Sopha Selbsthilfe

Fred's Sozialphobie Weblog

13.06.2008 :: Selbstbewusst zu seiner Unsicherheit stehen

Ich hatte heute eine verrückte Situation, in der mir etwas klar wurde. Ich wollte einem Vorgesetzten etwas erklären und merkte, dass ich etwas rumstammelte und ich Schwierigkeiten hatte, klare Gedanken zu fassen. Irgendwie war heute nicht so mein Tag, ich fühlte mich etwas angefressen und wackelig. Früher hätte mir die Situation gar nicht gefallen. Da war die Idee im Kopf, dass ich nicht unsicher sein darf. Und ich hätte mich innerlich massiv unter Druck gesetzt, mehr Sicherheit und Klarheit in die Situation zu bekommen. Jetzt war es hingegen so, dass eine Stimme in mir sagte: "Ist völlig ok so, darf so sein, wie es ist."

Das finde ich eine gute Idee: Selbstbewusst zu seiner Unsicherheit zu stehen. Ja dazu sagen zu können. "Ja, so ist das heute mit mir und es ist in Ordnung."

Was passiert, wenn man diese Einstellung verinnerlicht? Der Stress und die Anspannung lässt nach, immer auf eine bestimmte Weise sein zu müssen. Und wenn man gelöster ist, kann man viel besser wahrnehmen und nachdenken.

Oft ist es ja ein Teufelskreis, in den man hinein gerät: Unsicherheit -> Wahrnehmung der Unsicherheit -> Das darf nicht sein! -> Sich Druck machen, damit es weg geht! -> Unsicherheit, Gedankenblockaden, eingeschränkte Wahrnehmung verstärken sich.

Diesen Teufelskreis kann man durchbrechen, wenn man sich so sein lassen kann, wie man ist. Nur das ist die schwerste Übung von allen!

-- Fred

19.05.2008 :: Narzistische Persönlichkeitsstörung

Die Diskussion über dieses Thema hat gezeigt, dass die Vorstellung, an einer Persönlichkeitsstörung zu leiden, mitunter Angst auslöst. "Oh je, ich hab's ja schon immer befürchtet, mit mir stimmt ganz gewaltig etwas nicht." könnte eine Reaktion sein. Und dann noch das Gefühl, dass man das, was nicht stimmt, nicht mal so einfach loswerden kann.

Auch in der wissenschaftlichen Diskussion darüber hat man bemerkt, dass es dem Menschen nicht gerecht wird, ihm so ein stigmatisierenden Stempel aufzudrücken. Es wurde deshalb der neue Begriff "Persönlichkeitsstil" geprägt.

Und jetzt kann jeder mal einen Test machen. Wir wirkt es auf dich, wenn ich dir sage: "Du hast eine Persönlichkeitsstörung." Und wie wirkt es, wenn ich sage: "Du lebst einen Persönlichkeitsstil, der zu Schwierigkeiten führt."

Für mich wird hier ziemlich deutlich, welche Macht alleine schon Wörter haben und wie viel sie an Botschaft transportieren.

Etwas weiteres, was in der Diskussion darüber klar wurde: Der narzistische Persönlichkeitsstil ist ein Bewältigungsversuch, ein psychisches Ungleichgewicht wieder herzustellen. Dabei kann es z.B. darum gehen, dass man keinen Weg findet, aus echten zwischenmenschlichen Beziehungen Befriedigung zu ziehen. Man weiß nicht, wie das geht. Ein frühes Bild dafür ist die Mutter, die den Säugling schützend im Arm hält und dieser sich dort wohl fühlt. Das ist ein Bild für eine gelungene Bindung, wo das Kind sich in diesem Kontakt wohl fühlt.

Ich glaube, wir haben alle ein großes Bedürfnis nach menschlicher Nähe und in Beziehung zu treten. Wenn dies aber im Leben stark frustrierend oder verletztend war, kann es passieren, dass man - bewusst oder unbewusst - die Entscheidung trifft, sich von echten Beziehungen mit anderen Menschen zurückzuziehen und stattdessen sein Wohl ganz allein in sich sucht. Selbstverliebtheit und starke Ichbezogenheit ist ein Ausdruck davon.

