Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2009-Q2)

26.06.2009 :: Bewertung ist alles

Was durch unser Tun zustande kommt, unterliegt meist einer besonderen Bewertung. Diese Bewertung läuft in uns ab, unbewusst oder wahrnehmbar durch innere Dialoge oder wiedererlebte Bewusstseinsmuster aus früheren Prägungen.

Hier mal ein paar ganz unterschiedliche innere Stimmen, wie Menschen mit einem nicht ganz optimalen Ergebnis umgehen:

  • Person A: Ist nicht sonderlich schön geworden. Aber so kenne ich mich, ich bring halt nichts sonderliches zustande.
  • Person B: Wie kannst du nur so einen Mist produzieren! Das ist doch völliger scheiß! Schäm dich!
  • Person C: Du bist und bleibst ein Versager! Herzlichen Glückwunsch, du hast mal wieder bestens deine Unfähigkeit bewiesen!
  • Person D: Ist schon nicht schlecht, aber noch nicht genau das, was ich gerne hätte. Da brauch ich noch etwas mehr Übung.
  • Person E: Nicht schön, aber brauchbar. Beim nächsten mal wirds besser.
  • Person F: Kannst du dir nicht mal etwas mehr Mühe geben? Immer dieser Pfusch!
  • Person G: Wieso bemühst du dich nicht einmal etwas mehr? Wenn du nicht so faul wärst, könntest du viel mehr erreichen!

Diese Werturteile sind oft Wiederholungen von Mustern, wie früher andere mit uns gesprochen haben. Das hat man verinnerlicht - oft ganz unbewusst. Es kann aber auch sein, dass man in sich einen eigenen Umgang kreiert hat. Wir sind ja nicht nur Menschen, die einfach nur wiederholen. Wir sind auch kreativ und entwickeln Neues im Umgang mit der Welt.

Werturteile haben eine große Macht auf unser Leben. Davon hängt ab, wie wir uns fühlen. Wer strenge-abwertende Muster verinnerlicht hat, leidet oft und macht sich runter. Wer humorvolle Bewertungsmuster hat, kann vielleicht auch bei Misserfolgen über sich lachen und baut sich auf.

Werturteile haben auch einen großen Einfluss darauf, wie wir uns entwickeln werden. Im schlechtesten Fall verhindern sie Weiterentwicklung. Werturteile suggerieren einem z.B., dass man einfach unfähig ist und nie etwas aus einem werden wird. Das demotiviert und raubt jede Lust darauf, besser zu werden. Streng-fordernde Muster können zwar die Entwicklung von Fähigkeiten fördern, der Preis ist jedoch ein Verlust an Lebensqualität, Lebenslust, Kreativität und Flexibilität. Strenge bringt oft starre und einseitige Verhaltensmuster hervor, die nicht an die jeweiligen Gegebenheiten anpassbar sind. Durch zu viel Strenge kann man auch den Kontakt zu seinen wirklichen Begabungen und dem, was man wirklich will, verlieren.

Auf der anderen Seite kann eine Egal-Haltung zu allem, was man tut, zu einem Stillstand in der eigenen Entwicklung führen.

Wie auch immer - ganz oft ist die Art, wie wir uns und unsere Leistungen bewerten, alles andere als optimal. Es gibt bessere Alternativen, wie wir mit uns umgehen können. Es lohnt sich deshalb, hier eine "innere Baustelle" auf zu machen: Zu erkennen, wie man mit sich umgeht, welche inneren Bewertunsprozesse ablaufen. Um dann bessere Alternativen zu finden und diese dann zu üben.

Dieser Umlernprozess ist meist langwierig. Alte festsitzende Bewertungsstrukturen verschwinden nicht so einfach. Und neuer Umgang mit sich selbst muss gefestigt werden. Und doch können recht schnell Fortschritte spürbar werden.

Bewusstheit braucht es, um überhaupt zu erkennen, wie man mit sich umgeht - jetzt im Moment. Und dann ist die Chance da, es anders zu machen. Bei allem, was langwierig ist, braucht es vor allem Dranbleiben. Dieses dauerhafte Bemühen darum wird mit der Zeit zu Veränderungen führen.

Einen neuen Umgang mit sich zu lernen, kann sehr befreiend und wohltuend für das ganze Wesen sein. Das bestätigen immer wieder Betroffene, die diesen Weg gegangen sind.

-- Fred

18.06.2009 :: Die Macht des Umfelds

Sozialphobie ist nicht nur eine indivduelle Problematik. Das Umfeld, in dem man lebt, spielt eine zentrale Rolle. Es kann sogar sein, dass das Umfeld das zentrale Problem darstellt und ein Wechsel in eine andere Atmosphäre die Problematik verschwinden lässt.

Der Arbeitsplatz kann sowohl förderliches wie auch problematisches Umfeld sein. Problematisch kann sein:

  • ein starkes Misstrauen unter den Kollegen
  • Etablierung auf Kosten der anderen - Intrigen, Mobbing, Missgunst, Machtspiele
  • negative Werturteile stehen im Vordergrund - man sucht nach Fehlern, nach Abwertung des Kollegen, nach persönlicher Abwertung des anderen
  • eine zugeknöpfte abweisende Atmosphäre
  • unklare Anweisungen mit späterer Zurechtweisung -> Man muss scheitern, weil gar nicht klar kommuniziert wird, wie etwas zu machen ist.
  • sich lustig machen auf Kosten anderer, über Kollegen lästern
  • autoritärer Machtmissbrauch und Willkür

In so einem problematischen Umfeld können gerade sensible oder vorgeschädigte Menschen stark leiden. Die Sozialphobie kann sich damit verstärken oder so überhaupt erst entstehen. Wer kein dickes Fell hat, den berührt und verunsichert so ein Umgang massiv. Und die Abgebrühten werden in so einem Umfeld noch härter und unmenschlicher.

Die derzeitige Wirtschaftskrise lässt auch den Wind in Unternehmen härter wehen. Die Gefahr, dass vielerorts ein ungünstiges Betriebsklima entsteht, in dem nur noch die Abgebrühten überleben, ist groß. Ein gutes Betriebsklima wird als Luxus gesehen, den man sich jetzt nicht mehr leisten kann. Gleichzeitig nehmen die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen stark zu.

Auch die Ursprungsfamilie kann ein soziales Feld sein, in dem sich Erkrankungen bei Einzelnen manifestieren. Familientherapeutische Therapien arbeiten diese Problematik immer wieder heraus: Eine kranke Familienstruktur sorgt dafür, dass einzelne Familienmitglieder krank werden. Das perfide daran ist, dass solche Strukturen über viele Jahre gewachsen sind und nicht auffallen oder bewusst sind. Das Gewohnte fällt am wenigsten auf. Erst Externe können diese Struktur sichtbar machen.

Die Schuldfrage ist dabei auch zweitrangig, es geht eher darum, das eine bestimmte Struktur entstanden ist, die für eine oder mehrere Personen leidvoll ist. Und es geht darum, dieses leidvolle System in irgendeiner Form aufzulösen. Mitunter ist natürlich mit massivem Widerstand zu rechnen, denn der, der leidet erfüllt für die anderen eine wichtige Funktion. Eine Veränderung der Struktur bewirkt etwas Unangenehmes für die anderen Beteiligten. Deshalb halten alle daran fest.

Die Schule ist ein ebenso prägendes Umfeld, in dem Menschen leiden oder krank werden können. In einer Schulklasse als Einzelgänger zu gelten und ausgeschlossen zu werden, kann grausam sein. Auch Mobbing oder körperliche Gewalt ist keine Seltenheit.

