Sopha Selbsthilfe

Fred's Sozialphobie Weblog (Archiv 2003)

05.11.03 Fletch-Bizzel: Meditation und Alltag

Ich war gestern mit einem Freund aus der Kerngruppe im Fletch Bizzel in Dortmund. Ich hatte von einer Bekannten gehört, dass dort ein guter Meditationsabend läuft, gerade für Menschen, denen Meditation noch nicht so vertraut ist. Ich wollte dieses Angebot mal kennen lernen, ich beobachte schon seit einiger Zeit aufmerksam, was in Sachen Meditation hier in Dortmund läuft. Und etwas für Anfänger zu finden, ist wirklich nicht so einfach. Bei vielen Meditationsangeboten wird einem gleich zu Anfang schon viel abverlangt oder sie sind an eine bestimmte spirituelle Gruppe gebunden, denen man sich zu Anfang gar nicht verpflichten möchte.

Meditation ist zu wertvoll, als dass sie nur den spirituell Suchenden vorbehalten sein sollte. Meditation ist ansich erstmal eine Technik, die seit vielen tausend Jahren bekannt ist und sich über diese Zeit immer weiter entwickeln und verfeinern konnte. Heutzutage gibt es sehr viele verschiedene Formen von Meditation. Jede betont irgendeinen anderen Aspekt, jedoch haben alle auch vieles gemeinsam.

Auch wenn man über Meditation zu tieferen Einsichten gelangen kann, ist sie auch wunderbar geeignet, sich zu entspannen und die Wahrnehmung zu fördern. Sie kann helfen, loszulassen, zuzulassen oder anzunehmen, was auch immer ist. Sie will nicht verändern sondern einfach nur sehen, was ist, ohne zu bewerten.

Bewertung - welch ein zentrales Thema bei sozialen Ängsten. Immer und immer wieder in der Selbsthilfegruppe auseinandergenommen und beleuchtet. Und hier ist eine gute Technik, mit der man lernen kann, Bewertung loszulassen. Einfach sehen was ist, ohne jede Bewertung.

Von daher freue ich mich immer wieder über Meditationsangebote, die frei von konfessioneller Bindung ist.

Der gestrige Abend im Fletch Bizzel hat mir diesbezüglich gut gefallen. Doris Wäder gestaltete einen wunderbaren Abend, ein Mix aus Entspannung, aus positiven Sätzen, Bewegung, Wahrnehmung und eben auch 10 min Meditation in Stille. Schön an dem Angebot: Es ist zwar als Kurs angelegt, man kann jedoch unabhängig davon an jedem Abend mit dabei sein und diesen dann mit 5 Euro bezahlen. Das Angebot ist immer Dienstag Abend von 18:15 - 19:15 Uhr mit manchen Pausen zwischendurch.

Für mich war der entspannende Effekt gestern wirklich angenehm. Ich hatte die letzten Tage viel Stress und war völlig angespannt. Ich sehnte mich danach, mal wieder richtig entspannen zu können. Und dies hier war so ein schöner einladender Ort, wo ich dies konnte. Es erinnerte mich auch an den Aufenthalt in der Fachklinik Heiligenfeld, wo es immer wieder solche Angebote gab. Als ich damals aus der Klinik kam, dachte ich mir, sowas müsste es auch in Dortmund geben - jeden Abend irgendein heilsames Angebot, wo man hingehen könnte. Leider fand ich damals nicht sehr viel. Und ich merkte, es macht auch einen großen Unterschied, ob ein Angebot ein paar Schritte weiter im gleichen Gebäude ist, wie in der Klinik. Oder ob man sich erst aufraffen und 10 Km weiter irgendwo hinfahren muss. Das gelingt nicht so leicht.

Wie auch immer, ich kam angespannt rein und ging total entspannt und freudig gelassen heraus. Das war gut.

Infos über das Fletch Bizzel findet ihr hier unter lokale Links.

30.09.03 Emotionale Intelligenz

Emotionale Intelligenz ist die letzten Jahre zu einem Schlagwort geworden, es ist gerade modern, davon zu reden. Daniel Goleman schaffte diesen Durchbruch durch ein geschicktes Marketing mit seinem Buch "Emotionale Intelligenz". Seither ist es in aller Munde.

Ich war vor ein paar Monaten auf einem Vortrag zu diesem Thema und ich fand einige interessante Anregungen. Emotionale Intelligenz passt auch gut in den Bereich soziale Ängste hinein. Es geht ja um wichtige Grundeigenschaften, wie ich es schaffe, eine gute Beziehung mit anderen Menschen einzugehen. Es geht darum, nicht nur das zu verstehen, was Menschen inhaltlich sagen sondern auch alles drumherum, die Gefühle und Einstellungen, das Beziehungsgeflecht, Machtpositionen, Aggressionen, Zugewandheit usw.

Für emotionale Intelligenz braucht es vor allem eins: Ich muß fühlen können. Viele Menschen können nicht mehr richtig fühlen, weil schwierige Erfahrungen sie verschlossen gemacht haben, weil sie jetzt Gefühle von sich halten. Es ist fast immer so, dass Menschen, die psychische Schwierigkeiten haben, nicht richtig oder nur sehr eingegrenzt fühlen können. Der eine kann seine Aggressionen nicht spüren, der nächste kann keine Zärtlichkeit oder weiche Gefühle zulassen, wieder ein anderer kann Freude nicht hochkommen lassen, ob es nun die eigene oder Mitfreude ist.

Ich sehe es deshalb für ganz wichtig an, in der Selbsthilfearbeit wieder mehr zu seinen Gefühlen zu kommen. Gefühle auszudrücken und darüber zu reden, spielen in unserer Gruppe eine wichtige Rolle ein. Wieder gut fühlen zu können und seine blinden Flecke zu kennen, ist die Grundlage, um emotional intelligent - für sich und andere - handeln zu können.

Bei der emotionalen Intelligenz geht es auch viel darum, konstruktives handeln zu lernen. Ein wichtiger Bereich ist hier, wie wir mit Dingen umgehen, die uns nicht so recht gelingen. Manche Menschen resignieren, geben auf. Andere sehen es als Herausforderung, besser zu werden. Ich glaube, wie man mit Misserfolgen umgeht, ist ganz stark davon abhängig, was man für Erfahrungen gemacht hat. Hatte man Eltern, die einen ermutigten und Trost spendeten und die an einen glaubten? Oder hatte man Eltern, die ständig nur kritisierten, wo man nichts rechtmachen konnte? Und auch in der Schule - wie wurde da mit einem umgegangen? War es schlimm, Fehler zu machen oder war es in Ordnung und wurde einem gezeigt, wie es besser gehen kann? Konnte man spielerisch-natürlich lernen oder war es oft Zwang und Quälerei. Vieles hängt von diesen Erfahrungen ab, dass man heute der ist, der man ist.

Und trotzdem glaube ich, dass man hier dazulernen und sich verändern kann. Man muss nun selbst ein guter Erwachsener für sich sein. Man darf nicht innerlich so destruktiv mit sich umgehen, wie andere dass mit einem getan haben. Man muss sich vielmehr innerlich liebevoll begegnen, großherzig sein, sich verzeihen, sich Mut machen, sich trösten. Und auch Menschen finden, die einem solche guten Emotionen geben können, die einem helfen, auf bessere Weise mit sich umzugehen.

Wenn man gelernt hat, mit Misserfolgen gut umzugehen, wird man nicht daran verzweifeln sondern weiter gehen und sich so immer mehr ausdehnen. Und genau das ist es, was Menschsein ausmacht. Ich glaube, dass es natürlich im Menschen angelegt ist, dass man wachsen und sich entwickeln will, dass man immer klarer und differenzierter die Welt begreift, dass man immer mehr Fähigkeiten entwickelt. Nicht als permanente erstickende Anforderung sondern spielerisch und mit Leichtigkeit.

30.09.03 Angst, Anspannung, Autogenes Training

Mir ging es gestern mal wieder recht schlecht. Ich bin seit Tagen innerlich ziemlich angespannt, fühle mich in meinem Körper so unwohl, dass ich es kaum aushalten kann, mich zu spüren. Wenn ich solche Zeiten habe, dann kann ich auch meist recht schlecht schlafen, die Anspannung bleibt die ganze Nacht und ich wache genauso damit auf. Meditation hilft mir zwar, diese Anspannung ein Stück aufzulösen, jedoch brauche ich dafür immer viel Willen, weil ich mich da mit den Gefühlen konfrontieren muss. Ich schaffe das nicht immer, besonders dann nicht, wenn es mir schon zu schlecht geht.

Ich habe gestern mal wieder etwas anderes ausprobiert und es funktionierte sehr gut: Autogenes Training. Das Autogene Training (auch als Selbsthypnose bekannt) kenne ich schon sehr lange. Ich habe es als Kind in der 3. Schulklasse gelernt, als ich immer wieder mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen hatte. Ein Arzt meinte dann, ich möge es mal damit probieren und verordnete mir einen Kurs. Die Zeit damals war sehr interessant und auch erstmal völlig ungewohnt. Und es hatte mir einiges gebracht. Wie es jedoch oft bei solchen Dingen ist, irgendwann schlafen sie ein, vergisst man sie. Ich hatte dann nochmal eine Zeit vor ein paar Jahren, wo ich es mal wieder machte. Und jetzt scheint es mir mal wieder interessant, vor allem weil es gestern so gut klappte.

