Sopha Selbsthilfe

Was sind eigentlich soziale Ängste?

von Fred vom Jupiter

Dezember 2002

Wer daher gelernt, sich zu ängstigen nach Gebühr, der hat das Höchste gelernt.
(S. Kierkegaard)

Vorwort

Ich beginne mit einem herausfordernden Zitat, weil dies auch die Ungewöhnlichkeit der sozialen Ängste als Krankheit schildert. Geht es doch bei anderen Krankheiten darum, sie zu heilen um dann davon befreit zu sein. Nicht so bei sozialen Ängsten. Das Ziel ist hier nicht, frei davon zu werden. Die Angst in menschlichen Begegnungen zeigt an, dass da etwas Unbekanntes auf mich wartet. Eine Spannung, was wohl kommen wird, wie wir in Kontakt miteinander treten und wie der Kontakt mich verändern wird. Das ist immer ein Risiko. Denn ich kann etwas über mich oder die Welt erfahren, was mir unangenehm ist oder mich gar ins Wanken bringt. Ich kann auch angegriffen und zum Spielball negativer Energien werden.

Die Auffassung von mir und der Welt wird im Kontakt immer wieder in Frage gestellt. Und so gesehen gehört Angst, Anspannung und Aufgeregtheit zum menschlichen Miteinander.

Natürlich wird nicht jede Begegnung von solchen Ängsten dominiert. Sie wird um so größer, je mehr ich mich hervorwage oder in Erwartung von Dingen, die mich aus dem Gleichgewicht bringen.

Sich hervorzuwagen hat auch immer eine lustvolle Seite, weil es die Chance auf mehr Möglichkeiten und Wachstum beinhaltet. In die Angst zu gehen kann Potenzial erschließen, kann das Leben reicher und lebendiger machen. Dies kann eine viel tragfähigere Motivation sein, als nur seine Probleme loszuwerden. Dies ist ein Schritt hin zu aktiver Lebensgestaltung, anstatt nur auf das Leben zu reagieren.

Auch wenn es also nicht darum geht, angstfrei zu werden, geht es in unserer Gruppenarbeit schon darum, bestimmte Ängste zu verlieren bzw. zu überwinden. Es gibt viele Ängste, die erst durch bestimmte Vorstellungen, Lebenskonzepte, schwierige Erfahrungen und Prägungen entstehen. Setzt man sich damit auseinander, können Irrtümer bereinigt und Fähigkeiten entwickelt werden, wahrhaftigere Lebenskonzepte entstehen und schwierige Erfahrungen integriert werden.

Wem soziale Ängste völlig fremd sind, begibt sich nur in risikolose menschliche Begegnungen. Das kann bedeuten, dass viel Potenzial nicht gelebt wird und damit Sinn und Lebenslust abhanden kommen.

Soziale Angst in unserer Selbsthilfegruppe

Wenn ich hier den Begriff soziale Ängste verwende, dann oft in dem Sinne, dass sie übermächtig sind und für den Betroffenen ein zentrales Problem im Leben darstellen.

Es gibt zahlreiche Fachbücher, die Definitionen darüber geben, was soziale Ängste, Sozialphobie, soziale Phobie sind. Ich möchte das Thema auf eine andere Weise angehen.

Ich möchte euch davon berichten, welche Probleme ich bei all den Menschen wahrnehme, die unsere Gruppen (Sopha Dortmund) besuchen und besucht haben. Menschen also, die für sich herausgefunden haben, dass ihre Probleme etwas mit sozialen Ängsten zu tun haben und die deshalb den Weg zu uns finden. Ich beziehe mich hierbei auf die etwa 100 Betroffenen, die ich während der letzten 3 Jahre in der Gruppe kennenlernen durfte. Natürlich konnte ich bei vielen dieser Menschen nur einen kleinen Teil ihres Wesens und ihrer Erfahrungen erhören und erfühlen. Dabei hat sich bei mir aber ein gewisses Bild ergeben, was das Gebiet der sozialen Ängste absteckt.

Eine wichtige Entdeckung dabei war, dass soziale Ängste keine fest umrissene Angelegenheit sind, sondern eher ein Sammelbecken von bestimmten Problemen. Man kann also nur schwer sagen, es gäbe einen typischen sozial ängstlichen Menschen. Man kann lediglich sagen, dass alle Probleme irgendwie davon handeln, dass es um Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Menschen geht. Schwierigkeiten also, ein gutes Miteinander mit anderen Menschen zu finden. Schwierigkeiten die entstehen, weil starke Ängste die Situation bestimmen.

Diese Schwierigkeiten sind jedoch oft nicht genereller Natur. Das Verblüffende daran ist, dass viele in bestimmten Bereichen sehr befriedigende Beziehungen mit Menschen eingehen können. Es gibt also gesunde Bereiche, die als befriedigend erlebt werden. Und wer diese Menschen dort erlebt, kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass in anderen sozialen Konstellationen große Probleme und Unsicherheiten auftreten.

Es gibt auch sehr gegensätzliche Probleme. Manche haben z.B. Probleme, fremde Menschen anzusprechen. Bei Menschen, die sie kennen, treten hingegen keine Schwierigkeiten auf. Andere wiederum kennen genau das Gegenteil: Fremde Menschen sprechen sie sehr gerne an und fühlen sich sicher. Wird der Kontakt jedoch näher und vertrauter, wird es oft schwierig.

Diese Gegensätzlichkeit führt bei einigen zu Verwirrung und zur Frage: "Bin ich hier überhaupt richtig?" Ich möchte deshalb nochmal betonen, dass die Probleme oft sehr gegensätzlich und unterschiedlich sein können. Und trotzdem ist es so, dass die dahinterliegenden Ursachen oft gemeinsame Themen haben. Die Schwierigkeiten an der Oberfläche sind nur unterschiedliche Ausprägungen eines gleichen tieferliegenden Problems. So kann z.B. eine Angst vor dem Ungewissen in sozialen Situationen sowohl dazu führen, dass Menschen sich zurückziehen und schüchtern werden oder aber, dass sie sehr redselig und dominant in Gesprächen auftreten, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Und beide Verhaltensweisen können sogar, je nach sozialem Kontext bei ein und der selben Person auftreten.

Als wir mit den Selbsthilfeaktivitäten anfingen, haben wir uns öfters gefragt, ob diese Vielschichtigkeit in unserer Gruppe überhaupt gut und gewünscht ist. Wäre es nicht besser, z.B. eine Gruppe nur für schüchterne und zurückhaltende Menschen zu gründen? Zum einen wäre auch dies wieder schwierig geworden, weil es auch unter denen wieder viel Gegensätzlichkeit gab. Es war einfach schwer, Kriterien zu finden, wer in eine solche Gruppe hineinpasst und wer nicht. Darf z.B. jemand in diese Gruppe, der zwar im Gruppenkontext sehr schüchtern ist, im Austausch mit einer vertrauten Person jedoch wiederum sehr dominant und redselig?

Beim Versuch, hier Kriterien zu finden, gründeten wir versuchsweise eine Gruppe, die speziell für redegehemmte Menschen gedacht war. Die Gruppe empfand ich als recht schwierig, besonders weil die Gruppenenergie und Lebendigkeit oft fehlte. Gespräche waren mitunter schwierig möglich und eine gedrückte und gequälte Stimmung entstand.

Der Gedanke, speziellere Gruppen für bestimmte Formen von sozialen Ängsten zu schaffen, ist nicht gänzlich aus der Welt. Die Form, wie sie im Moment jedoch besteht - eine Mischung aus unterschiedlichsten Ausprägungen von sozialen Ängsten - empfinde ich als recht wertvoll. Sie bietet die Möglichkeit, von anderen zu lernen, die bestimmte Dinge gut können, die einem selber schwer fallen. Man kann sich so gegenseitig ergänzen. Tiefere Themen sind oft ganz ähnlich und für alle kann dieses Wissen darum schon eine wichtige Erfahrung sein. Und es kann helfen, den rechten Weg für sich zu finden. Für jemanden, der schüchtern ist, kann es z.B. eine große Offenbarung sein, dass der Grund der Redseligkeit eines anderen auch oft Angst ist. Dass also der rechte Weg nicht dahingeht, besonders redselig zu werden, sondern vielleicht sein Wesen auszudrücken in den Dingen, die einem wichtig sind.

Der wichtigste Vorteil ist jedoch, die Kluft zwischen krank und normal zu schließen. Viele haben Bilder davon im Kopf, warum sie sich als krank und viele andere als normal und in Ordnung empfinden. Sie spalten sich vom Rest der Welt ab und glauben, gänzlich anders als die "Normalen" zu sein. Und hier in der Gruppe wird dieses falsche Bild ein Stück zerstört. Jede Idee davon, wie "Normale" im Gegensatz zu mir sind, wird ziemlich schnell haltlos. Einfach deshalb, weil jeder irgendwelche speziellen Probleme mit mir teilt, anderes wiederum aber gut kann. Und ich merke, dass ich bestimmte Dinge gut kann, die wieder anderen Probleme machen. Und so löst sich das Bild auf, dass dort in der Welt ganz viele Menschen sind, die alles gut im Griff haben und ich völlig klein, unzureichend und minderwertig bin. Menschen, die ich bisher als sehr selbstsicher erlebt habe, kann ich hier auch mit ihren Schwächen erleben. Und das holt sie von dem Sockel herunter, auf die ich sie vielleicht gestellt habe. Das macht mich ein Stück selbstbewusster und schafft Verbindung zu Menschen, die ich sonst oft gemieden habe.

Einerseits ist es also so, dass der Begriff soziale Ängste als Sammelbecken für sehr unterschiedliche Probleme gesehen werden muss, die auch oft nur bestimmte Bereiche des Lebens betreffen. Andererseits fallen mir schon bestimmte Bereiche auf, die gehäuft auftreten, sozusagen mehrere typische Konstellationen oder Ausprägungen von sozialen Ängsten. Hierüber möchte ich im folgenden berichten.