Man muss sich auch klar machen: Wir sind alle in irgendeiner Form bedürftig nach Anerkennung und sich angenommen fühlen. In einem Umfeld, wo dieses Angenommensein immer wieder spürbar wird, da fühlt man sich wohl. Dort kann man wachsen und sich entfalten. Dort kann man sich festigen, Halt bekommen und sein Wesen leben.

Wer in schwierigen Umfeldern wirken muss, tut gut daran, sich daneben stützende Umfelder zu suchen. Sozusagen als guter Gegenpol, wo man Rückhalt findet und sich angenommen fühlt. Ein Stück weit kann eine Selbsthilfegruppe dies leisten. Und aus dieser heraus können auch wieder Freundschaften und soziale Netzwerke entstehen, die Halt geben.

Weblinks:

09.06.2009 :: Warum Perfektionismus so problematisch ist

Es ist nicht selten, dass Perfektionismus und Sozialphobie Hand in Hand gehen. Ist es denn verkehrt, perfekte Ergebnisse zu wollen?

Das Problem am Perfektionismus ist vor allem, dass er nichts anderes duldet. Es gibt nur ganz wenig, was als gut empfunden wird, alles andere ist schlecht und wird massiv abgewertet.

Das Ideal, dem man entsprechen will, ist eine ganz bestimmte Vorstellung. Und nur wenn genau diese erreicht wird, ist man zufrieden. Man ist auf bestimmte Ideen vom Leben fixiert, wenig flexibel.

In einem Buch habe ich gerade gelesen: "Innerer Frieden und Perfektionismus schließen sich aus." Weil wir in einer unperfekten Welt leben und auch selber unperfekt sind, müssen Perfektionisten permanent frustriert werden und im Kampf mit der Realität sein.

Sogesehen ist Perfektionismus eine verengte Weltsicht, die nur aus extrem seltenen Situationen Befriedigung ziehen kann. In Situationen, wo mal wirklich alles bestens läuft.

Wäre es nicht viel schöner, wenn man allem, was das Leben so bietet, etwas Positives abringen könnte? Wenn man sich in der Kunst schult, allem neugierig und aufgeschlossen zu begegnen. Um das Gute, Sinnvolle und Hoffnungsgebende zu entdecken...

Wer perfektionistisch genaue Vorstellungen hat, wie Kommunikation ablaufen muss und wie man dabei zu sein hat, setzt sich massiv unter Druck, um seinen Vorstellungen zu entsprechen. Und verliert dabei die ganze Spontanität und den natürlichen Fluß in Kommunikation.

Interessant ist auch die Frage, wo all unsere Vorstellungen herkommen, was perfekt ist. Und wofür wir diese Vorstellungen überhaupt brauchen.

Für die eigene Entwicklung ist es oft essentiell, dass wir positive Veränderungen an uns wahrnehmen können. Ich erinnere mich an jemanden, der übte, allein in ein Cafe zu gehen. Die Übung machte er mit Hilfe eines Therapeuten. Alles klappte soweit, aber als er wieder herauskam, sagte er zum Therapeuten: "Alles ist schief gelaufen, ich muss total komisch auf alle dort gewirkt haben. Und dann bin ich auch noch an dem Stuhl hängengeblieben. Die haben sich bestimmt alle kaputt gelacht über mich..." Der Therapeut machte ihm erstmal klar, dass es wunderbar war, dass er seinen Mut zusammengenommen hat und alleine in das Cafe ging. Für ihn war alles ein voller Erfolg! Die Situation hat er viel positiver wahrgenommen.

Der Perfektionist nimmt also fast alles als Scheitern wahr und wertet sich ab. Lernen braucht aber Erfolgserlebnisse und die Wertschätzung von dem, was sich in die richtige Richtung entwickelt. Meist bedeutet lernen, viele kleine Schritte zu machen. Und jeder Lernschritt ist bedeutsam und wertvoll. Der Perfektionist hingegen kann all das nicht sehen und wertschätzen.

-- Fred

05.06.2009 :: Wenn nicht alles so wichtig wäre...

Wenn es mir nicht so wichtig wäre, was andere über mich denken, könnte ich frei und unbekümmert einfach so sein, wie ich bin.

Wenn es mir egal wäre, dann darfst du gerne über mich lachen. Dann würde deine Geringschätzung nichts mit mir zu tun haben.

Ihr könntet alle über mich reden und tuscheln, warum auch nicht. Ich will es euch lassen, irgendeine Art von Unterhaltung braucht ja jeder. Amüsiert euch ruhig köstlich...

Wenn mir peinliche Situationen nicht so wichtig wären, würde ich wohl auch selber drüber lachen, wenn ich mal wieder ins Fettnäpfchen getreten bin. Dann wäre Peinlichkeit ein alter Freund für mich, der mich mal wieder besucht...

Und wenn ich gerade mal wieder zitternd meine Kaffeetasse zum Mund führe, ist auch das völlig ok. Der Kaffee schmeckt mit oder ohne Zittern. Und die Gedanken, die ich in anderen dadurch auslöse, dürfen gerne sein.

Wie leicht wäre das Leben, wenn ich nicht alles für so fürchterlich wichtig halten würde? Vielleicht hängt alles nur daran, die Dinge so sein zu lassen, wie sie sind.

Gedanken nach einer Gruppenstunde von Fred

31.05.2009 :: Angstphantasien

Beängstigende Situationen lösen im Vorfeld oft Angstphantasien aus. Alles, was man sich Unangenehmes vorstellen kann, kommt ins Bewusstsein und wird geistig 'durchgekaut'. Manchmal schon tagelang oder wochenlang vorher. An sich ein ganz normaler Vorgang.

Diese Vorbeschäftigung und die Angst in der Situation sorgt dann jedoch dafür, dass wir einseitig wahrnehmen. Die ganze Aufmerksamkeit ist darauf ausgerichtet, ob das befürchtete eintritt. Alles, was passiert wird dahingehend analysiert, ob jetzt das Schlimme passiert.

Was man nicht wahrnimmt, sind all die günstigen Momente: Vielleicht gibt es Menschen, die sich auf mich und den Kontakt mit mir freuen. Vielleicht gelingt ein Kontakt gerade sehr gut. Oder die Sonne scheint und das gute Wetter entspannt mich ein wenig.

Ich glaube, man kann sehr viel für sich tun, wenn man im Vorfeld positive Vorstellungen und Bilder in sich entwickelt. Wenn man sich z.B. vorstellt, wie man ein angenehmes entspanntes Gespräch mit jemanden führt. Wenn man sich vorstellt, wie angenehm der Kontakt mit anderen auch sein kann.

So aktiviert man geistig schonmal all das, was man doch eigentlich sucht, wo man doch eigentlich hin will. Und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass geistige Vorwegnahme eine Kraft darstellt, die genau das stützt und fördert, was man sich vorstellt.

Durch geistige Vorwegnahme kann man auch ähnlich wie in Rollenspielen, neues Verhalten ausprobieren. Man stellt sich z.B. vor, wie man in einem Konflikt sein Bedürfnis klar äußert und sich dafür einsetzt. Man erlebt sich in der Phantasie so, wie man gerne sein möchte. Und dies kann man auch mit Variationen wiederholen, bis man eine Art gefunden hat, die einem gefällt.

