Sopha Selbsthilfe

Sopha Sommer-Workshop 2003

von Fred vom Jupiter

Vorwort

Die Idee eines Workshops gab es schon länger. Wir wollten mal intensiver an einem Thema arbeiten. In den normalen Gruppentreffen bleibt maximal eine Stunde Zeit, um sich über ein Thema auszutauschen. Bei einem Workshop hätten wir aber ein ganzes Wochenende, um uns über eine Thematik klarer zu werden.

Etwas Erfahrung mit gemeinsamen Unternehmungen hatten wir schon gesammelt. Wir waren in den letzten Jahren mehrfach für einige Tage in Holland, Belgien oder dem Thüringer Wald unterwegs. Zumindest ein Teil der Gruppe.

So ein Workshop stellt jedoch nochmal ganz andere Anforderungen. Eigentlich wollten wir schon vor 2 Jahren einen Therapeuten einladen, der mit uns einen Workshop macht. Leider wurde nie etwas daraus, weil sich einfach keine gemeinsame Basis finden lässt, wenn Therapeuten 100 Euro die Stunde kosten.

Solche Preise passen nicht ins Umfeld der Selbsthilfe hinein, es braucht hier schon idealistische Menschen, die so eine Idee aus Überzeugung kostenlos oder für wenig Geld mit tragen. Menschen, für die es einen tieferen Sinn macht, an so etwas mitzuarbeiten. Es gibt sie. Wir haben sie jedoch noch nicht gefunden.

Auch andere Gründe kamen dazu, weshalb nicht genügend Energie in diese Unternehmung floß, damit sie Realität würde.

Die Barmer Krankenkasse förderte unsere Projektidee damals. Dieses Geld war noch vorhanden und jetzt war die Zeit reif. Wir wollten einen Workshop in Eigenregie machen. Ein wunderbares Seminarhaus hatte ich vor einigen Jahren in einer Körpertherapie-Gruppe kennengelernt. Es ist der Beringhof (http://www.beringhof.de) in Wickede an der Ruhr. Mittlerweile waren wir auch genügend Mitglieder sowohl in der Kerngruppe wie auch in der offenen Gruppe, so dass unsere Mindestanzahl von 8 interessierten und motivierten Menschen zusammenkam. Und einige von uns hatten mittlerweile auch genügend Erfahrungen gesammelt, um so einen Workshop mit Inhalt zu füllen. Eine kurze Kalkulation zeigte uns, dass es finanziell für jeden machbar sein könnte, vor allem durch die noch vorhandenen Fördergelder der Barmer Krankenkasse. Wir strebten 25 Euro Komplettkosten pro Person an. Der Workshop sollte von Freitag abend bis Sonntag Nachmittag gehen.

Vorbereitungen

Die ersten Planungen liefen schon im März 2003. Der Workshop sollte eigentlich im Mai stattfinden. Leider war der Beringhof restlos ausgebucht. Erst im August sollte wieder was frei sein. Und dann mussten mehrere Termine auch noch in der Gruppe abgestimmt werden. Gar nicht so einfach, ca. 12 Leute zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Dann war es aber klar, der 15.-17. August 2003 wurde als Termin festgesetzt.

Im Juli traf sich dann mehrmals eine Projektgruppe aus etwa 6 Leuten, die den Workshop planten. Brainstorming im Rombergpark bei gutem Wetter. War sehr produktiv. Ich versuchte, alle Ideen aufzunehmen, zu sortieren und ein gemeinsames Motto zu finden. Wichtig war uns vor allem, dass der erste Workshop angenehm und leicht werden würde. "Weniger ist mehr." war unser Motto. Im Vordergrund stand, überhaupt erstmal einen gemeinsamen Workshop hinzubekommen und nicht gleich zu hohe Ziele damit zu verbinden. Deshalb wählten wir dann auch das Thema "Freude am Miteinander" als zentralen Aufhänger für den Workshop.

Wir teilten uns die Aufgaben zur Vorbereitung, es gab noch einiges an konzeptioneller Vorarbeit und auch ganz praktische Dinge mussten erledigt werden. Wir bauten ein paar Trommeln, Musik wurde kreiert und abgemischt, Farben besorgt, Kochrezepte überlegt und Essen eingekauft.

