Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2008-Q1)

31.03.2008 :: Wir sind Helden - The Geek

Geeks - das sind Einzelgänger, die sich in Gedankenwelten versenken und meist sozial wenig verankert sind. Vielleicht steckt auch eine Sozialphobie dahinter, zumindest die Erfahrung, an Gemeinschaft mit anderen nie richtig Gefallen gefunden zu haben. Sich stattdessen in geistige Welten zurückgezogen zu haben.

Der Song "The Geek" von "Wir sind Helden" ist eine Hymne für diese Menschen und es hat mich berührt. Es spricht nämlich auch Themen der Sozialphobie an - Erfahrungen, die viele gemacht haben. Hier ein paar Zitate:

Weißt du genau, wie es ist, immer rauszufallen... / Die Ersten sehen als Letzte ein... / Nicht deine Zeit, nicht deine Füße, nicht dein Beat, nicht deine Leute, deine Welt nicht, nicht mal dein Schmerz... / Du musst hier nicht dazu gehörn, aber such dir, was zu dir gehört... / du musst nicht tanzen, aber beweg dein Herz...

Und im Zusammenhang mit Selbsthilfe: Die Verletzten soll'n die Ärzte sein...

Und weil man emotional vor allem durch Musik berührt wird, hier eine wunderbare Live-Aufnahme bei Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=FG_OZ7kUNYs

26.03.2008 :: Minderwertigkeitsgefühle

Wie entstehen Minderwertigkeitsgefühle? Fast jeder Mensch ist im Leben irgendwann mal Opfer von Demütigung, Geringschätzung oder Verachtung geworden. Je früher und häufiger das passiert ist, um so tiefer und stärker wirkt in der Regel diese Erfahrung. Zusätzlich kommt es darauf an, ob wir trotz dieser Erfahrung Menschen um uns hatten, die uns getröstet und wieder aufgebaut haben. Fehlten diese und waren wir überfordert, damit auf gute Weise selber klar zu kommen, sind Verletzungen entstanden, die sich auch heute noch immer wieder als Minderwertigkeitsgefühl zeigen.

Manche hatten das Pech, dass die Eltern sie sehr oft und nachhaltig abgewertet haben: "Du bist mal wieder zu blöd dazu!" oder "Du bist doch das Letzte!". So ein Umfeld kann tief prägen. Als Kind erkennt man nicht, wie die Dinge sind. Man kann nicht verstehen, dass die Eltern ein Problem haben und dass einem die Würdigung vorenthalten wird. Man glaubt es! Man glaubt, dass man selber ein dummer, niederwertiger, schlechter Mensch ist. Ein Mensch, der in irgendeiner Form massive Mängel aufweist. Wie hält man diese Vorstellung als Kind überhaupt aus?

Man muss dabei die massive suggestive Wirkung sehen: Man glaubt wirklich, man wäre ein minderwertiges Wesen. Schlechter als viele andere Menschen. Mit diesem Gefühl als Kind allein gelassen, ist es ein unerträglicher Zustand.

Im Zusammenhang mit Sozialphobie macht man vielleicht Erfahrungen in Gruppen: In der Schule wird man von der Klasse nicht so aufgenommen und angenommen, wie man es bräuchte. Vielleicht wird man wegen einer Besonderheit gehänselt. Schwache Menschen, die sich schlecht wehren können, werden gerne von sich stark fühlenden Menschen unterdrückt, angegriffen oder gedemütigt. Ich kann es aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen: Die Schule war garantiert kein liebevoller Ort, es war manchmal harter Kampf um's überleben.

Vor dem Hintergrund all dieser Erfahrungen fühlt man sich heute auch öfters minderwertig. Dabei reichen schon kleine Signale der Umwelt, um in ein Minderwertigkeitsmuster hineinzurutschen. Dann läuft der alte Film wieder ab. Und der alte gefestigte Glaube, an die eigene Minderwertigkeit, aktualisiert sich.

Zur Aufarbeitung von Minderwertigkeitsgefühlen ist es wichtig, den alten Irrglauben aufzudecken: Minderwertig war man nie! Vieles wird sich bei genauer Betrachung auflösen: Es waren die Schwächen der anderen und man wurde selber zum Opfer. Und ein Mensch, der etwas (noch) nicht kann, ist kein schlechter Mensch. Er ist ein guter Mensch, der über eine bestimmte Fähigkeit nicht verfügt. Vielleicht noch nicht, vielleicht ist es aber auch gar nicht seine Berufung, solch eine Fähigkeit zu entwickeln. Vielleicht gibt es viele andere Bereiche im Leben dieses Menschen, die wichtiger sind. Es ist viel wichtiger, das Augenmerk auf das legen, was sich entwickeln will und dies in jedem Menschen zu fördern. Ein gutes förderndes Umfeld jedoch war oft nicht da.

Das therapeutische Konzept des inneren Kindes kann hier eine gute Hilfe sein. Es geht dabei darum, dass man in sich sowohl das verletzte innere Kind finden kann, wie auch die verinnerlichten Eltern. An dieser Beziehung kann man arbeiten: Man kann den inneren Erwachsenen zu einem guten und hilfreichen Erwachsenen werden lassen. Der einem hilft, durch's Leben zu gehen. Der einen stützt und Mut macht. Der einem vor allem die Wertschätzung gibt, die man früher nicht bekommen hat. In so einem förderlichen Umfeld kann das innere Kind sich entwickeln und nachgenährt werden.

Schlussendlich ist eins ganz wichtig: Minderwertigkeit ist ein großer Irrtum, den es aufzulösen gilt!

Weblinks:

-- Fred

17.03.2008 :: Angst vor dem Versagen

Letztens hörte ich eine schöne Definition:

"Perfektionismus = Angst vor dem Versagen."

