Sopha Selbsthilfe

Medikamente bei Sozialphobie

Stand: 07.03.2024

Das Thema Medikamente taucht immer wieder in Gruppendiskussionen auf. Gerade für Neueinsteiger in der Offenen Gruppe hat es eine besondere Bedeutung.

Medikamente sind ein gewisser Hoffnungsträger. Es wäre ja eine schöne Lösung, wenn man seine sozialen Ängste weitgehend durch Medikamente loswerden würde. Medikamente, die am besten kaum Nebenwirkungen haben. Das wäre eine sehr einfache Lösung, die deshalb auch verlockend ist. Und damit taucht die Frage auf: Gibt es ein Medikament, was man empfehlen kann und was bei sozialen Ängsten hilft?

Nun könnte man sich auch auf den Standpunkt stellen, dass für Medikamente grundsätzlich der eigene Arzt zuständig ist. Er ist Experte und weiß, was es alles gibt. Und er kennt mich und weiß, was für mich in Frage kommt. Wenn es gut läuft, wählt dieser Experte das Beste für mich aus und ich muss mir selber keinerlei Gedanken darüber machen.

Unsere Erfahrungen in der Gruppenarbeit zeigen jedoch, dass dieser Ansatz entscheidende Nachteile hat. Nicht jeder Arzt ist optimal informiert und auf dem neuesten Erkenntnisstand, was das spezielle Krankheitsbild soziale Phobie angeht. Manche Ärzte beschränken sich auf wenige Medikamente, obwohl der Markt viel mehr bietet. Und ohne unsere Mitwirkung als Patient wissen Ärzte auch nicht, was wir bereits schon alles ausprobiert haben und womit wir schon Erfahrungen gesammelt haben. Und noch etwas: Viele Ärzte vertreten ausschließlich die Schulmedizin, kennen sich also im Bereich der Komplementärmedizin nicht aus.

Übrigens: Auch wenn Hausärzte Psychopharmaka verschreiben dürfen, haben die Fachärzte in der Regel den besseren Überblick und können gezielter ein passendes Medikament auswählen. Sie bilden sich auf diesem Gebiet auch regelmäßig weiter. Der richtige Facharzt ist ein Neurologe oder Psychiater.

Im gesamten Gesundheitssystem ist in den letzten Jahrzehnten ein gesellschaftlicher Wandel spürbar: Weg von einem autoritätsgläubigen Patienten, hin zu einem mündigen und eigenverantwortlichen Patienten, der sich mit seiner Krankheit aktiv auseinandersetzt. Ein Patient, der selber ein Verständnis für sich und die Heilungsmöglichkeiten entwickelt, mit allem Für und Wider.

Einige psychosomatische Kliniken sprechen sogar schon davon, dass der Patient ein Experte seiner Erkrankung werden sollte. Diese Stärkung der Eigenverantwortung und des eigenen Krankheitsverständnisses ist gerade bei psychischen Problemen ein wichtiger Baustein in der Therapie. Denn viele Probleme entstehen gerade deshalb, weil man zu wenig Verantwortung für sein Leben übernimmt. Gerade bei Angsterkrankungen.

Eigenverantwortung braucht es spätestens bei Lebensfragen, die uns kein Mensch wirklich abnehmen kann. Wenn ein Medikament z.B. Nebenwirkungen hat, dann müssen wir selber abwägen, welchen Weg wir einschlagen wollen. Ein Arzt kann nur aufklären und Empfehlungen abgeben, entscheiden müssen wir selbst, wollen wir unser Leben nach unseren Vorstellungen gestalten. Und nur wir selbst müssen auch mit allen Folgen klarkommen, das kann uns keiner abnehmen.

Wir wollen mit unserer Selbsthilfearbeit diese Eigenverantwortung unterstützen und aufklärend wirken. Wir möchten möglichst umfassend darüber informieren, welche Alternativen es im medikamentösen Bereich gibt. Wir vertreten die Ansicht, dass nur wer gut informiert ist, gute Entscheidungen treffen kann.

Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ist diese Information die Basis, um dann mit seinem Arzt in einen Austausch zu gehen. Es versteht sich von selbst, dass solche Medikamente niemals ohne ärztlichen Rat genommen werden dürfen. Denn nur ein Arzt kann auch die Gefahren und Wechselwirkungen richtig einschätzen und uns über Risiken und Nebenwirkungen aufklären.

Können wir konkrete Empfehlungen bei Medikamenten geben? Wir möchten uns bewusst aus Empfehlungen heraus halten. Unsere Erfahrung zeigt hier einfach, dass Medikamente bei psychischen Problematiken individuell sehr unterschiedlich wirken. Was dem einen gut hilft, bewirkt beim anderen nichts oder verschlimmert sogar eine Situation. Es gibt keinen klaren Trend. Auch Ärzte bestätigten uns, dass sie keine klaren Empfehlungen geben können und es oft auf ein Ausprobieren hinausläuft. Weiterhin muss ein Arzt auch immer die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Erkrankungen im Auge behalten.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum wir keine Empfehlungen aussprechen können. Schon die Frage, ob Medikamente überhaupt ein sinnvoller Weg sind, braucht eine sehr persönliche Antwort. Eine Antwort, die nur jeder für sich ergründen kann.