Das eigentliche Dilemma daran ist, dass es so nicht funktioniert. Wir werden immer auf der Suche bleiben, es wird uns nicht das zurückerstatten, was fehlt: Echte Beziehung und angenehm empfundener Kontakt mit anderen Menschen.

Und dieses Muster findet sich in ganz vielen Neurosen wieder: Der Versuch, einen Mangel zu kompensieren, der schlußendlich aber nicht befriedigen kann. Wenn wir dies erkennen, können wir uns stattdessen auf die Suche machen, wie wir uns wieder mit dem verbinden können, was wir wirklich brauchen. Und das bedeutet meist nochmal die Konfrontation mit alten schmerzlichen Erfahrungen. Für vieles braucht es hier die Unterstützung eines tiefenpsychologisch orientierten Psychotherapeuten.

In Therapie ist es auch immer wieder wichtig, unsere Bewältigungsstrategien anzuerkennen und wertzuschätzen. Sie haben uns geholfen, wenn einige davon auch nicht wirklich glücklich machten. Der Begriff "Persönlichkeitsstörung" trägt wenig dazu bei, so eine Orientierung in uns annehmen zu können. Außerdem ist nicht der Narzissmus das eigentliche Problem, sondern die Schwierigkeit, ehrliche und gleichberechtigte Beziehungen mit anderen Leben zu können. Wenn man wieder Wege gefunden hat, das zu bekommen, was man wirklich braucht, dann haben sich unbefriedigende Wege überholt. Man braucht sie dann einfach nicht mehr.

Weblinks:

20.04.2008 :: Warum üben nicht hilft

Ein typisches Phänomen: Menschen gehen immer und immer wieder in eine beängstigende Situation, es wird aber nie besser. Die Idee der Verhaltenstherapie - Konfrontiere dich und es wird besser - scheint nicht zu greifen. Ein typisches Beispiel: Jedesmal in der wöchentlichen Dienstbesprechung kommt große Angst auf. Man steht für ein paar Minuten im Mittelpunkt, wenn man im Kreise seiner Kollegen und des Chefs seine Arbeitsergebnisse präsentieren muss. Trotz der Angst meistert man die Situation irgendwie. Eigentlich immer so, dass niemandem was auffällt. Und obwohl man nun jede Woche in der Art übt, es wird nicht besser. Warum?

Ein Grund kann sein: Die eigentliche Angst rührt aus der Bedrohung, versagen zu können. Auch wenn man es jedesmal schafft, man hat seine Versagens-Phantasien oder diffuse Vorstellungen davon, was keinesfalls passieren darf. Und das, was keinesfalls passieren darf, fühlt sich unglaublich bedrohlich an. Würde dies passieren, wäre das unvorstellbar schlimm.

Ein Vergleich macht dies deutlich: Auf einem 20cm breiten und kräftigen Holzbrett kann man problemlos hinüberlaufen, wenn es auf dem Boden liegt. Bei dieser Breite ist es selbst für Ungeübte überhaupt kein Problem, seine Balance zu halten. Verbindet dieses Brett jedoch 2 Wolkenkratzer und man hat unter sich eine 200 Meter tiefe Häuserschlucht, fühlt sich das so bedrohlich an, dass man es nie wagen würde.

Die gleiche Aufgabe wird je nach Umgebung völlig anders empfunden. Die Aufgabe ist an sich nicht schwieriger geworden, aber die Bedrohung, wenn man scheitert, ist ungleich höher. Die bezahlt man in dem einen Fall mit dem Leben.

Manche Menschen gewöhnen sich daran und kommen gut mit lebensbedrohlichen Situationen klar. Viele Schornsteinfeger oder Dachdecker arbeiten in einer Art, wo eine kurze Unachtsamkeit lebensbedrohlich sein kann. Viele sind dabei auch noch entspannt. Andere werden sich nie daran gewöhnen, vor allem, wenn man schonmal schlechte Erfahrungen gemacht hat. Oft ist es auch so: Wenn ein Dachdecker einmal fast abgestürzt ist, kann er nicht mehr auf's Dach. Er bekommt auf einmal massive Ängste. Die Erfahrung von massiver Bedrohung wirkt ab diesem Zeitpunkt sehr tief. Jetzt geht es einfach nicht mehr und Erfahrungen kann man nicht einfach löschen. In diesem Fall macht dies auch Sinn: Vielleicht hat man zuvor die reale Bedrohung nie richtig eingeschätzt. Es ist einem nicht bewusst gewesen, wie stark das Leben bedroht war.