Da wird dann auch schön der Zusammenhang zwischen Sozialphobie und Perfektionismus klar. Wer Angst hat, etwas falsch zu machen und irgendwo anzuecken, bemüht sich zu sehr. Man will sich perfekt verhalten, um nicht in die beängstigende Situation des Versagens zu geraten.

Ich glaube, eine wichtige Bewältigungsstrategie für Sozialphobie ist, zu lernen, Fehler machen zu dürfen. Die letzten Worte, die mir mein Theatertherapeut in einer Klinik sagte: "Ich wünsche Ihnen möglichst viele peinliche Situationen." Welch eine Frechheit, war mein erster Impuls. Und doch hatte er irgendwie recht und ich erinnere mich auch Jahre danach immer wieder an diesen Satz. Er gab mir Mut, zu meinen peinlichen Situationen im Alltag zu stehen.

Das Leben wird fürchterlich anstrengend, wenn alles gelingen muss, wenn man keine Fehler machen darf. Das kann man soweit treiben, bis man völlig handlungsunfähig wird. Und auch das Lernen und die eigene Weiterentwicklung wird gelähmt.

Über eigene Fehler lachen zu können, es lockerer zu sehen, kann hingegen sehr heilsam sein.

-- Fred

08.03.2008 :: Nicht für alles Gute ernten wir Beifall

Für manches
was wunderbar an dir ist
bekommst du nie positive Bestätigung.

Keiner da draußen
der das würdigt.

Wenn du nicht an dich glaubst
werden deine Kostbarkeiten
verkümmern.

Wenn du wirklich spürst
dass etwas gut ist
vertraue dir
sei stark
nähre es
überwinde den Selbstzweifel.

Lebe dein Potenzial!

-- Fred

02.03.2008 :: Seine Angst in Kontakt bringen dürfen

Letztens sah ich eine Dokumentation im Fernsehen, in der es um Kinderwochenheime in der DDR ging. Hier brachten meist alleinerziehende Mütter ihre Kinder unter. Für die ganze Woche waren sie ohne Kontakt zur Mutter. In einem Alter von ich glaube 6 Wochen - 6 Jahren. Nur am Wochenende waren sie mit ihrer Mutter zusammen.

Mittlerweile weiß man, dass viele dieser Kinder stark geschädigt wurden. Das fiel auch zu DDR Zeiten schon auf, weshalb man die Idee der Kinderwochenheime wieder fallen ließ.

In der Dokumentation wurde auf ein Problem aufmerksam gemacht: Die Kinder hatten keine vertrauensvolle Bezugsperson, mit der sie auch ihre Sorgen und Nöte teilen konnten. Im Umfeld mit anderen Kindern machten sie die Erfahrung, eher verspottet und ausgelacht zu werden, wenn sie Schwäche offenbaren. So waren sie z.B. mit ihrer Angst ganz alleine. Sie mussten selber Wege finden, damit klar zu kommen.

Mit so einer Aufgabe ist ein Kind natürlich überfordert. Es braucht gerade in den frühen Jahren gut sorgende Eltern, mit denen es die Ängste und Sorgen teilen kann. Ein Kind ist verletzlich und braucht eine starke Schulter, an die es sich anlehnen kann. Es braucht den Schutz und die liebevolle Zuneigung der Eltern.

Wenn dies nicht da ist, und das zeigen die Spätfolgen der Kinderwochenheime, muss das Kind Bewältigungsstrategien wählen, die die Seele krank machen. Man schafft zwar, zu überleben, die Seele wird aber deformiert. Vielleicht spaltet man seine Gefühle so stark ab, dass man nichts mehr spürt. Vielleicht zieht man sich aus allen Beziehungen zurück, ist gar nicht mehr wirklich offen für irgendwas.

Eine zentrale Folge war auch: Man hat Beziehung in frühem Kindesalter nicht als haltgebend und hilfreich erfahren. Hilfreich gerade in Zeiten, wo man Beistand gebraucht hätte. Beziehung ist damit immer etwas bedrohliches. Eine Lust auf Beziehung, sich auf den anderen einlassen, entsteht nicht - ist weit außerhalb der Vorstellungswelt. Und damit wird es später schwer, Menschen zu vertrauen und haltgebende Beziehungen zu entwickeln. Stattdessen ist das Misstrauen anderen Menschen gegenüber groß.

In der Reportage sagt Dr. Christoph Paulus, Entwicklungspädagoge, Uni Saarland: "Unsicher ambivalente Bindungstypen haben große Schwierigkeiten soziale Kontakte einzugehen, bzw. anderen Menschen zu vertrauen. Und fühlen sich dann in größeren Gruppen sehr unsicher, bzw. auch bedroht, weil sie gelernt haben in der frühen Kindheit, dass von anderen Menschen keine positiven Emotionen oder Reaktionen auf eigene Ängste kommen und sie im Grunde genommen, sich nur auf sich selbst verlassen können."

Man sieht hier schön, dass Sozialphobie nicht grundsätzlich als Krankheit begriffen werden kann, sondern als etwas, was aus der Vergangenheit dieser Menschen gut verständlich und sinnvoll erscheint. Die Erfahrung war real, dass man Menschen nicht vertrauen kann. Es gab kein gutes Umfeld, in dem man die positive Erfahrung machen konnte, wie angenehm vertrauensvolle offene Beziehungen sein können.

Für viele Menschen fehlt in den frühen Lebensjahren dieses gute Umfeld, in dem menschliche Beziehung als angenehm und haltgebend erfahren wird. Viele hatten keine Bezugsperson, mit der sie alle Sorgen und Nöte teilen konnten. Ein Mensch, mit dem man sich liebevoll verbunden fühlt in allen Lebenslagen.

Es lohnt sich, hier die eigenen Erfahrungen in früher Kindheit zu reflektieren.

Weblinks:

-- Fred

29.02.2008 :: Antidepressiva wirkungslos?