Der heutige, weitgehend akzeptierte Kenntnisstand ist, das eine Sozialphobie in aller Regel psychotherapeutisch behandelt wird. Medikamente werden in bestimmten Fällen als therapieunterstützend und damit sinnvoll angesehen.

Aus Gründen der Unabhängigkeit und Neutralität verzichten wir, wo es geht, auf konkrete Medikamentennamen der Hersteller und nennen stattdessen die Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen.

Etwas ganz Wesentliches muss man beim Thema Medikamente beachten: Die Pharmaindustrie ist ein unglaublich mächtiger und umsatzstarker Industriezweig. Ihr Interesse liegt klar darin, möglichst viele Medikamente zu verkaufen. Auf vielen Ebenen unternimmt sie hier große Anstrengungen, um ihr Ziel von Gewinnsteigerungen zu erreichen. Dies hat einen verzerrenden Einfluss auf viele Informationen, die wir über Medikamente bekommen. Und es hat auch Einfluss auf die Meinungsbildung bei Ärzten. Es ist auch nicht verwunderlich, dass Pharmakonzerne Selbsthilfegruppen beeinflussen wollen. Ein Grund, warum wir in diesem Bereich sehr auf Neutralität achten müssen.

Umgedreht ruft es auch diejenigen in den Ring, die jede Form von Medikament verteufeln und eine große Verschwörung in allem sehen. Von daher ist es sehr schwer, die objektive Relevanz von Medikamenten abzuschätzen, denn objektiv informiert wird man nur selten.

Placebo = unwirksam?

Der Placeboeffekt beschreibt die merkwürdige Situation, dass verabreichte Scheinmedikamente (Placebos) ohne irgendeinen Wirkstoff zu positiven heilsamen Effekten führen. Wie kann das sein?

Es gibt viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Das ist z.B. die positive Erwartungshaltung. Wenn der Patient nicht weiß, dass es lediglich ein Placebo ist und es für ein richtiges Medikament hält, dann geht er von einer positiven Wirkung aus und allein diese Vorstellung kann schon positive Effekte einer echten Heilung bewirken, die auch körperlich nachweisbar sein können. Weiterhin spielt die ganze Interaktion zwischen Arzt und Patient eine Rolle. Wenn dieser Kontakt positiv und angenehm ist und auch Vertrauen entsteht, kann das zu heilsamen Effekten führen. In etwa so, wie in einer Psychotherapie auch rein durch das Gespräch positive Heilungseffekte erzielt werden. Es geht dabei um echte heilsame Effekte und nicht um Einbildung.

Nicht nur Scheinmedikamente haben einen Placeboeffekt, echte Medikamente haben ihn ebenso. Im Grunde kann man sagen, dass ein Teil der realen Wirkung vom Wirkstoff selbst ausgeht und ein weiterer Teil von Prozessen, die etwas mit unserem Bewusstsein zu tun haben: Erwartungshaltungen, Interaktionen, Vorstellungen, Rituale, Heilungswille, positive Haltungen und Hoffnung. Wie groß beide Anteile sind, lässt sich nur schwer bestimmen. Es gilt jedenfalls: Gesamtwirkung = Wirkstoff + Placebowirkung.

Wenn etwas nur eine Placebowirkung hat, heißt das also nicht, dass es unwirksam ist. Es gibt vielmehr eine Wirkung jenseits eines Wirkstoffs auf der Ebene des Bewusstseins. Die Stärke solcher Effekte kann je nach Situation ganz unterschiedlich sein. Es kann sogar der Fall eintreten, dass die meisten Effekte durch eine Placebowirkung zu erklären sind und nicht durch den Wirkstoff.

Der Placeboeffekt ist auch ein Grund, warum die Erfahrungen mit Medikamenten so unterschiedlich sind. Es gibt also mehr oder weniger starke Einflüsse jenseits der Wirkstoffe, die bestimmend dafür sein können, ob ein Medikament eine Wirkung entfaltet. Und gerade bei Psychopharmaka scheint die Placebokomponente sehr ausgeprägt zu sein, wie Studien zeigen.

Hierzu auch ein Zitat von Tom Bschor: "Auch an der Schlosspark-Klinik in Berlin-Charlottenburg – laut Rankings eine der besten Adressen für Depressionspatienten – klingt das Urteil eindeutig. Der Chefarzt der Psychiatrie, Tom Bschor, graues Hemd, graue Krawatte, gerader Rücken, ist eine wissenschaftliche Instanz: Mitglied der Arzneimittelkommission, Mitautor der deutschen Behandlungsleitlinien, Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie. Auch er sagt: Obwohl Einzelstudien immer wieder scheinbar gute Ergebnisse für einzelne Medikamente lieferten, "wissen wir aus Analysen, dass der Großteil der Wirkung, die wir sehen, wenn wir einem Patienten ein Antidepressivum geben, auf einen Placeboeffekt zurückgeht. Das ist wissenschaftlich eigentlich nicht zu bezweifeln."
(Quelle: https://www.zeit.de/zeit-magazin/2016/25/depressionen-psychotherapie-antidepressiva-serotonin-medikamente)

Daneben gibt es auch den sogenannten Noceboeffekt, der gegenteilig wirkt. Die Befürchtungen, die man mit Medikamenten verbindet, wirken sich negativ aus.

