Sopha Selbsthilfe

Aktuell (Archiv 2014-Q2)

04.06.2014 :: Gelotophobie

Es gibt in der Wikipedia eine lange Liste aller möglichen Phobien. Darin hab ich die Gelotophobie gerade entdeckt. Das ist die Angst, ausgelacht zu werden. Man verbindet diese Diagnose aber zusätzlich noch mit der Eigenschaft, Humor und Lachen überhaupt nicht positiv erleben zu können, also keinen positiven Bezug dazu zu haben.

Gelotopobikern mangelt es so auch an Lebendigkeit, Spontanität und Lebensfreude. Dort, wo sich andere im Lachen entspannen und wo Nähe entsteht, erleben sie es als beängstigend oder zumindest unangenehm.

Es ist zu vermuten, dass hier traumatisch prägende Lebenserfahrungen eine große Rolle bei der Entstehung haben. Erfahrungen also, wo es um Spott und persönliche Abwertung ging. Also Angriffe auf die eigene Persönlichkeit, die mit Lachen verbunden waren. Und das ist so prägend, dass die andere Form des herzlichen und verbindenden Lachens nicht mehr erlebt werden kann. Meist ist die Entstehung auch mit einem kalten sozialen Umfeld verbunden, in dem eben das Wohlwollend herzliche nicht erlebt wurde.

Mir ist in unseren Gruppen schonmal aufgefallen, dass man sehr vorsichtig mit Humor sein muss, bzw. das Humor gerne mal falsch verstanden wird. Da wird dann ein eher wohlwollender Humor, der etwas Persönliches aufgreift, schnell als Angriff erlebt. Oder aber bestimmter Humor wird gar nicht verstanden, es kommt zu keiner Resonanz.

Das ist aber auch nur eine Facette, umgedreht wird in den Gruppen auch immer wieder herzlich gelacht und humorvolle Bemerkungen kommen von zahlreichen Mitgliedern. Das ist sehr angenehm, entlastend und verbindend.

Die Wikipedia unterscheidet die Soziale Phobie von der Gelotophobie darin, dass erstere eine generalisierte Angst vor Zurückweisung ist, während die Gelotophobie eine konkretisierte Form der Angst ist. Sie wird stimuliert durch Lachen. Man kann Sozialphobie aber auch als Übergruppe bezeichnen und die Gelotophobie als eine konkrete Form der Sozialphobie.

Welchen Wert hat es überhaupt, zu einem konkreten Phänomen ein spezielles Wort zu erfinden? Sprachlich ist es sicherlich gut, ein Phänomen klar benennen zu können. Fachleute wissen dann sofort, was gemeint ist. Die meisten Menschen hingegen werden noch nie etwas von Gelotophobie gehört haben, können damit also nichts anfangen.

Psychotherapeutisch ist es aber gut, sich immer klarer und differenzierter seiner Ängste bewusst zu werden. Also verstehen zu lernen, was eigentlich Angst macht bzw. was konkret Angst auslöst. Umgedreht, was bei mir keine Angst auslöst, denn auch das erleben wir häufig in unseren Gruppen: Auch wenn wir alle von sozialer Phobie irgendwie betroffen sind, ist es im Detail doch wieder ganz anders. Je genauer man weiß, wo man seine Baustellen hat, kann man auch besser daran arbeiten.

Ob man dafür nun ein spezielles Wort hat oder ob man sich seiner Ausprägung einfach konkret bewusst ist, ist eigentlich egal. Manchmal hilft es einem aber, durch die Beschreibung eines Phänomens sich selber besser zu verstehen oder neue Aspekte zu erkennen. Und natürlich kann man mit Wörtern auch immer sehr schön googeln, um sich mehr Fachwissen und Krankheitskompetenz anzueignen.

Übrigens: Wie man ein Phänomen genau definiert, wo man also die Trennlinie zieht, was dazu gehört und was nicht, ist oft willkürlich. Warum z.B. ist die Gelotophobie nicht nur die Angst, ausgelacht zu werden? Warum gehört da auch die gänzliche Unfähigkeit dazu, lachen als was Positives zu erleben? Tritt beides nur zusammen auf oder gibt es genauso viele Menschen, die nur das eine, aber nicht das andere haben? Man weiß es nicht und solche Definitionen entstehen oft willkürlich oder aus einem speziellen Interesse heraus. Man darf solchen Definitionen keine zu große Bedeutung geben, es ist lediglich der Versuch, ein beobachtetes Phänomen zu beschreiben. Ob das Phänomen wirklich gut beobachtet wurde, ob es auf andere Menschen passt und ob es sinnvoll vom Rest abgegrenzt ist, bleibt fraglich.