Generell unsichere Persönlichkeiten

Es finden immer wieder Menschen zu uns, die sich als generell unsicher erleben. Hierauf passen so Wörter wie schüchtern, zurückhaltend, nicht auffallen, heraufschauend. Sie haben das Gefühl, irgendwie nicht richtig zu sein, nicht dazuzugehören, weniger wert zu sein als andere. Sie wollen nirgendwo anecken, scheuen Konflikte. Und sie glauben, dass sich keiner für sie interessiert, das ihre Meinung und ihr Wesen wenig interessant für andere sein könnte. Es fehlt das Gefühl, in Ordnung und liebenswert zu sein. Es fehlt das Gefühl, einen gebührenden Platz im Leben zu haben, ein Teil im Ganzen zu sein, geliebt und gebraucht zu werden. Ich habe bei solchen Menschen viel Traurigkeit, Enttäuschung und Resignation erleben können.

Die Reaktion, die solche Menschen auf ihr Wesen erfahren, ist, oft übergangen, nicht gehört und gesehen zu werden. Es bilden sich gerne Stärkerer-Schwächerer-Konstellationen, wo es also ein wichtiger Teil der Beziehung ist, dass der eine der Schwache und der andere der Starke ist. Unterdrückung und Kontrolle spielen dabei eine Rolle. Das Interessante dabei ist, dass beide Verhaltensweisen eine Auswirkung von Angst sind. Denn der Starke sucht sich den Schwachen oft deshalb, weil er diesen gut unter Kontrolle halten kann und somit Situationen aus dem Weg geht, die ihn ängstigen könnten.

Es ist oft so, dass generell selbstunsichere Menschen wenig soziale Kontakte haben. Sie sind oft alleine und leiden von daher an Einsamkeit. Depression und ein Mangel an Lebenslust sind auch ganz klar damit verbunden.

Was ich jedoch auch öfters erlebt habe, dass solche Menschen gute und innige Beziehungen zu wenigen Menschen haben. Also eine beste Freundin oder einen besten Freund. Sie fühlen sich in vertrauten Zweierbeziehungen oft recht wohl, Gruppen von Menschen scheuen sie jedoch.

Selbstunsichere Menschen kommen nur schwer mit neuen Menschen in Kontakt, ihnen fehlen oft die Fähigkeiten oder das Selbstvertrauen, sich auf lockere Gespräche (Smalltalk) mit anderen einzulassen. Begegnungen werden oft als verkrampft und angespannt erlebt.

Mitunter fehlt es auch an sozialen Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die dem guten Miteinander dienen. Das wird klar, wenn man sieht, dass diese Menschen Beziehungen mit anderen oft als belastend erleben und nicht als etwas, wo sich Chancen und Möglichkeiten ergeben, die zutiefst befriedigend sein können.

Solche Fähigkeiten sind z.B., in Kontakt zu treten und Kontaktangebote zu machen, zuzuhören, sich für andere zu interessieren, sich so auszudrücken, dass man ankommt, Kontakte zu vermitteln, Menschen miteinander bekanntmachen, Ideen für ein gutes Miteinander zu entwickeln, dem anderen ehrlich seine Meinung mitzuteilen, Rückmeldung zu geben, zu loben und anzuerkennen, Kritik zu äußern.

Unfähigkeit zu Nähe

Ich erlebe immer wieder Menschen, die gut in Kontakt mit anderen kommen können, die gute kommunikative Fähigkeiten haben. Also so ziemlich das Gegenteil von Menschen, die sich als selbstunsicher, schüchtern und zurückhaltend beschreiben. Anfangs hat mich das verblüfft und ich fragte mich, warum kommen die denn in unsere Gruppe? Doch etwas später stellte sich heraus, dass zwar der anfängliche Kontakt gut herstellbar ist, dass das Vertiefen einer Beziehung jedoch große Probleme bereitet. Viele flüchten in dem Moment, wo sich eine tiefere Beziehung anbahnen könnte. Sie müssen alle Menschen auf einem gewissen Abstand halten. Im Leben solcher Menschen gibt es also viele oberflächliche Bekanntschaften, enge Freunde und nähere Beziehungen jedoch kaum. Also Freundschaften, wo so Formulierungen passen wie:

  • Mit ihr kann ich durch dick und dünn gehen.
  • Auf dich ist Verlass, auch in schlechten Zeiten.
  • Es würde mir das Herz zerreißen, wenn du nicht mehr da wärst.
  • Du bist wirklich ein Teil von meinem Leben geworden.
  • Ich hab dich wirklich gerne. Ohne dich würde ich sehr traurig werden.
  • Du bist mir nicht mehr gleichgültig und deine Sorgen sind auch meine, und ich freue mich, wenn du dich freust.
  • Mit dir zusammen fühle ich mich wohl und geborgen.
  • Ich hab dich in mein Herz geschlossen.

Menschen, die zu uns kommen und diese Probleme haben, spüren oft, dass etwas ganz Wesentliches und Wichtiges im Leben fehlt. Sie funktionieren zwar mitunter wunderbar und sind gesellschaftlich erfolgreich. Aber sie fühlen sich leer und unerfüllt. Und sie tragen vielleicht Erinnerungen in ihrem Herzen, eine Ahnung wie es sein könnte, eine Sehnsucht nach etwas, das irgendwie auf dem Lebensweg verloren ging. Und eine Hoffnung, dass es möglich ist, dies wieder zu entdecken.

Damit einhergehend ist oft die Unfähigkeit, zu fühlen. Viele können ausgezeichnet denken und über etwas reden. Sie können jedoch nicht sagen, was sie im Moment gerade in sich für Gefühle wahrnehmen. Typische Aussagen sind:

  • Ich kann mich nicht spüren. Ich weiß nicht, was da sein soll.
  • Ich fühle mich so abgeschnitten und leer.
  • Da ist nichts, ich weiß es nicht, ich habe keinen Kontakt dazu.
  • Da ist nur so ein Druck im Bauch, keine Ahnung was da für Gefühle sind.
  • Ich höre zwar, was hier gesprochen wird und ich kann mir meine Geanken dazu machen. Es berührt mich aber nichts. Es kommt irgendwo nicht an.

Viele berichten auch davon, dass ihnen Augenkontakt sehr schwer fällt. Dies ist ja auch eine nahe Form von Kontakt.

Die Ursachen für die Angst vor Nähe gehen in ganz unterschiedliche Richtungen. Hier einige Beispiele:

  • Wenn die Beziehung zu nahe wird, gehe ich irgendwie unter. Ich verliere mich, ich kann nicht mehr ich selbst sein.
  • Ich fühle mich dann zu sehr von den anderen vereinnahmt, kann mich nicht abgrenzen. Ich tue dann Dinge, die ich gar nicht tun möchte.
  • Ich habe das Gefühl, zu ersticken, wenn ich zu eng mit anderen zusammen bin. Mir wird dann schnell alles zuviel, ich bekomme Panik und mach mich davon.
  • Ich habe Angst, dass ich irgendwas an mir habe, wofür man mich tief ablehnt. Und wenn mich jemand erstmal tiefer kennenlernt, dann entdeckt er das und wendet sich von mir ab oder verachtet mich.
  • Ich brauche meine Unabhängigkeit, ich möchte alles selber entscheiden können, sonst fühle ich mich unfrei. Ich habe Angst, in so eine Abhängigkeit zu kommen, wo ich selber untergehe und nur noch tue, was der andere will.
  • Ich weiß gar nicht, wie das geht, sich näher zu kommen. Da bin ich total unsicher. Ich habe dann Angst, da Fehler zu machen oder unbeholfen zu wirken. Da lasse ich es lieber.
  • Ich habe Angst, uninteressant zu sein, wenn man mich erstmal richtig kennenlernt. Vielleicht habe ich zu wenig zu bieten.
  • Beim letzten Treffen war ich wirklich gut in Form. Der hat jetzt ein super Bild von mir. Ich habe Angst, dieses Bild zu enttäuschen. Vielleicht bin ich ja beim nächsten Mal nicht so gut drauf. Also lasse ich die Beziehung lieber, dann hat er mich in guter Erinnerung.
  • Ich habe Angst, dass jemand von mir enttäuscht sein könnte. Ich möchte nicht enttäuschen.
  • Ich laufe immer mit einer Maske rum, die ich den Leuten zeige. Ich habe Angst, dass mich jemand enttarnt, wenn er mir näher kommt. Und das, was dann zum Vorschein kommt, ist es wohl nicht wert, angesehen zu werden.
  • Ich muss irgendwann schwer enttäuscht worden sein. Und so habe ich mich entschieden, nie wieder eine engere Beziehung einzugehen. Im Grunde will ich, dass mich dein Leben nicht mehr allzuviel angeht. Du lebst dein Leben, ich leb mein Leben, wir sind nett zueinander, lassen uns aber ansonsten nicht mehr aufeinander ein. Ich habe keine Lust mehr auf all diesen Schmerz.

Angst im Mittelpunkt zu stehen

Dies betrifft sehr viele Menschen, die zu uns kommen. Und dies auch wieder aus den unterschiedlichen Gründen.

Wer im Mittelpunkt steht, kann begutachtet und bewertet werden. Und die Angst vor Bewertung spielt oft eine zentrale Rolle. Andere könnten enttäuscht oder mit meiner Leistung oder mit mir nicht zufrieden sein. Und dies ist dann besonders grausam, wenn mein Selbstwertgefühl stark daran gekoppelt ist. So passiert jedesmal eine Katastrophe, wenn andere mich abwerten oder auch nur die Gefahr besteht, es könnte so etwas passieren. Denn es ist sehr schwer auszuhalten, sich als verkehrt, nicht liebenswert und nicht erwünscht zu erleben, wenn dieses Gefühl bis in den Wesenskern hineinreicht. Noch schlimmer wirds, wenn andere einen ablehnen oder verachten und man selber das Gefühl bekommt, ein ganz verabscheuenswertes Wesen zu sein, was im Kern schlecht ist.