Für beängstigende Situationen kann man Verhalten durchspielen, was einen schützt. Oder wie man angespannte Situationen auf eine locker-lustige Ebene hebt.

Menschen lernen auch immer wieder durch Vorbilder. Und so können wir Menschen beobachten, wie sie mit Situationen umgehen, wie sie es schaffen, sich für sich und ihre Bedürfnisse einzusetzen. Und auch dieses Verhalten kann man versuchsweise in der Phantasie übernehmen. So verinnerlicht man eine bestimmte Art, die man später auch mal im Alltag ausprobieren kann.

Vorgefertigte Verhaltensmuster kann man natürlich nie 1:1 in die Praxis übernehmen, weil in der Realität alles etwas anders sein wird. Man weiß nicht, wie sich Menschen verhalten werden. Man kann nicht erwarten, dass vollständige geistige Dialoge sich so umsetzen lassen. Denn man weiß ja nicht, wie das Gegenüber sich verhält. Und trotzdem hat man ein Fundus an Ideen im Kopf, die man im realen Leben dann als Impulsgeber nutzen kann.

Wichtig ist: Phantasien über beängstigende Sachen kommen automatisch, da braucht man nichts für zu tun. Phantasien, wie es gelingen kann und wie es schön ist, kommen oft nicht von allein, hier muss man bewusst selber aktiv werden.

-- Fred

28.05.2009 :: Werbeaktion Therapeuten und Ärzte

Die meisten Kontakte zu unserer Gruppe kommen über das Internet zu stande. Außerhalb des Internets gibt es etwas Nachholbedarf, auf unser Angebot aufmerksam zu machen. Deshalb hat die Kerngruppe II jetzt eine Aktion gestartet und nahezu alle Therapeuten und Nervenärzte in Dortmund angeschrieben. Insgesamt waren es 170 Briefe. Jetzt sind wir gespannt, wie die Resonanz ist.

Nachtrag 11.10.2009: In den ersten 4 Wochen nach der Aktion passierte nichts und einige Enttäuschung und Zweifel an der Sinnhaftigkeit setzten ein. Ich glaube aber daran, dass Werbung hier ein schwieriges Geschäft ist - man muss immer wieder auf sich aufmerksam machen, immer wieder Impulse in die Welt geben. Und darauf vertrauen, dass es sich als Möglichkeit in den Köpfchen festsetzt, das der Impuls irgendwann die richtigen Menschen erreicht. Sehr wertvoll ist es, wenn wir Multiplikatoren erreichen, also z.B. Therapeuten und Ärzte, die dann fortwährend die Möglichkeit der Selbsthilfe ihren Patienten weitergeben. Und in dieser Hinsicht zeigt sich nun nach einigen Monaten bereits Wirkung - einige der Neueinsteiger kamen aufgrund einer Empfehlung durch ihren Arzt oder Therapeuten. Das freut uns und macht Mut, beständig weiter an solchen Aktionen dran zu bleiben. Der erste Schritt ist wichtig, erstmal von den richtigen Menschen wahrgenommen zu werden. -- Fred

21.05.2009 :: Bereitschaft zur Veränderung

Wieviel bist du bereit, in deine Gesundung zu investieren?

Das ist eine interessante Frage und ich hab das Gefühl, daran hängt ganz viel. Ich glaube, dass man bei Sozialphobie oft beträchtlich Zeit, Mühe und Ausdauer investieren muss. Und eine Menge Mut gehört natürlich auch dazu. Es ist für viele kein Problem, welches man mal eben nebenbei löst oder durch einen Therapeuten lösen lässt. Auch wenn der Wunsch danach groß ist.

Ich beboachte, dass die Bereitschaft, etwas in seine Gesundung zu investieren, oftmals einen längeren Leidensweg braucht. Je größer der Leidensdruck, um so mehr ist man bereit, etwas zu tun. Leider bricht das Bemühen aber auch wieder ab, wenn der Leidensdruck sich wieder abschwächt. Es ist nicht untypisch, dass es viele solcher Phasen mit großem Leidensdruck braucht, bis sich genug Einsicht und Kraft entwickelt, wirklich etwas zu verändern.

Die Bereitschaft wächst oftmals im Laufe des therapeutischen Prozesses. Bei Therapie-Neulingen kann es schonmal daran scheitern, dass die 30 Minuten Fahrtweg zum Therapeuten als zu langwierig empfunden werden und man deshalb gar nicht erst die Therapie beginnt. Oder das die 6 Monate Wartezeit auf eine Therapie als unzumutbar empfunden werden.

Umgedreht kenne ich einige, die nach jahrelanger Therapie eine große Bereitschaft entwickelten, sich tiefgreifend zu verändern. Selbstbezahlte Therapien oder anstrengende Therapiewochenenden nimmt man nun auf sich. Oder die lange Reise zu einem 100Km entfernten Therapeuten, tritt man regelmäßig an. Weil man spürt, dass man mit diesem Menschen sehr effizient zusammenarbeiten kann. Irgendwie ist eine Einsicht gereift, dass man wirklich will und das man bereit ist, dafür alles nötige zu geben. Der therapeutische Prozess hat eine ganz zentrale Bedeutung im Leben bekommen.

Ich glaube, dass viele nicht wirklich weiter kommen, weil sie immer noch auf der Suche nach einfachen Lösungen sind, die einem wenig Veränderung abverlangen. Ich kenne dieses Gefühl sehr gut, nur das Nötigste tun zu wollen und auch das nur widerwillig. Es ist immer noch die Hoffnung da, das Problem wird sich irgendwie von selbst oder nebenbei erledigen. Oder es wird für mich erledigt.

Ein Musterbeispiel dafür ist die Vorstellung von Hypnose. Sie versinnbildlicht die Hoffnung, nahezu mühelos gesund zu werden. Insofern löst sie immer wieder eine Faszination unter Betroffenen aus. Auch wenn Hypnose eine durchaus sinnvolle Therapiemethode sein kann, so löst sie für alle mir bekannten Menschen nicht die Hoffnung ein, mühelos seine Probleme zu bewältigen.

Faszinierend und kostbar finde ich die Phasen, in denen Menschen wirklich tief bereit sind, sich verändern zu wollen. Es ist beeindruckend, was Betroffene dann alles bewegen und wie sie in solchen Phasen reifen. Und wie sie andere Menschen anstecken, auch an sich zu arbeiten.

Vielleicht ist die tiefe Bereitschaft, wirklich etwas verändern zu wollen und dafür viel auf sich zu nehmen, ein zentraler Schlüssel für die Lösung seiner Probleme. Wenn es sich so verhält, dann wäre die Frage: Wie kann man so eine Bereitschaft fördern? Wie kann sich dieser starke und beständige innere Wille entwickeln?

Braucht es dafür 10-20 Jahre leidvolle Erfahrungen und dutzende Therapien? Oder kann so eine Einsicht schneller reifen? Kann man schneller an den Punkt kommen, wirklich all das für sich zu tun, was es braucht? Auch wenn das bedeutet, dass es sehr anstrengend wird?

Ich denke, das sind spannende Fragen, die man mal in einer der kommenden Gruppen diskutieren kann.

-- Fred

11.05.2009 :: Sich beobachtet fühlen

Soziale Ängste sind ja sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ein wichtiger Bereich ist das Thema "Sich beobachtet fühlen", worunter viele leiden.

