagegensetzen. In Momenten, wo man erkennt, dass wieder der alte falsche Gedanke abläuft, holt man bewusst den neuen Gedanken hervor und versucht, sich dahingehend auszurichten.

Im konkreten Fall hieß dieser Gedanke: "Ich bin in Ordnung und kann mich so annehmen, wie ich bin. Es ist nicht wichtig für mich, warum diese Menschen dort lachen. Wahrscheinlich lachen sie nicht über mich."

Im Grunde ist dies auch Inhalt vieler Therapien. Eine gute therapeutische Unterstützung kann einem helfen, solche Entwicklungsschritte zu durchlaufen. Und in den Selbsthilfegruppen kann man hören, wie andere ihren Weg gehen. Das gibt immer wieder Impulse für den eigenen Weg.

-- Fred

25.11.2009 :: Antidepressiva Edronax - Wirksamkeit umstritten

Das Antidepressiva Edronax (Wirkstoff: Reboxetin) ist mittlerweile seit 12 Jahren auf dem Markt. Es ist ein Selektiver-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (NARI). Jetzt wurden neuere umfangreiche Studien veröffentlicht, wonach das Medikament wirkungslos ist. Es ist nicht signifikant besser als ein Placebo. Jedoch hat es zahlreiche Nebenwirkungen.

Weblinks:

15.11.2009 :: Erfahrung mitteilen

Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass es eine gute Grundorientierung in der Gruppe ist, sich auf das Mitteilen eigener Erfahrung zu konzentrieren. Das ist es, was sich in der Selbsthilfe als besonders hilfreich erwiesen hat. Jeder teilt seine Erfahrungen mit und wir können so voneinander lernen.

Wer Erfahrungen mitteilt, öffnet sich. Zeigt sich ein Stück weit, wie er sich mit dem Leben auseinandersetzt, was er empfindet und denkt. Und das lädt auch andere ein, es ebenso zu tun. So entsteht eine offene Atmosphäre, wo über vieles gesprochen werden kann, was woanders undenkbar scheint. Es ist sehr hilfreich über Dinge zu reden, die man sonst nur im Stillen mit sich selber ausmacht.

Ich hab letztens dazu ein schönes Zitat gefunden:

Teile deine Erfahrung mit anderen, aber versuche nicht, sie ihnen aufzudrängen. Denn du weißt nicht, was der andere braucht, und es ist nicht deine Sache, es zu wissen.
(Paul Ferrini; Denn Christus lebt in jedem von euch)

-- Fred

31.10.2009 :: Achtsamkeitsübungen

Viele, die von Sozialphobie betroffen sind, haben eine eingeengte Wahrnehmung, wenn sie sich draußen bewegen. Die Angst lässt einen nach innen gehen und schränkt den Blick nach draußen ein. Der gesenkte Blick sorgt zusätzlich dafür, dass man seine Umgebung nicht wahrnimmt.

Von daher kann es sinnvoll sein, mal ein paar Wahrnehmungsübungen zu machen. Mir ist das heute gut aufgefallen. Ich sah so einen eckigen Stromkasten am Fußwegrand. Da stand ein Postbote davor und holte was aus dem Kasten heraus. Mich wunderte das, bis ich sah, dass das überhaupt kein Stromverteilerkasten ist, sondern ein Aufbewahrungskasten für Post und Postwurfsendungen. Interessant, sowas hatte ich zuvor nicht bewusst wahrgenommen. Mein Blick war nun irgendwie auf diese Dinger geschärft. Und ich konnte es nicht glauben, dass ich die nächsten 500 Meter insgesamt 10 weitere Kästen am Wegrand stehen sah, ob nun Telefonverteiler, Stromverteiler oder Postsammmlerkästen. So viele Kästen direkt in unmittelbarer Umgebung meiner Wohnung. Und die meisten hab ich seit Jahren nicht bewusst wahrgenommen.