Beim autogenen Training versucht man, sich mental über bestimmte Sätze zu entspannen. Man kann mit solchen innerlich gesprochenen Sätzen tatsächlich seinen Körper beeinflussen. Zuerst geht man ein gewisses Schema durch, entspannt Arme, Beine, Bauch, reguliert Atmung und lässt sein Herz ruhig schlagen. Man versucht in eine gelassene, losgelassene Stimmung zu kommen. Mit den Kopfübungen kann man später, wenn man fortgeschritten ist und schon einige Monate geübt hat, spezielle Dinge erreichen. Man kann sich z.B. ganz bestimmte Sätze sagen, die auf die Lösung konkreter Probleme abzielen. Wenn man z.B. merkt, dass man in Begegnungen mit anderen Menschen immer so angespannt ist, könnte man im autogenen Training so einen Satz wählen: "Ich kann mich bei anderen Menschen wohlfühlen und entspannen." Solch eine positive Suggestion kann dann in den Alltag weiterwirken und tatsächlich zur Entspannung beitragen.

Natürlich muss man bei der Auswahl der Suggestionen achtsam und sorgfältig sein. Es geht eher darum, irreale Ängste, die vielleicht aus vergangenen Erfahrungen stammen, loszulassen und wieder zu einem angemesseneren Erleben zu gelangen. Die aktuelle Situation nicht mit der alten beängstigenden Situation zu verwechseln sondern jetzt spüren, dass nichts passiert, dass man sich hier sogar wohlfühlen kann. Bei der Auswahl solcher Suggestionen kann ein Therapeut sehr hilfreich sein, bis man irgendwann genügend Erfahrungen hat, sich selber Suggestionen auszudenken.

Autogenes Training kann man an Volkshochschulen oder gesundheitlich orientierten Bildungsstätten lernen (z.B. Kobi in Dortmund oder IAG in Bochum). Auch manche Therapeuten machen es.

Es gibt auch sogenannte Hypnotrancen, Tiefensuggestionen oder Trancemeditationen fertig auf Kassetten und CD's. Bekannte Vertreter sind Arndt Stein (Iserlohn) und Günter Bayer (Dehypno Verlag München). In fast jeder Bibliothek findet man sowas. Jeder hat da seinen eigenen Favoriten und ich weiß, ich mag z.B. Günter Bayer sehr gerne hören. Er hat etwas wohlwollendes väterliches für mich, ich fühle mich gut bei ihm aufgehoben und kann so gut loslassen.

Das autogene Training, die Hypnontrancen und die Hypnose sind alles ähnliche Verfahren. Bei der Hypnose kann der Therapeut auch konkrete Formeln oder Sätze dem Klienten in tiefer Entspannung mitgeben, die längere Zeit im Unbewussten wirken können. Oder er kann mit dem Klienten nochmal in die Vergangenheit zurück, um alte Erlebnisse aufzuarbeiten, wiederzuerleben.

Der Hypnose haftet ein geheimnissvoller Ruf an, weshalb viele auch eine Wundertherapie darin sehen. Oft ist die Idee in den Köpfen, ich lege mich dort hin, der Therapeut macht irgendwas magisches mit mir und zum Schluss gehe ich geheilt dort raus. So ist es jedoch nicht, wenn ich mich auf die Erfahrungsberichte einiger mir bekannter Menschen beziehe, die sowas gemacht haben. Es hätte mich auch gewundert. Hypnose ist ein gutes ergänzendes Verfahren und kann im Einzelfall auch wichtige Schritte auf dem Lebensweg initiieren. Es ist aber kein Wundermittel. Das wäre andererseits ja auch bedenklich, wenn man mit ein paar Sitzungen einen Menschen total verändern könnte. Erfahrungen haben sich oft tief in dem Menschen verfestigt und es braucht einiges an Zeit, um sich zu verändern. Doch stetig Tropfen hölt den Stein...

28.09.03 Verstrickt im System

Die systemische Familientherapie hat ihr therapeutisches Auge besonders auf das Familiensystem gerichtet. Man schaut sich also nicht nur den Klienten an, was er denkt, fühlt, was seine Geschichte ist und mit welchen Schwierigkeiten er in die Therapie kommt. Man schaut sich vielmehr an, in welchem größeren (Familien)-Zusammenhang der Klient eingebettet ist. Diese Sicht kann ganz neue Erkenntnisse offenbaren und eine solche Sicht braucht es auch, um überhaupt bestimmte Probleme zu verstehen. Allgemeiner spricht man auch von den Systemikern, die eine solche Sichtweise pflegen.

Ich will mal ein wenig technisch erklären, warum es diese Sicht braucht: Ein Auto, was nicht mehr fährt, soll unser Gesamtsystem darstellen. Die Zündkerze dieses Autos geht nun in Therapie, weil sie sich permanent so schlecht fühlt, weil sie total verrußt ist. Der Therapeut schaut nun die Zündkerze an, stellt viele Fragen, ob das in Vergangenheit auch so war, wann es besonders schlimm ist usw. Schließlich empfiehlt er ihr, das Umfeld zu wechseln und in einem anderen Motor zu werkeln. Leider ist sie aber auch hier unglücklich. Zwar ist sie jetzt nicht mehr verrußt, ist jedoch von ihren lieben Geschwistern getrennt, die noch im ersten Motor werkeln und denen es jetzt vielleicht zudem immer noch schlecht geht. Und selbst, wenn alle umziehen, kommt das schlechte Gewissen, dass dort jetzt andere Brüder und Schwestern dort werkeln und es ihnen nicht gut geht. Außerdem hatten sie eine innige Beziehung mit dem Motor, die nun auch abgerissen ist. Das ist alles gar nicht so einfach.

Schaut man nun aus systemischer Sicht, so versucht man erstmal das System als Ganzes zu verstehen: Wie kommt es dazu, dass in diesem Auto die Zündkerzen so verrußen und wie muss das System sich verändern, damit es wieder in Balance ist? Und hier können dann viele Ursachen gefunden werden, es könnte eine falsche Einstellung des Vergasers oder der Einspritzung sein, es könnte aber auch ein falscher Umgang durch den Fahrer sein.

Systemisches Denken geht also über den Einzelnen hinaus, hin zu etwas größerem Ganzen. Und es versucht, dieses größere Ganze wieder in Ordnung zu bringen. Oder zumindest Lösungen anzudenken, die das größere Ganze (z.B. die Familie) irgendwie mit berücksichtigen.

Warum fällt mir das alles gerade jetzt ein? Ich war in einer Autowerkstatt und habe bei meinem Auto ein paar neue Reifen aufziehen lassen. Und dort konnte ich sehr schön beobachten, wie das System Werkstatt funktioniert, wie die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern abläuft. Die Kommunikation gibt einen guten Einblick in dieses soziale System. Ein Mitarbeiter tat mir etwas leid, ich konnte gut mit ihm mitfühlen. Er ging etwas gebückt und schaute fast immer nach unten. Er traute sich nichtmal, die Leute zu grüßen, die hereinkamen. Sein Körper sprach für mich die Botschaft: "Ich bin zu vielem zu dumm und deshalb nicht wert, mit anderen in Kontakt zu treten." Und genauso wurde er auch behandelt, der Chef sagte z.B. "Nimm lieber nicht den Schlagschrauber, wenn du den in der Hand hast, ist Unglück vorprogrammiert." oder "Kannst du nicht aufpassen... ich hab dir doch gerade noch gesagt, achte darauf..."

Wichtig ist mir, hier zu sehen, dass die Werkstatt glaube ich tatsächlich jemanden braucht, der diese Rolle einnimmt. Das System Werkstatt würde so nicht funktionieren, wenn niemand diese Rolle einnimmt. Würde man eine schlaue Aushilfe einstellen, würde das ganze System aus den Fugen geraten, hätte man niemanden mehr, auf den man seinen Frust oder eigene Unzulänglichkeit abwälzen kann. Und dieser schlaue Mitarbeiter würde wohl nicht lange dort arbeiten. Es braucht jemanden, der bereitwillig in diese Rolle reingeht oder der es gewohnt war, bisher so behandelt worden zu sein und sich nun wieder so behandeln lässt.

Natürlich müsste das alles nicht so sein, dies würde aber bedeuten, dass auch alle Beteiligten sich ändern müssten. Der Chef der Werkstatt müsste seine destruktiven Seiten begreifen und sich ändern wollen. Oder es müssten irgendwelche anderen Kräfte wirken, die das System ändern, z.B. dass der Chef begreift, dass durch sein Verhalten ihm ständig die Mitarbeiter davonlaufen und er zu viel Geld investieren muss, um immer wieder neue Leute zu finden.

Menschen, die so eine erniedrigende Behandlung in ihrem Leben gut kennen, neigen auch immer wieder dazu, genau in solche Systeme hineinzugeraten, wo gerade so ein Charakter gesucht wird. Es besteht eine meist unbewusste Anziehung zwischen dem "Loch" oder dem nicht besetzten Platz in einem System und einer Persönlichkeit, die dieses ausfüllen kann. Das gilt sowohl für gesunde Systeme, wo das Potenzial der Menschen gefördert wird wie auch für ungesunde Systeme, wo Menschen Opfer von Destruktion und Aggression werden.