Das Drama fängt meist schon früh in der Kindheit an. Eltern beobachten einen und wenn man irgendetwas ungewolltes tut, gibt es Ärger, Stress oder auch körperliche Gewalt. Nachbarn beobachten und tratschen über einen. Oder die Eltern erfahren über die Nachbarn irgendwas und das hat wiederum Konsequenzen. Falsch verstandener Glauben vermitteln einem Bilder von einem strafenden Gott, der alles sieht.

Auch die Ängste der Eltern färben auf die Kinder ab. Wenn Eltern Angst haben, was die Nachbarn erzählen könnten, wirkt das direkt auch auf die Kinder. In Dörfern ist das Thema "Was denken die Nachbarn über uns" ausgeprägter, als in Großstädten.

In der Schule kann man auch Opfer für Tratsch werden. Man wird beobachtet und ist man irgendwie auffällig, wird über einen hergezogen.

In der DDR waren viele Menschen vorsichtig, was sie sagten, denn immer konnte die Stasi oder ein Spitzel mithören oder einen beobachten.

Später im Leben ist manches gar nicht mehr so wichtig. Aber das, was man damals gelernt hat, ist nun fest im Bewusstsein verankert. Das kann soweit gehen, dass man sich nicht mehr vor die Haustür traut, weil die Angst, beobachtet zu werden, zu groß ist.

Es ist sicherlich kein leichter Weg, sich von solchen tief verankerten Strukturen zu befreien. Es gibt aber mittlerweile recht viele therapeutische Verfahren, so eine Problematik anzugehen.

In der Selbsthilfegruppe kann man hören, was Menschen tun, um da heraus zu kommen. Ein wichtiger Schritt ist sicherlich, auszubrechen aus all den Vorstellungen, wie andere Menschen uns gerne hätten. Zu sich und seinem Leben zu stehen und mutig Dinge zu tun, wo die alten Stimmen einem "Nein" sagen. Sich immer wieder dazu ermutigen, etwas zu tun, was man selber für gut befindet, auch wenn es andere vielleicht lächerlich finden.

Es ist gut, genauer hinzuschauen, um klarer zu bekommen, vor was genau man Angst hat. Beobachtet zu werden an sich ist nicht der eigentliche Grund. Den findet man erst in den Urteilen oder Reaktionen der anderen. Man kann sich also vorstellen, was die Leute schlimmstenfalls denken und tun, die mich da beobachten. So kommt man an die Ursachen seiner Ängste ran und kann sie begreifen. Auch kann man so gezielter am eigentlichen Problem arbeiten.

Ganz wichtig ist, seinen Selbstwert aufzubauen. Es geht im Grunde um die Wertschätzung von all dem, was ich bin und was mich ausmacht. Denn verletzt werden können wir vor allem da, wo wir uns selbst nicht angenommen haben.

Ein Umfeld, was einen so annimmt, wie man ist, schafft einen guten Gegenpol. Hier kann man auch lernen, sich selber anzunehmen, hier wird einem der Rücken gestärkt.

Ein Realitätscheck ist sicherlich immer mal wieder nötig: Sind Menschen mir wirklich so feindlich gesinnt, wie das in meinem Kopf an Vorstellung ist? Interpretiere ich die Signale anderer Menschen wirklich richtig? Oder verzerren alte Vorstellungen meine Wahrnehmung im Hier und Jetzt?

Therapie bei dieser Thematik erscheint mir besonders wichtig. So tiefsitzende Bewusstseinsstrukturen brauchen im Veränderungsprozess gute therapeutische Begleitung.

-- Fred

10.05.2009 :: Die Erfahrung zu scheitern

Die Erfahrung, zu scheitern, ist für viele Menschen schwer zu ertragen. Im Kopf ist eine Vorstellung, was man will oder was sein soll. Und wenn das nicht erreicht ist, ist man gescheitert.

Scheitern kann ganz tief gehen und uns erschüttern. Denn scheitern ist oft stark verknüpft mit eigener Entwertung. Wer sich stark dadurch definiert, was er kann, fühlt sich beim Scheitern völlig wertlos. Auch aggressive Gefühle von eigener Verachtung können dabei entstehen. Die Grundaussage ist: "Wenn du das nicht kannst, bist du ein Nichts!"

Ursache dafür kann ein stark wertendes Umfeld gewesen sein, in dem man aufgewachsen ist. Ein Umfeld, in dem Erfolg alles war und man bei Misserfolg starke Verachtung zu spüren bekommen hat. Gerade wenn wir als Kind starke Verachtung von unseren wichtigen Bezugspersonen erfahren, kann sich dies traumatisch in uns manifestieren. Denn Verachtung bedeutet hier, dass wir den Kontakt zu uns überlebenswichtigen Menschen verlieren.

Scham und Selbstablehnung ist etwas, was aus solchen Erfahrungen weiterhin entstehen kann: "Ich ertrage es nicht, dass ich so bin, wie ich bin."

Auf der anderen Seite ist Scheitern etwas ganz wichtiges, was wir uns bewahren müssen. Nur wer auch scheitern darf, kann sich trauen, Herausforderungen anzunehmen. Nur so kann man ein gewisses Risiko eingehen.

Kommt noch hinzu, dass man zwanghaft wird und sich überansprucht, wenn man nicht scheitern darf. Man überansprucht sich lieber massiv, als die Erfahrung von Scheitern zu machen. Überanspruchung wiederum sorgt aber dafür, dass Ängste sich verstärken oder es zu einem Burnout kommt.

Nicht scheitern zu dürfen, ist Gift für die Weiterentwicklung. Oft findet man auch völlig überzogene Vorstellungen davon, was Erfolg bedeuten würde.

Beispiel: Ein Betroffener hat massive Probleme, alleine in ein Cafe zu gehen. Er übt dies und fühlt sich als Versager, weil er sich als angespannt erlebt hat. Auch hat er die Vorstellung, dass ihn wohl alle dort als ziemlich verklemmt erlebt haben müssen. Hier steckt einerseits die völlig überzogene Erwartung drin, bei einem so schwierigen Problem gleich bei der ersten Übung völlig locker und gelassen zu sein. Weiterhin vermutlich eine Fehlsicht, wie andere ihn wahrgenommen haben. Hier drückt sich eher seine eigene Haltung sich selbst gegenüber aus.

Was er auf der anderen Seite nicht gesehen und wahrgenommen hat: Die großartige Leistung, sich überhaupt so einer Aufgabe gestellt zu haben. Das er es tatsächlich geschafft hat, sich in ein Cafe zu wagen. Trotz all der Ängste, die da waren.

Das Erleben von Scheitern zu verändern, war für mich ein wichtiges Lernziel in der Therapie. Heute kann ich mich in manch einer Situation herzlich annehmen, wo früher nur kalte Ablehnung war, die ich kaum aushalten konnte. Und das erleichtert es mir auch, mich in Situationen zu wagen, wo ich scheitern könnte.

-- Fred

07.05.2009 :: Interesse

Interesse war letztens ein Thema in der Gruppe. Was ist das überhaupt, Interesse? Es ist die eigene Zuwendung. Man kann sich einem Menschen oder einer Sache zuwenden. Bei Menschen könnte man auch von Anteilnahme sprechen. Wenn wir uns etwas zuwenden, dann kann das geistig sein. Wir setzen uns intellektuell mit etwas auseinander, durchdenken ein Problem. Auch emotional kann man sich zuwenden, sich in die Lage eines andere Menschen einfühlen und so mitfühlen. Und über die Sinne kann man sich auch zuwenden: Gegenstände berühren und ertasten, die Vögel zwitschern hören, den Duft der Frühlingsluft riechen oder sich einen Menschen anschauen.