Damit wird dann die Situation in der Dienstbesprechung klarer. Während die meisten Kollegen die Situation so empfinden, als ob das Holzbrett am Boden liegt und sie darüber spazieren, fühlt ein anderer sich, als ob er gerade von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer balancieren muss. Er darf nicht scheitern. Scheitern bedeutet Tod oder existenzielle Bedrohung. Dabei spielt es oft keine Rolle, ob eine Situation tatsächlich massiv bedrohlich ist oder nicht. Was wir fühlen, wie wir etwas empfinden, hängt von vorherigen Erfahrungen ab und wie wir Situationen einschätzen. Wir brauchen nie in einer lebensbedrohlichen Situation gewesen zu sein, es reicht aus, wenn wir eine Situation so eingeschätzt oder empfunden haben.

So gesehen kann es sehr sinnvoll sein, sich in solchen Situationen anzuschauen, was wäre, wenn man scheitert. Herauszufinden, was das Schlimmste wäre, was passieren kann. Damit kann man sich dann therapeutisch auseinandersetzen. Hier braucht es in der Regel tiefenpsychologische Ansätze. Manchmal wird sehr schnell klar, was der Kern der empfundenen Bedrohung ist, manchmal ist es ein langer Weg, bis man dies für sich klar bekommt. Denn traumatische Erlebnisse können tief verdrängt oder abgespalten sein.

In der Regel ist es so, dass real in unserem Alltag nicht wirklich eine massiv existenzielle Bedrohung vorliegt. Das ist die große Chance: Wenn wir etwas bedrohlich erleben, was real nicht bedrohlich ist, dann können wir mutig und in kleinen Schritten auf das zu gehen, was bedrohlich erscheint. Um uns davon zu überzeugen, dass es tatsächlich nicht bedrohlich ist. Sich zu überzeugen hat wieder etwas damit zu tun, eine Erfahrung zu machen. Erfahrungen wirken viel tiefer, als Vorstellungen oder Gedanken.

Das erinnert mich an meinen Hund, der Angst vor Regenschirmen hat. Irgendwann hat er sich mal über einen Automatikschirm erschreckt, der sich urplötzlich entfaltete. Und nun flüchtet er, sobald jemand einen Regenschirm in die Hand nimmt. Könnte ich ihm irgendwie klar machen, dass ein Regenschirm nicht wirklich bedrohlich ist, ihm wäre geholfen. Aber bei Hunden ist das wirklich schwierig, man kann ihm nichts erklären. Ich müsste lange mit ihm üben, er müsste immer wieder die Erfahrung machen, dass ein Regenschirm ihm nicht weh tut. Von sich aus kommt ihm nicht der Gedanke: "Ah, jetzt hab ich verstanden, ein Regenschirm ist nicht schlimm. Dann werde ich das nächste mal mutig sein und das Teil mal genauer beschnuppern." Wir Menschen können das und haben so größere Chancen, uns von einengenden falschen Vorstellungen selbst zu befreien.

Kommen wir zurück zur Ausgangssituation: Warum hilft üben nicht? Es hilft nicht, wenn wir hundert mal üben, über ein Brett zu balancieren, wenn ein Fehltritt den Tod bedeutet. Wir werden zwar besser, aber die Bedrohung im Fehlerfalle bleibt genauso massiv. Real wird die tiefe Schlucht unter dem Brett aber gar nicht da sein. Davon müssen wir uns überzeugen. Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir vielleicht ein Auffang-Netz, was kurz unter dem Brett gespannt ist. Selbst wenn die Schlucht noch so tief ist, dass Netz wird uns im Fehlerfalle auffangen. Das zu wissen, reicht oft nicht. Wir müssen fallen und uns davon überzeugen, dass es real nicht bedrohlich ist. Und hier darf man nichts überstürzen, sonst wird man retraumatisiert. Erfahrungen muss man verarbeiten können, sonst entsteht ein neues Trauma. Augen zu und durch ist der falsche Weg!

Was bedeutet das konkret? Soll ich in einer Dienstbesprechung anfangen zu stottern? Sollen alle meine Unfähigkeit und Hilflosigkeit mitbekommen? Könnte ich so mit diesen offenbarten Schwächen vielleicht real gekündigt werden?