In den letzten Tagen geht eine neue Studie durch die Presse, nach der bestimmte Antidepressiva fast immer wirkungslos sein sollen. Vor allem geht es um Medikamente der Wirkstoffgruppe SSRI, die gerade in den letzten 10-15 Jahren sich stark verbreitet haben und die älteren Antidepressiva ablösten. Konkret sind es z.B. Seroxat, Fluoxetin oder Zoloft.

Genau diese Medikamente werden auch gerne im Zusammenhang mit Sozialphobie verschrieben.

Aus unseren Selbsthilfegruppen kennen wir viele Fälle, wo diese Medikamente Wirkung gezeigt haben. Sollte diese Wirkung komplett auf den Placebo-Effekt zurückzuführen sein, wie es die Studie nahelegt? Ein Effekt, bei dem nicht eine konkrete Substanz eine Wirkung hervorbringt, sondern lediglich die Vorstellung, dass man etwas einnimmt, was hilft?

Ich glaub's ja nicht und viele Beobachtungen sprechen dagegen. Ich glaub, da wird mal wieder mit einer extremen Position für Aufruhr gesorgt. Ich denke, so eine Aussage ist genauso überzogen, wie die euphorischen Heilsversprechungen, die manchmal von den Pharmaunternehmen gemacht werden. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Klar sollte sein - und das sagen sogar Pharmaunternehmen - dass bei Sozialphobie vor allem Psychotherapie das zentrale Heilmittel ist, Medikamente lediglich begleitend, wenn überhaupt. Zumindest kann man das als eine grundsätzliche Orientierung verstehen, im Einzelfall kann es natürlich auch anders sein.

Weblinks:

-- Fred

29.02.2008 :: Zauberkünstler für emotionale Verwirrung

Ein Zauberkünstler täuscht uns geschickt. Und ist er gut, bekommen wir die Täuschung nicht mit. Es sieht echt aus.

Es gibt emotionale Zauberkünstler. Deren Kunststück besteht darin, für emotionale Verwirrung zu sorgen. Ein beliebter Zaubertrick: Obwohl derjenige etwas falsch gemacht hat, haben wir nach dem Gespräch das Gefühl, wir selber hätten was falsch gemacht. Wir fühlen uns schuldig, obwohl der Verursacher uns gegenüber steht.

Es gibt Menschen, die verstehen es wirklich zauberhaft, die Wirklichkeit zu verdrehen. Immer so, dass sie selber gut da stehen und die anderen die Unzulänglichkeit oder Minderwertigkeit trifft. Es grenzt schon manchmal an Genialität, wie subtil und geschickt da manche agieren. Bewusst und unbewusst.

Klar - dahinter steht lebenslanges Training. Das Weltbild ist dieses: Es kommt nicht darauf an, wer recht hat und wie die Dinge sind. Das einzige, worum du dich kümmern musst: Die Welt immer zu deinen Gunsten auszulegen.

Nicht selten sind es verletzte Menschen, die selber unfairem Spiel zum Opfer fielen. Oder Menschen, die sich minderwertig und klein fühlen. Oder solche, die sich Fehler und Schwächen nicht eingestehen können. Und so muss die Wirklichkeit verbogen werden, täglich, immer und immer wieder. Und mit jedem Tag werden sie besser, sieht das Spiel glaubhafter aus.

Als Opfer solcher Zauberkünstler kann schnell viel Wut entstehen: Denn einerseits spürt man, das irgendwas nicht stimmt, kann es aber nicht klar packen und benennen. Denn Zauberkünstler sind so geschickt, dass alles stimmig aussieht, man keinen Angriffspunkt hat. Ich finde die Wut manchmal unerträglich, zu spüren, dass einem Unrecht geschieht, aber keine Möglichkeit zu haben, dieses Unrecht aufzudecken.

Viele Menschen sind verwirrt worden, meinen, sie wären minderwertig, nicht in Ordnung, nicht annehmbar. Sie haben den Kontakt zu einer inneren Weisheit verloren, die weiß, was richtig ist. Sie haben ihr Selbstvertrauen verloren. Selbstvertrauen kann nur dann wachsen, wenn die eigene innere Weisheit durch ein Umfeld bestätigt wird, was ebenso an Wahrheit und Wahrhaftigkeit glaubt. Wo ein Resonanzfeld der Wahrheit spürbar wird. Ein Umfeld von Menschen, die die Wahrheit immer nur nach ihren Vorteilen auslegen, sind Gift für das Selbstvertrauen.

Was kann man tun? Wir können die emotionalen Zauberkünstler genauer beobachten. Dann verstehen wir ihre Tricks. Das ist schonmal ein wichtiger Schritt, weil man so erkennt: "Es ist nur ein Trick, die Wirklichkeit sieht anders aus." Das hilft dem eigenen Selbstvertrauen. Und wir können uns ein wahrhaftiges Umfeld suchen, was unser Selbstvertrauen mehr und mehr stärkt. Das gibt viel Halt in Situationen, in denen uns ein Zauberkünstler mal wieder ein X für ein U vormacht.

-- Fred

17.02.2008 :: Selbstwertgefühl und Lebensaufgabe

Einen interessanten Impuls hab ich in der Sendung SWR-Leutenight von Prof. Bernd Sprenger aufgenommen. Er sagte sinngemäß, dass nach seiner Erfahrung Selbstwertgefühl eine Art Abfallprodukt einer ganz anderen Sache ist: Die Welt und das Leben stellt uns vor Aufgaben. Wie wir diese Aufgaben lösen und welche Antworten wir auf das finden, was uns umgibt, ist ein zentraler Faktor für das Selbstwertgefühl.

Auch andere haben das schon betont: Ver-Antwortung bedeutet, wie wir auf das Leben antworten. Verantwortung übernehmen nährt das Selbstwertgefühl.