Weblinks:

04.06.2014 :: Saturiertheit

Sich selbst zu verändern, braucht Wille, Engagement und Kreativität. Sorgt unsere mediale Überflussgesellschaft vielleicht dafür, dass wir gerade daran einen Mangel haben?

Für dieses Phänomen hab ich gerade den Begriff Saturiertheit entdeckt. Die Wikipedia schreibt dazu:

Das Wort Saturiertheit (v. lat.: saturare sättigen) bezeichnete eine individuelle Übersättigung des Wohlstandsbürgers, der wenige eigene Bedürfnisse, Reaktionen und Willensäußerungen an den Tag legt. Vielmehr erzeugen Medien, Werbung und Propaganda gleichsam von außen künstlich Bedürfnisse. An Kreativität, Spontaneität oder Engagement hat der Saturierte nur bedingt Interesse und zeigt sich dazu kaum in der Lage.

Umgedreht bedeutet das auch, dass die Arbeit an sich selbst genau diese Qualitäten fördert: Einen eigenen Willen zu entwickeln, sich zu engagieren und nach kreativen Lösungen Ausschau zu halten. Das ist doch auch ein schöner Nebeneffekt jeder gelingenden Persönlichkeitsentwicklung, ob nun in Therapie oder in der Selbsthilfegruppe. Gerade in Selbsthilfegruppen ist verdammt viel möglich, wenn viele sich kreativ einbringen. Wir haben uns schon öfter gefragt, warum wir manches nicht schon viel früher mal gemacht haben. Es liegt fast immer daran, dass man sich der großen schöpferischen Freiheit und der damit verbundenen Möglichkeiten nicht bewusst ist.

-- Fred

29.05.2014 :: Die versteckte Angst

So paradox das klingt: Eine Angsterkrankung zeigt sich nicht immer durch konkrete Angstgefühle. Wie kann das sein?

Wir Menschen sind sehr anpassungsfähig und so setzt auch die Angst einen Anpassungsprozess in Gang. Ein einfaches Beispiel: Wer Angst davor hat, zu telefonieren, organisiert sich sein Leben so, dass er das Telefon so gut wie gar nicht mehr braucht. Das ist ja als klassische Vermeidung bekannt.

Was ist das Resultat: Wenn die Vermeidung ideal gelingt, spüren wir in dieser Hinsicht auch keine Angst mehr. Man kann also eine Angsterkrankung haben, ohne dass Ängste spürbar werden. Bei einer Höhenangst ist es auch sehr klar: Wer die Höhe vermeidet - und das kann man im Alltag oft gut - wird dieser Angst nicht begegnen.

Soziale Ängste unterscheiden sich zur Höhenangst, weil sie vielschichtig sind. Sie sind nicht nur an eine konrkete und klar definierbare Situation gebunden. Und wir können im Alltag viel schwerer ausweichen, weil soziale Bezüge immer und überall entstehen.

So entsteht bei sozialer Angst nicht nur eine Vermeidung, sondern ein unglaublich ausgeklügeltes Vermeidungssystem. Das ganze Leben ist durchzogen von Handlungen oder Vermeidungshaltungen, um der Angst auszuweichen. Das ist mitunter wirklich beeindruckend, was da über die Jahre für ein kompelexes System der Vermeidung entsteht. Und in der Regel ist das den Betroffenen noch nicht mal bewusst. Denn man will sich das ja nicht eingestehen und findet Ersatzbegründungen, warum man dies oder jenes tut. Das Vermeidungssystem wird so auch noch optimal abgesichert, so dass man sich selber nicht in Frage stellt und andere auch keine Chance haben, unsere Vermeidung aufzudecken.

In dieser Eigenschaft sind viele Betroffene durchaus so geschickt, dass sie auch viele Therapeuten jahrelang hinters Licht führen können. Natürlich auch hier überwiegend unbewusst. Es braucht schon gute Beobachter und Scharfsinnigkeit, um solche über viele Jahre entstandenen Systeme zu durchschauen.