Nicht jeder erlebt das in dieser Tiefe, weil auch andere Dinge da sind, auf die sich das Selbstwertgefühl stützt. Und trotzdem ist immer etwas Wichtiges bedroht, wenn es darum geht, bewertet zu werden. Und dies kann zu so großer Anspannung führen, dass die Konzentration nachlässt, man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, anfängt zu zittern oder rot zu werden, die Gedanken abreißen (Blackout), man die Stimme verliert oder anfängt zu stottern.

Solche Situationen treten vorwiegend in Gruppen auf, wo also "viele Augen auf einen starren". Es kann jedoch auch sein, dass bestimmte Menschen einem Angst einflößen, meist Menschen die irgendeine Autorität ausstrahlen bzw. innehaben oder die stark zur Bewertung neigen.

Es gibt im Alltag immer wieder Situationen, bei denen man automatisch in den Mittelpunkt gerät, mitunter auch ohne Vorwarnung. Es kann sein, dass sich dann schon Ängste ausbilden, wenn irgendwo solche Situationen lauern könnten. Hier einige Beispiele:

  • Im Supermarkt könnte mir etwas runterfallen. Alle schauen mich dann an. Ach, wie wär mir das peinlich.
  • Ich habe Angst, mal in einen Autounfall verwickelt zu sein. Alle gucken mich an und reden vielleicht darüber, wie unachtsam ich war. So bin ich immer ganz angespannt, wenn ich Auto fahre.
  • Am meisten Angst habe ich, wenn ich bei einem Kunden am Computer etwas machen muss und der mir dabei auf die Finger schaut. Von daher macht mir schon der Gedanke Angst, zu einem Kunden rauszufahren, obwohl mir die Arbeit eigentlich Spaß macht.
  • Letztens sagte mein Chef: "Kommt mal alle zusammen, Michael will euch zeigen, was er die letzten Wochen zusammengebaut hat." Ich wäre fast gestorben. 15 Leute und ich sollte das nun vorführen. Und ich durfte mir nichts anmerken lassen.
  • Da bin ich doch in diese Verkehrskontrolle reingekommen und war 30 Km/h zu schnell. Der Polizist schüttelte mit dem Kopf und fragte mich, wie ich denn so unverantwortlich sein könne. Und sein Kollege schaute mich auch ganz abfällig an. Ich kam mir vor, wie ein ziemliches Arschloch. Und ich fing innerlich an zu zittern. Und Gedanken fingen an, ich merkte wie ich mich selber innerlich für diesen Fehler fertig machte.
  • An der Kasse habe ich immer Angst, mit Kleingeld zu bezahlen, weil das Heraussuchen ja dauert und dann alle Leute auf mich starren und ungeduldig werden. Ich bezahle nur noch mit Scheinen und bei mir zu Hause sammelt sich eimerweise das Kleingeld.
  • Als wir geheiratet haben, waren viele Verwandte und Freunde da, hauptsächlich von meiner Frau. Und ich musste dann eine kleine Rede zu Tisch halten. Diese Vorstellung war mir unerträglich. Ich konnte wochenlang kaum schlafen, weil ich immer daran denken musste, wie ich das wohl hinbekomme.

Im Mittelpunkt zu stehen, fällt vielen Menschen schwer. Zum Problem wird es vor allem dann, wenn es eine große Schwierigkeit in Bezug auf den Lebenskontext ist. Der Lebenskontext ist immer ganz wichtig, weil er definiert, ob etwas ein Problem ist, woran man arbeiten muss/möchte. Ein großer Teil wird hier durch den eingeschlagenen Berufsweg bestimmt. Für einen Schreiner ist es z.B. kein Problem, bei einer Rede vor vielen Leuten in starke Ängste zu kommen. Einfach deshalb, weil er beruflich nicht in diese Situation kommen wird. Eine Lehrerin dagegen muss täglich vor vielen Menschen reden. Für sie hat das Thema also eine ganz andere Bedeutung - ja es bedroht ihre berufliche Existenz.

Viele Menschen "schliddern" durch die berufliche Laufbahn erst in solche Probleme hinein. Man bekommt mehr Verantwortung, eine Führungsposition und muss nun Aufgaben übernehmen, die soziale Kompetenz und Selbstsicherheit abverlangen. Auf einmal muss ich Gruppenversammlungen leiten, fremde Leute anrufen und Termine vereinbaren, mit der Presse sprechen; Konflikte entstehen, für deren Klärung ich Verantwortung übernehmen muss. Oder ich muss die Arbeit meines Teams dem Vorstand präsentieren.

Es gibt auch Situationen, wo man zwar nicht in den Mittelpunkt gerät, sich aber beobachtet fühlt. Viele berichten davon, dass der Gang durch die Fußgängerpassage oder der Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig ist. Derjenige hat das Gefühl, alle würden ihn beobachten und bewerten (abwerten).

Perfektionismus

Es gibt eine starke Beziehung zwischen Perfektionismus und sozialen Ängsten. Ich erlebe immer wieder Menschen, die in unsere Gruppe kommen, die sich sehr viel abverlangen. Sie sind selten mit sich zufrieden, selbst wenn sie etwas gut gemacht haben. Sie haben Angst, irgendwas verkehrt zu machen und leiden dann fürchterlich darunter.

Wer in einem Umfeld groß geworden ist, wo es eine zu große Wichtigkeit hatte, sich auf bestimmte Weise zu verhalten, der wird ziemlich unfrei. Er muss auf eine bestimmte Weise sein, alles andere ist inakzeptabel. Und dies erzeugt einen großen Druck. Man hat ständig Angst, Anforderungen nicht zu entsprechen. Und diese Angst blockiert einen dann und erzeugt genau das, wovor man Angst hat: Man wird unfähig, adäquat zu handeln.

In sozialen Situationen muss man Fehler machen dürfen. Lernen und Fehler machen dürfen gehören zusammen. Und überall, wo es zu wichtig wird, keine Fehler machen zu dürfen, wird Lernen und Entwicklung blockiert. Und so tritt dann tatsächlich ein Mangel an sozialer Kompetenz ein.

Die Gefühle, die dahinter stehen, wenn man etwas falsch macht, sind ganz unterschiedlich. Manche empfinden Scham dabei. Andere wiederum gehen hart mit sich ins Gericht, weil sie es für völlig unakzeptabel halten, so zu sein. Hier wird also ein bestimmtes Verhalten abgelehnt oder gar verachtet. Manche haben die Vorstellung, sie müssten nach außen hin immer alles unter Kontrolle haben und dürften keine Schwächen oder Unzulänglichkeiten zeigen. Oder man fühlt sich minderwertig und klein, wenn man bestimmte Dinge nicht kann, die für andere eine Selbstverständlichkeit zu sein scheinen. Und es gibt auch viele, die bestimmte Gefühle bei sich nicht zulassen können, weil sie Angst haben, damit nicht angenommen zu werden. Das können z.B. so Gefühle wie Traurigkeit oder Wut sein.

Perfektionismus führt nicht selten zu starren und rigiden Lebensentwürfen. Alles muss nach bestimmten Regeln ablaufen. Und alles, was unberechenbar oder nicht greifbar ist, ist verhasst. Chaotische Menschen sind ihnen ein Graus.

Dort, wo Menschen das Leben durch Perfektionismus gut im Griff zu haben scheinen, verlagern sich die Ängste oft dorthin, wo man die Dinge nie in den Griff bekommen kann: Angst vor Krankheit, Angst vor Diebstahl, Angst vor Bedrohung durch andere Menschen, Angst vor dem Weltuntergang, Angst, sich nicht mehr im Griff zu haben.

Maske

Viele erleben sich oft nicht authentisch, sondern als würden sie eine Maske tragen. So werden nur ganz bestimmte Dinge gezeigt, von denen man annimmt, dass sie gut ankommen oder erwünscht sind. Andere Dinge hält man hinterm Zaun. Oder man hat sich eine eigenständige Person gebastelt, die in Form der Maske nach außen tritt, die man aber eigentlich gar nicht ist. Man ist jemand ganz anderes, aber man traut sich nicht, damit rauszukommen.

Im übrigen tragen so manche Lebenshilfebücher dazu bei, eine noch bessere Maske aufzubauen, statt wirklich zu helfen. Dort werden mitunter Ratschläge gegeben, wie ein guter, pefekter und erfolgreicher Mensch so sein sollte und man beginnt nun, das werden zu wollen. Man kann so noch mehr den Kontakt zu sich selbst verlieren, zu dem, was man im Ursprung seines Wesens ist. Etwas, was höchst individuell ist und was sich entfalten und ausdrücken will. Etwas, was in die Welt hineingeboren werden will, mit der Welt in Kontakt treten möchte.

Sich nicht mit dem, was man ist, zu zeigen - dahinter steckt oft die Angst, so wie man ist, nicht angenommen zu sein. Das wahre Wesen hat etwas, was nicht akzeptiert ist - so die eigene Vorstellung. Und so war es auch oft in der eigenen Lebensgeschichte. Es gab Erfahrungen und Eindrücke, die einen lehrten, bestimmte Dinge nicht zu zeigen. Und andere Dinge zu tun, weil die Aufmerksamkeit und Beachtung oder Wohlwollen brachten.

Das eigene Wesen nicht mehr zu leben und zu kommunizieren, kann zu großen Schwierigkeiten führen. Man entfremdet sich von sich selbst. Man wird verwirrt darüber, wer man überhaupt ist, was man will. Man lebt nicht sein Leben, stellt sich nicht seiner Lebensaufgabe. Wer man ist, das erspürt man oft erst dann, wenn man mit anderen Menschen in wahrhaftigen Kontakt tritt. Wer nur seine Maske präsentiert, bleibt innerlich allein, einsam und abgeschnitten. Die wahre Identität verblasst und die Maske wird immer mehr zur Illussion, dass ich das bin. Sie ist aber hohl und leer, kann nie das bieten, was ich bin, wenn ich mit meinen Gefühlen und Gedanken und Impulsen in wirklichem Kontakt stehe.