Damit möglichst viele Gelegenheit hatten, mitzukommen, versuchten wir alles, um den Einstieg zu erleichtern. Wir richteten einen Fahrdienst ein, der einige Leute abends wieder nach Hause brachte. Und es gab die Möglichkeit, nur am Samstag für einen Tag dabei zu sein. Wir stellten uns öfters die Frage, wie können wir es gestalten, damit möglichst viele dran teilnehmen können. Welche Schwierigkeiten gibt es, die man im vorhinein aus dem Weg räumen kann. Das darüber reden räumte schon einige Ängste und Bedenken aus.

Abfahrt und Ankunft

Am Freitag war es dann soweit. Einige trafen sich in Dortmund, einige in Unna. Und manche kamen direkt nach Wickede. Die Ankunft war nicht ganz so glücklich. Unser Essen-Einkauf-Team verpasste sich. Einige weitere missliche Umstände gesellten sich dazu. Gegen 21 Uhr waren wir jedenfalls vollzählig zu acht. Trotz alledem, der Beringhof ist ein wunderschöner Ort, der von sich aus einige Missstimmungen heilte.

Nach dem Abendbrot gingen wir auf eine kleine Erkundungstour. Danach machten wir eine Gruppensitzung, wo wir schonmal schauten, was wir denn an diesem Wochenende so tun wollen, was wichtig ist. Wir hatten zwar eine Menge Ideen und Möglichkeiten im Rucksack, das waren jedoch alles Möglichkeiten und es sollte der Freiraum sein, das zu tun, was passend ist und nicht einfach nur ein Programm durchzuziehen.

Auch ging es an diesem Abend schon ein Stück um das Thema Freude. Suche ich in meinem Leben die Freude? Richte ich mein Leben auf Freude aus? Welchen Stellenwert hat Freude in meinem Leben? Tue ich Dinge, damit Freude entstehen kann?

Nach der Gruppensitzung redeten wir noch bis nach Mitternacht. Die Nacht verbrachten wir auf Matratzen gemeinsam im Gruppenraum. Gemeinsam übernachten kann schwierig werden, mussten einige von uns lernen, nachdem sie mehrmals von heftigem Schnarchen geweckt wurden...

Freude am Miteinander

Wir wussten aus unseren gemeinsamen Urlauben, dass es schon an sich eine große Herausforderung ist, miteinander eine Zeit zu verbringen. Die meisten sind ja gerade keine ausgesprochenen Gruppenmenschen. Es treffen sich hier eher Menschen, die viel alleine sind, die in Gruppen immer wieder unter Stress geraten, die viel Rückzug brauchen. Diese Schwierigkeiten zu meistern, stand deshalb auch im Zentrum des Workshops.

Und da solche Schwierigkeiten nicht planbar sind, mussten wir auch immer wieder improvisieren und aus dem Moment heraus gestalten. Gerade das ist jedoch eine spannende Geschichte, immer wieder in Kontakt mit dem Hier und Jetzt zu sein und daraus den nächsten Schritt zu gestalten.

Was wir auf jeden Fall zuvor geplant hatten, war, es nicht zu kopflastig werden zu lassen. Gespräche um das Thema Freude am Miteinander waren deshalb zwar ein wichtiger Teil, wir wollten jedoch auch ganz praktisch Freude miteinander haben. Dies ist ja etwas ganz wesentliches bei sozialen Ängsten. Oft sind Beziehungen mit anderen Menschen problematisch und voller Stress. Und deshalb muss es vor allem darum gehen, wie kann ich Fähigkeiten entwickeln, um mich mit anderen Menschen wohlzufühlen.

Musik kann etwas sehr verbindendes sein und Freude machen. Wir hatten eine Menge Musikinstrumente mitgenommen, vor allem Trommeln und Percussions-Instrumente. Gemeinsam zu trommeln ist relativ schnell erlernt und macht dann jede Menge Spaß.

P. und J. fingen erstmal an, mit zwei großen Trommeln einen guten Rhythmus vorzulegen, zu dem wir uns dann durch den Raum bewegten. Ich fand das große Klasse. Später machten wir einen kleinen Trommelkurs für alle. Und dann legten wir eine CD auf, die P. und M. erstellt hatten und jeder konnte dazu trommeln oder andere Instrumente ausprobieren.

Es war immer beides im Raum. Eine Menge Spaß und auch Stress, aus dem gemeinsamen Rahmen rauszufallen und sich alleine zu fühlen. Auf jeden Fall waren danach alle ziemlich kaputt und es hat viele doch sehr gefordert. Wir machten dann erstmal einen ausführlichen Spaziergang, um diese Erfahrung zu verdauen.