Ein Umfeld, wo Scheitern auch real recht unangenehme Folgen haben könnte, ist nicht sonderlich geeignet. Natürlich sind die realen Folgen meist nie so extrem, wie man Angst empfindet. Und doch kann oder möchte man nicht den Preis bezahlen, den Job zu verlieren, was gut nachvollziehbar ist. Manchmal muss man sich auch sowas trauen, aber oft reicht es aus, mit kleineren Herausforderungen zu üben. Im Alltag eines jeden Menschen finden sich Situationen, wo man Scheitern mal ausprobieren kann, ohne das die realen Konsequenzen so groß sind.

Dieses Üben ist völlig anders, als zuvor: Wir üben nicht mehr, möglichst perfekt eine Situation zu meistern, womit wir eigentlich dem Bedrohlichen ausweichen. Wir üben jetzt, ein Stück weit in die Bedrohung zu gehen, die irgendwas mit Scheitern und Unzulänglichkeit zu tun hat. Wir trauen uns, unzulänglich zu sein. Wir trauen uns, eigenen Schamgefühlen zu begegnen und sie anzunehmen. Wir haben gewonnen, wenn wir das, was wir eigentlich nie spüren wollen, voll und ganz annehmen können.

31.03.2008 :: Minderwertigkeitsgefühle und Vergleich

Vergleich ist eine ziemlich verrückte Idee. Man versucht, seinen Selbstwert anhand von Vergleichen festzustellen. Bin ich erfolgreicher, als dieser, oder hübscher, als jener? Kann ich mehr leisten, bin ich belastbarer, hab ich mehr Geld? Fahr ich das bessere Auto? Kann ich besser reden? Komm ich besser an, als andere? Es gibt so viele Möglichkeiten, sich mit anderen zu vergleichen. Und so viele Möglichkeiten, zu scheitern...

Die Angelegenheit mit dem Vergleich ist sehr anstrengend und furchterregend. Wir müssen uns anstrengen, um besser als andere zu sein. Taucht jemand auf, der vielleicht besser sein könnte, fühlt man sich bedroht. Gleichzeitig fördert der Vergleich destruktive Formen von Konkurenz - die Bedrohung muss bekämpft werden. Gemeinschaftsgefühl, ein gutes Miteinander kann sich nicht einstellen. Durch jeden, der irgendwie besser ist, fühlt man sich bedroht. Und durch die Konfrontation mit dem Besseren kann sich ein Gefühl von Minderwertigkeit einstellen. Unterhält man sich mit jemandem, der anscheinend das Leben in allen Bereichen gut meistert, entsteht vielleicht ein tiefes Gefühl von eigener Unzulänglichkeit: Man selber hat es nicht gepackt, ist ein Versager.

Ich glaube, dass die Sache mit dem Vergleich ein grundsätzlicher Irrtum auf der Suche nach seinem Selbstwert ist. Man steckt so jede Menge Zeit und Energie in etwas, was überhaupt nicht zu tief empfundenen Selbstwert führen kann.

Selbstwert hat nämlich gar nichts mit dem anderen zu tun. Selbstwert ist die Wertschätzung des eigenen Lebens. Und damit einhergehend die Wertschätzung von Leben generell. Das Leben ist ein Wunder und etwas ganz kostbares. Manchmal sind wir stark berührt vom Leben: Wenn wir ein Neugeborenes sehen oder wenn im Frühling die Natur erblüht. Auch wenn hier das Wunder des Lebens besonders deutlich wird - wir können es auch jeden Tag überall erleben.

Selbstwert ist dann die Suche nach dem Juwel in einem selbst und im Leben grundsätzlich. Es geht darum, das Kostbare des eigenen Lebens zu entdecken. Und das Kostbare, was wir in unseren Mitmenschen und der Natur finden. Entdecken braucht überhaupt keinen Vergleich. Es geht nicht darum, ob etwas besser ist, als etwas anderes. Ist ein Baum besser, als ein Grashalm? Ist ein Kuh besser, als eine Schnecke? Darauf kommt es überhaupt nicht an. Wir können vielmehr einen Wert in allem entdecken, was uns umgibt. Und wir können in allem das Wunder des Lebens entdecken.