Wer nicht in Kontakt mit sich selbst steht, kann auch den Eindruck bekommen, im Grunde alles sein zu können. Alles wird so beliebig. Wer bin ich eigentlich, wenn alles so beliebig ist?

Ein etwas anderer Aspekt ist das Verstecken der sozialen Ängste. Angst im Umgang mit anderen Menschen zu haben, scheint ein Tabuthema in unserer Gesellschaft zu sein. Im Gespräch mit Nicht-Betroffenen spüre ich in der Regel eine große Zurückhaltung, peinliches Berührtsein oder ein Vermeiden dieses Themas.

Betroffene versuchen oft, ihre übergroßen sozialen Ängste mit allen dazugehörigen Symptomen, zu verstecken. Innen erlebt man sich ängstlich und außen möchte man sich locker und cool geben. Die Ängste soll einfach niemand mitbekommen, weil man damit ja eine Schwäche offenbart. So entwickelt sich schnell eine Angst vor der Angst.

Weil die Ängste nicht kommuniziert werden, entstehen merkwürdige Situationen:

  • Jemand geht mit Arbeitskollegen in die Kneipe. Nach einer Stunde hält er es kaum noch aus. Nach außen tut er aber so, als fühle er sich wohl. Und das nehmen die anderen als Einladung, nun doch noch länger zu bleiben. Der Betroffene hat sich damit ein Eigentor geschossen und muß nun noch länger ausharren.
  • Bei einer Einladung sagt man freudig zu, weiß dann aber nicht, wie man das schaffen soll. Man läßt sich dann vielleicht irgendeine Ausrede einfallen. Kommt das öfters vor, verwirrt das die anderen ziemlich: Einerseits immer das große Interesse an solchen Unternehmungen, andererseits kommt immer was dazwischen.
  • An der Tür steht mal wieder ein Verkäufer, der einem die Mitgliedschaft im Buchclub und gleich das 500 Euro teure Lexikon aufschwatzen möchte. Weil man seine Ängste und Schwierigkeiten mit der Situation nicht zeigen möchte, ist man freundlich, was auch den Verkäufer freudig stimmt. Man läßt ihn herein und er kommt nun so richtig in Fahrt. Weil man nicht weiß, wie man nun wieder aus der Situation rauskommen soll, kauft man das Lexikon und wird bereitwillig Mitglied im Buchclub.

Solche Situationen sind davon geprägt, dass man selbst leidet oder ärgerlich wird. Oder andere sind verärgert und enttäuscht. Und diese Enttäuschung führt nicht selten dazu, dass sich andere abwenden.

Selbstzweifel

Ein starkes Selbst ist etwas, was vielen fehlt. Damit sich ein starkes Selbst entwickeln kann, braucht es gerade in den ersten Lebensjahren Bezugspersonen, die einen lieben und immer wieder positives Feedback geben. Sie ermutigen einen, das wertvolle Geschenk Leben zu leben. Menschen, die einen wertschätzen, die offenherzig sind und die einem immer wieder spiegeln, dass man liebenswert, in Ordnung und fähig ist. Menschen, die das große Potenzial in einem erkennen und ihm zum Ausdruck verhelfen.

Bei Menschen mit ausgeprägten sozialen Ängsten hat es hier oft gefehlt. Und hier kann auf viele Weisen etwas schief gelaufen sein:

  • Die Eltern haben das Kind verachtet, abgewertet und ihm ständig suggeriert, es ist dumm und zu nichts zu gebrauchen. Es handelt sich hier um eine sehr aggressive Form, das Selbstvertrauen zu schädigen.
  • Für die Eltern war das Kind ziemlich egal, sie haben sich zu wenig mit ihm beschäftigt, es sich überlassen, ohne zu fördern, zu spiegeln und zu lieben. Das Kind hat weder Anregung bekommen noch das Gefühl, irgendwie wertvoll oder wichtig zu sein. Diese Situation tritt oft ein, wenn Eltern mit ihrem eigenen Leben völlig überfordert sind. Dann ist kein Raum für das Kind da.
  • Für die Eltern war es sehr wichtig, dass aus dem Kind etwas wird. Sie hatten sehr große Ansprüche, zu hohe Ansprüche. So musste das Kind zwangsläufig oft scheitern, selbst wenn es sich stark bemühte. So kommt das Gefühl auf: Wie sehr ich mich auch immer anstrenge, es ist nicht gut genug. Oder, nur wenn ich mich überanstrenge und alles gebe, dann reicht es zu einem winzig kleinen Lob. Das Kind hat zwar nicht das Gefühl, unwichtig zu sein. Es bekommt vielmehr das Gefühl, dass es besonders wichtig ist - allerdings nur, wenn es auf eine ganz bestimmte Weise ist: "Du bist erstmal nichts, aber wenn du dich anstrengst, dann kannst du dir deinen Wert und damit deine Daseinsberechtigung erarbeiten. Aber auch nur ein wenig." Neben der ständigen Anstrengung kann sich vor allem kein eigenes Selbst entwickeln. Zur Entwicklung des eigenen Selbst braucht es Sanftheit und eine Offenheit des Weges. Sozusagen eine Einladung vieler Wege, die man selber wählen kann. Und nicht das starre zwanghafte Fordern ganz bestimmter Fähigkeiten.

Letzteres ist für viele besonders schwer zu durchschauen. Wenn man Eltern gehabt hat, die sich nicht um einen gekümmert haben, ist das ziemlich offensichtlich und klar. Wenn die Kinder den Eltern aber sehr wichtig sind, dann lässt sich nur schwer erkennen, dass hier mitunter eben auch sehr ungünstige Konstellationen entstehen, in denen das Kind keinen Selbstwert aufbauen kann. Oder wo das Kind nicht seine Persönlichkeit findet, weil es die Persönlichkeit der Eltern zu stark aufgepfropft bekommt: "Du sollst so werden wie ich..."

Wenn es in der Gruppe um Selbstvertrauen geht, erlebe ich oft eine starke Diskrepanz zwischen Innen- und Außensicht. Viele wirken nach außen recht sicher. Sie fühlen sich innerlich aber oft unsicher und sind voller Zweifel. Dies betrifft auch die eigene Bewertung. Viele gehen mit sich selbst viel härter ins Gericht, als sie das bei anderen tun. Das, was man tut, wird oft nicht als wertvoll und gut wahrgenommen, obwohl man es im Außen bei anderen als positiv wahrnimmt. Die Sicht auf sich selbst ist recht negativ verzerrt.

Dies zieht eine weitere Schwierigkeit nach sich. Wenn Konflikte entstehen, irgendwas nicht in Ordnung ist, dann beziehen Menschen mit großen Selbstzweifeln vieles auf sich. Und so ziehen sie sich oft einen Schuh an, der ihnen nicht gehört: "Ah ja, ich bin mal wieder falsch. Ich bin nicht in Ordnung. Ich bin schuld. Bei mir liegt der Fehler. Über mich wird gespottet." Die Idee, dass auch andere unperfekt sind und Fehler machen oder die Situation einfach nur skurril ist, kommt dann oft nicht.

Etwas, was häufig im Zusammenhang mit Selbstzweifeln auftritt, ist eine negative Selbstbeobachtung. Man beobachtet sich innerlich permanent, um irgendwas zu finden, wo man wieder mal nicht perfekt oder nicht in Ordnung war, wo man sich auf peinliche Weise verhalten oder nicht das richtige gesagt hat. Ein großer innerer Bewerter gibt zu jeder Regung, die man hat, seinen negativen "Senf" dazu. Dies kann sehr mächtige Formen annehmen und den Selbstwert Stück für Stück immer weiter untergraben. Der grausamste Feind sitzt oft in uns selbst. Meist tritt diese verzerrte Sicht durch äußere Umstände in uns ein, z.B. wie wir durch unsere Bezugspersonen in der Kindheit behandelt wurden. Und dann wirkt dieses Muster in uns weiter und macht uns das Leben zur Hölle. Es ist deshalb wichtig, solche negativen Denkmuster aufzuspüren und sie zu berichtigen.

Kontrolldenken

Wenn einerseits der Druck da ist, möglichst alles richtig zu machen, andererseits viele Selbstzweifel einen begleiten, dann können sich allerlei Kontrollgedanken breit machen: Habe ich alles richtig gemacht? Wie war das vorhin, als ich dies oder jenes gesagt habe und der andere so komisch geguckt hat? Haben die jetzt über mich gelacht? Wie konnte mir nur so eine Peinlichkeit passieren?

Das Denken kreist um all das, was war, was ist oder was kommen wird. Der Perfektionismus lässt mich nicht in Ruhe, weil ich in der Vergangenheit vielleicht irgendwas falsch gemacht habe. Dies kann ich nicht annehmen und akzeptieren. Ich suche vielmehr nach Gründen dafür oder nach Maßnahmen, damit sowas nicht wieder passiert. Der Selbstzweifel lässt mich viel darüber nachdenken, ob andere mich annehmen. Denn wo ich mich so wenig selber annehmen kann, bin ich stark darauf angewiesen, von den anderen angenommen zu sein. Und ich habe große Angst, von den anderen abgelehnt zu werden. Und so fokussiere ich meine Aufmerksamkeit auf alle Signale, die etwas darüber aussagen, wie man mich annimmt, ob man mir wohlgesonnen ist oder ob man über mich spottet, sich lächerlich macht, mich abwertet oder mich als dumm ansieht.

Eine andere Form von Kontrolldenken ist das geistige Vorwegnehmen von Situationen, die mich ängstigen oder mir unangenehm sind. Durch diese geistige Vorwegnahme versuche ich, jede Eventualität schon zu erahnen und mir mögliche Verhaltensweisen auszudenken: Wenn der nachher sagt ..., dann werde ich sagen ..., wenn ich Herrn X nachher begegne, sage ich erstmal ...