In der Regel hat so ein System einen zentralen Schwachpunkt, woran man es auch gut erkennt. Es ist starr und unflexibel. Es funktioniert nur, wenn alles wie geplant läuft, wenn keine Unvorhersehbarkeiten eintreten. Und auch hier hat sich in der Regel ein System entwickelt, was Unvorhersehbarkeiten abwehrt. Etwas in uns sorgt dafür, dass nichts passiert, was wir nicht kennen, was anders läuft, als gewohnt.

Die eigentliche Angst ist damit recht versteckt. Sie fällt eigentich nur noch durch diese starke Unflexibilität auf. Und das auch nur in Situationen, wo das Schicksal einen in eine nicht voraussehbare Situation hinein wirft. Dann entstehen auf einmal starke Ängste. Oder anders herum: Hier zeigen sich dann direkt die ausgeprägten Ängste, die Ursache für all das, was man an Vermeidung kreiert hat.

Wenn sich das wirklich so verhält, dann wäre es hinsichtlich einer Angsttherapie günstig, das Unvorhersehbare zu seinem Verbündeten zu machen. Bisher hieß die verinnerlichte Strategie für das Angstmanagement, ein immer ausgeklügelteres System der Vermeidung aufzubauen. Mit dem hohen Preis, immer unflexibler zu werden und immer weniger Bewegungsfreiheit zu haben. Mit dem Resultat, sich immer weniger um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Und das führt nicht selten in die Depression, weil man emotional verhungert.

Angsttherapie wäre in diesem Sinne, sich die Flexibilität und die Möglichkeiten wieder zurückzuerobern. All das, was man bisher aus Angst vermieden hat.

In der Selbsthilfearbeit gibt es viele Möglichkeiten, dieser Idee zu folgen. Schon der erste Schritt ist ja für viele ein großer Schritt ins Ungewisse: Was wird mich da in der Gruppe erwarten? Werde ich all das mit meinen typischen Strategien managen können? Oder überkommen mich starke Ängste? Hier zeigt sich auch, dass man es gut ausbalancieren muss mit der Angstkonfrontation. Man kann sich nicht gleich in stark beängstigende Situationen begeben und das wäre auch keine gute Idee. Viel hilfreicher und erfolgversprechender sind die vielen kleinen Schritte. Ein Stück weit die Angst zu kosten, ohne davon überschwemmt zu werden. So kann es bei diesem ersten Schritt z.B. sehr sinnvoll sein, sich genau zu informieren, wie so eine Gruppe abläuft, um Ängste soweit abzubauen, dass man den Schritt auch wagt.

Wer in der Gruppe einen Vortrag hält, kann auch hier seine typischen Vermeidungshaltungen und Ängste kennenlernen. Wer z.B. einen extrem hohen Anspruch hat und keinen Fehler zulässt, könnte versuchen, Fehler nicht mehr zu vermeiden, sondern sich damit anzufreunden, Fehler zu machen. Wer Angst hat, dass er die Pointe versaut, wenn er einen Witz vorträgt, sollte es versuchen und sich ermutigen, es mal richtig zu versemmeln.

Schlussendlich geht es doch darum, dass wir wieder handlungsfähiger werden. Das immer mehr sein darf, was wir heute noch nicht zulassen können. Das wir uns Lebensraum zurückerobern. Starr und unflexibel sind wir dann, wenn wir nur eine bestimmte Art zulassen und alles andere sich nicht ereignen darf. Etwas ganz anderes ist es, wenn wir gelassen allem ins Auge schauen können, was sich auch immer ereignen wird. Wenn wir genug Selbstvertrauen haben, dass wir das alles schon irgendwie hinbekommen werden. In dem Moment, wo es passiert, ohne uns zu sehr auf alles vorbereiten zu müssen. Das spart auch eine Menge an psychischer Energie und macht Platz für Lebensfreude aus dem Moment heraus.

Natürlich ist das nicht nur eine Kehrtwende im Kopf. Ohne viele praktische Experimente und Übungen kann keine Idee zu einer gelebten Wirklichkeit werden.