Ich würde noch hinzufügen: Wie wir unsere Antworten empfinden, ist mindestens genauso bedeutend. Perfektionisten z.B. sind mit nichts zufrieden, weil man immer alles noch besser machen kann. Sie können nicht würdigen, was sie vollbringen und empfinden sich deshalb nicht genügend wertvoll.

Sozialphobie bedeutet oft massive Einschränkung des Handlungsspielraumes. Denn überall im Leben spielen soziale Beziehungen eine Rolle, die als bedrohlich erlebt werden können. Im Leben sinnerfüllt zu agieren, würde gleichzeitig mit massiven Ängsten verbunden sein. Oder ist Überforderung.

Ich habe sozialphobische Menschen kennengelernt, die eine Nische für sich fanden, in der sie wirken konnten. Und das hat ihnen viel Selbstvertrauen gegeben. Insofern sehe ich eine große Chance darin, etwas für sich zu finden, wo man sein Potenzial einbringen kann. Selbstwert erwächst daraus, sich irgendwie zu engagieren oder tätig zu werden.

Manchmal beißt sich die Katze in den Schwanz: Ich habe wenig Selbstwertgefühl und traue mich deshalb nicht, mich einzubringen. Ich glaube nicht, dass ich irgendwie hilfreich sein könnte. Und weil ich deshalb nichts angehe und keine positiven Erfahrungen mache, bekomme ich auch kein Selbstwertgefühl.

Welcher Weg könnte da heraus führen? Deine Antwort ist gefragt...

Weblinks:

-- Fred

12.02.2008 :: Sozialphobie-Artikel in Brigitte-Magazin

Ganz frisch im Brigitte-Magazin: http://www.brigitte.de/liebe/persoenlichkeit/sozialphobie/index.html?p=1

12.02.2008 :: Angst und Aggression

Angst und Aggression können näher beeinander liegen, als man auf den ersten Blick vermutet. Aggression ist ein Impuls in uns, der angreifen, vernichten oder verletzen will. Wenn man z.B. frustriert wird, etwas nicht erreichen kann, was man möchte, ist er da - der aggressive Impuls.

Aggression ist in diesem Sinne etwas, von dem man erfasst wird, dem man erstmal ausgeliefert ist. Etwas in einem reagiert heftig.

Die Frage ist, wie man gelernt hat, mit dieser heftigen Gefühlsreaktion umzugehen. Wer z.B. stark dafür bestraft wurde, lernt, seine Aggressionen zu unterdrücken. Sobald der aggressive Impuls aufkommt, schrillen sofort die Alarmglocken und man bemüht sich, den Impuls zu kontrollieren, nicht zum Ausdruck kommen zu lassen. Oft weiß man von alle dem nichts, es sind unbewusste Prozesse. Was man evlt. noch wahrnimmt, sind körperliche Verspannungen. Menschen, die so immer und überall ihre Aggressionen unterdrücken müssen, können dann unter Daueranspannung leiden.

Nicht selten ist es auch so, dass man sofort mit Angst reagiert, sobald Aggression in einem aufkommt. Auch diese Reaktion ist gut verständlich, wenn das Ausleben von Aggression irgendwann mal zu starker Bestrafung führte. Man fürchtet die Bestrafung und bekommt Angst. Bestrafung kann z.B. auch bedeuten, dass andere einen ausgelacht haben, als man mal wütend herumgeschrien hat. Oder das man von einer Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Irgendwie waren jedenfalls die Folgen von gelebter Aggression sehr unangenehm, mitunter traumatisch.

Nun kann es später sein, dass man immer vom Gefühl der Angst spricht, in Wirklichkeit aber auch Aggression mitschwingt. Das die Aggression der eigentliche Angstauslöser ist. Man kann das vielleicht gar nicht mehr unterscheiden, Angst und Aggression vermischen sich zu einem Gefühl, was man heute mit Angst bezeichnet.

Wenn dem so ist, dann gibt das gute Anhaltspunkte, worum man sich in Therapie oder der persönlichen Auseinandersetzung mit Angst kümmern kann: Wie gehe ich mit Aggression um? Wann bin ich aggressiv? Wie lebe ich Aggressionen aus? Was ist Angst und was ist Aggression? Wo vermischen sie sich?

So kann es bei Sozialphobie durchaus sein, dass man eigentlich zuerst den Impuls spürt: "Diesem Arschloch möchte ich am liebsten eins in die Fresse haun!" Vielleicht wurde man von einem Kollegen gemobbt, wodurch dann dieser aggressive Impuls hoch kam. Diesen ersten Impuls nimmt man aber gar nicht mehr wahr, weil sofort die Angst hochsteigt. Man darf ja keine Aggressionen haben.

Ich glaube, es ist gut, wenn Menschen, die unter Sozialphobie leiden, auch therapeutische Angebote nutzen, wo man sich aktiv mit Aggression auseinandersetzt. Wo man mal kraftvoll in den Ausdruck geht und alles herausschreien kann, was an Wut und Ärger da ist. Viele wissen überhaupt nicht, wieviel Aggression in ihnen steckt und das die Angst bewirkt, dass man keinen Kontakt zu dieser Aggression bekommt. Durch ein therapeutisches Ausagieren können sich solche Ängste auflösen. Und man findet adäquate Möglichkeiten, mit seiner Aggression umzugehen.

Beeindruckt haben mich Erfahrungen in einer Klinik. Ich bin selber durch viel eigene Aggression gegangen und ich habe Menschen erlebt, die unglaublich viel Wut und Aggression auslebten. All die unausgedrückte Aggression des eigenen Lebens kam auf einmal zum Vorschein. Von Menschen, die ich sonst nur sanft und gutmütig erlebte.