Weiß man um diese Zusammenhänge, kann man lernen, sich selber davor zu schützen, sich in solche Rollen oder "freien Plätze" hineinziehen zu lassen. Man muss lernen, sich hier abzugrenzen, nicht wieder in gewohntes Verhalten hineinzuschliddern. Man kann auch lernen, Systeme so umzugestalten, dass sie konstruktiver sind. In einem System, wo man erstmal in eine "Arschrolle" hineingezogen wurde, ist es oft schwierig, da wieder herauszukommen, einfach weil andere dich in deiner "Arschrolle" brauchen. Sonst werden ihre kranken Bedürfnisse nicht befriedigt.

Manche Menschen fragen sich: "Warum passiert gerade mir das immer wieder?" Genau deshalb, weil die Umwelt darauf lauert, genau so jemanden wie dich zu finden, der eine bestimmte Opferrolle ausfüllt. Und weil man selber immer wieder, so traurig es auch ist, in gewohnte Rollenmuster einsteigt.

Weil solche Zusammenänge oft unbewußt wirken, können sie überhaupt so grausame Formen annehmen. Wenn man familientherapeutische Bücher liest, offenbaren sich grausamste Familienkonstellationen, wo Menschen und ihr Potenzial geopfert werden. Keiner ist sich jedoch einer Schuld bewusst, weil sich alles im nicht-sichtbaren abspielt. Es kann eine unglaubliche Erleichterung sein, wenn man irgendwann solche Spielchen versteht und begreift, dass man nicht selber unzulänglich ist sondern das man im Familiensystem die Rolle bekommen hat, alle Unzulänglichkeiten der Familie zu tragen. Wenn man das begreift, kann man sich aus dieser Rolle befreien und einen ganz neuen Selbstwert aufbauen.

25.09.03 Tanzmeditation

Wir brauchten mal Abwechselung und uns war eher nach etwas ruhigem zumute. Also machten wir aus dem gestrigen Tanzmeditationsabend etwas mehr Meditatives. Zuerst Mantrasingen: Das fand ich mal wieder eine schöne Sache, wir sangen Om namah shivay, Om namah bagavate und Shri Ram nach der wunderbaren Musik von Deva Premal und Robert Gass. Ist wirklich immer wieder herzberührend und verbreitet eine friedvolle Stimmung. Danach machten wir noch eine Mantrameditation. Ich habe diese Form Mantrameditation bei einer Gruppe tibetischer Buddhisten kennengelernt. Nach einer solchen Meditation hat sich irgendwie mein ganzes Denken beruhigt, es fühlt sich an, als wäre der Kopf einmal durchgespült, alle Gedanken und Verhaftungen haben sich aufgelöst und man kann jetzt frei die Stille und das Sein genießen. Ich empfand diese Form Meditation auch vor Jahren hilfreich, als ich immer wieder starke Panikattacken hatte. Sie hat mir geholfen, aus dem beängstigenden Erleben auszusteigen. Ich erinnerte mich auch an die gemeinsamen Meditationsabende vor etwa 5 Jahren bei der Karma Kagye Linie (Ole Nydahl). Es war zwar nicht mein Weg, die Abende waren jedoch eine schöne Erfahrung.

18.09.03 Rolfing, eine interessante körperorientierte Therapieform

Ich war gestern auf einem Vortrag zum Thema Rolfing bei der IAG in Bochum. Er wurde von dem erfahrenen Rolfer Manfred Wittneben gehalten, der auch bei der IAG seine Praxis hat. Die Grundidee bei Rolfing ist, das unser Körper aus dem Gleichgewicht geraten ist, weil vor allem Stress und unterdrückte Gefühle bestimmte Muskelgruppen längere Zeit unter Anspannung gehalten haben. Das Bindegewebe um diese Muskeln hat sich dann verklebt und diese Verklebungen halten nun diesen Zustand der Muskelverkürzung aufrecht. Rolfing geht davon aus, dass bei einem ausbalancierten Körper das Ohr, die Schulter, das Becken, das Knie und der Fußknöchel lotrecht übereinander liegen. Das Ziel des Rolfing ist es, sich diesem Ideal wieder anzunähern. Dies deshalb, weil jede Deformation über kurz oder lang zu Problemen führt, weil durch die permanente Wirkung der Schwerkraft die Disharmonie immer weiter verstärkt wird bzw. eine permanente Belastung uns zu schaffen macht.

Bei vielen Menschen ist es so, das gerade der Bereich Bauch und Zwerchfell stark angespannt ist, weil dort auch viele Gefühle kontrolliert bzw. unterdrückt werden. Auch der Brustbereich ist oft betroffen und solche Anspannungen führen dann z.B. zu einem vorgelagerten Kopf. Ohr und Schulter liegen dann nicht mehr lotrecht übereinander. Auch hochgezogene Schultern sind häufig anzutreffen, wobei der Betroffene oft nicht mal das Gefühl hat, dass er seine Schultern hochzieht.

Rolfing versucht, durch eine tiefgehende Massage, die Verklebungen der Faszien (Bindegewebe) zu lösen, so dass die Muskeln sich wieder frei bewegen können. Das ist aber nur ein Teil der Arbeit. Es geht beim rolfen auch viel darum, mehr Körperbewusstsein zu erlangen und in Kontakt mit unterdrückten Gefühlen zu kommen, diese loszulassen oder ausleben zu können. Denn ohne die Durcharbeitung dieser Gefühle wird sich kein Erfolg einstellen können, weil man ja durch die Anspannung der Muskeln das Gefühl weiter kontrolliert.

Herr Wittneben macht neben der Rolfing-Praxis auch Psychotherapie. Ich finde eine solche Kombination sehr befruchtend, weil Psyche und Körper eng miteinander verwoben sind. Ich habe es öfters erlebt, dass Menschen zwar in körperorientierten Verfahren ausgebildet waren, jedoch den psychischen Bereich ganz aus ihrer Arbeit aussparten. Das find ich sehr schade, weil dadurch vielleicht tiefergehende Veränderungen nicht ermöglich werden. Es braucht die Begleitung und Unterstützung auf psychischer Ebene.

Rolfing wird leider nicht von den Kassen finanziert. Man muß die 10 Sitzungen, die nötig sind, mit etwa 850 Euro selber finanzieren.

Mehr dazu gibts unter http://www.rolfing.org.

18.09.03 Interessante Kurse bei IAG in Bochum

In Bochum gibt es ein Institut für Autogenes Training und Gruppenarbeit (IAG). Ich habe mir das gestern mal angeschaut und auch ein paar Infos mitgenommen. Hier werden ähnlich wie beim KOBI in Dortmund oder an Volkshochschulen viele Gesundheits-Workshops angeboten. Hierzu gehören Yoga, Feldenkrais, Tai Chi, Autogenes Training, Meditation. Interessant in Sachen Sozialphobie ist bestimmt der Workshop am 11.10 zum Thema "Selbstwert spüren - Selbstvertrauen stärken". (IAG Bochum, 0234.682262, http://www.iag-bochum.de )

17.09.03 Wieviel Macht dem Negativen

Mir ist aufgefallen, dass man negativen Dingen oft zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Ja, negative Dinge ziehen mitunter magisch an. Wenn uns jemand dumm anmacht, beschäftigt es uns vielleicht Stunden oder Tage. Wir reagieren stark auf dieses Ereignis. Man kann dieses Phänomen auf viele verschiedene Weisen betrachten. Im Moment gefällt mir die Machtsichtweise ganz gut.

Macht bedeutet ja Einfluss. Je mehr Macht etwas hat, um so mehr Einfluss hat es auch. Menschen, die in der Lage sind, uns ärgerlich zu machen, haben viel Macht. Sie schaffen es, durch ihr Verhalten, uns tagelang zu beschäftigen. Sie bekommen tagelang Raum in uns. Natürlich kann so eine Auseinandersetzung sinnvoll und gut sein.

Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass der andere zuviel Macht bekommt, in dem er durch sein Verhalten bei uns Gefühle von Schuld, Nicht-In-Ordnung-Sein, Minderwertigkeit usw. auslösen kann. Und hier ist es dann wichtig, zu lernen, ihm nicht mehr diese Macht zu geben. Es braucht ein ausgewogenes Machtverhältnis. Hat jemand zu viel Macht über mich, kommt er zu stark in mir vor, was nicht gut ist. Und gebe ich den anderen zu wenig Macht, kommen sie gar nicht mehr in mir vor - ich habe sozusagen dicht gemacht, lasse nichts mehr an mich ran.

Spüre ich umgedreht eine Ohnmacht, den anderen zu erreichen, habe ich zu wenig Macht. Der andere ist nicht mehr mit mir in Kontakt. In Kontakt sein bedeutet also auch immer Macht.

Macht ist ein Wort, was umgangssprachlich eher negativ geprägt ist und tabuisiert wird. Wir tun alle so, als wäre Macht kein Thema im eigenen Leben. Macht ist jedoch nichts negatives sondern bedeutet einfach nur, ob und wieviel man bei etwas mitgestalten kann. Macht ist also Gestaltungsmöglichkeit. Und trotzdem denken wir oft sofort an Machtmissbrauch, wenn wir von Macht sprechen. Einfach deshalb, weil Macht gerne und oft missbraucht wird.

