Sopha Selbsthilfe

Zehn kleine Phobiker

SOPHA – 15-Jahr-Feier

Ich schreib´ gern´ Texte, die sich reimen.

„Kannst Du uns etwas zur Gruppe schreiben?“

Mit dem Wunsch trat Ines an mich heran.

Ich sah es als Herausforderung an.

Ein Text und Thema soll die Gruppe sein.

Was schreib´ ich da, was fällt mir dazu ein?

Schließlich bin ich erst gut ein Jahr dabei

und ihre Vergangenheit ist mir neu.

Ich dachte mir, ich schreibe kurz und knapp:

wie läuft denn so ein Gruppenabend ab.

Doch erst gratulier´ ich dem Jubilar:

Die Gruppe besteht jetzt seit 15 Jahr´

und steckt nun mitten in der Pubertät.

Ich hoff´, dass sie spurlos vorüber geht

und nicht rumzickt wie ´s bei Mädchen so ist,

weil ja DIE Gruppe nun mal weiblich ist.

Bald ist sie aus den Flegeljahren raus

und so lang halten wir es mit ihr aus.

Für die Zukunft wünsch´ ich das Beste nur

und viele Teilnehmer in einer Tour.

--

Die Therapeutin würd´ es gerne seh´n,

würd´ ich in ´ne Selbsthilfegruppe geh´n.

In dem Internet da suchte ich dann

und sah mir auch sehr viele Seiten an.

Denn ich kenn´ keinen der ´ne Gruppe kennt.

Ich fand die Gruppe, die sich SOPHA nennt.

Schreibt man denn Sofa nicht mit „F“, obwohl

uns´re neue Rechtschreibung ist das wohl.

Klingt gemütlich, so dachte ich bei mir.

Ich schrieb eine Mail und schon war ich hier.

Ich traf interessante Menschen an

von denen ich bestimmt viel lernen kann.

Das sind Menschen, die mein Problem kennen,

die mir bestimmt auch Tipps geben können.

--

Es ist Sonntag, die Leute treffen ein.

Die Frage: „Wie viel´ werden ´s heute sein?“

In einem Stuhlkreis setzen wir uns hier

und mit ´ner Entspannung beginnen wir.

Wenn die Teilnehmer dann entspannter sind,

der Stress für uns Phobiker erst beginnt.

Jeder soll was Aktuelles wählen

und der Gruppe dann davon erzählen.

Doch es traut sich keiner anzufangen.

Ich überleg´: „Wie ist ´s mir ergangen?“

Jeder sieht schnell weg, im Raum herrscht Ruhe.

Und manch einer schaut auf seine Schuhe.

Schließlich nimmt sich einer dann doch ein Herz.

Wann bin ich dran? Ich zähl noch drei, kein Scherz.

--

Es geht los: Die erste Person erzählt,

dass die Angst sie immer so furchtbar quält,

wenn sie schon wieder im Mittelpunkt steht

oder wenn es um viele Menschen geht.

Ein aktuelles Beispiel folgt sodann,

damit man es sich auch vorstellen kann

wie sie erlebt diese Höllenqualen.

Ich versuch´ mir alles auszumalen.

Vielleicht wird das unser Thema heute.

Darum hören sie gut zu, die Leute,

bevor der Redner den Beitrag endet

und sich der Blick dann zum nächsten wendet.

Viel zu kurz. War das denn schon alles, Mann?

So bin ich ja noch viel, viel früher dran.

--

Die nächste Person ist bei uns heut´ neu

und darum auch noch ganz besonders scheu.

Sie möcht nicht reden und gibt gleich weiter.

Er kommt immer näher der Fokus, leider.

Schnell ein Blick zur Uhr. Ist nicht bald Pause?

Im Moment wär ich lieber doch zu Hause.

Ich knabber´ mir die ganzen Nägel ab.

Weil ich inzwischen schon keine mehr hab´,

werd ich mir mal die vom Nachbarn leihen.

Er wird es mir ganz bestimmt verzeihen.

Es spricht eine Frau von der Therapie.

Sie erklärt, sie hätte dort gelernt wie

man sich ohne Ängste beschwert und gab

nach kurzem Überlegen an mich ab.

--

Mann was sag´ ich nur? Denn jetzt bin ich dran.

Alle in der Gruppe schau´n mich g´rad´ an.

Wo ist die Tarnkappe? Ich bin nicht da.

Ich überlege krampfhaft wo ich war.