Das Kostbare im Leben in nicht etwas, was man mit irgendwas anderem vergleichen könnte, um den Wert zu bemessen. Wir spüren vielleicht, dass es gut und sinnvoll ist, dies oder jenes zu tun. Wir spüren einen Impuls in uns und wissen, es ist gut, dem Ausdruck zu verleihen. Wir spüren eine Fähigkeit und erkennen, diese Fähigkeit ist dem Leben zugewandt und möchte sich entfalten. Wir unterstützen uns darin, nähren das, was sich entfalten will. So, wie wir uns darüber freuen können, wie eine Blume erblüht, können wir uns an der eigenen Entfaltung erfreuen.

Das Kostbare bemisst sich auch nicht daran, wie groß die Entwicklungsschritte sind oder wie einzigartig das ist, was wir ausdrücken. Das Kleine ist genauso wertvoll, wie das Große. Das Alltägliche ist genauso wertvoll wie das Besondere. In jedem Moment können wir uns vom Leben berühren lassen und mit ihm verbinden.

Diese grundsätzliche Umorientierung erscheint mir wichtig: Weg vom Vergleich. Stattdessen mein Leben und mein Potenzial wertzuschätzen und zu entfalten.

24.02.2008 :: Du musst dein Denken verändern!

In vielen Psycho-Ratgebern findet man eine ähnliche Botschaft: "Du musst dein Denken verändern!" So sollen ungünstige Gedanken durch bessere ersetzt werden. Oder negative Gedanken durch positive. Auch geht es um eine Kontrolle über die Gedanken. Man soll wachsam sein, was man denkt, um dann entsprechend zu reagieren: Das ungünstige irgendwie wegmachen und das günstige irgendwie unterstützen und nähren.

Im Detail unterscheiden sich viele Ansätze, aber man findet oft Formen der konkreten Einflussnahme auf die Gedanken.

Die Forcierung auf die Kontrolle und Änderung von Gedanken kommt wohl daher, weil die uns noch am leichtesten zugänglich sind. Wir haben eine gewisse Einflussmöglichkeit auf unsere Gedanken.

Wenn man nun versucht, sein Denken zu ändern, ist die große Frage:

Welche Gedankenänderung ist wirklich gut?

und auch

Was ist gut für mich?

Die meisten Ratgeber beanspruchen natürlich für sich, genau zu wissen, was die richtige Gedankenänderung ist und was garantiert zum Erfolg führt. Generell und grundsätzlich auf jeden Menschen anwendbar. Und manches erscheint auf den ersten Blick auch verlockend: Man denkt nur noch Positives und stoppt jeden negativ-unangenehmen Gedanken und damit wird die Welt gut.

So einfach funktioniert es natürlich nicht, denn auch auf die unangenehmen Dinge dieser Welt muss ich eine Antwort finden, muss ich mich auseinandersetzen. Ich kann nicht einfach die schwierige und unangenehme Seite des Lebens verdrängen. Ich kann nicht die Augen verschließen vor all dem Ungelösten in mir. Ich kann nicht einfach wegschauen, wenn Ungerechtigkeit, Krieg und Missstände in der Welt und meinem nächsten Umfeld wirken. Ich kann nicht einfach all meine Ängste, Nöte und Sorgen aus meinen Gedanken ausschließen und hoffen, so würde alles besser.

Ich glaube an die große Kraft, die eine Änderung von Gedanken und Einstellungen zum Leben haben kann. Man kann Leben und Umstände neu deuten, kann sich und andere besser verstehen, kann Einsicht entwickeln. Man kann ungünstige Gedanken aufspüren und sie durch ein besseres Gedankenmodell ersetzen. Man kann ein Gefühl dafür bekommen, was gut und konstruktiv ist.

Nur wer sagt einem, was wirklich die richtige Beeinflussung des eigenen Denkens ist? Ich glaube daran, dass ein Großteil der Psycho-Ratgeber zweifelhafte Ideen vermittelt. Und selbst wenn das Gemeinte eigentlich positiv war, können wir es nur so verstehen, wie es bei uns ankommt. Und das hängt stark davon ab, wie wir jetzt denken und wie wir geprägt sind. So erreicht uns eine Botschaft vielleicht völlig verzerrt und wir versuchen uns auf eine Art zu ändern, die nicht gut tut und die der Buchautor auch nicht gemeint hat.