Leider gibt es keine kassenzugelassenen Therapieformen, die das ausagieren von Aggression, Wut und Ärger im Mittelpunkt haben. In vielen Kliniken gibt es jedoch Angebote in diese Richtung.

Einige geeignete Therapieformen können sein:

Weblinks:

-- Fred

18.01.2008 :: Wahrnehmung und Bewusstheit

Ein Thema, zu dem wir in einer der letzten Gruppen nicht mehr gekommen sind: Bewusstheit. Wie finde ich zu einem bewussten Leben im Hier und Jetzt?

Dazu fiel mir gerade ein Zettel in die Hand, eine kurze Notiz, ein Gedankenimpuls, den ich mir beim lesen einer Zeitschrift gemacht hatte:

Man kann nur gestalten, was man wahrnimmt.

Diese Erkenntnis gefällt mir. Und wenn ich mich an meine Psychotherapie zurückerinnere, so veränderte sich doch gerade deshalb ganz viel, weil ich auf einmal Dinge wahrgenommen habe, die mir zuvor nicht bewusst waren. Und jetzt - wo es mir bewusst wurde, stellte sich zugleich die Frage: Wie gehe ich denn damit um? Will ich es so, wie es ist? Will ich es ändern? Ist es passend oder gibt es eine passendere Art zu sein?

Alles, was ich nicht wahrnehme, werde ich auch nicht verändern (können). Es muss erst eine bewusste Auseinandersetzung damit da sein.

Das erinnert mich an ein Zitat aus dem Kleinen Prinz:

...du bist für all das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.

Weblinks:

-- Fred

15.01.2008 :: Sozialkapital

In einem Vortrag von Radio Vorarlberg ging es um das Thema Sozialkapital. Der wenig beseelte Begriff fasst etwas für Sozialphobie sehr interessantes zusammen: Es geht um die Frage, wieviele Möglichkeiten man hat, auf ein soziales Netz zurückgreifen zu können.

Wer gibt einem Anerkennung? Wer ist für einen da, wenn man Hilfe benötigt? An wen kann man sich ankuscheln, wenn man Wärme und Nähe braucht? Wer kann einem bei bestimmten Fragestellungen des Lebens zur Seite stehen? Mit wem kann man seine Freizeit gestalten? Mit wem lebt man Verbundenheit? Wer gibt einem Halt in der eigenen Verletzlichkeit?

Eine interessante Frage aus dem Vortrag war: Wie viele Menschen gibt es, wo du auch noch nachts um 1 Uhr anklingeln kannst, wenn du dringend Hilfe brauchst? Durch solche Fragen versuchen Wissenschaftler herauszufinden, wie es mit dem Sozialkapital in der Gesellschaft bestellt ist. Und leider sieht es nicht gut aus - bei dieser Frage sind nämlich einige sehr nachdenklich geworden.

Ein weitere interessante Frage ist, wie stark sich Menschen ehrenamtlich oder sonstwie unentgeltlich am Gemeinwohl beteiligen. Und auch hier ist der Trend rückläufig.

Es gibt also einen klaren Trend der zeigt, dass das Sozialkapital rückläufig ist. Ursachen dafür sind Wohlstand oder die Beschleunigung des Lebens. Wenn alle nur noch rennend durchs Leben gehen müssen, hat keiner mehr Zeit füreinander. Oder es wird als störend empfunden, wenn man aufgehalten wird. Wenn alle dem Konsum hinterher rennen, hat man nur noch wenig Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen. Man muss viel arbeiten, um Geld für den Konsum zu haben und braucht viel Zeit, um zu konsumieren. Mehr und mehr Konsumartikel haben zudem die Eigenschaft, soziale Kontakte eher zu vermindern.

Sozialphobie und soziale Ängste gehen auch oft einher mit einem Mangel an Sozialkapital. Man kennt nicht viele Menschen, ist nicht eingebettet in einem guten sozialen Netz.

Gerade vor diesem Hintergrund finde ich es spannend, Selbsthilfegruppe nicht nur als ein Ort zu sehen, wo man über irgendein Thema redet, um sich Klarheit zu verschaffen. Mich reizt es vielmehr, ein Ort mit viel Sozialkapital zu schaffen. Wo also ein lebendiges Beziehungsgeflecht entsteht. Ein Ort, wo man sich wohl fühlt, wo man sich auf die anderen freut. Wo Nähe und Miteinander entsteht. Wo Herzlichkeit da ist. Wo man sich tiefer aufeinander einlässt und sich gut aufgehoben fühlt.

Weblinks:

-- Fred

15.01.2008 :: Inspiration: Martin Rubeau

Auf der Homepage von Dipl. Psych. Martin Rubeau aus Berlin findet man eine ganze Menge inspirierender Texte und Einsichten. Er arbeitet auf der Grundlage einer humanistischen Weltanschauung. Sein Motto drückt er so aus:

Werde, der Du bist
oder
Akzeptiere Dich, wie Du bist - und Du fängst an, Dich zu verändern!

Weblink:

14.01.2008 :: Ich bin ich (wir sind wir)

Von der Gruppe Rosenstolz gibt es eine kleine Ermutigung, sich selbst wertzuschätzen, auch wenn es mal nicht so läuft. Weil der Text nicht ganz so eindeutig und klar ist, hier mal eine Info, was AnNa von Rosenstolz dazu meint:

"... ist eigentlich eine Aufforderung, sich selbst zu mögen und zu akzeptieren, wie man ist, wenn einem eigentlich einfällt, wie unzulänglich man machmal ist oder was für Fehler man getan hat oder was man vielleicht nicht erreicht hat: Sich mal kurz Gedanken zu machen, was man alles erreicht hat und sich einfach mal zu akzeptieren und gerne zu haben." (Quelle...)