Wer Macht bekommt, neigt dazu, diese Macht für seine Wünsche und Bedürfnisse zu gebrauchen und das Ganze oder die anderen aus dem Blickfeld zu verlieren. Es ist schon eine besondere Fähigkeit und innere Stärke, trotz Ermächtigung die Verantwortung für das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und den Verführungen des Ego zu folgen.

Weil Macht so einen negativen Beigeschmack hat, sprechen wir oft nicht über Macht und die Machtstrukturen, die es überall gibt und auch geben muss. So wirken sie unbewusst. Was unbewusst wirkt, hat man nicht verstanden und man kann hierfür vor allem keine Verantwortung übernehmen. Man kann sich nicht entscheiden, was man wie möchte, wenn etwas unbewusst wirkt.

Gerade in der systemischen Familientherapie werden oft unbewusste Machtverhältnisse aufgedeckt. Und es ist unglaublich, was dabei mitunter heraus kommt, welche Wut entsteht, wenn man begreift, in welchen verschobenen Machtstrukturen man eingebettet war und unterdrückt oder für Zwecke missbraucht wurde. Jetzt, wo einem die Augen geöffnet werden, erscheint das Leben nochmal in völlig neuen Zusammenhängen, kann sich ein großer Selbstzweifel auflösen.

Machtstrukturen bewusst zu machen, sich diesem Thema zu nähern, kann ein fruchtbarer Schritt sein. Zu begreifen, dass man oft wählen kann, wieviel Macht man etwas gibt, führt zu mehr selbstverantwortlichem Handeln.

15.09.03 Therapeuten sind auch nur Menschen...

...und manchmal ziemlich Unmögliche. Eine Freundin berichtete mir so einige Erfahrungen bei der Suche, nach einem passenden Therapeuten. Viele haben einen Anrufbeantworter laufen, man kann zwar drauf sprechen, zurückgerufen haben allerdings die wenigsten. Auf die Frage nach einer Wegbeschreibung zur Praxis, wurde sie darauf verwiesen, sie möge ein Taxi nehmen. Als sie sagte, sie hätte das Geld nicht für ein Taxi, kam kurz und schnippig: "Ich habe keine Zeit, ihnen das zu erklären, entweder sie finden irgendwie hier her oder sie suchen sich jemand anderen." Als sie dann doch zu ihm fuhr und sich durchfragte, war die Stunde ganz ähnlich arrogant abweisend. Expositionstrainings mache er nicht, weil er seine Zeit mit sowas nicht verschwenden will. Zuvor sagte er aber am Telefon, dass er genau dies machen würde. Während der Stunde musste er mehrmals betonen, dass er ein ganz toller und fähiger Therapeut sei. Während dieser ersten Stunde machte er sie dann auch noch mit Sprüchen fertig: "Sehen sie mal, wie weit es mit ihnen gekommen ist, dass sie noch nicht mal ihr Leben halbwegs in den Griff bekommen." Sowas kann man sicherlich in einer konfrontativen Intervention tun, aber bitte nicht in einem Erstgespräch, wo es erstmal um Vertrauen und kennenlernen geht. Denn daraus folgte, dass sie zu diesem Therapeuten keinesfalls gehen wird und dass die Vorwürfe sie mehrere Tage ziemlich fertig machten.

Ein anderer Therapeut erzählte mir mal am Telefon, wie es denn sein könne, dass ich schon mehrere Jahre Therapie mache. Er würde jedes Problem spätestens nach einem Jahr gelöst haben. Es gäbe in seiner ganzen Therapeutenlaufbahn (ich glaube es waren 10-15 Jahre) lediglich 3 Fälle, wo das mal nicht geklappt hätte. Er erzählte mir noch einiges, wie toll er sei. Mich schreckte das eher ab. Etwas später fing ein Bekannter eine Therapie bei ihm an und er machte ihm ebenfalls diese Hoffnungen: "Kein Problem, in einem Jahr sind sie wieder völlig gesund. Bei mir hat das bisher jeder geschafft." Er war sehr motiviert, vertraute sich sehr stark dem Therapeuten an lies sich stark von ihm führen. Nach einem Jahr war die Situation jedoch noch ein Stück schlimmer und er war vor allem total am Boden zerstört, weil er alle Hoffnung in diese Therapie setzte, nun aber doch nicht viel dabei herauskam. Er fühlte sich belogen und betrogen.

Ich finde es wichtig, zu sehen, dass Therapeuten auch ihre Macken und Schwierigkeiten und ihre persönliche Lebensgeschichte haben. Manchen Therapeuten mangelt es an einem Bemühen um den Klienten und an einer Bewusstheit ihrer eigenen Probleme, die sie dann auf den Klienten projezieren. Ich glaube aber, dass das nicht die breite Masse ist, es gibt eine Menge sehr guter und wundervoller Therapeuten.

15.09.03 Wenig Therapeuten, die Expositionstraining anbieten

Es ist schon erstaunlich. Eine Bekannte hat sich auf den Weg gemacht, um in Dortmund einen Verhaltenstherapeut zu finden, der mit ihr Übungen direkt draußen im Alltag macht. Sie hat etwa 20 Verhaltenstherapeuten angerufen. Keiner war bereit, solche Übungen mit ihr zu machen. Alle bieten lediglich beratende Gespräche an. Mir scheint es so, dass diese Form von Therapie für Therapeuten unattraktiv ist, weil sie mehr Aufwand erfordert und wohl auch weniger Geld einbringt. Für viele ist solch eine Therapie als Ergänzung bestimmt sinnvoll, es mangelt hier einfach an Therapeuten, die sowas machen wollen. Die jetzigen Strukturen laden nicht dazu ein, dass Therapeuten so etwas anbieten. Ganz ähnlich sieht die Situation bei Gruppentherapie aus. Auch hier findet man ganz selten Angebote, obwohl Gruppentherapie gerade bei sozialen Ängsten eine wichtige Therapieform ist. Allerdings gibt es in diesem Bereich viele Angebote freier Therapeuten, die man allerdings selber bezahlen muss.

15.09.03 Umsortierung

Ich habe mal alles umsortiert. Die neuesten Einträge werden jetzt immer oben angefügt. So kann man schneller die neuesten Einträge erkennen.

10.04.03 Diagnosen ICD-10: soziale Phobien, ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung

Man versucht international, jede Form von Erkrankung zu katalogisieren. Ein solcher Katalog ist der ICD-10. Der ICD-10 ist der gebräuchliche Katalog in Deutschland, wenn es um die Diagnose sämtlicher Krankheiten geht.

Wenn man sich zum Thema Sozialphobie und soziale Ängste dort umschaut, so gibt es zwei Diagnosen, die in dieses Umfeld passen: "F60.6 ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung" und "F40.1 soziale Phobien". Wer Lust hat, kann sich diese Diagnosen ja mal durchlesen, um zu schauen, ob einiges davon auf ihn zutrifft. Wenn ja, ist so eine Diagnose gut geeignet, um einem Arzt möglichst schnell klarzumachen, unter was man leidet.

In F40.1 heißt es z.B.: "Soziale Phobien beginnen oft in der Jugend, zentrieren sich um die Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht dagegen in Menschenmengen) und führen schließlich dazu, daß soziale Situationen vermieden werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Phobien sind soziale Phobien bei Männern und Frauen gleich häufig. Sie können klar abgegrenzt sein und bespielsweise auf Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit oder Treffen mit dem anderen Geschlecht beschränkt sein."

In F60.6 heißt es z.B.: "Ausgeprägte Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden. ... Abneigung, sich auf persönliche Kontakte einzulassen, außer man ist sicher, gemocht zu werden. ... Vermeidung sozialer und beruflicher Aktivitäten, die zwischenmenschliche Kontakte vorraussetzten, aus Furcht vor Kritik, Mißbilligung oder Ablehnung. Überempfindlichkeit gegenüber Ablehnung und Kritik können zusätzliche Merkmale sein."

Man sollte nicht den Fehler machen, sich mit seiner Diagnose zu verwechseln. Diagnosen sind einfach typische Beschreibungsmerkmale, wie sie bei vielen Menschen ähnlich aufgetreten sind. Die Probleme des Einzelnen dagegen sind wieder ganz individuell, manches davon kann zutreffen, anderes wieder nicht. Und die Ursachen sind sowieso gänzlich individuell, auch wenn es hier mitunter Parallelen geben mag.

In diagnostischem Zusammenhang spricht man auch oft von "selbstunsichere Persönlichkeitsstörung", dafür gibt es jedoch keine Eintrag im ICD-10. Das wird unter F60.6 mit einbezogen.

Ein weiterer Diagnostik Katalog ist übrigens der DSM-IV, der aber in Deutschland wenig Bedeutung hat.

10.04.03 Psychiatrie, psychosomatische Klinik, Psychiater, Psychologe

Es bestehen oft falsche Vorstellungen über die Begrifflichkeiten oder viele wissen auch gar nicht über den Unterschied. Psychiater und Neurologen sind Ärzte, die hauptsächlich mit Gerätemedizin und Medikamenten arbeiten. Dies kann auch oft die erste Anlaufstelle sein, um seine Schwierigkeiten abzuklären. Stellen sich psychische Probleme oder Störungen heraus, so wird dann entweder mit Medikamenten gearbeitet oder man wird an einen Psychologen verwiesen. Manche Ärzte tendieren dazu, Medikamente zu verschreiben, obwohl ich das mitunter als keine gute Wahl empfinde.