Was wählen wir aus dem großen Angebot von Ratgebern aus? Vielleicht genau das, was unserem Charakter entspricht und ungünstige Konstellationen nährt? Oder haben wir die Fähigkeit, das richtige zu finden, was uns wirklich hilft?

Ich selber habe einige Irrwege hinter mir und hab manchmal genau zu dem Falschen gegriffen. Weil ich aufgrund meiner Prägungen auch gar nicht anders konnte. Ich brauchte Orientierung, die mir glücklicherweise ein Therapeut gegeben hat. Das hauptsächlich, in dem er mein Selbstvertrauen stärkte: Anstatt mich zu stark an fremde Ideen vom Leben zu klammern, ging es immer wieder darum, dass ich meine Erfahrungen mehr wertschätze. Wie erlebe ich etwas? Wie fühlt sich für mich etwas an? Was ist meine Wahrheit?

Das waren Fragen, die für mich wichtig waren und zu denen ich allein nicht fand.

Wie auch immer der Weg eines jeden aussieht: Nur stumpf einer Idee von Gedankenänderung zu folgen, führt nur selten zu Erfolg, ja kann sogar unangenehme Folgen haben. Jeder muss schlussendlich seine Antwort darauf finden, welche Gedankenänderung wirklich gut ist. Gut für einen selber.

03.11.2007 :: Sich auch für unangenehme Gefühle öffnen

Ich war gestern auf einem Vortrag eines Therapeuten. Er sprach etwas an, worin ich auch einen großen Wert drin sehe. Sinngemäß sagte er: "Erfühle auch deine unangenehmen Gefühle."

Was könnte gut daran sein, dass Unangenehme zu erspüren? Einerseits finde ich es schon sehr gut, nicht in alle möglichen Kompensations-Handlungen flüchten zu müssen, nur weil ich ein Gefühl nicht fühlen will. Konkret kann das bedeuten, dass ich mich nicht durch Fernsehen ablenken muss, nur weil gerade ein schlechtes Gefühl auftaucht. Einfach da sein zu können, mit dem, was ist, finde ich sehr angenehm und befreit mich ein Stück vom Gefühl der Getriebenheit. Stattdessen stellt sich etwas mehr Gelassenheit ein.

In den unangenehmen Gefühlen finde ich oft etwas, was mich weiterbringt. Ich lerne mich besser verstehen. Darüber finde ich einen Zugang zu dem, was hinter dem Gefühl steht: Eine Erfahrung, die ich vielleicht nicht richtig verarbeitet habe, die irgendwie nicht auf gute Weise abgeschlossen ist. Manchmal kann ich was finden, um mit dem dahinterstehenden Thema irgendwie weiterzukommen. Manchmal bedeutet es auch einfach, mehr Mitgefühl und Verständnis für mich und die Situation zu entwickeln.

Ein weiterer Punkt ist, dass es mir hilft, auch unangenehme Seiten von mir oder dem Leben besser anzunehmen. Ich finde das eine schöne Idee, sich immer so annehmen zu können, wie man gerade ist. Wenn einem etwas peinliches passiert, möchte man vielleicht gar nicht mehr darüber nachdenken oder daran erinnert werden. Man läuft irgendwie vor dieser Erfahrung weg, leidet aber auch stark darunter. Wenn ich es schaffe, dieses Gefühl von Peinlichkeit zuzulassen und anzunehmen, lösen sich Schwierigkeiten damit auf. In der Folge davon löst sich die Angst davor auf, in peinliche Situationen zu kommen. Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, egal, was auch immer passiert, es ist in Ordnung.

Ich denke, es ist nicht verwunderlich, dass dieser Therapeut neben einer Gestalttherapieausbildung auch einen buddhistischen Hintergrund hatte. Denn hier wird Achtsamkeit bzw. Bewusstheit (Awareness) geschult, genauso das vorbehaltslose Annehmen, was gerade ist.

Weblinks:

05.02.2007 :: Positives Denken ist grausam

Ich hab mal wieder eins von diesen "Denke Positiv" Büchern in der Hand und bekomme das kalte Grausen. Nun bin ich zwar jemand, der positive und konstruktive Gedanken mag, was mir da aber erzählt wird, ist schon ziemlich schauderlich.