Interesse ist "In Kontakt sein". Und Interesse ist die Lust am Kontakt. Wenn Menschen von ihren Interessen sprechen, funkeln nicht selten ihre Augen: Das, was sie da tun, macht Spaß, macht Freude, ist erfüllend. Diese Lust, die Welt zu entdecken und neue Erfahrungen zu machen, wird vemutlich in uns allen angelegt sein. Es ist eine ursprüngliche Kraft.

Doch diese Kraft, diese Lust, kann auch verloren gehen. Oft hört man von depressiven Menschen, dass sie keinerlei Interesse mehr an ihrer Umwelt haben. Und wenn sie dann aus ihrer Depression heraus kommen, hört man nicht selten: "Auf einmal hörte ich wieder die Vögel zwitschern und die Sonne schien wunderbar. Das war einfach herrlich..."

Interesse hat auch etwas mit Lebendigkeit zu tun. Wir werden berührt von all dem, was uns umgibt. Wir verbinden uns ein Stück weit mit der Welt, manchmal verschmelzen wir sogar. Und das ist erquickend und macht wach. Neues entsteht. Und die Lust am Neuen ist vielleicht das, was Lebendigkeit ausmacht. Denn Leben ist nichts Starres, Leben ist Bewegung.

Wenn wir starr werden, wird das Leben langweilig und grau. Manche sagen, sie fühlen sich wie tot. Was führt dazu, innerlich zu erstarren und zu verkrusten?

Leben ist immer ein Balance-Akt, auf der einen Seite brauchen wir Sicherheit, auf der anderen Seite das Neue. Aber das Neue ist auch immer Risiko. Die Angst reguliert diesen Balance-Akt, so dass wir nie zu viel riskieren. Und die Lust und das Interesse sorgen dafür, dass wir was riskieren und uns Neuem zuwenden.

Wenn Angst jedoch zu stark dominiert, dann erstarrt das Leben. Dann wagt man nichts mehr und verharrt in gewohntem. Das kann im Extremfall bedeuten, dass man sich nicht mehr aus seiner Wohnung traut. Das Gewohnte gibt zwar Sicherheit, verlustig geht aber die Lebenslust.

Bei Sozialphobie ist das natürlich auch häufig zu beobachten: Die Lebenslust und das Interesse an der Welt gehen verloren. Insbesondere natürlich das Interesse an anderen Menschen. Denn wo Kontakt eher als unangenehm und bedrohlich empfunden wird, kommt man gar nicht erst zu den angenehmen Gefühlen von Neugier und Lust aufeinander.

Dies kann gleichzeitig auch die große Chance sein: Sein Augenmerk auf das Interesse am anderen zu richten. Sich nicht von seiner Angst wegziehen zu lassen, sondern Kontakt zum anderen zu wagen. Sich einzufühlen in den anderen, sich verbunden fühlen mit dem anderen.

Die Selbsthilfegruppe kann ein Ort dafür sein, mehr Interesse für andere zu entwickeln. Weil alle vom gleichen Thema betroffen sind, fällt in der Regel ein sich Öffnen und Zuwenden leichter.

Bei unseren Freizeitaktivitäten wird auch immer viel von Interesse, Lust und Leichtigkeit spürbar. Ich erinnere mich an Wanderungen oder Spieleabende, die sehr erquickend waren. Leider kommt es viel zu selten zu solchen Aktionen, weil es erstmal mühsam ist, sowas vorzuschlagen und zu organisieren.

Ich glaube, es ist gut, sein Augenmerk dahin zu richten, wie man sein Interesse an der Welt nähren kann. Oft muss man erstmal eine kleine Hürde nehmen, doch es lohnt sich...

-- Fred

05.05.2009 :: Sich wirklich begegnen

Mal wieder ein erstklassiger Vortrag aus der Sendung Focus von Radio Vorarlberg.

http://vorarlberg.orf.at/magazin/klickpunkt/focus/stories/357564/

03.05.2009 :: Stück für Stück

Wie bewältigt man stark beängstigende Situationen? Eine Strategie wäre, sich häppchenweise heranzuwagen.

Ein reales Beispiel: Jemand wollte in unsere Gruppe kommen, aber diese Vorstellung löste massive Ängste in ihm aus. Mit seiner Therapeutin besprach er eine schrittweise Vorgehensweise. In einem ersten Schritt traf er sich mit dem Gruppenverantwortlichen außerhalb der Gruppe. Das war etwas, was er sich vom Angstlevel noch vorstellen konnte. Dieser Schritt schaffte schonmal ein Stück mehr Vertrauen und baute die Angst ab. In einem nächsten Schritt schaute er sich erstmal die örtlichen Gegebenheiten von Außen an. Er fuhr also in die Innenstadt und schaute sich den Friedensplatz an, wo auch die Kontaktstelle ist. Auch dies gab ihm ein Stück mehr Sicherheit. Der nächste Schritt war die Besichtigung der Räume mit dem Gruppenverantwortlichen vor einer Gruppensitzung, wo also noch niemand sonst da war. Auch dies war etwas, was vom Angstlevel her vorstellbar war. Nun kannte er die Räumlichkeiten, wusste genauer, wo die Gruppe stattfindet. Und er kannte den Gruppenverantwortlichen. Das alles gab so viel Sicherheit, um dann wirklich real an einem Treffen dran teilzunehmen. Und auch hier war es ihm wichtig, erstmal nichts sagen zu müssen und während der Pause auch alleine für sich zu sein.

Viele Dinge wirken als Ganzes groß, mächtig und massiv beängstigend. In kleinen Portionen können wir sie aber bewältigen. Kleine Schritte, die man sich vorstellen kann. Hierbei ist es auch wichtig, sich nicht über seine Grenzen hinweg zu irgendwas zu drängen. Man muss sich vielmehr auf sich verlassen können, dass man sich auch genug Schutz gibt. Erst wenn das Kind in uns spürt, dass wir uns als Erwachsene sorgsam darum kümmern, kann es Vertrauen haben und ausprobieren. Wenn der Erwachsene aber die Grenzen des inneren Kindes nicht wahrnimmt und schützt, entsteht massive Angst und künftige Herausforderungen werden gar nicht mehr angegangen. (Persönlich halte ich nichts von der Brechstangen-Methode, sich massivst Ängsten auszusetzen. Diese Methode wird auch nur von sehr wenigen Kliniken/Therapeuten praktiziert. Fälle von Retraumatisierung und Schädigung durch solche Methoden sind mir bekannt.)

Um sich den wichtigen Schutz zu bieten, ist die Frage wichtig, wie man jederzeit aus einer bedrohlichen Situationen heraus finden kann. Denn nur so kann man sich vor Überforderung schützen. Hat man klare Möglichkeiten dafür, wie man aus einer Situation heraus kann, traut man sich, es zu wagen. Ja, es kann sogar eine Lust darauf entstehen. Wir alle tragen die Lust in uns, Grenzen auszuloten und unseren Möglichkeitsraum zu erweitern. Man muss manchmal nur kreativ werden, um Möglichkeiten zu finden, wie man aus einer Situation wieder herauskommt. Sozusagen einen Notanker zu haben, falls alles nicht mehr erträglich ist.