Solche Gedanken sind im rechten Maße durchaus sinnvoll und nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist die starke Beschäftigung damit, dass solche Gedanken also sehr oft gedacht werden. So brauchen manche sozial ängstliche Menschen Stunden der geistigen Vorarbeit. Während der Situation ist man oft nicht voll da, sondern verstrickt sich in irgendwelche Gedanken. Diese werden ausgelöst von dem, was gerade passiert. Und nach einem Ereignis muss dann noch stundenlang wiedergekäut und verdaut werden. Mitunter ist man sich dieser Gedanken gar nicht bewusst, man spürt nur, dass man innerlich sehr unruhig ist, sich gar nicht recht in der Welt befindet oder nachts nicht einschlafen kann.

Kontrolldenken geht oft mit negativem Bewerten und Vorwurf einher. Es kann einen zermartern. Weil es oft zwanghaft ist, man es also nicht loslassen kann, überfordert und überlastet es. Und es lässt die Sicht auf die Dinge einseitig werden. Viele sprechen in diesem Zusammenhang auch von grübeln.

Angepasstheit

In den Gruppen gibt es selten heftige Streitgespräche. Wenn Konflikte entstehen, kommt oft erstmal Schweigen. Dies betrifft auch Bereiche, wo es darum geht, aus der Masse hervorzutreten, eine Meinung zu vertreten, nein zu sagen, etwas zu wollen oder für etwas Verantwortung zu übernehmen.

All diese Situationen sind ja geeignet, in den Mittelpunkt zu kommen oder aber sich gegen mehrere Menschen zu verteidigen bzw. einen Standpunkt zu vertreten, den nicht alle teilen können. Man wird also in dem Moment zur Zielfläche lebhafter, mitunter aggressiver Impulse anderer. Reibung entsteht.

Viele vermeiden diese Reibung. Reibung kann Lust machen. Aber auch Angst. Und in der Gruppe gibt es oft Angst vor Reibung. Und damit einhergehend ein Vermeiden von Reibung. Viele ziehen es vor, nicht anzuecken, sich nicht heftigeren Energien auszusetzen, zu schweigen. So ensteht eine Atmosphäre, wo jeder spürt, dass etwas im Argen liegt, aber keiner spricht es aus.

Und dafür gibt es natürlich auch gute Gründe. Zum einen kann es sein, dass solche Auseinandersetzungen in der Vergangenheit sehr furchtbar und bedrohlich waren. Dann kommt bei jeder Auseinandersetzung wieder die Angst hoch, sowas könne sich wiederholen. Diese Angst kann so stark sein, dass sie sich lebensbedrohlich anfühlt.

Neben der Angst spielt jedoch auch noch die Resignation eine Rolle. Bin ich überhaupt wichtig? Ist es überhaupt interessant, was ich sage, was ich für eine Meinung vertrete? Oder: Es lohnt sich sowieso nicht, sich abzumühen, es interessiert keinen. Ich bin so schwach und kann so wenig bewirken, was soll ich da etwas entgegensetzen.

Es kann auch sein, dass man nicht über Erfahrungen verfügt, dass Streitereien und Konflikte mal positiv ausgegangen sind. Gerade in der Kindheit, wenn man gegenüber den Erwachsenen noch schwach ist, führte vielleicht jede Auseinandersetzung dazu, den Kürzeren zu ziehen. Und so geht man auch später jedem Konflikt aus dem Weg.

Misstrauen

Manche haben ein großes generelles Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Dahinter stehen Erfahrungen, von anderen Menschen enttäuscht, übergangen, gequält, verspottet, missbraucht und verletzt worden zu sein.

Und diese Ereignisse haben das Vertrauen in die gute Seite des Menschseins erschüttert. So ist es dann schwierig, daran zu glauben, dass irgendeine Regung eines anderen positiv gemeint sein könnte. Sofort kommen tausende Gedanken, was der andere jetzt wohl wieder im Schilde führen könnte, wie er mich jetzt verletzen oder sich an mir bereichern möchte. In allem wird nur noch der Versuch gesehen, mich zu schädigen.

Menschliches Miteinander braucht Vertrauen. Ich muss bereit sein, mich ein Stück auf den anderen einzulassen. Muss bereit sein, ein Risiko einzugehen, muss mitunter erstmal geben ohne direkt was zu bekommen. Mit Menschen, die sehr viel Misstrauen ausstrahlen, ist schwer in Kontakt zu kommen. Und es provoziert auch schnell Gefühle von Ärger, Wut und Ablehnung. Denn der, dem misstraut wird, fühlt sich herabgewürdigt, mit seinen guten Seiten nicht gesehen. Er fühlt sich als schlechter Mensch. Es ist nicht das Gefühl von: "Du bist bei mir willkommen und ich bin dir wohlwollend gesonnen." Sondern eher: "Ich stehe mit einer Schrotflinte vor dir, ein falsches Wort und ich puste dich um."

Es ist eine große Schwierigkeit für alle, mit so einer Problematik umzugehen. Für einen Menschen, der zu großes Misstrauen hat, kann es sehr wertvoll sein, in kleinen Schritten wieder zu vertrauen. Gleichzeitig muss er sich jedoch auch schützen, um nicht wieder so verletzt zu werden. Das ist ein Spagat, der nicht leicht ist. Andere können sich nur schwer auf stark misstrauende Menschen einlassen, weil sie Angst haben, verletzt und herabgewürdigt zu werden. Der Kontakt zu solchen Menschen wird in der Regel nicht gerade gerne gesucht. Es braucht viel Toleranz und Wohlwollen, aber auch Schutz und Abgrenzung, um mit misstrauischen Menschen in Kontakt zu kommen. Und es braucht viel Zeit und Ausdauer, immer wieder positive Erfahrungen, die auch gesehen und gewürdigt werden, damit Stück für Stück wieder Vertrauen entstehen kann.

Da misstrauische Menschen meist sehr gute Beobachter für Missstände und Ungerechtigkeiten sind, besteht jedoch auch eine große Chance für alle, ihre Schattenseiten kennenzulernen und dadurch zu wachsen. Und im Falle einer falschen Verdächtigung ist es für alle eine Chance, ihre eigene Position zu vertreten, zu untermauern. So fordern misstrauische Menschen einen heraus. Sie provozieren, aus sich heraus zu kommen und Stellung zu beziehen. Das schafft Klarheit und birgt die Chance, in sich klarer und wahrhaftiger zu werden.

Bei manchen ist dieser Zustand auch sehr wechselhaft. Manchmal können sie vertrauen und stehen den anderen wohlwollend gegenüber. Und manchmal rutschen sie in tiefsitzende Gefühle von Hass, Wut und Ablehnung, weil sie irgendwann im Leben mal tief verletzt, abgelehnt oder verachtet wurden. Sie rutschen sozusagen in einen alten Film, der durch etwas im Hier und Jetzt ausgelöst wurde.

Menschen, die solche tiefen Verletzungen erlebt haben, brauchen viel Kraft, um sich aus diesen alten Geschichten zu befreien. Denn nur so ist es wieder möglich, im Hier und Jetzt in Kontakt zu treten. Und nicht im Jetzt für etwas zu vergelten, was längst vergangen ist. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies eine Knochenarbeit ist, die den ganzen Menschen fordert und dass man wirklich stolz darauf sein kann, wenn dies gelingt.

Körperliche Symptome

Auch wenn schon viel von Angst die Rede war, so habe ich noch nicht viel darüber geschrieben, wie eigentlich der Zustand der Angst erlebt wird. Ich möchte hier darauf eingehen, wie Angst körperlich empfunden wird und welche Symptome auftreten.

Angst wird körperlich oft im Brust-, Bauch-, Schulter- und Nackenbereich wahrgenommen. Viele kennen so Sätze wie "Die Angst sitzt mir im Nacken." oder "Mir geht es durch den Bauch." Im Bauch- oder Brustbereich entstehen starke Anspannungen, Schmerzen oder Druckgefühle. Oft gehen damit auch Durchfall und Verdauungsstörungen einher.

Der Schulterbereich kann sehr angespannt sein, eine Art Schutzhaltung, eine Panzerung vor Angriff. Die Schultern sind dabei meist hochgezogen. So können Rücken- und Schulterschmerzen entstehen.

Der Nacken wird mitunter als angespannt erlebt, so kann es auch zu einem leichten Kopfzittern kommen. Zittern ist ebenfalls ein Symptom, was viele kennen. Und weil dieses Symptom von außen sichtbar ist, versucht man, dies irgendwie zu kontrollieren, damit es nicht auffällt. Dies führt oft zu weiterer Verspannung.

Ein weiteres unangenehmes Symptom, was nach außen sichtbar wird, ist das Rotwerden. Wer rot wird, so die Vorstellung, dem sieht man all seine inneren Ängste an, der ist sofort in einer schwächeren angreifbaren Position.

Manchen fällt in Phasen starker Angst das Reden schwer. Die Stimme wird brüchig oder leise. Die eigene Kraft, die in der Stimme zum Ausdruck kommen kann, verlässt einen. Oder die Sprache wird monoton oder abgehackt.

Mitunter wird von Muskelzuckungen berichtet, z.B. unter den Augen oder im Stirnbereich. Auch dies wird als unangenehm empfunden, weil ja so von außen die Angst sichtbar wird.

Übelkeit und Schwindel sind recht häufige Symptome. Man hat das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren oder wie auf Eiern zu laufen. Oder man hat das Gefühl, überhaupt nicht von der Stelle zu kommen, als würde man sich auf einem Laufband fortbewegen. Damit ist natürlich auch oft eine weitere Angst verbunden: umzukippen, das Bewußtsein zu verlieren, und so wieder in eine unangenehme "Ich stehe im Mittelpunkt Situation" verwickelt zu sein.