Manche Psychiater und Neurologen machen auch selber Psychotherapie. Sie sind dann zusätzlich in Methoden der Psychotherapie ausgebildet. Ich glaube, das Ärzte, die selber Psychotherapie machen, i.d.R. einen besseren Bezug zu dieser Form der Behandlung haben und so auch besser einschätzen können, ob nun Medikamente und/oder Psychotherapie angesagt ist.

Dipl.-Psychologen sind keine Ärzte. Psychologen sind auf vielen Gebieten tätig, z.B. auch in der Werbung, in Unternehmensberatungen oder im Coaching. Ein Tätigkeitsbereich ist die Psychotherapie, die viele Dipl-Psychologen ausschließlich betreiben. Dipl.-Psychologen sind oft die erste Adresse, wenn es um eine Psychotherapie gehen soll. Es gibt nun noch kassenzugelassene Psychologen und nicht kassenzugelassene Berater oder psychotherapeutisch tätige Personen. Kassenzugelassene Therapeuten sind nicht zwangsläufig die besseren Therapeuten. Will man aber seine Therapie von der Krankenkasse bezahlt bekommen, braucht man solch einen.

Eine Psychiatrie ist ein Krankenhaus, wo in der Regel Menschen behandelt werden, die in starken psychischen Krisen und Schwierigkeiten stecken. Aufgrund der Schwere der Erkrankung und der begrenzten Ressourcen (besonders Personal) wird hier vorwiegend mit Medikamenten gearbeitet. Es gibt aber auch psychotherapeutische Angebote. Die Qualtität und Intensität dieser Angebote schwankt von Krankenhaus zu Krankenhaus erheblich. Man kann aber durchaus sagen, dass es eine Seltenheit ist, eine Psychiatrie mit einem guten psychotherapeutischen Angebot zu finden. Auch kann man sagen, dass es nur selten ein Ort ist, wo man sich wirklich wohlfühlen kann. Trotzdem kann es mitunter sehr hilfreich sein, solch ein Angebot nutzen zu können.

Eine psychosomatische Klinik oder Fachklinik für Psychotherapie beschäftigt sich vorwiegend damit, Patienten durch intensive Psychotherapie aus ihren Schwierigkeiten zu helfen. Solche Kliniken haben i.d.R. keine Krankenhausatmosphäre. Es können sehr schöne Orte sein, wo man sich wirklich wohlfühlt. Das betrifft die Architektur, das Eingebettetsein in eine schöne Umgebung und viele weitere Angebote, die Heilung anregen. Die Qualität und Behandlungsintensität von psychosomatischen Kliniken kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt Kliniken, die bieten täglich mehrere Stunden unterschiedliche Therapien an. In anderen Kliniken ist man sich viel selbst überlassen und hat vielleicht nur 2-3 mal wöchentlich Therapieangebote. Manche arbeiten sehr vielseitig und ganzheitlich, andere konzentrieren sich eher auf eine Therapierichtung. Beides kann Sinn machen, wenn es gut gemacht ist, je nachdem, was man selber gerade braucht. Auch in psychosomatischen Kliniken wird teilweise mit Medikamenten gearbeitet. Es findet sich i.d.R. jedoch ein Bemühen, von Medikamenten wegzukommen, die nicht unbedingt nötig sind.

Die meisten psychosomatischen Kliniken kann man auch besichtigen, bevor man sich dort aufnehmen lässt. Man sollte von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen, sich selbst eine Klinik auszusuchen, das kann die Heilungschancen erhöhen. Was man sich selbst ausgesucht hat, dort geht man oft mit ganz anderer Motivation hin, als das, was einem verordnet wird.

10.04.03 Ist Smalltalk erlernbar?

Viele haben Probleme, lockere und unverbindliche Gespräche mit anderen zu führen, also das, was man mit Smalltalk bezeichnet. Kann man sowas erlernen?

Es ist z.T. ähnlich wie mit dem Selbstsicherheitstraining. Man kann sich durchaus anschauen, wie Smalltalk funktioniert und sich darin üben. Man kann ein Gefühl dafür bekommen. Und so lohnt es sich schon, sich damit auseinanderzusetzen. Entweder es in einer Gruppe oder einem Gesprächspartner zu trainieren. Oder sich erstmal etwas Theorie dazu anzulesen. Oder Smalltalk zu beobachten und sich da hineinzufühlen, zu verstehen, was da so abläuft.

Es kann aber auch andere Hindernisse geben, warum Smalltalk nicht gelingt oder man Smalltalk auch gar nicht will. Dann muß man eher die Hintergründe aufdecken. Oder man muß für sich erstmal eine Idee oder eine Weltsicht finden, die Smalltalk zu etwas sinnvollem werden lässt.

Ein Sinn von Smalltalk ist ja, mit anderen sanft und unverfänglich in Kontakt zu kommen. Smalltalk ist oft die Basis für vertiefende Gespräche. Man könnte es ähnlich sehen, wie Hunde, die sich erstmal beschnuppern, bevor sie miteinander spielen. Man will erstmal ein Stück erspüren können, wie der andere einem gesinnt ist, ob er Kontakt haben möchte, was ihn interessiert, in welcher Gefühlslage er gerade ist.

Kurze unverbindliche Gespräche können auch großen Einfluß auf die eigene Stimmung und das Selbstwertgefühl haben. Eine nette kurze Bemerkung kann mitunter Wunder wirken und einen froh stimmen.

10.04.03 Soziale Defizite, soziale Kompetenz, Selbstsicherheitstraining

Kann man soziale Kompetenz und Selbstsicherheit erlernen? Was dahinter steht, ist ja oft die Frage: Muß ich einfach nur ein soziales Kompetenztraining oder ein Selbstsicherheitstraining absolvieren, um meine soziale Unsicherheit/Selbstunsicherheit zu überwinden?

Ich halte diese Form von Training für einen wichtigen Baustein, jedoch ist es kein Allheilmittel. Es hilft, Verhalten zu erlernen, was in sozialen Situationen als gutes Handwerkszeug dienen kann. Man lernt, mit unterschiedlichen schwierigen Situationen umzugehen, bekommt Verhaltensmuster an die Hand. Vor allem erlernt man dies praktisch, erlebt es sozusagen an Leib und Seele. Auch kann man in einem geschützten Umfeld Verhalten ausprobieren, wo man vielleicht zweifelt oder wo man unsicher ist. So kann man sich Stück für Stück ein Reportoire erarbeiten, was einem im Alltag hilft.

Leider wird diese Form der Auseinandersetzung nur selten genutzt, weil die Angst groß ist, sich in sowas hineinzubegeben. Vielleicht rührt es daher, dass es auch nicht viele Angebote dieser Art gibt. In manchen großen Städten gibt es Therapeuten, die Selbstsicherheitstrainings anbieten. Oft müssen die jedoch selbst finanziert werden. Verhaltenstherapeutisch orientierte psychosomatische Kliniken dürften sowas auch oft anbieten. Viele psychosomatische Kliniken arbeiten mit Methoden des Rollenspiels oder haben Theaterspielgruppen, wo man ebenfalls neues Verhalten ausprobieren und erlernen kann.

Unsere Selbsthilfegruppe macht auch Projekte, wo durch Rollenspiele neues Verhalten ausprobiert und erlernt werden kann. Auch werden über die KISS Seminare angeboten, in denen oft mit Rollenspielen gearbeitet wird.

Es reicht jedoch in den meisten Fällen nicht aus, nur an neuem Verhalten zu arbeiten. Dies ist oft nur ein Baustein aus einem Gesamtkonzept, welches Heilung anstrebt.

04.04.03 Scham

...ist ein sehr heftiges Gefühl, was kaum auszuhalten ist. Ich erinnere mich an den Aufenthalt in der Klinik Heiligenfeld, wo eine Therapeutin sagte, das Scham an den Wesenskern nagt und einen im Kern erschüttert. Man sagt ja, man möchte vor Scham am liebsten im Erdboden versinken.

Scham und Sozialphobie gehen oft Hand in Hand. Scham ist dann ja das Gefühl, dass man so, wie man ist, völlig unannehmbar und unakzeptabel und für andere völlig peinlich ist.

Für mich war es immer wieder wichtig, die eigene Ablehnung, die ich mir gegenüber aufbrachte, loszulassen und mich anzunehmen. Die Situation also nicht einfach zu verdrängen und möglichst schnell zu vergessen. Sondern sie bewusst nochmal geistig zu erleben und mich dafür anzunehmen. Es ging dabei nicht darum, eine ungünstige Situation schön zu malen. Sie kann das bleiben, was sie ist. Es ging vielmehr darum, diese tiefe Ablehnung mir gegenüber loszulassen und ein mich Annehmen zu entwickeln. Und zwar das anzunehmen, wie ich in dieser Situation war. Und genau das ist für mich der heilsame Schritt, wenn es um Scham geht. Denn das, was am meisten schmerzt und die größte Angst macht, ist die eigene Ablehnung. Wenn ich gelernt habe, mich anzunehmen, egal was auch immer kommen mag, dann ist alles nur noch halb so schlimm.

04.04.03 Selbstvertrauen

...ist die Fähigkeit, an sich zu glauben, darauf zu vertrauen, dass man etwas kann, dass man kreativ ist, dass man Ausdauer hat, dass man es schaffen wird. Das gibt eine gewisse Gelassenheit und den Mut, weiter zu machen. Oder den Mut, überhaupt große Dinge anzugehen.