Hier ein Video auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=hr7uIjqNa8Q

Rosenstolz auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Rosenstolz

-- Fred

12.01.2008 :: Gesundheitsportal Onmeda

Onmeda ist ein Internet-Platz, bei dem sich alles um das Thema Gesundheit dreht. Hier kann man nach Medikamenten oder Krankheiten recherchieren und nützliche Tipps finden, was man für seine Gesundheit tun kann. Auch eine Menge Hintergrundwissen findet man hier.

Man muss sich nicht mehr blind auf den Arzt verlassen, sondern kann selber Kompetenz aufbauen. Ich finde das mittlerweile sehr wichtig, weil Ärzte immer weniger Zeit für den Patienten haben. Da werden schnell mögliche Erkrankungen oder Heilungswege übersehen. Man selber hingegen kann sich viel Zeit nehmen, um evtl. Erkrankungen zu verstehen und Möglichkeiten der Behandlung herauszufinden.

Ich habe es im Laufe der letzten Jahre Selbsthilfe öfters erlebt, dass Menschen erst durch eigene Recherche im Internet, Krankheiten bei sich entdeckt und Heilungsmöglichkeiten gefunden haben.

Weblinks:

-- Fred

11.01.2008 :: Eindrücke vom Bildungsabend

Beim zweiten Sopha Bildungsabend hörten wir Gabriele Haug-Schnabel mit dem Thema "In der Kindheit wird die Erfahrungsschatzkiste gefüllt" - ein Mitschnitt von Radio Vorarlberg.

Im Vortrag wird die Meinung vertreten, dass wir genetisch bedingt, mit Lust auf Kontakt und Kommunikation geboren werden. Wir sind offen und neugierig und wollen die Welt entdecken und begreifen.

Diese grundsätzliche Lust auf Kontakt und Kommunikation reicht aber nicht aus. Sie braucht gerade in den ersten Lebensjahren ein förderliches Umfeld: Das Kind braucht die Aufmerksamkeit der Erwachsenen, es muss gespiegelt werden. Es braucht Menschen, die sich für das Kind interessieren, die Kontaktangebote machen und die auf die Lust an Kommunikation des Kindes reagieren.

Wenn dies ausbleibt, zieht sich ein Kind ganz schnell in sich zurück - es resigniert. Das ist wirklich fatal: Rückzug kann recht schnell passieren. Das Kind trifft unbewusst die Entscheidung, dass sich Kommunikation nicht lohnt. Und ab jetzt ist das Lustvolle an Kommunikation verloren, was dafür sorgt, dass man seine kommunikativen Fähigkeiten immer weiter entwickelt. Stattdessen wird Kommunikation auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig geht eine der wichtigsten Quellen für Lebensfreude verloren - in wohltuendem kommunikativen Kontakt mit anderen Menschen zu sein.

Ein Kind braucht übrigens einen realen Menschen, der direkt auf das Kind reagiert. Ein Fernseher bringt in diesem Sinne überhaupt nichts.

Ängste - auch hier hat ein Kind eine Lust darauf, beängstigende Situationen zu meistern. Ängste gehören damit selbstverständlich zum Leben und das Kind zieht eine Befriedigung daraus, über die Ängste hinauszuwachsen. Auch dies kann nur im richtigen Umfeld gelingen: Wo Kinder nicht überfordert, aber auch nicht unterfordert werden. Wo sie beängstigende Situationen durchleben dürfen, aber trotzdem nie zu viel Angst ertragen müssen. Wo ein Erwachsener genug Sicherheit gibt, aber nicht überfürsorglich das Kind vor allem bewahrt. Das Kind muss die Erfahrung machen können: Ich kann selber was gegen beängstigende Situationen unternehmen (Selbstwirksamkeit).

Ein Kind braucht Anregung: Es muss vieles kennenlernen und es ist wissbegierig. Das gilt vor allem auch für soziale Beziehungen. Es reicht nicht die Beziehung zu den direkten Bezugspersonen. Es braucht gleichaltrige Kinder. Und es schaut begeistert älteren Kindern zu und lässt sich inspirieren. Kontakte mit anderen Erwachsenen bringen auch immer wieder neue Beziehungsaspekte mit hinein.

Ich glaube, hier liegt auch ein zentraler Punkt für Sozialphobie: Wer als Kind entspannte Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen machen konnte, bekommt wichtige Grundlagen, um auch später sich im Kontakt wohl zu fühlen. Es könnte interessant sein, sich hier mal seine eigene Geschichte anzuschauen. Welche Kontakte hatte ich in meiner Kindheit? Wurden Kontakte mit anderen gewünscht und waren sie angenehm? Oder gab es belastende Situationen, die dabei entstanden? Hatte ich von früh an Kontakte zu Gleichaltrigen oder erwischte es mich plötzlich erst mit der Einschulung?

Was bringt das größte Wohlgefühl in den ersten Lebensjahren? Das Gefühl, dass da jemand ist, der auf mich gewartet hat und sich an mir erfreut. Das Gefühl, gesehen und gehört zu werden. Das Gefühl, wichtig zu sein. Viele Menschen haben hier eine zentrale Verletzung erfahren und sind ihr ganzes Leben auf der Suche, diese Anerkennung und Zuwendung doch noch zu bekommen. Wie viele therapeutische Arbeit mündet irgendwann in die Erkenntnis "Was hab ich alles getan, um das Gefühl zu haben, geliebt zu werden..." Im Sozialphobie-Umfeld erlebe ich häufig Menschen, die alles haben und glücklich sein könnten, jedoch haben sie einen großen Selbstzweifel und können einfach nicht glauben, dass bereits alles da ist.