-- Fred

21.05.2014 :: Die Angst vor Veränderung

Sie fühlen sich verunsichert? Sehr schön, dann wirkt die Therapie.

Ich erinnere mich an die Zeit in der Klinik, in der kollektive Verunsicherung zum Alltag gehörte. Im positiven Sinne. Doch wie das?

Wenn man es mal mit viel Abstand betrachtet, dann werden viele Menschen deshalb psychisch krank, weil ihr Selbstkonzept nicht gut funktioniert. Wir sind alle durch unsere Biografie zu etwas geworden. Dazu gehört auch unser Selbstbild, eine Vorstellung, wer und was wir sind und was nicht. Und unser Weltbild, wie wir alles um uns herum sehen, einordnen und bewerten.

In all dem, was wir als >> Das Gewordene Selbst << bezeichnen könnten, steckt auch eine Menge Problematisches. Das Gewordene Selbst als System betrachtet, funktioniert an vielen Stellen nicht sonderlich gut, was dann zu Überanstrengung, Depression oder Angst führt.

Ein einfaches Beispiel: Ich habe nicht gelernt, meine Bedürfnisse wahrzunehmen und mich darum zu kümmern. In Gruppen habe ich immer das Gefühl, nicht gesehen und gehört zu werden und mache dafür die anderen verantwortlich. Ich erkenne nicht, dass ich mich mit meinen Wünschen und Bedürfnissen mehr einbringen müsste. Weil andere eben nicht erahnen können, was ich will und was nicht.

Nun scheint es so zu sein, dass unser Gewordenes Selbst eine starke Tendenz hat, sich selbst zu bewahren. Es hat eine gewisse Rigidität und verweigert sich dann der Veränderung, wehrt alles ab, was es in Frage stellt. Das kennen wir ja alle, das manchmal Menschen einfach nur auf Abwehr sind, sobald man ihnen mal was Persönliches sagt. Dann geht es nur noch darum, sein Selbst zu schützen und man erlebt es nur noch als persönlichen Angriff, den man abwehren muss.

In Therapie geht es aber genau darum: Sein Gewordenes Selbst zu verändern. Also nicht mehr jede Veränderung und jede Erkenntnis abzuwehren, sondern sich zu öffnen für alle Unzulänglichkeiten, die das eigene Selbst betreffen.

Und an dem Punkt wird dann ganz offensichtlich, dass das auch immer wieder Angst macht. Es macht Angst, wenn wir unser scheinbar stabiles Selbst hinterfragen. Denn so unvollkommen unser Gewordenes Selbst auch immer ist, es hat eine gewisse Stabilität, die es uns erlaubt, zu überleben. Und nun machen wir uns daran, diese Stabilität zu verlassen.

Denn wir wollen ja irgendwo hin. Am Ende eines Entwicklungsprozesses soll ein neues Selbst entstanden sein, was stabiler und realitätsnäher ist. Ein Selbst, was uns gemäßer ist und was unser Wollen und unsere Bedürfnisse besser berücksichtigt. Ein Selbst, was auch eine realitätsnähere Weltsicht hat.

Auf dem Weg dahin heißt es aber oft erstmal, dass unser jetziges Selbst destabilisiert wird. In einer aufdeckenden Therapie wird man mit seinen Irrtümern konfrontiert, die das jetztige Selbst enthält. Und dann entstehen Selbstweifel, Orientierungslosigkeit und das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Man erkennt, dass das jetztige Selbstkonzept doch viel auf falschen Vorstellungen basiert. Nicht immer müssen Veränderungsprozesse so dramatische Empfindungen entstehen lassen, mitunter kann es auch einfach nur lustvoll und interessant sein.

Persönlich kenne ich aber genau solche Phasen sowohl in der ambulanten Therapie wie auch in der Klinik, wo ich mich haltlos fühlte, wo das Alte nicht mehr trug und das Neue noch nicht da war. Und das erzeugt natürlich auch viel Angst.

Eine Klinik hat übrigens den großen Vorteil, sich noch intensiver in beängstigende Selbstveränderung hineinzubegeben. Weil so ein Ort viel Sicherheit gibt, es ist wie ein Schutzraum, in dem man gut umsorgt fühlt. Insofern es eine gute Klinik ist. In meiner Klinikzeit konnte ich das so erleben und viele Mitpatienten haben das ähnlich erlebt.