Mir fällt nichts ein und ich erzähl´ spontan:

„Freitag bin ich zum Arbeitskreis gefahr´n.“

Ich erzähl´ was mich da belastet hat.

„Die Vorstellungsrunde dort schafft mich glatt.“

Nur ein paar Sätze, und schon geb´ ich ab,

weil ich schon wieder feuchte Hände hab´

Und danach entspanne ich mich hier auch.

Das Grummeln verschwindet langsam aus´m Bauch.

Stress gibt´s noch mal in der Abschlussrunde,

aber die ist erst in einer Stunde.

--

Nachdem jeder von sich berichtet hat

findet dann eine noch Diskussion statt.

Wer mag der bringt jetzt hier sein Thema ein.

Es sollte nur nicht g´rade Fußball sein.

Obwohl…, wenn es zur Sozialphobie passt.

Alle Themen werden zuerst erfasst.

Dann wird´s Thema gemeinsam ausgewählt.

Es wird von den Erfahrungen erzählt,

die manchmal wirklich sehr, sehr lehrreich sind.

Viel dabei, was ich bei mir wiederfind.

Und interessant sind sie allemal.

Trotzdem ist´s Beteiligen eine Qual.

Zu dem Thema einen Beitrag leisten

ist Schwerstarbeit, für die allermeisten.

--

Halb neun. Pause! Jetzt stürmen alle raus.

Die Raucher qualmen eine vor dem Haus.

Die Nichtraucher stellen sich dann dabei.

Nach ´ner Viertelstunde ist sie vorbei.

Es wurd´ geredet über dies und das.

Jeder beteiligt sich und sagt etwas.

Sogar die Frauen dort diskutieren,

obwohl sie an manchen Tagen frieren.

Wenn alle da auf einem Knubbel steh´n,

möcht´ ich das lieber von der Weite seh´n

und warte drin, dass die Pause endet,

denn das Thema ist noch nicht beendet.

In der Abschlussrunde gilt dann mein Spruch:

„Fass Dich kurz, denn für heut´ ist es genug.“

--

Halb zehn in Deutschland, alle geh´n nach Haus.

Der Gruppenabend ist für heute aus.

Und ein paar räumen noch die Tische rein.

Es soll alles wieder ordentlich sein.

Wir sehen uns bestimmt beim nächsten ma´.

In zwei Wochen sind wieder alle da.

Als ich diesen Text hier schrieb, fiel ´s mir ein,

das Liedchen der 10 kleinen Negerlein.

Ich nahm den Text mir vor und schrieb ihn um.

Ich grübelte und textete herum.

Das Gedicht wuchs so weiter, Reim um Reim.

Nun hört ´s euch an, das fiel mir dazu ein.

Bleibt ruhig sitzen, denn ich singe nicht.

Mein Beitrag hier ist schließlich ein Gedicht.

  • Zehn kleine Phobiker fanden sich in Dortmund ein, einer hatte sich versteckt, da waren wir noch neun.
  • Neun kleine Phobiker, Strategien sich erdacht, einer hat nicht mitgemacht, da waren ’s nur noch acht.
  • Acht kleine Phobiker, die sind uns noch geblieben, einer traut sich nicht hierher, da waren ’s nur noch sieben.
  • Sieben kleine Phobiker, die kauften sich Gewächs, einer versteckt sich hinterm Baum, da waren ’s nur noch sechs.
  • Sechs kleine Phobiker, die liefen leis´ auf Strümpfe, einem hat´s gestunken, da waren ’s nur noch fünfe.
  • Fünf kleine Phobiker, die wurden therapiert, einem hat´s geholfen darum sind sie jetzt zu viert.
  • Vier kleine Phobiker, die machen beim Yoga mit, einer kriegt ´nen Hexenschuss, sie sind jetzt nur zu dritt.
  • Drei kleine Phobiker, von Tabletten ziemlich breit, der Eine ist noch auf dem Trip, darum sind sie zu zweit.
  • Zwei kleine Phobiker, die wies man einmal ein, der Eine ist noch immer dort, ich bin nun allein.
  • Meine Therapeutin, die schickte mich nach Haus, denn nun bin ich geheilt, für die Gruppe wär´s das Aus.
  • Da draußen sind noch Phobiker, die schon Schlange steh´n, darum wird es mit dieser Gruppe nie zu Ende geh´n.

Ihr habt ´s geschafft: Das Gedicht ist nun aus.

Ich wünsch´ Euch viel Spaß, kommt gleich gut nach Haus.

Uwe