Ich erinnere mich an eine Übung in der Klinik. Wir wurden auf einen Spaziergang losgeschickt mit der Aufgabe, alles Runde wahrnzunehmen. Am nächsten Tag sollten wir dann auf alles Eckige achten. Es ist schon verblüffend, wie rund oder eckig die Welt ist, wenn man erstmal darauf achtet.

Im Zusammenhang mit Sozialphobie ist es natürlich naheliegend, auf die Menschen zu achten, die einen umgeben. Welche Haarfarbe haben die Menschen, die mir begegnen? Was für eine Brille sitzt auf der Nase? Welche Farbe hat die Jacke, der Pullover, die Hose oder die Schuhe? Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wohin man mal für eine Zeit lang seine Aufmerksamkeit hinlenken kann.

Einfach mal neugierig sein und die Welt kennernlernen...

-- Fred

24.10.2009 :: Das gut gelungene Gruppengespräch

Inhalte zu kommunizieren ist eine Sache. Eine gute Gesprächsatmosphäre zu schaffen ist mindestens genauso wichtig. Gute Atmosphäre heißt, dass in der Gruppe eine Gesprächslust entsteht, dass sich alle eingebunden fühlen, das jeder zu Wort kommen kann. Das Wort sollte in einer gewissen Harmonie zwischen den Gruppenmitgliedern wechseln. Die Redebeiträge haben eine angenehme Länge. Zuhören ist wichtig, damit ein echter Dialog entsteht. Und Nähe und Berührtsein.

Es ist gar nicht so einfach, ein gutes Gruppengespräch entstehen zu lassen. Ein paar Probleme, die immer wieder auftreten:

  • Eingefrorenheit - das Gespräch kommt nicht recht in Fluß. Immer wieder reißt das Gespräch ab. Man spürt, dass es eigentlich viel zu sagen gäbe, sich aber keiner richtig traut. Dies ist gerade in Sozialphobie-Gruppen ein besonderes Thema.
  • Kampfquatscher - seltener in Sozialphobiegruppen, aber auch immer mal wieder vorzufinden: Menschen, die so einen Redebedarf haben und andere in Grund und Boden quatschen. Wenn der Rest der Gruppe zudem relativ zurückhaltend ist, unterstützt das noch die einseitige Redeverteilung.
  • Fragespielchen - Manchmal entsteht ein Frage-Antwort Ping-Pong zwischen 2 Gruppenmitgliedern. Alle anderen werden dann zum Zuschauer. Der eine fragt jemanden, woraufhin der andere antwortet. Darauf kommt dann gleich die nächste Frage usw. Es ist schwer, sich als weiteres Gruppenmitglied ins Gespräch einzumischen.
  • Alle Durcheinander - Eine Übermaß an Redeimpulsen kann zu einem Durcheinander führen. Mehrere reden gleichzeitig, der Lautere übertönt den Leiseren. Manchmal kann diese stärkere Dynamik zu angenehmer Lebendigkeit führen, oft führt es aber auch zu Problemen, dass die Leiseren nicht mehr zu Wort kommen.
  • Extrovertierte-Introvertierte - Extrovertierte können die Gruppe so dominieren, dass Introvertierte keine Möglichkeit sehen, ins Gespräch hineinzukommen. Die Stärkeren übernehmen sofort das Wort, wenn ein anderer aufhört zu reden. Die, die ein paar Sekunden brauchen, um ins Gespräch zu kommen, finden nie die entsprechende Pause.
  • Kaffeeklatsch - Es wird nicht mehr über die persönliche Betroffenheit mit dem Gruppenthema gesprochen, sondern über Gott und die Welt. Gespräche werden oberflächlich und Inhalte recht bedeutungslos. Allgemeinplätze werden bedient, bei einigen entsteht Langeweile oder Frust.
  • Überforderung - Das Gespräch löst Belastendes in einem aus, was einen überfordert. Man kann nicht mehr zuhören, will am liebsten raus aus der Situation. Oder lässt sich herunterziehen und wird depremiert. Das Leid des anderen überträgt sich in ungünstiger Weise auf mich. Überforderung kann auch bedeuten, dass einfach zu viel in zu kurzer Zeit besprochen wird. Pausen und Momente der Stille fehlen.
  • Gesprächsbarriere - Gar nicht so selten ist es, dass Betroffene sich nicht ins Gespräch einmischen können. Die Barriere ist zu groß, mal das Wort zu ergreifen. Alles spielt sich nur im eigenen Kopf ab. Es gäbe viel zu sagen, aber man traut sich nicht.