Genau um diese Angst geht es mir hier. Angst die im Prozess der Veränderung entsteht. Sie begleitet einen und ist eigentlich ein gutes Indiz. Diese Angst muss da sein, wenn wir die scheinbare Sicherheit eines überholten alten Selbstkonzeptes aufgeben. Es ist auch gut, ein Stück weit in so eine Angst hineinzugehen. Natürlich in guter therapeutischer Begleitung. Mal ein Wagnis einzugehen, um zu gucken, ob es was Besseres gibt, als das Gewohnte.

Oft sind es auch die tiefen Verletzungen, um die herum wir eine dicke Mauer in unserem Selbstkonzept gebaut haben. Wir vermeiden es dann mit allen Mitteln, jemals nochmal so eine verletzende Erfahrung zu machen. Aber genau das hat auch einen hohen Preis. Wer z.B. massiv emotional verletzt wurde, fühlt dann gar nicht mehr, was natürlich eine Katastrophe ist. In Therapie geht es dann oft darum, sich nochmal diese Verletzungen anzuschauen und wieder neue Risiken einzugehen. Auch das macht natürlich Angst.

Das ist das Paradoxe in der Therapie: Man kommt, um seine Ängste loszuwerden. Doch die Ängste kann man nur loswerden, wenn man sein Gewordenes Selbst hinterfragt, analysiert und verändert. Und das erzeugt erstmal neue Ängste. Wenn wir da hindurch gehen, dann wird es wirklich besser. Auf der Basis eines neuen Selbstkonzeptes.

Die Kunst einer guten Therapie bestände dann darin, die entstehende Angst gut auszubalancieren. Sie darf nicht zu intensiv werden, aber wir müssen auch immer irgendwie an Veränderungsprozessen dran sein, die ein gut aushaltbares Maß an Ängsten oder Unsicherheiten produzieren.

Vielen Menschen vor der Kamera oder auf der Bühne geht es ein Leben lang übrigens nicht anders. Denn das Lampenfieber ist ja Angst und Aufgeregtheit vor einer Situation, die ein Wagnis ist. Und doch wird es immer wieder gesucht, weil auch eine Lust da ist, dieses Wagnis einzugehen. Weil es bereichert.

-- Fred

02.05.2014 :: Taketina Workshop

Wir machen im August einen Taketina Workshop. Taketina wird als therapeutisches Angebot in einigen psychosomatischen Kliniken angeboten, weil es auf ganz vielen Ebenen positive Wirkungen hat. Man steigt ein in einen gemeinsamen Rhythmus, was Gefühle von Verbundenheit entstehen lässt. Gleichzeitig öffnet es für die Rhythmen im Leben und für die eigene Körperlichkeit. Auch körperlicher Ausdruck mit Bewegung und Stimme sind enthalten. Taketina ist ein musikalischer Gruppenprozess und damit mal ein guter Kontrast zu Gesprächsgruppen. All das passt auch gut zu unserem Thema der sozialen Phobie, wo man in Gesprächsgruppen aufgrund von Blockaden immer mal wieder nicht so recht in Fluß kommt.

Hier kann man was zu Taketina lesen:

Und hier sind mal ein paar schöne Video dazu, wie es praktisch aussieht

Wir haben noch ein paar wenige Plätze frei. Wer mitmachen möchte, melde sich bei uns.

-- Fred

14.04.2014 :: Überzeugungen loslassen

Es ist schwierig, lang gepflegte Überzeugungen wieder loszulassen. Doch gerade das braucht es oft, um gesünder zu leben und über seine Einschränkungen hinauszuwachsen.

Um eine Schwäche herum bilden sich gerne jede Menge Rechtfertigungen und Überzeugungen herum. Es ist eine Bewältigungsstrategie.

Ein einfaches Beispiel: Man bemerkt als Jugendlicher, dass es einem schwer fällt, das andere Geschlecht anzusprechen und Kontakt aufzunehmen. Das kann zu einer recht schmerzlichen Situation führen, weil man sich vielleicht in jemanden verliebt, aber keinen Kontakt aufnehmen kann. Man hat den Wunsch, mit einem Menschen zusammen sein zu wollen, aber das gelingt nicht und unerfüllte Verliebtheit kann furchtbar sein.