Spaziergänge empfinde ich als einen wunderbaren Rahmen, miteinander in Kontakt zu kommen. Man kann immer mal wieder wechseln und sich mit einem oder mehreren anderen unterhalten, sich so besser kennenlernen. Und man steht nicht so unter Druck, immer was sagen zu müssen, kann sich auch mal zurückziehen - kurzum, man hat viele Möglichkeiten und Gestaltungsfreiraum. Weil Samstag ja noch 4 weitere mit hinzukamen und einige sich noch wenig kannten, gab es auch viele offenen Fragen, viel Interesse, vom anderen etwas zu erfahren.

Am Samstag habe ich immer wieder viel Freude, Offenheit und lachen in der Gruppe erleben können. Und trotzdem gab es für fast jeden auch Grenzsituationen und große Schwierigkeiten, diesen Rahmen auszuhalten. Manche dachten, nur ihnen würde es so ergehen, am Sonntag morgen kam jedoch in der Gruppe heraus, dass viele immer wieder mal an einem schwierigen Punkt waren.

Für mich wurde nochmal klar, dass es immer zwei paar Schuhe sind, zum einen, wie das Gesamtgefühl oder die Gesamtstimmung der Gruppe ist. Und andererseits, wie sich in einem Moment jeder Einzelne fühlt. Es passt durchaus zusammen, dass es der Gruppe als Ganzes außerordentlich wohl geht, der Einzelne jedoch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Und es scheint auch was typisches bei Menschen mit sozialen Ängsten zu sein, dass diese mit ihren Schwierigkeiten nicht auffallen sondern eher still und leise, mitunter hinter einer Fassade leiden. Viele waren verblüfft, am nächsten Tag zu erfahren, dass es auch anderen nicht immer gut ging.

Sonntag morgen empfand ich die Meditation der 4 Himmelsrichtungen als sehr zentrierend. Es gab mir das Gefühl, mich wieder auszurichten und zu wissen, was ich will. Ja, es hatte sowas, meinen Willen zu spüren und zu wissen, dass eine große Kraft darin steckt. Einen Willen zu haben und dem Leben eine Richtung zu geben ist schon etwas wunderbares. Sich nicht mehr in den ganzen Ablenkungen des Lebens zu verirren. Schließlich wäre dieser Workshop auch nie Realität geworden, wenn nicht konzentrierter Wille da gewesen wäre.

Die Zeit im Beringhof empfand ich trotz schwieriger Momente als sehr fruchtbar und bereichernd. Wir hatten wirklich eine Menge Freude miteinander und auch die intellektuelle Auseinandersetzung kam nicht zu kurz. Auch schauten wir in die Vergangenheit zurück, um klar zu bekommen, was für eine Bedeutung das Thema Freude im bisherigen Leben vor allem in der Ursprungsfamilie hatte.

Mir wurde klar, dass Freude in meiner Familie nie eine vordergründige Sache war. Vordergründig war immer etwas zu leisten, irgendwo Erfolg zu haben, besser zu sein. Wir hatten auch unseren Spaß und unsere Freude, aber sie stand nicht sonderlich im Mittelpunkt. Mir wurde klar: "Ich finde es eine wertvolle Vorstellung, Dinge zu fördern, die ein gutes Miteinander ins Zentrum rücken. Ein gutes Miteinander ist wichtiger, als irgendwelche hochgesteckten Ziele, für die man die Menschlichkeit opfert."

Ums Essen kümmerten wir uns die Tage selbst. Einige waren sehr fleißig in der Küche und präsentierten uns leckere Sachen. Abends gab es dann auch noch was vom Grill. Schön fand ich auch, spät abends noch am Feuer zu sitzen und in den Sternenhimmel zu schauen. Es war eine wunderbare Ruhe und ich genoß die Nähe zu den anderen.

Schluss

Wir hatten genug Zeit, uns langsam von diesem Wochenende zu verabschieden. Einige wären gerne länger hier geblieben, es ist ein wirklich schöner Ort. Die Phantasie, hier zu leben, fühlt sich gut an. Die Idee, vielleicht bald wieder hier ein Seminar zu machen, kam gut an. Es gab noch so vieles, was wir gerne gemacht hätten, wozu aber einfach keine Zeit war.

Und was ist mit Freude am Miteinander? Ich glaube, ich werde öfters mal schauen, mich daran zu erinnern, das ein Bemühen darum wertvoll ist. Immer wieder die Chancen zu entdecken, die großen Möglichkeiten, die man gemeinsam leben kann.