Ich finde es so schade, dass ich immer wieder Menschen begegne, die eigentlich vieles könnten, die aber viel zu früh aufgeben und resignieren, weil sie ihren Fähigkeiten nicht vertrauen. Sie vertrauen nicht darauf, dass sie es können, sie zweifeln an sich und brechen ab.

Ich bin gerade am überlegen, woher ich mein Selbstvertrauen schöpfe? Ich glaube daher, dass ich schon oft in der Situation gewesen bin, große Dinge anzugehen, wo ich noch gar nicht durchschauen konnte, ob ich das jemals hinbekommen werde. Anfangs spüre ich bei solchen (meist beruflichen) Projekten eine unglaubliche Unruhe und Getriebenheit. Wenn ich noch gar nichts in der Hand habe, noch kein Stück vorangekommen bin, zweifle ich an mir, bekomme ich Angst, ich könnte es nicht schaffen. Erst wenn ich ein Stück vorangekommen bin, einen groben Überblick über die Situation habe, dann stellt sich etwas mehr Ruhe ein.

In der letzten Zeit versuche ich in solchen Phasen, mir zu sagen, vertrau einfach darauf, das du es hinbekommen wirst, wenn du dich nur lange genug damit beschäftigst. Geh das Risiko ein und vertrau darauf. Und so kann ich mich ein Stück entspannen.

Ich möchte dich dazu ermutigen, vertrau darauf, dass du fähig und kreativ bist. Tue etwas mit Beständigkeit und Ausdauer. Und irgendwann wirst du ernten, wirst du reich belohnt werden.

04.04.03 Selbstwert

Vielleicht ist die Ursache für geringes Selbstbewusstsein oft der geringe Selbstwert. Man hat von sich die Meinung, weniger wert als andere zu sein, fühlt sich minderwertig, dumm und klein. Der andere ist alles, ich bin nichts.

Oft ist diese Vorstellung eine falsch gelernte Einstellung aus der Kindheit. Dabei ist ganz entscheidend, wie man als Kind mit gesehen wurde. Wurde das Potenzial in einem gewürdigt, wurde man gelobt, wurde man angenommen, mit dem was man war? Oder hat es nie gereicht, war alles nicht gut genug, wurde man gar verachtet? Wie man in den ersten Lebensjahren behandelt wurde, prägt sich ganz tief ein und bestimmt heute das Gefühl, wie wir uns sehen: Als wertvoll oder als minderwertig.

Dieses Gefühl von uns hat oft wenig mit den realen Gegebenheiten zu tun, es ist eine gelernte Einstellung, die nun immer weiter wirkt. Und wer sich als minderwertig sieht und auch so verhält, der erntet von anderen oft eine ähnliche Sichtweise. Meine Sichtweise "Ich bin minderwertig." ist sozusagen für den anderen eine Einladung, mich herunterzuputzen. Das ist die Tragik daran.

Wer sich durch alte Wunden so minderwertig fühlt, muss sich viel um sich kümmern, muss sozusagen dadurch umlernen, dass er für sich ein guter Erwachsener wird. Ein Erwachsener der ermutigt, der in allem den Wert erkennen kann, der tröstet und sich auch mal in den Arm nehmen kann. Es ist hier vielmehr die Ausdauer, die man dabei hat, die heilt.

Es gibt wunderschöne Bücher, die einem helfen, liebevoll und anerkennend mit sich umzugehen. Es gibt z.B. einige Bücher über "Das innere Kind", die sich viel mit diesem Thema beschäftigen (Aussöhnung mit dem inneren Kind; Das innere Kind).

02.04.03 Selbstbewusstsein

Man hört es überall: Ich möchte selbstbewusster sein. Oder: Wir suchen selbstbewusste junge Menschen... Selbstbewusstsein steht in unserer Gesellschaft hoch im Kurs. Nur was ist es genau, was da so gesucht wird?

Selbstbewusstsein heißt ja vom Wortursprung, sich selbst bewusst zu sein, sich selbst also ein Stück erforscht zu haben und seine Gedanken, Gefühle, Impulse wahrzunehmen, sie differenzieren und einordnen zu können.

Im normalen Sprachgebrauch wird dieses Wort jedoch anders benutzt. Und es ist ja viel wichtiger zu schauen, was verstehen die meisten unter Selbstbewusstsein, als sich an der ursprünglichen Bedeutung festzuhalten. Und ich glaube dann bedeutet es soviel wie, stark zu sein, sich durchzusetzen, das Leben im Griff zu haben, selbstbestimmt zu handeln, mutig zu sein, Dinge zu sagen, die vielleicht nicht allen gefallen und dabei standhaft zu bleiben, unabhängig zu sein, zu wissen was man will, klar und bestimmt zu sein, Initiative zu ergreifen, aktiv zu sein, sich zu wehren und zu siegen, sich wichtig zu nehmen und sich zu behaupten.

Du kannst ja mal schauen, was du für ein Bild hast, wenn du an einen selbstbewussten Menschen denkst. Oder wie würdest du sein, wenn du mehr Selbstbewusstsein hättest?

Ich finde es eine gute Idee, sich mal genauer anzuschauen, was man gerne hätte, wenn man sich mehr Selbstbewusstsein wünscht. Um dann zu schauen, ob das wirklich der richtige Weg ist. Manches davon, was die Gesellschaft als sehr positiv ansieht, ist nämlich genauer betrachtet gar nicht so gesund.

Ungesund empfinde ich es z.B., wenn man zu einseitig die Qualitäten lebt, die mit Selbstbewusstsein assoziiert werden. Dann lebt man vielleicht nicht mehr seine weichen Seiten wie Herzlichkeit, Offenheit, Entspannung, Zärtlichkeit oder Freude. Selbstbewusstheit kann schnell was verbissen ernstes und zielorientiertes und damit herzloses bekommen. Man schlägt sich zwar überall durch, hat aber keinen rechten Spaß daran und vielleicht auch keine Menschen, die man wirklich mag. Mögen hat was damit zu tun, dass es mit dem anderen angenehm und wohlig ist, diese Qualitäten sind eher selten, wenn man nur die selbstbewussten Seiten lebt. Das ist manchmal auch die Tragik: Menschen, die sich viel und mutig für etwas einsetzen, die viel bewegen, werden dafür mitunter bewundert und geachtet aber nur selten geliebt.

Es braucht noch mehr, als nur Selbstbewusstsein.

02.04.03 Ich werde rot, wie peinlich

Zu erröten, rot zu werden, ist für viele eine peinliche Angelegenheit. Ist für einen diese Situation so unerträglich, dann kann sich eine Errötungsangst (Erythrophobie) entwickeln - die Angst vor dem nächsten mal, wo man errötet, Angst vor Situationen, wo solch ein Erröten nun besonders peinlich oder unpassend wäre.

Mit dem Erröten ist es oft so, dass genau dann, wenn man versucht ist, es wegzubekommen, es gerade passiert. Versucht man es zu kontrollieren, wegzumachen, bemüht man sich darum, dass es nicht auftreten möge, kommt es gerade.

Ein Grund dafür ist die Aufmerksamkeit, die man dem Phänomen dadurch schenkt. Diese Aufmerksamkeit darauf führt z.B. dazu, dass man kleinste Anzeichen von Rotwerden schon wahrnimmt, in Panik verfällt und dies das Rotwerden noch unterstützt.

Meine Erfahrung ist bei solchen Phänomenen, dass es sich immer lohnt, daran zu arbeiten, dass einem die Sache nicht mehr so wichtig erscheint. Das man sich sozusagen die Erlaubnis gibt, auch mal rot zu werden. Das dies also in Ordnung ist, das man es zulassen kann. Man kann dies ja in Situationen üben, wo es erstmal nicht so große Bedeutung für einen hat.

Alle Sachen, die zu große Wichtigkeit haben, die auf keinen Fall passieren dürfen oder wo Dinge auf jeden Fall genau so sein müssen, belasten einen stark. Sie führen immer wieder zu Überlastung, zu Verkrampfung, zu großer innerer Anspannung. Das ist auf Dauer ungesund.

Wir schleppen viele Dinge mit uns rum, die eine scheinbare Wichtigkeit haben oder mal irgendwann in unserem Leben tatsächlich hatten. Hinterfragen wir diese Dinge nicht mehr, wirken sie weiter und machen sinnlosen Stress. Es ist wichtig, den Mut aufzubringen, um solche Wichtigkeiten erneut zu hinterfragen. Und dann in die Praxis zu gehen und es unwichtig werden zu lassen. Das ist mitunter schwere Arbeit an sich selbst, es lohnt sich jedoch. Denn es geht um viel mehr, als nur sein Rotwerden loszuwerden. Es geht darum, mit mehr Leichtigkeit dem Leben begegnen zu können, dort wo es möglich ist.

Ich habe Menschen kennengelernt, für die ist Erröten eine völlig normale Angelegenheit, die sie nicht weiter stört. Und andere gewöhnen sich auch schnell an diese Eigenheit.