Interessant ist, das Kinder ein verstärktes Interesse daran haben, wie andere Menschen Konflikte lösen. Bei Streiterein und Auseinandersetzung schaut es also besonders hin. Leider ist hier so oft ein großer Mangel da: Konstruktive Verhaltensmuster, wie man mit Meinungsverschiedenheiten umgeht, werden viel zu selten gelebt. Hier sehe ich große Chancen, später im Nachhinein vieles dazulernen zu können. Gerade bei sozial ängstlichen Menschen sind hier kaum gute Handlungsalternativen vorhanden. Die eigenen Bedürfnisse werden nicht erkannt und kommuniziert. Für die eigenen Bedürfnisse wird nicht gekämpft. Man erträgt oder erduldet lieber Entscheidungen, die gegen die eigenen Bedürfnisse gehen.

Kinder haben Lust auf Bewegung. Diese Lust ist uns angeboren. Überall auf der Welt wird z.B. getanzt und Kinder lieben es, zu tanzen. Seinen Körper zu nutzen und seine körperlichen Fähigkeiten auszuloten und zu entwickeln, ist auch im Zusammenhang mit Sozialphobie essentiell. Das mag man auf den ersten Blick gar nicht glauben, aber: Es bringt einem viel Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, wenn man körperlich seine Erfolgserlebnisse macht. Wie beglückend, wenn man nach dem Stein greifen kann, der da vor einem liegt. Wie beglückend, den ersten Schritt beim Laufen lernen gemacht zu haben. Wie angenehm, wenn man es schafft, über einen Baumstamm balancieren zu können. All das schafft Selbstbewusstsein und das Vertrauen in sich selbst, das Leben bewältigen zu können. Handlungsmöglichkeiten in sich zu spüren, um dem Leben begegnen zu können.

Auf der anderen Seite kann man schnell Opfer werden, wenn man körperlich ungeschickt ist. Schnell wird man zum Opfer von Gleichaltrigen, die sich darüber lustig machen, wie unbeholfen man ist. Nicht wenige von Sozialphobie Betroffene haben z.B. auch Angst davor, sich ungeschickt zu bewegen. Das kommt gerade in der Angst zum Ausdruck, vor den Augen anderer zu tanzen. Hier fehlt ein Selbstvertrauen in den eigenen Körper.

Insofern halte ich es gerade in der Therapie bei Sozialphobie für sehr wichtig, sich auch dem Körper zuzuwenden. Es gibt mittlerweile viele Bewegungsangebote in der Psychotherapie, jedoch wird in der Behandlung von Sozialphobie hierauf nur selten zurückgegriffen (Feldenkrais, Tai-Chi, Qigong, Konzentrative Bewegungstherapie, Körperwahrnehmungs-Schulung, therapeutischer Tanz, Körperpsychotherapie, Bewegungsmeditationen).

Kinder entwickelt auch eine große Lust auf Physik im Alltag: Sie wollen alles begreifen. In allem, was die Welt bietet, ist auch eine Lust, zu verstehen, wie sie funktioniert. Hier brauchen Kinder Erfahrungsräume, hier müssen sich Kinder ausprobieren können. Und es braucht hier nicht die Erwachsenen, die ihnen sofort sagen, warum wie alles genau funktioniert. In der Selbsterfahrung und dem Ausprobieren liegt der Wert. Durch eigenes Forschen und Fehlermachen dahin zu kommen, das man die Welt besser begreift. Man muss Fehler machen dürfen um daraus lernen zu können.

Ein ungünstiges Umfeld sind hier sicherlich Bezugspersonen, die perfektionistisch sind und das Kind in seiner Unperfektheit nicht so lassen können. Die sofort etwas Perfektes erwarten und dem Kind zu wenig eigenen Erfahrungs- und Ausprobierraum zu lassen.

Der Bereich Kommunikation betrifft übrigens auch alle Erfahrungen die man macht: Ein Kind hat das große Bedürfnis, über alle Erfahrungen, die es macht, mit anderen sprechen zu können. Das ist ein Grundbedürfnis und in jedem Menschen so angelegt. Auch hier braucht es wieder Menschen, die dem Kind zuhören. Ein Umfeld, wo über alles geredet werden darf.

Wenn man hier Mängel in seiner Kindheit entdeckt, kann man jetzt diese Bereiche entwickeln, wo zuvor Mangel herrschte. Die Selbsthilfegruppe ist z.B. oft ein Ort, wo man endlich mal über all das reden kann, wofür man früher nie einen Ansprechpartner hatte. Dinge, die man sonst nur mit sich selbst ausgemacht hat. Hier immer mehr zu lernen, über all das zu sprechen, was einen betrifft, macht einen großen heilsamen Effekt der Selbsthilfe aus.

Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der auch in dem Vortrag angesprochen wurde: Sprache ordnet und strukturiert. Wer etwas gut in Sprache ausdrücken kann, ordnet seine Gedanken, bekommt mehr Klarheit. Und diese Klarheit kann einem helfen, sich besser zu begreifen, um dann herauszufinden, was man braucht oder was der nächste Schritt sein kann.

Auch ein Grundimpuls, der wohl genetisch festgelegt ist: Wir haben eine Lust daran, besser zu werden. Lernen in diesem Sinne ist dann etwas ganz natürlich Motiviertes. Und auch das schafft natürlich wieder viel Selbstvertrauen und Selbststärke: Wenn man immer wieder erlebt, wie man sich mit einer Sache beschäftigt und besser wird. Wenn man erlebt, wie die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sich entwickeln. Wenn man stolz darauf ist, dass man etwas auf einmal kann.

Wenn diese Lust ein Leben lang erhalten bleibt, werden wir uns immer weiter entwickeln. Und immer wieder Freude an dieser Weiterentwicklung haben. Für Menschen, die diese Lust am Lernen verloren haben, kann man schauen: Was ist schief gelaufen und wie kann ich meine natürliche Lust auf Weiterentwicklung wieder neu entdecken? Denn das ist ja etwas ganz wichtiges jeder Form von Therapie: Ohne Lust auf Veränderung ist alles schwer und man wird nur das machen, was unbedingt nötig ist.