Die schwierigsten Situationen sind für mich immer die, die scheinbar keinen Ausweg zulassen, wo man durchhalten muss, wenn man erstmal drin ist. Beispiel: Zu einem Vorstellungsgespräch kann ich hinfahren und vor der Tür immer noch umdrehen. Wenn ich aber einmal im Raum sitze, dann ist Flucht nicht mehr möglich. Dann muss ich irgendwie durch. Wirklich? Auch hier lassen sich Strategien finden, wie man jederzeit doch wieder rauskommt. Auch wenn man so eine Strategie vermutlich seltenst wirklich nutzt, als Notanker und Möglichkeit wirkt sie stark entlastend.

Bei großen "Angst-Projekten" geht es also immer wieder darum:

  • Teile es in kleine Happen auf.
  • Übe schrittweise und taste dich langsam heran.
  • Strategien und Techniken entwickeln, um jederzeit aussteigen zu können.

Ein Sprichwort sagt:

Wie verspeist man einen Elefanten? Ganz einfach: Stück für Stück.

-- Fred

28.04.2009 :: Gespiegelt werden

Gespiegelt werden heißt, dass Menschen einen zeigen, wie ich auf sie wirke. Ich glaube, dass dies essentiell ist, um Selbstvertrauen zu entwickeln. Wenn ich nämlich nie Feedback von anderen bekomme, kann sich eine große Verunsicherung in mir breit machen. Ich weiß dann nicht, was ankommt, was andere mögen, ob andere mich verstehen und ob andere mich mögen. Wenn einfach nichts zurückkommt, weiß ich nicht, wie ich wirke.

Negatives Feedback wird tendenziell viel häufiger gegeben. Das liegt einfach daran, dass bestimmtes Verhalten Wut, Ärger oder Langeweile beim anderen auslösen kann. Und der andere will diese unangenehmen Gefühle nicht und macht sich dann seinem Ärger Luft.

Positives Feedback hingegen wird oft vorenthalten. Ich löse etwas angenehmes im anderen aus oder wir haben eine schöne Zeit miteinander. Darüber reden aber viele nicht. Sie genießen es, drücken es aber nicht aus. Und wenn mal was positives kommt, weiß man nicht, ob das echt gemeint ist oder ob es reine Höflichkeit war.

Gerade das Positive ist es, was so wichtig ist. Das Positive gibt uns die Richtung, wo wir uns hinentwickeln können. Hier werden wir uns unserer Fähigkeiten bewusst und können sie weiter entwickeln. Positives Feedback öffnet einen und gibt Energie. Negatives Feedback hingegen macht oft verschlossen, man fühlt sich klein, minderwertig und schuldig, es raubt einem die Motivation und Kraft.

Wenn man selber lernt, auf das Positive bei anderen zu achten und dies auszudrücken, dann achtet man auch bei sich mehr auf die positiven Impulse. Denn die Geisteshaltung ist die Selbe: Das Gute wahrzunehmen.

Auch in der Selbsthilfegruppe kann man üben, auf die positiven Impulse zu achten, die in einem ausgelöst werden. Und dies dann auch mitzuteilen. Konkret könnte z.B. jemand über eine Erfahrung berichten und jemand anderes dann sagen: "Mir tat das richtig gut zu hören, dass du ein ganz ähnliches Problem hast, wie ich. Jetzt fühl ich mich nicht mehr so allein damit. Ich dachte immer, ich wäre der einzige, der so etwas hat..."

Ganz wichtig: Es macht einen riesen Unterschied, ob man dies nur für sich fühlt, oder ob man es ausspricht! Durch Aussprechen teilen wir positive Empfindungen miteinander. Erst dadurch fließt diese Energie von mir zu den anderen. Und derjenige, der über seine Erfahrung gesprochen hat, bekommt Energie zurück, die ihn ermutigt, wieder über seine Erfahrungen zu sprechen. Andere werden ermuntert, auch über ihre Erfahrungen zu sprechen. Oder sie teilen ihre positiven Empfindungen mit.

Es passiert jede Menge, wenn wir alle anfangen, unsere positiven Empfindungen mitzuteilen.

-- Fred

27.04.2009 :: Du bist, was du denkst

In unserem Kopf laufen täglich tausende von Gedankenmustern ab. Oft völlig unbewusst. Manchmal, wenn wir darauf achten, wird uns gewahr, was wir denken.

Diese Gedanken - ob bewusst oder unbewusst - haben eine Wirkung. Es macht einen Unterschied, wie ich innerlich auf ein kleines Missgeschick reagiere. Ob ich also denke "Typisch, so blöd kann ja auch nur ich sein." Oder ob ich denke: "Nicht so tragisch, kann jedem mal passieren. Interessant wäre, was ich beim nächsten mal besser machen kann."

In vielen Menschen sind jede Menge negativer Gedankenmuster angelegt. Sie sind irgendwann erlernt worden, entweder aus eigener Geringschätzung heraus oder weil andere Menschen geringschätzig-abwertend auf mich reagiert haben. Diese Gedankenmuster - sind sie einmal erlernt - laufen dann ganz unbewusst immer wieder ab und schädigen uns jedes mal erneut.

Deshalb ist es wichtig, erstmal eine Bewusstheit darüber zu bekommen, welche unheilvollen Gedankenmuster in einem ablaufen. Um diese dann durch sinnvollere konstruktive Gedanken zu ersetzen.

Für beides ist es gut, einen Therapeuten an seiner Seite zu haben, der darin geschult ist, destruktive Denkmuster zu erkennen und Angebote machen kann, was konstruktive Denkmuster sein können. Konstruktive Denkmuster sind lebensbejahend und fördern einen liebevollen Umgang mit sich selbst.

Auch die Selbsthilfegruppe kann dabei große Hilfe sein. Einfach deshalb, weil negative Denkmuster in vielen Menschen oft ganz ähnlich ablaufen. In der Gruppe hat manch einer schon seine Erfahrungen gemacht hat, bestimmte destruktive Denkmuster zu erkennen und zu überwinden. Von diesen Erfahrungen können wir untereinander lernen.

Sein Denken zu verändern, braucht übrigens oft viel Zeit. Es ist nicht mit einer einmaligen Erkenntnis getan. Es braucht immer wieder Übung im Alltag: Zu erkennen, was man gerade denkt, destruktive Muster wahrzunehmen und sie durch die neuen Denkmuster zu ersetzen.

Ganz praktisch heißt das z.B.: Ich gerate in eine peinliche Situation. Ich denke "Wie kannst du nur so unbeholfen sein..." Ich erkenne, was ich gerade denke, es wird mir bewusst. Und dann ersetze ich mit einem Gedanken, den ich mir zuvor schon zurecht gelegt habe, z.B.: "Peinlichkeit darf sein. Und ich darf sogar darüber lachen..."

Wird einem hingegen nie bewusst, was man denkt, werden die destruktiven Gedankenmuster unbemerkt weiter wirken.

Die von Albert Ellis entwickelte Rational-Emotive-Therapie achtet besonders darauf, was für Ereignisse welche Gedanken in uns auslösen und zu was diese Gedanken dann wiederum führen. Die kognitive Verhaltenstherapie hat ähnliche Konzepte aufgegriffen (Bewusstmachung von Kognitionen).

Weblinks:

-- Fred

22.04.2009 :: Dein Platz in der Gemeinschaft

In der Zeitschrift PM von Mai 2009 ist ein Artikel über die Weisheiten der Naturvölker. Ein Aborigine-Ältester wird so zitiert:

Jedes Stammesmitglied hat seinen Platz, und kein anderer kann deinen Platz einnehmen. Dein Platz ist immer da.