Durch die hohe innere Anspannung kann die körperliche Koordination leiden, man bekommt feinere Bewegungen nicht mehr hin, eckt überall an, kann keine Unterschrift mehr geben oder keine Kaffeetasse mehr ruhig halten.

Der Kreislauf reagiert natürlich auch oft, es wird von Herzrasen zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck berichtet. Manche fangen stark an zu schwitzen, der Körper fühlt sich ganz heiß oder auch ganz kalt an. Die Atmung wird oft flach und schnell. Dies kann zu Hyperventilation führen, die für unterschiedlichste weitere Körperempfindungen sorgt, die die Angst verstärken können. Hyperventilation führt meist zu einem Kribbeln oder einer Verkrampfung von Armen und Beinen oder dem Kiefer. Oder es wird einem schwarz vor den Augen.

Während starker Angstphasen berichten viele von einer Einschränkung des Sehfeldes, man bekommt einen sogenannten Tunnelblick. Man kann die Umwelt nicht mehr weit wahrnehmen. Und man sieht nur noch wichtige Grundstrukturen, Details gehen verloren.

Die Fähigkeit, zu denken, zu erkennen, zu begreifen, zu erinnern, kann bei Angst stark eingeschränkt sein. Mitunter fehlen einem die Worte, um etwas auszudrücken. Oder es kommt zu einem Blackout, wo der Gedankenfaden reißt, man nicht mehr weiß, was man sagen wollte, bei welchem Thema man war.

Bei starken Ängsten treten auch Unwirklichkeitsgefühle auf, das Gefühl nicht mehr ganz in der Welt zu sein, nicht mehr ganz da zu sein, sich aus einer Distanz wahrzunehmen, aus sich herauszutreten (Depersonalisation).

Angst kann Flucht oder Erstarren auslösen. Manche bekommen einen starken Impuls, irgendwie weg zu müssen. Sie springen dann sofort auf, verlassen den Raum oder die Situation. Andere erstarren, werden stumm, bewegen sich kaum noch, schauen ins Leere.

Durch die starken inneren Anspannungen und Fluchtimpulse kann sich auch das Empfinden einstellen, verrückt zu werden oder durchzudrehen, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Phasen starker Angst sind unglaublich kräftezehrend. So fühlen sich viele nach solchen Angsterlebnissen, als hätten sie 3 Tage in einem Steinbruch gearbeitet. Phasen akuter Angst bedeuten oft starken Stress sowie körperliche und psychische Höchstleistung. Engergie wird verbraucht, die einem dann bei der positiven Gestaltung des Lebens fehlt.

Krise

Die meisten Menschen, die zu uns kommen, befinden sich in einer momentanen Krise. Irgendwelche Umstände haben sich ergeben, die den Leidensdruck besonders groß werden lassen. Oder besondere Umstände haben überhaupt dazu geführt, dass soziale Ängste entstanden sind.

Hier einige Beispiele:

  • Die Trennung von einem Lebenspartner entwurzelt viele. So treten allgemeine Lebensängste und Instabilität auf. Und so werden auch Beziehungen zu Menschen als beängstigend erlebt. Die Umstände einer Trennung können auch große Selbstzweifel oder Enttäuschungen wachrufen. Misstrauen kann entstehen, überhaupt wieder auf Menschen zuzugehen. Oder aber die Beziehung war ein sicheres Nest, wo der Partner wichtige Dinge übernommen hat, die einem selber schwer fielen. Jetzt steht man wieder alleine da und muss sich mit all den Schwierigkeiten selber auseinandersetzen.
  • Man wird in der Firma von Kollegen gemobbt, wird zu einem Mobbingopfer. Meist ziehen sich solche Mobbingsituationen über lange Zeit hin. Und der Selbstwert wird so mehr und mehr untergraben. Man fühlt sich immer unsicherer und entwickelt mehr Misstrauen. Die Gedanken kreisen nur noch um die Mobbingsituation. Nachts kann man nicht mehr schlafen. Und man fängt an, das Misstrauen auf immer mehr Menschen auszudehnen, niemandem mehr zu vertrauen.
  • Der Verlust des Arbeitsplatzes ist für viele belastend. Man fühlt sich nichts mehr wert. Man wird nicht mehr gebraucht. Und gleichzeitig bedeutet es einen Abbruch von sozialen Kontakten. Man wird aus einem sozialen Gefüge herausgerissen, ist jetzt draußen, nicht mehr mit dabei. Hat man dann kein privates soziales Umfeld, wird es noch schwerer.
  • Ängste und Depressionen schneiden manche vom sozialen Leben ab. Sie trauen sich nicht mehr auf die Straße, können zu keiner Veranstaltung mehr gehen. Oder sie können keine Verabredungen mehr machen, weil ständige Stimmungsschwankungen es unmöglich machen, verbindliche Absprachen zu treffen. So vereinsamen viele Menschen zu Hause, was wiederum Ängste erzeugen kann.
  • Eine körperliche Krankheit führt dazu, an vielen Dingen des sozialen Lebens nicht mehr teilnehmen zu können. Oder andere wenden sich von einem ab, vermeiden den Kontakt, weil sie sich nicht damit auseinandersetzen wollen.

Es ist oft so, dass schon vor einer Krise gewisse Problembereiche vorhanden waren, die jetzt aber deutlicher zum Vorschein kommen. Dies ist auch immer eine Chance, sich jetzt damit auseinanderzusetzen, um dort etwas zu heilen.

Leider ist es oft so, dass eine akute Krise zwar zum Handeln auffordert - ist jedoch ein Stück Erleichterung erreicht, versandet das Bemühen, an sich zu arbeiten. So sind Bemühungen oft nur von kurzer Dauer und verändern nicht wirklich etwas.

Es ist wichtig, die Krise als einen Beginn für ein ausdauerndes An-sich-Arbeiten zu sehen. Sich jetzt dafür zu entscheiden, mit Ausdauer wirklich etwas an sich zu ändern. Man muss mit seinen Bemühungen am Ball bleiben. "Stetig Tropfen höhlt den Stein."

Ziele der Gruppenarbeit

Ich möchte davon berichten, was zu fördern und zu kultivieren ich für wichtig erachte. Diese Ziele haben sich in den letzten Jahren Gruppenarbeit für mich herauskristallisiert. Sie haben sich in der fortwährenden Auseinandersetzung mit typischen Problemen ergeben, die immer wieder in der Gruppenauseinandersetzung auftauchen.

Ein Blick auf diese Ziele sagt auch viel über die typischen Probleme von Menschen mit sozialen Ängsten aus. Es zeigt, wo Mangel herrscht und wo demzufolge Entwicklung und Wachstum unterstützt werden muss. Und so gibt dieser Teil auch einen Lichtblick und Hoffnung, wie man das Problem soziale Angst angehen kann.

Als Ziel der Gruppenarbeit stelle ich mir nicht nur vor, einen Mangel zu beseitigen, damit Menschen halbwegs normal funktionieren. Ich glaube, dass es viel wichtiger ist, Menschen zu einer positiven Auseinandersetzung mit sich selbst zu ermutigen, damit das eigene Wachstum angeregt wird. Also sozusagen gute Bedingungen zu schaffen, damit Menschen motiviert sind, sich zu entwickeln, eine Lust darauf haben, sich auszudehnen und über sich hinaus zu wachsen. Und so verstanden sind soziale Ängste eine große Chance, eine Reise anzutreten, sich im Dschungel des menschlichen Miteinanders immer besser bewegen zu können. Und seine Fähigkeit immer weiter zu entwickeln, in befriedigenden sozialen Zusammenhängen zu leben.

Hier nun einige Entwicklungsrichtungen, die ich für wichtig erachte:

