Sopha Selbsthilfe

Hilfe! Ich werde gesehen...

von Argonaut (04/2021)

Das Thema "mit Kamera im Web" ist spätestens seit Corona bei vielen aktueller geworden. Das betrifft nicht nur den privaten Bereich, sondern auch den beruflichen/schulischen Bereich. Gerade im beruflichen Bereich werden Online-Meetings wohl auch nach Corona weit mehr genutzt werden (z. B. für Bewerbungen, Meetings etc.). Wobei "nach Corona" auch noch länger dauern kann, ist halt alles recht unsicher.

Auch Selbsthilfegruppen (SHG) nutzen (zwangsläufig) mehr Videokonferenzen z. B. über Zoom, Skype oder auch Discord. Obwohl es wohl auch zum Teil Ausnahmen gibt, weil SHGs ja auch der Gesundheitserhaltung dienen.

Also auch im "normalen Leben" sind Menschen mit sozialen Ängsten fast schon "gezwungen", mehr Kontakte ins Web zu verlagern (falls sie es nicht ohnehin schon längst tun; für viel ist ja das Web ja schon ein "virtuelles Remote-Life" geworden.

Durch Corona verstärken sich - wie die aktuellen Statistiken zeigen - auch gerade auch psycho-soziale Probleme wie Depressionen, Phobien und Drogenkonsum.

Mir ging es bislang so, dass ich mich nur sehr selten per FaceCam/WebCam anderen im Netz gezeigt habe, was erstmal nicht verwundert, da ich ja auch von sozialen Ängsten betroffen bin. Ich habe allerdings auch eine mehr extrovertierte Seite, die sich auch mal zeigen möchte.. doch nein.. eigentlich geht es mir jetzt nicht ums Präsentieren, um Show, sondern ich möchte einfach das Gefühl haben, mich zeigen zu dürfen, zu können, so wie ich bin:

"Hey, hier bin ich, seht mich, denn so bin ich. Und das ist okay so!".

Das klingt einfacher gedacht als getan. Das habe ich in den ersten Video-Meetings bereits gespürt. Ich habe zwar ein positives Grundgefühl mitgebracht, das zu tun, aber als es soweit war, hatte ich zum Teil doch immer wieder das Verlangen, mich "zu verstecken" oder schüchterne/schamhafte Gefühle, die mir oft erst hinterher so richtig klar wurden.

Mir ist rational bewusst, dass dies alles ja zum Kern der Sozialen Phobie gehört, also Scham, Peinlichkeiten, Unsicherheit etc.).

Was ist das? Es ist der Innere Kritiker, der einem im Hintergrund Dinge ins Ohr flüstert wie...

"Mach dich hier nicht lächerlich!", "Schau doch! Alle andere sehen wie aus dem Ei gepellt aus, und Du?" "Hast Du nicht Deine leichten Augenringe bemerkt?" "Du hast wieder zugenommen!"

Diese Liste kann bestimmt jeder selbst gut ergänzen. Der Innere Kritiker ist mit einem Selbst gnadenlos, während er bei anderen selbst große Pickel auf der Nase durchgehen lässt - übertrieben gesprochen. Aber... der Innere Kritiker ist ein Teil von uns. Eine Stimme, der wir etwas entgegen halten können. Es gibt zu diesem Thema bereits unzählige psychologische Ratgeber und Bücher.

Ich finde, die beste Möglichkeit, den Inneren Kritiker in die Schranken zu verweisen ist die positive Erfahrung. Andere Menschen treten uns im wirklichen Leben nur sehr selten feindlich oder herabwertend gegenüber. Die allermeisten empfinden ihr Gegenüber als völlig in Ordnung oder sagen gar oft positives über uns. Oft tun wir das schnell ab und merken uns nur die wenigen Negativ-Erlebnisse mit anderen. Dieses Verhalten liegt zum Teil in der menschlichen Evolution begründet, da der Steinzeitmensch sehr darauf angewiesen war, misstrauisch und übervorsichtig zu sein - da ging es ums Überleben.

Was können wir tun? Nach meiner Erfahrung sind unmittelbare Erfahrungen mit anderen, der beste Weg, Selbstzweifel und Ängste zu überwinden. Auch mir gelingt das nur sporadisch, aber ich bleibe immer dran und lasse mich nicht durch den Inneren Kritiker bezwingen. Weil mir Kontakte mit anderen Menschen wichtiger sind.