Eine Bewältigungsstrategie könnte nun lauten, sich einzureden: "Ich brauche sowas gar nicht! Partnerschaft interessiert mich nicht!" Doch so ganz gelingt es nicht, solche Bedürfnisse zu verleugnen, bzw. man muss sehr viele Geschütze auffahren, um das immer wieder hervorkommende Bedürfnis unter Kontrolle zu halten. Wenn man ein verliebtes Paar auf der Straße sieht, kommt der Schmerz kurz wieder hervor, doch gleich überlegt man sich wieder etwas, wie man das abwerten kann, z.B. "Die werden auch schon noch die Schattenseiten von Partnerschaft kennenlernen." Und dann freut man sich, wenn man sieht, wie Partnerschaften entzwei gehen und andere darunter fürchterlich leiden. Und das stützt die eigene Rechtfertigung: "Jetzt siehst du, was du davon hast. Am besten man fängt erst gar nicht damit an, dann hat man auch keine Probleme!"

Kurzum, um unsere verleugneten Bedürfnisse bauen wir eine große Festung von Überzeugungen, Urteilen und abwehrenden Verhaltensmustern auf. Und es ist schon beeindruckend, wie massiv so eine Festung sein kann, wenn die erstmal 10-20 Jahre aufgebaut, stabilisiert und perfektioniert wurde.

Und nun soll man von dieser Meisterleistung loslassen? Sich eingestehen, dass das nicht der richtige Weg war? Das ist völlig unmöglich und so verteidigt man seine Festung und seine Entscheidung nur noch mehr, wenn man damit konfrontiert wird, dass das vielleicht die falsche Entscheidung war. Es ist schon sehr schwer, sich überhaupt erstmal in dieser Hinsicht zum Nachdenken zu bewegen und wenn wir es tun, wird es oft genug erstmal nur in einer Rechtfertigung der eigenen Entscheidung enden.

Sich wirklich einzugestehen, dass eine Grundentscheidung, die man irgendwann mal getroffen hat, falsch war, ist sehr schwer. Besonders dann, wenn man so viel in diese Entscheidung investiert hat. Ich erinnere mich an Therapiesitzungen, wo mir nach längerer Zeit dann urplötzlich klar wurde, dann mein ganzes System in sich zusammenbrach. Das zu spüren, war völlig schockierend für mich. Es fühlte sich so an, als würde man mir alles nehmen, was ich bin. Was bleibt denn übrig, wenn man mir das nimmt? Ich fühlte mich sehr entwurzelt und haltlos. Und später folgte auch die Trauer und die Fassungslosigkeit, wie lange ich doch einen solchen falschen Glauben für wahr halten konnte. Wo doch auch so offensichtlich war, dass damit was nicht stimmte.

Erstmal wird mal wohl sehr darunter leiden, wenn man so mühsam seine Festung aufgebaut hat, wenn so viele Überzeugungen entstanden sind, die nun alle nicht mehr gültig sein sollen. Wenn man erkennt, dass all das nur notwendig war, weil man sich etwas nicht eingestehen konnte. Oder weil man einen Schmerz über eine Situation nicht aushalten konnte.

In der Regel sind es die schwierigen und verletzenden Lebenssituationen, um die herum solche Festungen entstehen. Und im Speziellen sind es die Situationen, die unser Selbst angreifen. Bei Sozialphobie findet man oft zahlreiche Situationen, die das Selbst bedroht haben und als Reaktion werden dann diese Festungen aus falschen Überzeugungen und Bewertungen gebaut.

Auch wenn es alles andere, als einfach ist, solche falschen Gedanken-, Gefühls- und Verhaltensmuster zu verändern und loszulassen, es ist eine lohnende Arbeit. Denn oft genug halten wir damit zentrale Lebenseinschränkungen aufrecht, die für ein Leben sorgen, was nicht gut werden kann, weil essentiell wichtige Bedürfnisse nicht gelebt werden können.