02.04.03 Einsamkeit und Alleinsein

Ich hab mich gefragt, was ist eigentlich Einsamkeit? Einsamkeit ist für mich kein klares Gefühl, es ist eher eine Menge an Gefühlen, die entstehen, wenn man längere Zeit alleine ist. Da ist z.B. das Empfinden, unwichtig zu sein, keiner interessiert sich für mich und deshalb bin ich nichts. Ein Gefühl von Minderwertigkeit. Ich werde nicht gebraucht, ja, es ist egal, ob ich lebe oder nicht. Damit verbunden ist auch der Mangel des Gefühls, gut mit den anderen verbunden zu sein, sich irgendwo gut aufgehoben und angenommen zu fühlen. Und das kann dann wieder Traurigkeit, Frustration und Resignation auslösen.

Auch kenne ich es, sich wertlos zu fühlen. Eigentlich ist ja jeder wertvoll und hat viel Potenzial in sich. Und es gibt auch Menschen, die wissen um ihren eigenen Wert und haben das Gefühl immer präsent. Ich glaube, solche Menschen haben dann nicht so Schwierigkeiten, alleine zu sein. Oft ist es jedoch so, dass Menschen ihren eigenen Wert nicht aus sich heraus spüren können, sie zweifeln an sich, können einfach nicht glauben, dass sie liebenswert und wertvoll sind. Und deshalb braucht man immer wieder die anderen, um sich in Gesprächen und dem Miteinander seines Wertes bewusst zu werden. Die anderen sind dann ein Spiegel, in dem ich meinen Wert erkenne.

Ich glaube, wenn man dieses Problem irgendwann mal geheilt hat, wenn man sich seines Wertes und seiner Kostbarkeit bewusst ist, dann braucht man die anderen nicht, ist also in gewissem Sinne frei. Andererseits wird es dann auch ein Herzensbedürfnis sein, mit anderen in Kontakt zu sein. Aus dem gefangenen sich Zuwenden wird ein freies in Kontakt treten.

Alleinsein habe ich als etwas immer wieder ganz wichtiges für mich empfunden. Ich meine damit ein waches Alleinsein, wo man sich spüren und erleben kann, ein bewusstes Alleinsein. Es war für mich nicht immer einfach, damit umzugehen, wenn es gelang, konnte ich mehr mich selbst spüren und es hat sich ein tiefer innerer Frieden und eine liebevolle innere Haltung eingestellt. Ich bin dann gestärkt daraus hervorgegangen. Meditation war mir dabei ein wichtiges Hilfsmittel, weil sie mir half, mich von all meinen Gedanken zu lösen, die ständig so im Kopf herumwuselten.

Alleinsein ist dann das, was übrigbleibt, wenn man mal all den Kram loslässt, der einen permanent beschäftigt, wenn man mal all die Ablenkung und die destruktiven Gedanken loslässt. So begegnet man seiner Essenz, seinem wahren Wesen. Und das ist eine unglaublich friedliche und freudvolle Begegnung. Aus ihr kann man Kraft schöpfen, für einen Moment spürt man, dass aller Zweifel nur Einbildung war, für einen Moment kann dem begegnen, was wirklich wahr ist.

31.03.03 Medikamente

Auch bei Medikamenten sollte man eigenverantwortlich handeln. Manche geben zu schnell die volle Verantwortung darüber dem Arzt. Du bist selber dafür verantwortlich, was du zu dir nimmst und nur du kennst dich besser als jeder andere.

Verantwortlich mit Medikamenten umzugehen, damit meine ich, selber zu recherchieren, was es auf dem Markt gibt, die Nebenwirkungen zu vergleichen, Erfahrungen von anderen einzuholen, die Dosierung zu beobachten und ggf. eine Anpassung mit dem Arzt zu besprechen. Dazu gehört auch, den Arzt auf ein Absetzen anzusprechen, wenn man das Gefühl hat, das man das Medikament nicht mehr braucht. Den Arzt sollte man als Partner sehen und nicht als Autorität. Die Entscheidung, ob man was nimmt oder nicht, sollte in einem Gespräch mit dem Arzt geklärt werden, man sollte sich nicht einfach was verordnen lassen.

Was Sozialphobie angeht, so geht die Anwendung von Medikamenten wohl in 2 Richtungen: Zum einen Medikamente, die regelmäßig genommen werden (Antidepressiva (z.B. Seroxat, Fluoxetin, Zoloft), selten auch Neuroleptika u.a.). Zum anderen Medikamente, die nur für Notfälle, also in besonders schwierigen Situationen genommen werden. Meist sind dies dann sogenannte Tranquilizer (Valium, Tavor).

Mitunter wird sehr schnell und gerne ein Medikament verschrieben. Man sollte nicht vergessen, dass Ärzte permanent von Pharmavertretern umworben sind und auch viel Positives aus dieser Beziehung ziehen. Psychotherapeuten stehen nicht täglich auf der Matte und preisen den Ärzten ihre Dienste an. Sie haben auch nicht die finanziellen Mittel, mit der die Pharmaindustrie die Ärzte medikamentenfreudig einstimmen kann.

Andersherum ist es natürlich ein Segen, dass es eine ganze Menge wirklich hervorragender Medikamente gibt, die ganz gewiss das Leiden von Menschen erheblich reduzieren können.

31.03.03 Selbsthilfe - Anonyme Gruppen

Es gibt in der Selbsthilfebewegung sogenannte Anonyme Gruppen, wie z.B. Anonyme Alkoholiker (AA), Emotions Anonymous (EA), Anonyme Spieler. Diese Gruppen gibt es international, sie haben ein eigenes Gruppenkonzept und Methoden der Gruppenarbeit. Es gibt auch Kliniken, die nach diesen Prinzipien arbeiten (z.B. psychosomatische Klinik Groenenbach). Das Konzept kommt glaube ich ursprünglich aus den USA.

Die Resonanz, die ich auf solche Gruppen höre, ist oft gespalten. Es gibt Menschen, die finden dieses Konzept sehr gut und sind froh, solch eine Gruppe gefunden zu haben. Andere wiederum sagen, dass ihnen das Konzept zu starr und zu künstlich ist, dass sie sich dort nicht wohlgefühlt haben oder ihre Bedürfnisse nach echten Gesprächen nicht befriedigt wurden.

31.03.03 Psychotherapie - was gibt es da alles

Wahrscheinlich wird es mittlerweile schon mehr als 100 Psychotherapie-Strömungen geben, die ihre eigenen Methoden und Denkmodelle haben, wie sie psychische Probleme sehen und angehen. Und mitunter widersprechen sich bestimmte Wege und das führt auch zu Verfeindungen der entsprechenden Lager. Und natürlich gibt es auf diesem Markt auch einiges an Hokuspokus, der eher dazu geeignet ist, damit Geld zu machen, als wirklich zu heilen.

Geld und Macht war auch im Spiel, als es darum ging, welche Psychotherapie-Methode denn nun kassenärtzlich zugelassen ist. Es sind nämlich nur ganz wenige zugelassen, was bedeutet, dass Ärzte und Therapeuten ihre Leistung über die Krankenkasse abrechnen können. Man muß sich das mal vorstellen, welch großes Interesse da war, in diesen Rahmen mit hineinzukommen. Und groß war die Gegenwehr, dass möglichst keine weiteren ins Boot mit hineinkommen. Hätte man sich doch den Kuchen mit immer mehr Psychotherapie-Strömungen teilen müssen.

Die kassenzugelassenen Verfahren haben jedoch alle einen gewissen Nachweis erbracht, dass sie wirksam sind und sie sind auch in der Fachwelt als wirksames Verfahren anerkannt. Wirksam muß nicht heißen, für jeden sinnvoll und gut. Es heißt lediglich, dass es für bestimmte Patienten zu einer Verbesserung des Zustandes geführt hat. Kassenzugelassen sind die Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Letzere ist eigentlich keine eigene Therapierichtung sondern ein Sammelbegriff für Therapien, die als theoretischen Hintergrund das Gedankengebäude Sigmund Freuds haben. Aber auch hier sind nur ganz wenige zugelassen, wie z.B. die klientzentrierte Gesprächstherapie.

Neben diesen kassenzugelassenen Therapien gibt es jede Menge ebenfalls wirksamer Methoden, deren Wirksamkeit sich aber oft nicht wissenschaftlich erfassen lässt. Die meisten Psychotherapeuten sind deshalb in weiteren Psychotherapieverfahren ausgebildet. Etablierte Therapieverfahren sind z.B. die Gestalttherapie, die systemische Familientherapie, Transaktionsanalyse und diverse kreativ-künstlerische Therapien und Körpertherapieformen. In vielen Kliniken werden diese Therapieformen auch ergänzend angeboten, im ambulanten Bereich können diese Therapien nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden. Was jedoch die Regel sein sollte: Ein Therapeut, der in einem kassenzugelassenes Verfahren ausgebildet ist, wird natürlich seine Erfahrungen mit anderen Therapieformen mit einfließen lassen. Er wird das tun, was er im Moment für hilfreich empfindet. Und das schließt die Erfahrungen aus anderen Therapieformen mit ein.

30.03.03 Thema Schüchternheit

Ich bin bei einem Themenkreis hängengeblieben: Schüchternheit, schüchtern, Gehemmtheit, gehemmt, minderwertig, Minderwertigkeit, Hemmungen, Hemmung, vermeiden, Vermeidungsverhalten.