  • Es ist wichtig, die Selbstliebe zu entwickeln. Damit meine ich keine narzisstische Selbstbezogenheit, sondern die Fähigkeit, sich selbst anzunehmen und wertzuschätzen: Ich bin ein wertvoller und liebenswerter Mensch. Und mir gebührt ein rechter Platz in dieser Welt. Ich kümmere mich mit Wohlwollen um mich und meine Entwicklung. Ich werde sozusagen zu einem verantwortungsvollen Erwachsenen, der sich um das eigene Wachstum kümmert. Ich unterstütze meine positiven Impulse, mache mir Mut, lerne mir zu verzeihen, mich anzunehmen, so wie ich bin, kann mich sozusagen innerlich selbst in den Arm nehmen, und spende mir dabei Wärme und Geborgenheit.
  • Zu lernen, mit den unterschiedlichsten Menschen befriedigende und bereichernde Beziehungen zu leben, erscheint mir wichtig. Neben dem egoistischen Weg, der immer nur den einen bereichert (wenn auch nur oberflächlich), gibt es einen guten gemeinsamen Weg, der alle in Beziehung stehenden reicher werden lässt (und das auch auf tiefer Ebene). Und es lohnt sich, danach Ausschau zu halten und sich zu bemühen, diese Wege zu finden. Es lohnt sich, hierfür manche Schwierigkeiten auf sich zu nehmen. Und die gibt es immer wieder, weil man an falschen Vorstellungen und Ideen hängt, weil man den guten Weg einfach noch nicht entdeckt hat oder weil alte Erfahrungen das Jetzt überschatten. Durch diese Schwierigkeiten hindurch zu gehen, lohnt sich jedoch. Es sind Lernschritte, die zu etwas Gutem führen. Toleranz, verstehen wollen und Mitgefühl zu entwickeln, sind wichtige Entwicklungsmöglichkeiten. Genauso wie, sich selbst zu vertreten, sein Wesen zum Ausdruck zu bringen, mit dem anzukommen, was einen bewegt, sich abzugrenzen und zu äußern, was man nicht möchte und nicht für gut hält.
  • Zur Kunst, sich auf andere wieder einzulassen und sich zu öffnen, gehört auch, sich schützen und wehren zu können. Fast alle haben in ihrem Leben negative Energien zu spüren bekommen, die sie auf Dauer ein Stück verschlossen gemacht haben. Es wäre naiv, diese negativen Energien zu leugnen. Menschen können bösartig sein, besonders wenn sie Angst haben. Und auch in der Gruppe wird jeder mit seiner Bösartigkeit irgendwann in Kontakt kommen. Deshalb ist es wichtig, zu erkennen, wenn etwas bösartig wird und sich so davor zu schützen, dass man nicht dauerhaft deformiert wird. Sich also nicht permanent verschließen zu müssen, sondern nur für den Moment, wo uns ein "Stück Dreck" entgegenfliegt. Und es geht auch darum, ein verantwortungsvolles geschärftes Vertrauen zu entwickeln, also Risiken auch abzuwägen und sich nicht waghalsig und leichtsinnig hinauszuwagen. Neben dem eigenen Schutz geht es auch darum, dem anderen seine Destruktivität klar zu machen. Dieses Bewusstwerden seiner bösartigen Seiten ist eine Chance, darüber hinaus zu wachsen. Und ich glaube, dass hinter jeder Bösartigkeit eine Verletztheit steckt, die geheilt werden kann.
  • Ein wichtiger Teil ist, sich in Kontakt zu bringen. Dies bedeutet, den anderen mitzuteilen, was man denkt und fühlt. Das Eigene dem anderen zu verdeutlichen. Sich darin zu üben, das eigene innere Geschehen auf eine Weise auszudrücken, dass der andere es verstehen kann. Dinge auf eine Art zu formulieren, dass sie beim Gegenüber ankommen. Das Gegenstück ist, dem anderen wirklich zuzuhören, sich einzufühlen in seine Welt und ihm etwas davon mitzuteilen, wie er auf mich wirkt, was er in mir auslöst. Wer ehrlich mitteilt, was ihn bewegt und wie andere auf ihn wirken, verliert seine Maske, zeigt das, was er wirklich ist. Und es verliert sich die falsche Angepasstheit, nämlich nur noch Dinge zu äußern, die anderen gefallen und anderes zu verschweigen, was nicht gefällt.
  • Wer sich im Zusammensein schnell verliert oder Angst hat, zu sehr vereinnahmt zu werden, muss lernen, gut auf sich zu achten. Zu spüren, wann etwas zuviel wird. Lernen, sich abzugrenzen, stop oder nein zu sagen. Jeder ist für sein Wesen verantwortlich und jeder hat Grenzen. Ich muss also lernen, gut mit mir umzugehen und den anderen diese Grenzen deutlich zu machen. Es geht immer wieder um die Fragen: "Wie fühle ich mich im Moment? Was brauche ich jetzt? Wie kann ich mich jetzt wohler fühlen?" Und es braucht Mut, in das Geschehen einzugreifen, um es für sich zu gestalten. Egoismus und Selbstaufopferung sind die beiden destruktiven Pole. Irgendwo dazwischen liegt das rechte Maß. Dort, wo sowohl meine Interessen und Bedürfnisse berücksichtigt werden, wie auch die, der anderen Menschen.
  • Es ist wichtig, einige falsche Annahmen zu berichtigen. Dazu gehört, zu erkennen, das man wertvoll und wichtig ist. Zu erkennen, dass man fähig ist, das ein riesiges Potenzial in einem schlummert, was gelebt werden will. Zu sehen, dass andere an mir interessiert sind und das es für die Gemeinschaft wichtig ist, mich einzumischen, mit dabei zu sein - zu sehen, dass ich wichtig bin. Zu begreifen, dass mein Wert nicht davon abhängt, wieviel ich leiste oder wie gut ich in etwas bin. Zu begreifen, dass es eine viel wertvollere und verlässlichere Quelle für die eigene Daseinsberechtigung gibt - nämlich geliebt und gemocht zu werden. Und das ereignet sich, wenn Menschen sich begegnen, wenn Menschen sich berühren. Es gibt viele weitere irrige Annahmen über sich und die Welt, die berichtigt werden müssen, einfach weil sie nicht wahr sind. Und es geht darum, die Wahrheit herauszufinden, weil nur die Wahrheit einen tragen kann und unverletzlich ist. Illusionen müssen permanent gerechtfertigt werden, Wahrheit steht auf eigenen Füßen.
  • Die intellektuelle Auseinandersetzung mit seinem Leben finde ich ebenfalls wichtig. Es geht darum, ein Stück zu begreifen, warum man der geworden ist, der man heute ist. Immer, wenn man sich einer Sache widmet und sich darüber Gedanken macht, kann Klarheit und Verständnis entstehen, können sich Widersprüche auflösen. Und wenn ich die Situationen geklärt habe, die mich zu dem machten, der ich bin, kann ich weitere Überlegungen anstellen, was denn jetzt möglich ist, was ich tun möchte, wohin ich will, was meine Lebensaufgabe ist, was mir wichtig ist. Das alles führt zu einem bewussteren und selbstbestimmteren Leben. Ich übernehme Verantwortung für mein Leben, indem ich versuche es zu verstehen und mich dahin ausrichte, was ich tun möchte. Ich fange an zu leben und werde nicht nur gelebt.
  • Sozial konstruktive Verhaltensweisen müssen wertgeschätzt werden. Denn diese Verhaltensweisen führen dazu, dass alle reicher werden. Werden diese Verhaltensweisen gefördert und unterstützt, entfalten sich immer mehr Möglichkeiten eines guten Umgangs miteinander. Die Gemeinschaft wird reicher und wertvoller. Sozial destruktive Verhaltensweisen dürfen nicht unterstützt werden und ggf. muss man sich dagegen wehren. Sie müssen auch offengelegt und diskutiert werden, damit klar wird, was wann wo und warum schädigt.
  • Soziale Kompetenz kann erlernt werden. Man kann sich ein Repertoire an Verhaltensweisen erarbeiten, mit denen man die verschiedensten sozialen Situationen meistern kann. Es ist hier wie mit dem Tanzen: Je mehr Möglichkeiten man hat, sich zu bewegen, um so spannender und lustvoller wird es. Je mehr Möglichkeiten man hat, anderen Menschen zu begegnen, um so angstfreier wird auch der Kontakt. In der Gruppe kann man von anderen lernen, wie man sich in Situationen verhalten kann. Man kann auch in der Gruppe neue Verhaltensweisen ausprobieren und sich eine Rückmeldung holen. Oder über Rollenspiele können bestimmte Verhaltensweisen erprobt werden. Sprich auch einfach mal andere an und bringe Gespräche in Gang. Mach sozusagen Gesprächsangebote. Oder mach Vorschläge, was du mit anderen gerne unternehmen möchtest. Die Gruppe ist ein Übungsfeld, um sich im Kontakt mit anderen auszuprobieren.
  • Es ist wichtig, eine Achtsamkeit für seine Gefühle zu entwickeln. Gefühle sind oft verschüttet, man nimmt sich nicht mehr richtig wahr. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und zu spüren, was denn gerade in mir vorgeht. Was fühle und empfinde ich? Finde ich ein Wort dafür? Kommt mir ein passendes Bild? An was erinnert mich das? Oft wird nicht mehr gefühlt, aber dafür argumentiert und diskutiert. Aber es geht oft gar nicht um die intellektuell ausufernde Diskussion, weil das, was all das produziert, ein ganz einfaches Gefühl ist. Ich bin verletzt. Ich bin wütend. Ich bin traurig. So einfach ist das manchmal, so wenig Worte braucht es mitunter. Es geht auch darum, Gefühle zu kommunizieren, also zu sagen, was ich für einen anderen empfinde, wie ich mich fühle, was etwas in mir auslöst. Das ist in unserer Gesellschaft was Untypisches. Gerade Männer haben es verlernt, über Gefühle zu sprechen. Der große Irrtum dabei ist, zu glauben, dass Gefühle uns nicht beherrschen, nur weil wir nicht darüber sprechen. Gefühle spielen oft eine größere Rolle, als wir ihnen zugestehen. Sie steuern in einem großen Maße unser Leben. Warum schenken wir ihnen dann so wenig Beachtung?
  • Ich darf Fehler machen! Hier in der Gruppe kann ich es ausprobieren. Begib dich in möglichst viele peinliche Situationen! Lass andere mal über dich lachen! Du darfst auch mal Blödsinn erzählen oder über etwas nicht Bescheid wissen. Du darfst schwach, langweilig und traurig sein. Probier dich einfach mal in den Dingen aus, die du sonst nicht tust.
  • Achte auf positive Dinge. Lobe dich selber, wenn etwas gut gelaufen ist. Nimm Positives bei anderen wahr und sprich darüber. Teile es mit. Es geht einfach darum, die Schritte in eine gute Richtung wahrzunehmen und wertzuschätzen.
  • Geh Konflikten nicht aus dem Weg, sondern sprich sie an. Finde deinen Weg, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Flüchte nicht! Ein beliebtes Spiel ist, einfach nicht mehr zur Gruppe zu kommen, wenn etwas unschön lief. Damit nutzt du nicht deine Gestaltungsmöglichkeiten. Und du gibst anderen nicht die Chance, ihre Fehler zu erkennen und sich zu ändern. Äußere deinen Unmut und versuche, die Sache zu klären.
  • Eine generelle Schulung der Achtsamkeit kann sehr hilfreich sein. Dies schafft Bewusstheit über das Fühlen, das Denken und die Wahrnehmung. Verschiedene Formen von Meditation können ein wirkungsvolles Mittel sein. In der Gruppe kann man auch immer Momente für sich einbauen, in denen man seine Aufmerksamkeit zu sich lenkt, um sich wahrzunehmen, um zu spüren, was jetzt gerade bei mir geschieht. Einfach beobachten was ist, ohne zu bewerten.