-- Fred

01.04.2014 :: Pilotprojekt bei Behandlung von sozialen Phobien

Der 1.April ist vorbei. Wir gestehen, da ist unsere Phantasie mit uns durchgegangen und wir haben uns eine schöne, aber nicht wahre Geschichte ausgedacht ;-)

Soziale Phobien entstehen im menschlichen Kontakt und werden auch dort geheilt. So fasste es mal ein Therapeut kurz zusammen. Die Frage ist also, wie man gute soziale Lernfelder schafft, in denen Betroffene positive zwischenmenschliche Erfahrungen machen können.

Man könnte ja so vieles machen, aber mittlerweile ist das in Deutschland kaum noch bezahlbar. Es ist vor allem der Zeitfaktor. Soziale Ängste und Phobien und die damit verbundenen Verhaltensweisen haben sich meist tief verinnerlicht und brauchen Zeit, um sich zu verändern. Da wäre es sehr erfolgversprechend, wenn man mal 6-12 Monate in einem guten Umfeld lernen könnte. Raus aus dem Alltag und in einer guten Gemeinschaft lernen. Und was? Ja, wie gute Gemeinschaft geht. Wie man sich miteinander wohlfühlt genauso, wie man miteinander arbeitet. Und natürlich ganz viel, wie man miteinander kommuniziert. Auf gleicher Ebene und so, dass man sich für das einsetzen kann, was einem wichtig ist. Aber auch, wie man eine gute Kultur des Miteinanders entwickelt.

Nimmt man mal einen typischen Tagessatz von 400 Euro, wie ihn heute psychosomatische Kliniken haben, dann würde 1 Jahr fast 150.000 Euro pro Patient kosten. Das kann sich keine Krankenkasse wirklich leisten.

Jetzt will ein Verbund von Krankenkassen aber doch einen Versuch starten. Ein Pilotprojekt mit einem ganz neuen Ansatz, der viel weniger Kosten verursacht. Und das geht so: Wenn eine Gruppe sowieso recht intensiv miteinander zusammenarbeitet, dann ist es fast egal, wo sie das tut. Also suchte man nach einem günstigen Standort und in Zeiten der Globalisierung ist es nicht verwunderlich, dass man nach China schaute.

Die Kosten in China sind für so ein Projekt extrem günstig. In dem Camp in der Nähe des kleinen Ortes Liujiayuan, sind für Unterkunft und Verpflegung gerade mal 1,40 Euro pro Patient nötig. Für etwa 30 Patienten soll es 2 deutsche Therapeuten geben. Die machen den größten Kostenfaktor aus, mit etwa 100.000 Euro pro Jahr. Zusätzlich wird das Team durch 6 chinesische Therapeuten und Sozialarbeiter ergänzt, die sehr gut deutsch sprechen. Diese kosten insgesamt 10.000 Euro pro Jahr. Rechnet man alles zusammen, kommt man ungefähr auf einen Tagessatz von 14 Euro pro Patient inkl. Flug. Hiemit wird dann klar, warum diese Idee so unglaublich attraktiv ist. 14 Euro in China, gegenüber 400 Euro in Deutschland, bei gleichen Leistungen.

Für Patienten ist das natürlich auch ein großes Abenteuer: 12 Monate raus aus dem normalen Alltag und mitten auf dem Land in China. In einer Gruppe von 30 Mitpatienten. An Komfort fehlt es dabei nicht, wohl aber an modernen Kommunikationsmitteln. Denn die werden absichtlich eingeschränkt, um die Kommunikation untereinander zu fördern: Keinen Fernseher, kein Radio, nur 1 Internet-PC für ganz wichtige Sachen einmal pro Woche 1 Stunde. Und natürlich auch keine Handys. Stattdessen gibts aber z.B. Sauna und Schwimmbad zum Wohlfühlen. Auch genügend Möglichkeiten der sportlichen Betätigung sind vorhanden. Und für den Rückzug hat jeder eine kleine Holzhütte für sich. Mitten im Wald.

Die Möglichkeit, aus dem Projekt auszusteigen, besteht allerdings immer. Wer wirklich merkt, dass er damit überhaupt nicht klar kommt, wird zum nächsten Flugplatz begleitet und kann dann zurück in die Heimat fliegen.

Soviel mal eine kurze Zusammenfassung aus der 41 seitigen Projektbeschreibung (inkl. Bilder vom Camp), die uns zugeschickt wurde. Die komplette Beschreibung können wir als PDF an Interessierte weiterleiten. Meldet euch einfach bei uns.

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