Es geht im Grunde um die Art, wie wir der Welt begegnen. In manche Dinge können wir vergnügt hineinspringen. Mancher mag Achterbahnfahren gerne und springt vergnügt in die Herausforderung. Herausforderung kann immer Lust machen, darum tun wir ja immer wieder Dinge, die unseren Horizont erweitern. Man wagt etwas und wird belohnt durch mehr Weite, mehr Wissen, mehr Erfahrung, befriedigende Gefühle und Erlebnisse. Eine Herausforderung hat auch immer was beängstigendes oder etwas ungewisses. Das macht den Reiz aus. Ist die Angst zu groß, springe ich nicht mehr hinein sondern gehe den Dingen lieber aus dem Weg. Jeder hat im Leben Dinge, die für ihn zu angstbesetzt oder gefährlich sind, denen er aus dem Weg geht. Die Grenze ist jedoch ganz verschieden. Mancher traut sich alleine durch den tiefsten Urwald, ein anderer hat schon Schwierigkeiten, durch eine fremde Stadt zu gehen.

Schüchternheit ist eine spezielle Form von Hemmung, von Vermeiden. Es geht um das Abenteuer, in menschliche Kommunikation einzutreten. Manche werden fragen, wo ist denn da das Abenteuer? Sie hatten vielleicht das Glück, von früh auf immer mitten in Kommunikation mit anderen zu sein und immer stark genug zu sein, auf diesem Spielfeld einen guten Platz einzunehmen. Jedoch kann dieses Spielfeld auch enorm gefährlich werden. Menschen, die schüchtern sind, haben entweder solche gefährlichen Erfahrungen gemacht oder konnten sich nie richtig darin üben, dabei gut mitzuspielen. Das ist dann in etwa so, als sollte man völlig untrainiert bei der Fußball-Nationalmannschaft mitspielen. Alle sind gut eingespielt und ich stehe ziemlich dumm auf dem Platz, alle sind genervt von mir, werden ärgerlich und wütend. Und ich bekomme dann noch zusätzlich das Gefühl, minderwertig zu sein.

Es braucht also gerade für schüchterne Menschen ein Umfeld, wo die Anforderungen an Kommunikation nicht zu groß sind, wo man genug Zeit und Freiraum hat, die Lust am kommunizieren zu entdecken.

30.03.03 Vorwärtsvermeider, Rückwärtsvermeider

Gut zu wissen: Nicht alle vermeiden unangenehme Situationen, in dem sie ihnen aus dem Weg gehen. Manche vermeiden Situationen, in dem sie sehr bestimmt dort hinein gehen. Wie funktioniert das? Wie kann man Situationen aus dem Weg gehen, in dem man in sie hinein geht? Hat man z.B. Angst vor einer Gesprächspause, redet man permanent. Habe ich Angst vor einer Situation, wo ich noch gar nicht genau weiß, was passieren wird, sorge ich dafür, dass sie genau nach meinen Ideen abläuft, in dem ich dominant auftrete. Es geht also oft darum, die Situation zu kontrollieren, sie nach meinem oft starrem Schema ablaufen zu lassen. Weil das einfacher ist, als das Ungewisse auszuhalten. Es gibt sogar Fachbegriffe für diese Idee: Der Rückwärtsvermeider geht der Situationen wirklich aus dem Weg. Der Vorwärtsvermeider ist der, der durch aktives Handeln die Situation so formt, dass sie wenig angstbesetzt ist. Von daher rührt manches dominante, herrschsüchtige, extrovertierte Verhalten aus einer tiefsitzenden Angst, was sein würde, wenn ich nicht so stark die Situation bestimmen würde.

30.03.03 Selbsthilfe Dortmund

Viele wissen gar nicht, dass Dortmund ein sehr starke Selbsthilfebewegung hat. Vor allem sind mit dem Wort Selbsthilfe oder Selbsthilfegruppe ganz bestimmte Vorstellungen verbunden, die das weite Spektrum nicht abdecken. Das Wort "gemeinnützige Inititiativen" würde oft schon besser passen, wo einfach ein paar Leute eine Idee haben, was man zusammen machen oder über welchen Themenbereich man sich austauschen kann.

Die klassischen Bereiche der Selbsthilfearbeit liegen im Bereich körperliche und psychische Erkrankungen oder Problembereiche. Daneben gibt es viele Gruppen für Menschen in besonderen Lebenssituationen (z.B. Sozialhilfe, Arbeitslose, Schwule, Transsexuelle, Trauer, Frühgeborene Kinder).

Daneben gibt es jedoch auch Gruppen, die nicht problembezogen sind sondern wo man was tut, was einfach Spaß und Freude macht oder wo man persönlich wachsen kann. Unsere Selbsthilfegruppe macht immer wieder solche Angebote, z.B. momentan das Meditative Tanzen. Daraus wird vielleicht einmal eine feste Gruppe, die allen offen steht. Weitere Inititiativen bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe in Dortmund, sind z.B. der Lachclub, Lange Menschen, Leben und Reden, Kontaktbörse ab 50, Ruhestand, Seelische Gesundheit, Seelisch Wachsen.

Und natürlich werden auch in den problembezogenen Gruppen nicht permanent Probleme gewälzt. Viele interessante Dinge entstehen, wenn sich Menschen treffen, die ein gemeinsames Problem teilen. Manche Selbsthilfegruppen sind da richtig aktiv, unternehmen jede Menge oder treffen sich regelmäßig z.B. zu Spieleabenden, zum Kegeln, zu Spaziergängen.

Es ist auch nicht schwer, eine eigene Initiative über die KISS (Selbsthilfe-Kontaktstelle) ins Leben zu rufen. Wer also eine gute Idee hat, was für mehrere Menschen eine sinnvolle Sache wäre, kann sich an die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS) in Dortmund, Friedensplatz 8, wenden.

Im Moment gibt es ca. 140 Selbsthilfegruppen in Dortmund, die bei der KISS registriert sind.

30.03.03 Sozialphobie, Soziophobie, Sozialphobiker und andere Wörter

Beim surfen entdecke ich immer wieder unterschiedliche Wörter mit ähnlicher Bedeutung. Neben Sozialphobie findet man z.B. auch soziale Phobie, soziale Angst, soziale Ängste und Soziophobie. Es gibt keine klare Definition und je nach Zusammenhang, ist das eine oder andere zutreffender. Mir gefällt es gut, soziale Angst bzw. soziale Ängste als Überbegriff zu benutzen. Sozialphobie und soziale Phobie sehe ich synonym und steht für mich für Ängste in sozialen Zusammenhängen, die so starke Ausmaße annehmen, dass man solche Situationen um jeden Preis meidet. Sozialphobie ist ein medizinisch-wissenschaftlich geprägter Begriff, man findet ihn z.B. auch im ICD-10 Diagnosenverzeichnis. Das Wort Soziophobie hat sich glaube ich umgangssprachlich gebildet, es ist kein Fachbegriff.

Sozialphobie wird jedoch auch oft dafür verwendet, generell soziale Ängste auszudrücken. Doch selbst für einen Sozialphobiker gibt es auch oft genügend Situationen, die nicht phobisch besetzt sind, die eher unangenehm sind. Man kommt vielleicht einfach nicht ins Gespräch, ist verschlossen, zurückhaltend, zurückgezogen, eine phobische Angst steht in dem Moment nicht im Vordergrund.

Das Wort Sozialphobiker oder kurz SP-ler, mag ich gar nicht so. Es reduziert den Menschen, der dahinter steht auf eine Schwierigkeit, die er hat. Warum sollte man die Sozialphobie, die man auch hat, nun so hoch hängen? Für manche ist der Sozialphobiker ihre zentrale Identität. Wie sollte man jemals davon loslassen, darüber hinauswachsen können, wenn man sich zentral als Sozialphobiker bezeichnet, wenn man diesem Teil seiner Persönlichkeit einen so zentralen Platz im Leben gibt. Umgedreht kommt man auch nicht durch die Tür und sagt: "Ich bin Werner und ich bin Autofahrer. " oder "Ich heiße Eva und ich bin Kaffeetrinker.", obwohl manche Leute viel Auto fahren und viel Kaffee trinken.

Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte das Problem nicht ins lächerliche ziehen. Mir geht es darum, dass jeder noch viel mehr ist, als dieses Problem. Und das für mich der Mensch im Vordergrund steht. Leute, die ich in der Selbsthilfegruppe mag, mag ich nicht deswegen, weil sie eine soziale Phobie haben. Ich mag sie als Mensch, mit denen ich meine Freude habe. Das wir ein Problem gemeinsam haben, macht die menschliche Begegnung in vielen Dingen leichter und es ist schön, sich mit etwas nicht alleine zu fühlen.

So Wörter wie Sozialphobie, Sozialphobiker, Soziophobie finde ich deshalb für wichtig, das man einem Phänomen überhaupt erstmal einen Namen geben kann. Das ermöglicht z.B. überhaupt, Seiten zum Thema im Internet zu finden. Nach was sollte ich sonst suchen, wenn es überhaupt keinen Namen dafür gäbe?

Interessanterweise spielt dann in den konkreten Gesprächen in unserer Selbsthilfegruppe das Wort Sozialphobie überhaupt keine Rolle und taucht nur ganz selten auf. Es ist nicht mehr wichtig, sobald man mit Menschen zusammen ist, die ein ähnliches Schicksal teilen und mit denen man sich dann über die konkreten Dinge austauschen kann. Denn es ist nicht die Sozialphobie, die Probleme macht, sondern das Gespräch mit dem Chef, der Gang in den Supermarkt, die Fahrt mit der Straßenbahn usw.

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