In der Offenen Gruppe ist ein Moderator besonders wichtig. Ein erfahrenes Gruppenmitglied achtet auf solche Probleme, die zu einem ungünstigen Gesprächsverlauf führen. Der Moderator interveniert, falls ihm solche schwierigen Situationen auffallen. Oder er spricht mal ein Gruppenmitglied an, was bisher noch nichts gesagt hat. Vielen hilft das, ins Gespräch hineinzukommen.

Der Moderator ist aber kein Profi und noch zudem normales Gruppenmitglied, was ebenso Bedürfnisse hat, über seine Themen zu sprechen. Diese Doppelrolle ist nicht immer leicht.

Viel wichtiger ist es deshalb, dass mit der Zeit eine gute Gesprächskultur entsteht, wo jedes Gruppenmitglied Verantwortung für ein gutes Gruppengespräch mitübernimmt. Also weg von einem, der sich um das Gruppenwohl kümmert, hin zu einer verteilten Struktur, wo sich jeder darum kümmert.

Für Neueinsteiger haben wir einige Gesprächsregeln formuliert. Diese sollen helfen, eine gute Gesprächsatmosphäre und Eigenverantwortung zu fördern.

In den Kerngruppen etabliert sich in der Regel mit der Zeit so eine Gesprächskultur. Ein Moderator ist dann kaum noch nötig.

-- Fred

22.10.2009 :: Alles kann besser werden

Du bist schlecht drauf? Keine Hoffnung?

ALLES KANN BESSER WERDEN -
GIB NICHT AUF!

19.10.2009 :: Aus Scham die Gruppe meiden

In der Offenen Gruppe kommt es immer wieder vor, dass Betroffene nur 1-2 mal vorbeikommen und dann den Kontakt wieder abbrechen. Ansich ist das nichts Ungewöhnliches für Selbsthilfegruppen. Es gibt viele Gründe, warum das so ist.

Ein besonders heikler Grund bei Sozialphobie sind Erfahrungen von Scham. Im Kontakt mit anderen kann es passieren, dass man sich in einer Art erlebt, die man nicht ertragen kann. Es müssen noch nichtmal peinliche Situationen sein, die dieses unerträgliche Gefühl auslösen. Es kann sein, dass man im Nachhinein das Gefühl hat, zu persönlich von sich erzählt zu haben. Oder das man meint, zu wenig oder zu viel geredet zu haben. Im Grunde kann alles, was man im Kontakt mit anderen erlebt, aus der eigenen Wahrnehmung heraus sich unannehmbar anfühlen.

Was macht man mit so einem Schamgefühl? Eine Möglichkeit ist: Weil die Erfahrung sich so unerträglich anfühlt, verdrängt man die Erinnerung daran. Und damit verdrängt man die ganze Gruppenerfahrung. Folglich geht man nun auch nicht mehr hin, weil das ja die Erinnerung an das unerträgliche Gefühl wieder aktualisiert.

Manchen geht es übrigens in vielen Beziehungen mit anderen Menschen so: Sie brechen regelmäßig Kontakte ab, weil ein Gefühl zurückbleibt, dass etwas Unerträgliches im Kontakt passiert ist. Man glaubt, auf eine Art gewesen zu sein, die unannehmbar ist.