Wenn jedoch eine Lust auf Veränderung entsteht, kommt alles in Fluß und die Therapie ist erst der Beginn einer fortwährenden Weiterentwicklung. Die Werkzeuge, die man in Therapie kennenlernt, wird man fortwährend für die persönliche Entwicklung nutzen können. Ein Leben lang. Denn fertig ist man nie...

-- Fred

07.01.2008 :: Sozialphobie und Stimme

Die eigene Stimme ist das wichtigste Kommunikations-Mittel, was man hat. Der Kontakt zu anderen Menschen läuft in den meisten fällen über die Stimme. Damit ist klar, dass soziale Ängste entstehen können, wenn man mit seiner Stimme Probleme hat.

Es gibt viele Ausprägungen von solchen Schwierigkeiten: Manche können normal gut sprechen, die Stimme versagt aber, wenn Ängste auftreten. Oder sie wird leise oder verändert sich in der Stimmlage. Dann gelingt es vielleicht nicht mehr, sich durchzusetzen. Oder andere bemerken die eigene Aufgeregtheit.

Natürlich fällt hier auch das Stottern mit hinein. Oder auch weniger ausgeprägte Formen, wo man bei aufkommenden Ängsten sprachlich zu stolpern anfängt. Oder schwierige Wörter lassen sich nicht mehr aussprechen.

Ganz wichtig ist auch die Beziehung, die man zur eigenen Stimme hat. Mag man sich gerne hören? Oder lehnt man sich mit seiner Stimme ab? Manche Menschen werden so bei jedem Gespräch von unangenehmen Gefühlen berührt, weil sie sich nicht gerne reden hören. Wie viel wäre diesen Menschen geholfen, wenn sie eine bessere Beziehung zu ihrer Stimme finden könnten. Wenn sie ihre Stimme so annehmen könnten, wie sie ist. Selbstablehnung hinsichtlich der eigenen Stimme kann sehr schwerwiegend das Leben beeinträchtigen und ist direkt mit sozialen Ängsten verbunden.

Es kann sein, dass man nur die Einstellung zu seiner Stimme verändern muss. Es kann jedoch auch sein, dass man tatsächlich nicht die Stimme findet, die zu einem gehört. Vielleicht spricht man aus Gewohnheit in einer anderen Stimmlage. Dann kann es gut sein, mit einem Experten an der Stimme zu arbeiten. Die Stimme zu schulen. Dabei geht es vor allem darum, gut mit seinen Stimmbändern umzugehen und die einem gemäße Stimme zu finden. Wenn man seine Stimmbänder effektiv nutzt, dann braucht es wenig Kraftanstrengung für eine kraftvolle Stimme.

Es gibt auch Sprachgewohnheiten, die in Kommunikation zu Problemen führen. Wenn man z.B. undeutlich spricht, können andere einen nicht verstehen. Vielleicht wird 2-3 mal nachgefragt und dann wird man nicht mehr richtig beachtet. Es ist also wichtig, zu schauen, ob man seine Sprache entwickeln kann, um rein akustisch besser verstanden zu werden. Auch die Sprechgeschwindigkeit ist entscheidend. Manche fühlen sich z.B. durch Ängste getrieben und sprechen dann viel zu schnell.

In der Sprache zeigen sich auch immer die dahinterliegenden psychischen Muster. Eine innere Resignation kann zu einer langweiligen monotonen Sprache führen. Wer seine Gefühle unterdrückt, hat auch meist eine emotionslose kontrollierte Sprache. Sprache und Psyche hängen zusammen. Deshalb ist es wichtig, immer beides zu betrachten. Die beste Sprachschulung nützt nichts, wenn die dahinterliegenden psychischen Muster nicht betrachtet werden, die zu der gewohnten Sprache führen.

Ein tiefes psychisches Thema könnte z.B. sein, dass man sich innerlich noch nicht erwachsen fühlt. Man spürt die seelischen Qualitäten nicht, die das Erwachsensein mit sich bringt. Und so bleibt man in einer kindhaften Stimme verhaftet. In diesem Fall wäre es sicherlich sinnvoll, zuerst einmal die dahinterstehende psychische Problematik zu betrachten, um nachreifen zu können. Nur die Sprache zu trainieren, würde die darunterliegende Ursache nicht berücksichtigen.

Leider ist unser Gesundheitssystem oftmals wenig integrativ. Und so gibt es Experten für die Stimme und Experten für die Psyche. Jeder ist nur Experte in seinem Fachgebiet. Es braucht aber Menschen, die von beiden Gebieten genügend verstehen, damit man wirklich hilfreich agieren kann. Insofern gestaltet sich die Suche nach einer hilfreichen Person schwer.

Experten der Stimme sind die Logopäden. Daneben gibt es Sprachheilpädagogen und Stimmlehrer. Sie wissen, was es braucht, damit Sprechen auf gute Weise gelingt. Sie können mit einem üben, damit man die Fähigkeiten guten Sprechens ausbildet.

Experten der Psyche sind die Psychotherpeuten. Sie können die dahinterliegenden psychischen Muster erkennen, die zu Schwierigkeiten in der Sprache führen. Hier gibt es jedoch große Unterschiede. Manch ein Therapeut achtet sehr genau auf die Sprache, für einen anderen ist das völlig nebensächlich. Je nach Ausbildung und therapeutischer Ausrichtung.

Am besten, man hat einen Logopäden, der zugleich gut psychotherapeutisch ausgebildet ist. Oder einen Psychotherapeuten, der auch eine Ausbildung in Logopädie hat.

Wer gute Fachleute in Dortmund und Umgebung kennt, melde sich bei uns. Ebenso wer Interesse hat, sich mit diesem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Vielleicht gibt es ja einige Betroffene, die sich so gemeinsam mit diesem Thema beschäftigen können.

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