Mich hat das angerührt, vielleicht weil ich in meinem Leben öfters das Gefühl hatte, nicht recht dazu zu gehören oder um meinen Platz arg kämpfen zu müssen. Ich finde das deshalb eine sehr wohltuende Kultur, in der so ein Wert gepflegt wird: Jeder hat seinen Platz und du musst nicht um deinen Platz kämpfen, er ist einfach so da, weil du bist, was du bist.

In unserer modernen Gesellschaft leben wir nicht mehr in einem Stamm. Ich stelle mir vor, dass das Gefühl von Verbundenheit und Eingebundensein in einem Stamm stark spürbar war. Ebenso das Gefühl von Kraft, die der Stamm ausstrahlt, mit dem ich mich verbunden fühle, von dem ich ein Teil bin.

Dieses Gefühl, in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein, seinen Platz und seine Aufgabe zu haben, respektiert und wertgeschätzt zu werden, Halt und Trost zu finden und die gemeinsame Kraft zu spüren - das sind Dinge, die für viele Menschen heutzutage nur noch wenig erlebbar sind.

In unseren Selbsthilfegruppen wird es oft spürbar: Menschen, die sich einsam und verlassen fühlen. Menschen, die aus beruflichen Bezügen herausgefallen sind oder keine Sinnangebote für sich finden. Es gibt keine Gemeinschaft, in der man sich täglich gut eingebettet fühlt. Mobbingerfahrungen haben einen gezeigt, dass man nicht willkommen ist und nicht einfach so seinen Platz im Leben hat.

Nun darf man sicherlich auch nicht davon ausgehen, dass bei den Naturvölkern das Paradies zu finden ist. Aber die Botschaft finde ich wichtig, dass es für die Aborginies einen großen Wert hat, das jeder seinen Platz in der Gemeinschaft hat.

Das erinnert mich daran, dass auch wir in den Selbsthilfegruppen so einen Wert besonders pflegen können. Das wir miteinander darauf achten, das jeder seinen Platz hat und sich jeder willkommen fühlt. Und darauf zu vertrauen, dass jeder das Potenzial in sich trägt, die Gemeinschaft zu bereichern. Das auch jeder etwas in die Gemeinschaft hineinbringt, was einzigartig ist, was nur durch ihn geschehen und entstehen kann.

Für den Einzelnen wäre es Einladung, sich über sein Potenzial bewusst zu werden und sich in die Gruppe einzubringen. Gerade bei Sozialphobie gibt es ja oft eine große Zurückhaltung der eigenen Potenzialität. Der Reichtum ist da, er muss nur noch gelebt werden...

Weblinks:

-- Fred

19.04.2009 :: Empfindlichkeiten abbauen

Im Laufe der letzten Jahre Selbsthilfearbeit fiel mir auf, dass viele mit ganz bestimmten Empfindlichkeiten leben. Da ist z.B. jemand, der bei Gruppen von Jugendlichen, die ihm in der Stadt begegnen, Angst hat, blöd angemacht zu werden. In vielen Dingen, die er erzählt, taucht immer wieder dieses Thema auf. Jemand anderes achtet extrem darauf, wenn irgendwo gelacht wird. Immer in der Sorge, es könne über ihn gelacht werden. Und oft empfindet er es auch so, selbst wenn nicht über ihn gelacht wird.

Viele von Sozialphobie Betroffene tragen alte Wunden in sich: Es gab - meist schon recht früh - sehr schmerzhafte Erfahrungen, wo man Opfer menschlicher Angriffe wurde. Und diese Wunde, die damals entstand, wirkt nun fort. Problematisch ist vor allem, dass hier eine Weiterentwicklung und Heilung scheinbar nicht mehr stattfindet. Das Gegenteil ist oft der Fall: Es bilden sich alle möglichen weiteren neurotischen Muster um diese alte Verletzung herum. Die Verletzung manifestiert sich so immer mehr und bestimmt die Persönlichkeit.

Im einfachsten Fall werden immer mehr Situationen dieser Art vermieden. Es kann aber auch ein verzerrtes Menschenbild entstehen, nach dem Motto: "Alle Menschen sind Schweine!". Vielleicht lauert man nur noch darauf, jemanden zu erwischen, wie der sich wieder über mich lustig macht. Das ganze Denken und Erleben wird von der alten Verletzung bestimmt und prägt den Menschen immer stärker.

Diese Kompensationsmuster, die sich um die alte Verletzung ausprägen, schränken meist das Leben ein, verzerren die Wahrnehmung und behindern befriedigenden menschlichen Kontakt. Ich halte es deshalb für wichtig, diese ungünstigen Kompensationswege zu verlassen, um nach wirklicher Heilung der alten Wunde zu suchen.

Wie heilt man alte Wunden, so dass die nicht mehr diesen starken Einfluss auf das heutige Leben haben? Nach meinen Erfahrungen ist es erst einmal wichtig, ein Bewusstsein dafür zu bekommen, was man alles denkt, tut und unterlässt, um nicht mit dem eigentlichen Schmerz, der eigentlichen Wunde in Kontakt zu kommen. Da entstehen im Laufe der Zeit die verrücktesten Denk- und Verhaltensmuster. Meist geht es um Vermeidung oder Verzerrung der Wahrnehmung.

Diese Muster kann man dann schrittweise auflösen, natürlich nähert man sich damit der Gefahr an, den alten Schmerz wieder zu erleben. Ich glaube, dass hierüber die eigentliche Heilung stattfinden kann. Bereit sein, den alten Schmerz nochmal zu erleben. Jedoch jetzt, hier und heute in einer getragenen Haltung. Mit dem Schmerz in Berührung kommen, ohne sich zu überfordern. Und sich dabei wohlwollend stützend zu begleiten. Ein Therapeut kann einem natürlich hier viel Hilfe geben und Modell sein, für einen wertschätzend-wohlwollenden Umgang mit sich selbst.

Zum Ursprung - dem Zentrum der alten Verletzung - zurückzukehren, erscheint mir ganz wichtig. Nicht, um sich erneut genauso zu quälen wie damals. Es geht um eine Neubewertung, um einen neuen Umgang mit dem, was damals passierte.

Zu Beginn eines solchen Prozesses erlebt man vielleicht: "Du lachst über mich und ich fühle mich unzulänglich, dumm und klein. Es ist verdammt schwer, mich so entwertet zu fühlen, aber ich will das jetzt wieder fühlen lernen."

Später könnte es sich in diese Richtung verändern: "Du lachst über mich, ich spüre das Gefühl von Unzulänglichkeit in mir. Ich weiß aber, das ich wertvoll bin und es ist vollkommen in Ordnung, auch mal ungeschickt zu sein, worüber andere lachen. Ich möchte mich so annehmen."

Und weiter im Prozess könnte sich dann dieses innere Geschehen ausbilden: "Du lachst über mich. In dir scheint mein Verhalten Belustigung auszulösen. Ist das eine wohlwollende Belustigung? Dann kann ich vielleicht mitlachen? Ist ja schon manchmal witzig, was für eine Situationskomik mitunter entsteht. Oder ist es ein abwertendes Lustigmachen? Das darfst du gerne behalten, das nehme ich so nicht. Ich kann mir selbst die Würde geben, die du mir vorenthälst. Ich kann das als deine Unzulänglichkeit begreifen. Meine Würde, die ich mir geben kann, ist stärker und trägt mich."