Wenn wir über solche Erfahrungen sprechen, zeigt sich oft: Andere erleben die Situation völlig anders. Man selber glaubt aber, die anderen sehen einen genauso, wie man sich selbst sieht: Unannehmbar. Das Gegenteil ist aber oft der Fall: Die anderen mögen einen, finden einen sympathisch und können sich an bestimmte Schlüssel-Situationen, die man selber nicht aushalten kann, gar nicht sonderlich erinnern. Deshalb nicht, weil sie darin gar nichts Sonderbares sehen.

Vieles spielt sich nur im eigenen Kopf ab. Die anderen Menschen denken und fühlen nicht so, wie wir es bei Schamgefühlen oft selbst erleben und wie wir mutmaßen.

Auch wenn nicht unbedingt angenehm: Es kann sich lohnen, nochmal hineinzuspüren, warum man den Gruppenkontakt abbricht. Hilfreich kann es sein, dies auch mit einem Therapeuten für sich zu klären. Vielleicht entdeckt man so Muster und Fehleinschätzungen, die einem im Leben immer wieder behindern.

Gerne könnt ihr auch persönlich Kontakt mit uns aufnehmen, um belastende Situationen in der Gruppe zu klären.

-- Fred

11.10.2009 :: In 10 Tagen zum perfekten Smalltalker

So in etwa könnte ein Titel für ein Buch der typischen Lebenshilfe-Machart lauten. Klingt doch vielversprechend, oder?

Was findet man in solchen Büchern? Meist ist es eine Sammlung von Techniken und Anweisungen, wie ein Smalltalk ablaufen sollte. Nur: Wird man mit den richtigen Techniken zu einem guten Smalltalker?

Wir hatten hier ja schon hier in einem Eintrag vom 03.08.2009 einige Tipps gegeben. Natürlich helfen solche Tipps und Techniken. Es ist z.B. wichtig zu wissen, dass es beim Smalltalk nicht zentral um Informationsvermittlung geht. Man will vielmehr miteinander warm werden, eine gute Beziehung zueinander aufbauen. Und da ist es dann auch gut zu wissen, dass man nicht mit Negativthemen oder Problemen in einen Smalltalk hineingeht. Solche Tipps geben einem wichtige Orientierung.

Daneben gibt es jedoch ein paar Dinge, die tiefer reichen und rein gar nichts mit Techniken zu tun haben. Das zeigt sich an Menschen, die gute Smalltalker sind und in einer Lebenskrise auf einmal keinerlei Smalltalk mehr führen können. Sich anderen Menschen zu öffnen und positiv zuwenden zu können, braucht mehr, als nur Techniken.

Die innere Grundstimmung ist wichtig: Bin ich traurig, betrübt, depressiv? Oder fühle ich mich leicht, laufe über vor Freude und Interesse? Kann ich mich freuen oder überhaupt in der Energie von Freude mitschwingen?

Mitschwingen - das ist auch ein wesentlicher Punkt: Kann ich mich überhaupt emotional für andere Menschen öffnen und in Resonanz gehen? Kann ich in Kontakt mit meinen Gefühlen kommen? Berühren mich andere Menschen? Lösen sie etwas in mir aus?

Auch der emotionale Ausdruck ist wichtig: Kann ich das, was ich fühle, überhaupt ausdrücken? Habe ich den Mut, meine Emotionen sichtbar nach außen zu bringen?

Im Smalltalk spielen emotionale Energien von Begeisterung, Interesse, Neugier, Freude, Leichtigkeit und Verbundenheit eine Rolle. Wie geläufig sind mir diese Energien und wie oft lebe ich die in meinem Alltag?

Solche Faktoren sind Dinge, die tiefer in die Persönlichkeit und die Lebenssituation eines Menschen reichen. Traumatische Erfahrungen im Kontakt mit anderen Menschen können es z.B. unmöglich machen, mich freudig und interessiert anderen Menschen zu öffnen. Angst blockiert und lässt mich nicht frei fließen. Ich kann es maximal spielen oder vortäuschen. Es gibt keine schnell erlernbaren Techniken, die so ein Trauma wegbügeln.