Die Idee ist in vielen dieser Bücher ganz ähnlich: Es wird die Vorstellung vermittelt, dass Unbewusste wäre eine phänomenale Kraftquelle, ein Wunderding, was unser ganzes Leben verändern könne. Wir müssen nur eins tun: Dieses Unbewusste muss mit positiven Botschaften gefüttert werden. Wenn wir das regelmäßig tun, wird unser Leben gut werden, wird jeder Wunsch in Erfüllung gehen.

Und wie macht man dass? Man suggeriert sich möglichst oft am Tag Botschaften, wie "Mein Leben ist schön!" oder "Ich schaffe alles!" oder "Wunderbare Dinge erwarten mich!". Das wird mein Unbewusstes überzeugen und irgendwann wird die Welt wirklich so aussehen.

Was bei rauskommt, ist traurig: Menschen, die völlig den Bezug zur Realität verlieren, die nur noch in ihren Suggestionen leben. Menschen, die man nicht mehr erreicht, die nicht mehr kritikfähig sind. Sie verleugnen alles, was nicht in das Bild ihrer Suggestionen passt, damit das Unbewusste bloß nicht mit schlechten Botschaften gefüttert wird. Einige wenige male hatte ich in der Selbsthilfegruppe Kontakt mit solchen Menschen.

Zum Glück halten die meisten es nicht lange durch, so einen gefährlichen Blödsinn über längere Zeit zu praktizieren.

Für mich ist ein gesunder Mensch jemand, der einen realen Blick auf sich hat. Er kann sein Potenzial und seine Fähigkeiten erkennen. Er kann sich wertschätzen. Das sind die positiven Seiten und diese Form hat in meinen Augen nichts mit den oben beschriebenen Praktiken zu tun.

Er kann aber genausogut seine Schattenseiten und seine Schwächen erkennen und dazu stehen. Ein gesunder Mensch muss nicht immer glücklich sein und ist es auch nicht. Er erlebt das gesamte Gefühlsspektrum, ist mit Problemen konfrontiert und auch mit Momenten, wo alles klappt und funktioniert, wo die Leichtigkeit des Seins spürbar wird.

Viele Menschen haben einen verzerrten Blick, weil sie nur die negativen Seiten an sich wahrnehmen. Sie können ihre Fähigkeiten nicht sehen und ihre Erfolge nicht würdigen. Diese Menschen brauchen positive Ermunterung - um zu sehen, was da ist. Etwas, was real vorhanden ist, was man aber nicht sehen will oder kann. Sie brauchen aber keine "Die Welt ist nur schön - Verarschung!"

Auch ist es viel wichtiger, sein Leben zu begreifen und adäquate Lösungen für sich zu finden, anstatt stereotyp irgendwelche Formeln zu wiederholen, die pauschale (falsche) Ideale suggerieren. Es geht darum, der Wahrheit näher zu kommen und nicht in einer idealisierten Traumwelt zu leben.

Vor Jahren kam zu diesem Thema das Buch "Positives Denken macht krank" von Günter Scheich heraus. Auch wenn mir nicht alles in dem Buch gefiel, ein schöner Gegenpol zu der Ich-denke-Positiv-Welle ist es schon.

In der Wikipedia finden sich auch einige Einträge zum Thema. Ein Satz finde ich sehr treffend:

Von vielen Meditationslehrern wird das Positive Denken kritisiert, da es lediglich eine weitere Manipulation des Bewusstseins sei und somit natürliche geistig-seelische Entwicklungsprozesse nur behindere.

02.02.2007 :: Was ist Normalität?

Bin ich normal? Das wird nicht selten gefragt, wenn sich Menschen unsicher fühlen. Man möchte irgendwie so sein, wie die anderen. Um nicht ausgegrenzt oder komisch angeguckt zu werden.

Die Frage nach Normalität finde ich interessant. Ich glaube, es ist gut zu wissen, was Normalität ist. Andererseits ist es erfrischend, wenn man nicht immer der Normalität folgt.

Was normal ist, wird von der Gesellschaft festgelegt, in der man lebt. Es ist die Norm, die irgendwo festgeschrieben steht oder die unausgesprochen so gelebt wird. Es ist das, wie sich der Durchschnitt der Menschen verhält. Daneben gibt es noch das konkrete Umfeld, in dem man lebt. Die Menschen, die einen im jeweiligen Kontext umgeben. Eine Gruppe von Lehrern wird eine andere Normalität leben, als pubertierende Jugendliche. Physik-Studenten leben eine andere Normalität, als Sozialpädagogik-Studenten. Es gibt Werte, Überzeugungen und Formen zu denken und die Welt wahrzunehmen und all das bestimmt die Normalität, die gelebt wird.