Irrwege

Wer sich auf den Weg macht, um seine Schwierigkeiten zu heilen, kann auch auf Irrwege kommen. Irrwege sind meist sehr einseitig und nicht vollständig durchdacht. Irgendwelche Aspekte werden dabei verdrängt oder ausgeblendet, vielleicht der große Preis, den man dafür zahlt. Irrwege können manchmal kurzfristig sinnvoll sein. Das, was fehlt, wird für einen Moment gestärkt, auch wenn etwas anderes dabei zu kurz kommt. So kann dieser Weg momentan eine Seite entlasten. Oft ist es auch eine Pendelbewegung von einer Einseitigkeit in die andere. Man hat den rechten Weg, wo alles Berücksichtigung findet, noch nicht gefunden.

Man darf jedoch in solchen Irrwegen nicht stecken bleiben. Sie führen langfristig zu mehr Leid und größeren Schwierigkeiten. Ich möchte hier einige typische Wege aufzeigen, von denen ich glaube, dass sie auf lange Sicht nicht funktionieren:

  • Generell empfinde ich all das als Irrweg, was zu einem größeren Mangel an Liebe führt. Hierzu gehören Dinge, die einen innerlich härter und abweisender werden lassen. Genauso Entscheidungen, sich selbst nicht mehr zu spüren oder bestimmte Gefühle auszuklammern. Und auch Arroganz gehört dazu. Viele dieser Dinge eignen sich zwar, mit Schwierigkeiten besser klar zu kommen, sie kosten aber alle einen zu hohen Preis. Sie machen einsam und krank, lieblos und kalt.
  • Sich aus allen sozialen Bezügen zurückzuziehen, alle Kontakte abzubrechen und es sich alleine gemütlich einzurichten, macht ebenfalls sehr einsam. Kommt noch hinzu, dass man den Kontakt zu sich selbst verlieren kann. Denn durch den Kontakt mit anderen lerne ich mich erst richtig kennen, kann meinen Charakter wahrnehmen. Ein gutes soziales Umfeld kann auch Sicherheit geben. Manche haben das noch nie so erleben können. Es lohnt sich aber, diese Sicherheit, dieses Sich-aufgehoben-Fühlen zu entdecken.
  • Menschen, die sich oft sehr abhängig von der Meinung anderer fühlen, kommen mitunter auf den Egotripp: "Mir sind jetzt alle egal. Mich interessiert es nicht mehr, was die oder der denkt. Das ist mir jetzt scheiß egal!" Das kann kurzfristig Entlastung bringen, ist aber eine Abkürzung für wirkliche Unabhängigkeit. Der Preis ist, dass der warme Kontakt zu anderen verloren geht und das andere mich mehr und mehr meiden werden. Vertrauensvolle Beziehungen werden gänzlich unmöglich. Der Selbstzweifel und die geringe Selbstannahme, die ja der eigentliche Grund sind, bleiben bestehen oder verstärken sich sogar. Oder ich bin mir selbst bald genauso scheiß egal, wie andere Menschen mir egal sind.
  • Manche fangen an, die Verantwortung für sich selbst abzutreten, in dem sie alles nach außen projizieren: "Die Welt ist schlecht. Mein Nachbar ist ein Idiot. Meine Eltern haben alles versaut. Unsere Gesellschaft ist so kalt." Ich möchte hier nicht abstreiten, dass es viele wirklich traurige Umstände gibt. Keine Frage. Das Problem ist, wenn man dabei vergisst, seine eigenen Möglichkeiten der Gestaltung des Jetzt zu nutzen. Wenn das ganze Denken auf die schlimmen Umstände fixiert bleibt, hat man keinen Raum, über eigene Veränderungen nachzudenken. Es kann entlastend sein, sich in einer schlimmen Welt zu fühlen, woran man nichts ändern kann. Es führt aber nicht zu Veränderung des eigenen Wesens, was zu mehr Glück führen kann. Man nutzt seine Möglichkeiten nicht.
  • Manche denken: "Ich bin halt so, da kann man nichts machen. Ich war schon immer so." Das ist auch ein Trick, sich nicht verändern zu müssen. Es entlastet. Es stimmt aber nicht. Jeder kann sich ändern, egal wie auch immer die Umstände sind. Sicherlich stecken äußere Umstände den Möglichkeitsraum und die Grenzen ab. Innerhalb dieser Grenzen kann man sich aber ändern. Und manche, die damit begonnen haben, sind über gedachte Grenzen weit hinausgewachsen.
  • Menschen, die zu Perfektionismus neigen, versuchen ihre Probleme oft dadurch zu lösen, in dem sie noch perfekter werden wollen. Dies deshalb, um eben einen bestimmten Lebensbereich zu vermeiden: unzulänglich zu sein, schwach zu sein, etwas nicht zu wissen, sich zu blamieren, nicht gut zu sein, die Dinge nicht unter Kontrolle zu haben. Solche Menschen suchen dann z.B. nach besonders harten Therapien, machen Rhetorik Seminare, lesen alle möglichen Wegweiser-Bücher mit dem Ziel, das Unzulängliche aus sich auszutreiben. Wer diesen Weg geht, muß zwangsläufig scheitern oder viel Verdrängungsarbeit leisten. Unzulänglichkeit gehört zum Leben! Man muss Fehler machen dürfen. Man muss sich auch mal blamieren. Man muss sich als dumm erleben dürfen. Sonst wird das Leben zu zwanghaft, zu starr, zu angespannt und irgendwann zu frustrierend. Es geht also nicht darum, perfekter zu werden, sondern sich - besonders mit den schwachen Seiten - mehr anzunehmen. Das ist die wirklich lohnende Arbeit an sich selbst. Wie wohltuend, an einem Punkt liebevoll über sich schmunzeln zu können, wofür man sich früher völlig ablehnte.
  • Generell Menschen zu meiden, die mir irgendwie Schwierigkeiten bereiten, ist auch kein guter Weg. Solche Schwierigkeiten sind immer eine Chance, zu wachsen und mehr über mich zu erfahren. Nicht nur der Mensch, dem ich begegne ist schwierig, sondern auch ich habe etwas in mir, was diese Begegnung schwierig macht. Ich kann lernen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Es ist sicherlich nicht sinnvoll, sich allen schwierigen Menschen auszusetzen, noch, alle zu meiden. Ein gutes Mittelmaß braucht es. Sich ehrlich zu fragen, warum dieser Mensch für mich schwierig ist, kann immer hilfreich sein. Mitunter ist es auch wichtig, Menschen mit ihrem destruktiven Verhalten zu konfrontieren, anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen. Auch das ist eine Spielart, Verantwortung für sein bzw. das Leben zu übernehmen.
  • Generell alle Situationen vermeiden, die irgendwie beängstigend sein könnten, führt auf Dauer zu einem armen Leben. Der eigene Möglichkeitsraum schrumpft immer mehr. Man sollte sich immer wieder auf machen und in kleinen Schritten sich Land erobern. Und das gute Gefühl genießen, ein Stück mehr Spielraum zu haben. Entdecke deine Möglichkeiten!
  • Man kann in eine kleine Welt flüchten, die sich oberflächlich angenehm anfühlt. Das kann der Beruf, ein Hobby, der Computer, das Fernsehen oder eine Sucht sein. Man verbringt dann viel Zeit in dieser Welt, um die Probleme in den anderen Lebensbereichen zu meiden. Der Mangel an sozialen Kontakten bleibt hierdurch jedoch bestehen oder verstärkt sich. Bereiche des eigenen Lebens, die nährend, haltgebend, sinnerfüllt und freudvoll sind, werden nicht mehr gelebt. Man fühlt sich mitunter wie permanent auf der Flucht, spürt, das man irgendwie nicht in Balance ist. Durch Süchte versucht man einen Mangel zu beseitigen, ein schwarzes Loch in sich zu schließen, was hierdurch aber nie geschehen kann. Der Auseinandersetzung mit den eigentlichen Schwierigkeiten geht man indes aus dem Weg.

Schlusswort

Übergroße soziale Ängste können die Lebensqualität und den Lebensraum enorm einschränken. Dies kann wiederum zu Lebensunlust, Depression und Resignation führen. Man hat nicht genug Raum, um sich zu entfalten. Und man bekommt zu wenig von dem, was man braucht: Warmherzige, freudvolle und lebendige Beziehungen. Und genügend Gestaltungsfreiraum für sein eigenes Wesen. Die Ursachen für starke soziale Ängste sind oft leidvolle und furchtbare Erfahrungen mit anderen Menschen. Das ist die traurige Seite.

Andererseits kann man als Erwachsener Verantwortung für diese Schwierigkeiten übernehmen und an sich arbeiten. Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Und diese sind nicht immer zwangsweise mühsam, sondern können auch Freude und Lust auf mehr machen. Sein Leid auch als Chance zu begreifen, tiefe und freudvolle Beziehungen zu entwickeln, ist mir ein wichtiges Anliegen. Dein Schicksal hat dich auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Jetzt kannst du etwas Gutes draus machen.

Stichwörter

Selbsthilfe Dortmund, Sozialphobie, soziale Angst, soziale Phobie, Schüchternheit, Kontaktschwierigkeiten, Gemeinschaft, Mitgefühl, Perfektionismus, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, Selbsthilfegruppe, Achtsamkeit, Bewusstheit, Smalltalk, Misstrauen, Angepasstheit, Maske, streiten lernen, sich durchsetzen, Durchsetzungskraft, Mobbing, minderwertig, Minderwertigkeit, Erwartungsangst, Angst vor der Angst, Selbstunsicherheit, psychosomatisch, Depression, Angst, Angstübungen, Rhetorik, Rhetorikkurs, Sozialphobiker, soziale Defizite, Gehemmtheit, Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstwert, Einsamkeit, Psychotherapie, Selbstbehauptung, Selbstbehauptungstraining, Selbstsicherheit, Selbstsicherheitstraining, soziale Kompetenz, emotionale Intelligenz (EQ), Selbstliebe, Mitgefühl, Toleranz, Heilung