Hier zeigt sich auch schön, was viele schon herausgefunden haben: "Der einzige, der mich entwerten kann, bin ich selbst." Ein Mensch, der sich seiner Würde und seines Wertes voll bewusst ist und sich darin verankert, kann die Abwertung der anderen als das begreifen, was es ist: Eine Verirrung des anderen.

Erst dann, wenn man dieser Verirrung Glauben schenkt, wenn man selber davon überzeugt ist, dass der andere Recht hat, entsteht die Entwertung. Man entwertet sich selber, man würdigt sich selber herab. Ohne meine Herabwürdigung hat niemand eine Chance dazu.

Dies konnte man früher, als die Verwundung geschah, nicht begreifen und erkennen. Heute aber kann man lernen und es korrigieren.

Insofern kann jetzt jede noch so kleine Situation, die die alte Verletzung triggert, Übungsfeld sein, die alte Verletzung nochmal zu fühlen. Zu fühlen, um sie genauer zu verstehen. Und sich dann das zu geben, was man sich bisher verweigert hat: Die eigene Wertschätzung, die liebevolle Zuwendung und die Selbstannahme.

Dieser Weg ist sicherlich recht anspruchsvoll und langwierig aber auch sehr wertvoll, weil er an der Wurzel des Problems ansetzt und nicht nur Symptome kuriert. Auf diesem Weg seine kleinen Fortschritte zu machen, kann einem viel Energie und Hoffnung geben.

-- Fred

11.04.2009 :: Mut

Es wird viel über Angst gesprochen, aber wenig über Mut. Dabei ist Mut eine zentrale Kraft, Angst zu überwinden.

Angst hält einen auf, Dinge zu tun. Der Mut ist es, der einen machen lässt, trotz Angst. Mit Mut durchschreitet man angstvolle Situationen.

Mut und Wille gehen Hand in Hand. Man will etwas tun, was Angst macht. Nicht als Selbstzweck, sondern weil die mutige Tat einen irgendwie voran bringt oder Sinn macht.

Wie mutig bin ich? Hast du dich das schonmal gefragt? Es gibt ängstliche Menschen, die sehr mutig sind. Und es gibt wenig ängstliche Menschen, die sich aber kaum was zutrauen, was auch nur ein wenig Angst verursacht. Mut zeigt sich nicht daran, was man sich objektiv betrachtet alles traut. Mut zeigt vielmehr, in wie starke Ängste sich jemand hineinwagt. Und das ist etwas völlig Subjektives.

Wenn du dich fragst, wieviel Mut du hast, ist es also wichtig zu schauen, in welche angstbesetzten Situationen du dich hineintraust. Wieviel Angst du auf dich nehmen kannst, um etwas zu erreichen, was dir wichtig ist.

Übermut oder Leichtsinn wäre hingegen nicht gut. Hier bringt man sich in zu große Gefahr. Das Risiko ist zu groß.

Ich glaube, im Leben braucht es immer wieder Mut, weil auch Angst immer zum Leben dazu gehört. Das unbekannte Neue macht Angst, Veränderung macht Angst. Und doch müssen wir im Leben immer wieder von Vertrautem loslassen und neues wagen. Wer das nicht macht, hängt fest im Leben. Und manches müssen wir auch gar nicht selber machen - das Schicksal fordert uns heraus. Immer wieder...

Kann man Mut erlernen oder ihn stärken und nähren? Ich glaube, dass diese Frage bei der Bewältigung von Angst ganz wichtig ist. Mut ist eine wichtige Voraussetzung, um Veränderung zu wagen. Und jede Form von Therapie und Heilung ist ja ein Veränderungsprozess, in dem wir Dinge wagen müssen.

Ich habe Menschen in der Selbsthilfe erlebt, die im Laufe ihres Entwicklungsprozesses immer mutiger wurden. Mit jeder mutigen Tat, die entsprechende Würdigung bekam, wurden sie ein Stück mutiger. Würdigung bedeutet, den Erfolg durch Mut zu sehen und anzuerkennen.

Ein bisschen Mut hat jeder. Und aus diesem Keim kann jeder mehr Mut entwickeln und nähren. Vor allem durch mutige Taten - in kleinen Schritten. Und beständiges Dranbleiben. Die Selbsthilfegruppen können ein Ort sein, sich gegenseitig Mut zu machen und mutige Taten wertzuschätzen. Und regelmäßige Treffen helfen, dranzubleiben - nicht nur in Zeiten, wo Angst und Verunsicherung am größten ist.

-- Fred

01.04.2009 :: Erste Sozialphobie-Klinik entsteht

Supi!!! Wir haben uns am Montag die erste deutsche Sozialphobie-Klinik angeschaut, die bald ihre Pforten öffnet.

Hier könnt ihr weiterlesen...

01.04.2009 :: Verunsicherung

Es gibt Menschen, die eine tiefe Verunsicherung in sich spüren, welches Verhalten im zwischenmenschlichen Kontakt richtig und angemessen ist. Gleichzeitig sind diese Menschen aber eigentlich sehr sensibel und empfindsam und haben eine gute Wahrnehmung.

Hier scheint es so zu sein, dass eigentlich die Fähigkeiten da sind, um sich gut auf andere Menschen und soziale Situationen einzuschwingen. Aber irgendwie wurde dieser Mensch zutiefst verunsichert, so dass er seiner gesunden Wahrnehmung nicht mehr traut. Oder er hat den Kontakt zu seinen gesunden "Antennen" verloren.

Ein Ursache dafür kann frühkindlich sein. Wenn ein Kind seinem natürlichen Instinkt folgt, die Bezugspersonen dies aber massiv angreifen oder ablehnen, dann wird Falsches gelernt. Man lernt, dass das eigene Gefühl zu einer sozialen Situation wohl falsch sein muss und übernimmt stattdessen die falschen Vorstellungen, was die Bezugspersonen einem vorleben. Wenn man selbst verunsichert wird, dann wird gleichzeitig auch das Bedürfnis groß, im Außen Halt und Orientierung zu finden. Man sucht dann vielleicht verstärkt nach Regeln, warum man sich wann und wo wie verhalten muss. Aus einem sonst eigentlich intuitiv gutem und leichtem Umgang, wird eine komplizierte anstrengende Sache. Und das Verhalten wird auch starr und schemenhaft. Eltern, die sehr wechselhaft und unklar sind, verwirren das Kind hierbei zusätzlich.

Natürlich können solche Deformationen auch in der Jugend entstehen, besonders in der Pubertät. Wenn Mitschüler wenig tolerant und offen für unterschiedliche Lebensweisen sind, können Menschen schnell das Gefühl bekommen, das das eigene intuitive Verhalten völlig falsch ist. Stattdessen werden in Gruppen nur enge Verhaltensweisen zelebriert und jede Abweichung lächerlich abgewertet. Auch hier kann man wieder das Vertrauen in seine intuitiven Fähigkeiten verlieren, die einem eigentlich automatisch erfühlen lassen, was gut und sinnvoll im jeweiligen Moment ist.

In Selbsthilfegruppen könnte es helfen, wenn man sich Mut macht, seiner Intuition wieder mehr zu folgen. Auch auf die Gefahr, dass es mal schief geht. Hier ist es auch gut, wenn man sich wertschätzend Feedback gibt, damit man sich darüber klar wird, wie man auf andere wirkt. Hier ist vor allem wichtig mitzuteilen, was einem Angenehmes auffällt. Das wird gerne vergessen.

So könnte dann wieder mehr Sicherheit entstehen. Man vertraut wieder mehr seinen natürlichen Antennen für eine Situation.

-- Fred

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