Normalität finde ich deshalb interessant und wichtig, weil es eine Einschätzung des Umfeldes ist, in dem ich mich aufhalte. Ich kann dadurch ein Gefühl bekommen, was ankommt, was wertgeschätzt und was typischerweise abgelehnt wird. Und ich kenne so auch die Fettnäpfchen und die wunden Punkte, auf die man aufpassen muss.

Wenn man fragt: "Ist das normal?", so fragt man eigentlich danach: "Ist dieses Verhalten typisch für die Umgebung, in der ich lebe?" Und nach diesem typischen suchen wir vielleicht, weil wir damit nicht anecken.

Wenn wir mit anderen Menschen zusammenleben wollen, müssen wir uns auch irgendwie in den Rahmen einpassen, der gerade gegeben ist. Die Normalität liegt ziemlich in der Mitte dieses Rahmens. Wie viel Abweichung ein Rahmen zulässt ist eine Frage der Toleranz des Umfeldes.

Daneben finde ich ganz wichtig, seine Individualität zu pflegen. Man hat Bedürfnisse und man möchte etwas im Leben. Man hat eigenen Vorstellungen, Ideen und Werte. Diese brauchen Raum, um sich entfalten zu können und dürfen nicht geopfert werden, nur um normal zu wirken.

Einige, die sozial ängstlich sind, meiden es eher, ihre Individualität zu leben, um nirgendwo anzuecken. Sie unterdrücken ihre Persönlichkeit, sind immer nett und umgänglich, sagen meist Ja und nur selten mal Nein. Andere wiederum leben nur ihre Individualität und können so nicht in einen guten Kontakt mit den anderen kommen. Sie lehnen vielleicht das ab, was die Normalität um sie herum ist.

Ich glaube, es braucht beides und jeder muss für sich schauen, wo man einen Mangel hat. Wer nicht seine Individualität lebt, findet nicht das, was er braucht, was ihm gut tut. Und er fördert nicht das, was ihm wichtig ist. Er wird als Gestalter nicht spürbar. Er verbiegt sich und ist nicht er selbst.

Wer kein Umfeld findet, in was er sich ein Stück weit einlassen kann, bleibt alleine und Außenseiter. Hier ist es aber wichtig zu sehen, dass wir oft eine Wahl haben, uns ein passendes und förderliches Umfeld zu suchen. Ein Umfeld, welches wichtige Werte und Vorstellungen mit uns teilt. Eigene Toleranz kann helfen, mit Menschen klar zu kommen, die nicht völlig konform mit meinen Vorstellungen sind.

Manche Menschen sind sehr flexibel, sie können mit unterschiedlichsten Menschen gut klar kommen. Und leben trotzdem auch ihre eigene Persönlichkeit. Das finde ich ein schönes Ideal.

11.01.2007 :: Genau hinschauen

"Ich kenne den Zustand den Du beschreibst genau! Genauso habe ich auch empfunden."

Ich möchte es mal provokativ formulieren: Wenn du wahrnimmst, dass du so eine Aussage triffst, sage dir: "Ich weiß überhaupt nichts von dem anderen!"

Wozu soll das gut sein? Oft neigt man dazu, zu schnell die Erfahrung des anderen völlig gleich zu setzen mit dem, was man selber erlebt hat. Dann hört man aber gar nicht mehr richtig zu, was der andere erzählt. Dann hat man sich schon ein Bild von der Situation gemacht, ist schon ferstgelegt und kann nicht mehr wirklich zuhören.

Oft war ich überrascht, wenn ich diese Übung gemacht habe. Ich habe dann erleben können, das wirklich vieles anders war, als ich mir zuerst vorgestellt habe. Ich habe all die Unterschiede und die Andersartigkeit erleben können.

Das fiel natürlich nicht immer leicht, es ist enttäuschend, wenn etwas zuerst genau zu passen scheint, dann aber doch ganz anders ist.

<< | FredsSozialphobieWeblogArchiv | Archiv 2006 >>