In den Medien hört man in der letzten Zeit öfters etwas über Mobbing und wie verstört Menschen nach intensiven Mobbingerfahrungen sind. Sie brauchen mitunter Jahre, um sich Menschen wieder zu öffnen und neues Vertrauen zu entwickeln.

An diese Faktoren muss man gerade denken, wenn man Smalltalk aus der Sozialphobie-Perspektive betrachtet. Wenn wir Projektgruppen mit praktischen Übungen machen, zeigt sich, dass es manchmal an Techniken mangelt, oft aber tiefere Themen eine Rolle spielen, warum jemand nicht fähig ist, zu smalltalken. Das fällt vor allem bei denen auf, die in geschützter und vertrauter Atmosphäre den Smalltalk gut beherrschen, im Alltag sich aber blockiert und unfähig fühlen. Sie wissen, wie es geht, sie können es, haben aber in bestimmten Situationen keinen Zugang dazu.

Für die Veränderung der tieferliegenden Faktoren braucht es Zeit und gute Begleitung. Begleitung in Form von Psychotherapie, Klinikaufenthalten, Selbsthilfegruppen und ein gutes soziales Umfeld. So kann ganz langsam etwas wie Offenheit, Vertrauen und Lebensfreude wachsen. Und wenn das dann da ist, fließt Smalltalk mitunter von ganz alleine aus einer Intuition heraus.

-- Fred

11.10.2009 :: Nachwuchs für Kerngruppe 2

Die Kerngruppe 2 wurde vor mittlerweile gut 2 Jahren gegründet. Damals gab es zahlreiche Interessierte aus der Offenen Gruppe, die gerne in eine Kerngruppe wollten. Weil aber die damals einzige Kerngruppe längere Zeit niemanden mehr aufnehmen konnte, gründeten wir die Kern 2.

Diese Gruppe trifft sich jeden Mittwoch von 18:45-21:00 Uhr. Seit geraumer Zeit sind wir etwas unterbesetzt. Wir würden uns deshalb über Neueinsteiger freuen.

Der beste Einstieg ist, wenn man zuerst für 3 Abende in die Offenen Gruppe kommt. Hier bekommt man erste Erfahrungen, was wir als Selbsthilfegruppe so machen.

Kerngruppe bedeutet vor allem, beständig mit gleicher Besetzung intensiver an Themen arbeiten zu können. Mit der Zeit lernt man sich besser untereinander kennen und bekommt so einen näheren Kontakt. Für viele ist es auch ein Ankerpunkt in der Woche, wo man vertraute Menschen trifft und über sich reden oder einfach nur zuhören kann.

Interessenten können sich bei uns melden - in der Offenen Gruppe oder per Mail.

-- Fred

06.10.2009 :: Heilsames Singen

In einer Klinik lernte ich die Kraft des Heilsamen Singens nach Karl Adamek kennen. Wenn man sich dafür öffnen kann, ist es emotional sehr berührend. Die Freude und Lebenslust, die bei allen Beteiligten immer wieder aufkam, war sehr schön.

Das Lied "So wie ein Baum" passt gut zum Thema Sozialphobie, weil es sowohl das Autonome wie auch das Verbindende aufgreift. Der Einzelne - die Gruppe - beides hat seinen Wert. Ebenso das Thema, standhaft im Leben zu stehen. Und was wäre die Welt, ohne die beglückende Freiheit des Himmels? Freiheit, Freude, Inspiration, Kunst, Liebe, Hoffnung, Spiritualität...

Hier der Text:

 
So wie ein Baum,
einzeln und frei,
so wie ein Wald,
brüderlich sein,
hoch in den Himmel,
frei zur Sonne hin,
Tief in der Erde,
fest verwurzelt stehn.

(Karl Adamek)

Hier kann man es Online hören: http://www.karladamek.de/download-heilsames-singen.html

Im Ruhrgebiet gibt es immer wieder Gruppen, in denen das Heilsame Singen angeboten wird. Wer den Mut hat, kann hier vielleicht beglückende Momente erleben.

Weblinks:

-- Fred

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