Verschreibungspflichtige Medikamente

Antidepressiva

Die wichtigste Medikamentengruppe, die auch bei sozialen Ängsten und sozialen Phobien verschrieben wird, sind die sogenannten Antidepressiva. Vom Wort her könnte man meinen, die wären eigentlich gegen Depressionen. Dafür werden sie auch hauptsächlich eingesetzt, doch weil sie recht umfassend in den Gehirnstoffwechsel eingreifen, können sie auch bei Ängsten, Zwangserkrankungen und Phobien wirken.

Antidepressiva wirken nicht unmittelbar, eine Wirkung setzt erst nach mehreren Wochen regelmäßiger Einnahme ein und sie werden in der Regel über längere Zeiträume genommen.

Die trizyklischen Antidepressiva waren die ersten am Markt, es gibt sie seit Ende der 50er Jahre. Typische Wirkstoffe sind Doxepin, Imipramin, Clomipramin, Amitriptylin, Amitriptylinoxid, Trimipramin, Opipramol.

Diese älteren Antidepressiva werden heute nicht mehr so oft verschrieben, weil sie mehr Nebenwirkungen haben können, als die modernen Antidepressiva. Allerdings gibt es Betroffene, bei denen diese älteren trizyklischen Antidepressiva besser wirken, als die modernen Medikamente. Insofern braucht man sie weiterhin als Alternative.

Neben den trizyklischen Antidepressiva entstanden später die tetrazyklischen Antidepressiva, die in ihrer Wirkung sehr ähnlich sind. Wirkstoffe sind z.B. Mirtazapin, Mianserin, Naprotilin.

Die modernen Antidepressiva sind sogenannte selektive Wiederaufnahmehemmer. Eingeführt wurden sie Mitte der 80er, einige weitere Produkte kamen in den 90ern hinzu. Sie blockieren die Rezeptoren, die für die Wiederaufnahme bestimmter Botenstoffe (Neurotransmitter) zuständig sind, womit der Pegel dieser Botenstoffe ansteigt. Man geht davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen psychischer Befindlichkeit und diesen Botenstoffen gibt. Erhöht man nun den Pegel dieser Botenstoffe, gleicht man einen Mangel aus, was dann eine Verbesserung der psychischen Problematik bewirken soll. Selektiv heißen sie, weil sie sich vor allem auf einen Botenstoff auswirken. Im Gegensatz zu den älteren Antidepressiva, die sich auf mehrere Botenstoffe gleichzeitig auswirkten.

Die ersten selektiven Wiederaufnahmenhemmer hatten eine Auswirkung auf den Botenstoff Serotonin, weshalb sie Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer heißen, kurz SSRI. Diese sind auch heute noch die Bedeutensten. Später kamen Medikamente hinzu, die auf die Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin wirken. Auch Kombinationen sind möglich. Abgekürzt heißen sie DRI, DARI, SSNRI, SNDRI.

Man kann keine Aussagen dazu machen, welcher Botenstoff bei sozialer Phobie verändert werden sollte. Das ist wieder sehr individuell und diagnostisch nicht herausfindbar. Wenn aber eine Wirkstoffgruppe keinen Erfolg gebracht hat, könnte es Sinn machen, eine andere Wirkstoffgruppe auszuprobieren.

Wirkstoffe:

  • SSRI: Fluvoxamin, Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin und Paroxetin
  • SSNRI: Venlafaxin, Duloxetin und Milnacipran
  • SNDRI: Bupropion, Amineptin

Escitalopram ist eine Weiterentwicklung von Citalopram, die evtl. ein paar weniger Nebenwirkungen hat. Mittlerweile sind hier auch die Patente abgelaufen, so dass die Preise von Escitalopram ähnlich niedrig wie bei Citalopram liegen.

Im folgenden noch einige weitere Antidepressiva, die nicht in die obigen Gruppen fallen, bei Sozialphobie aber eine Bedeutung haben.

Aus der Gruppe der SARI gibt es den Wirkstoff Trazodon.

Sogenannte MAO-Hemmer hemmen das Enzym Monoaminooxidase (MAO), welches für den Abbau von Botenstoffen sorgt. Dadurch steigt auch hier die Konzentration von Botenstoffen.

Top 10 der verordneten Psychopharmaka 2014 in Deutschland (DDD=Tagesdosen):

WirkstoffMillionen DDD im Jahr
Citalopram326,4
Venlafaxin175,3
Mirtazapin174,1
Sertralin105,0
Amitriptylin90,2
Opipramol80,0
Fluoxetin59,7
Duloxetin60,5
Escitalopram54,9
Quetiapin54,0

(Quelle: Psychopharmakotherapie griffbereit; Jan Dreher; 2016)

Tranquilizer

Tranquilizer wirken angstlösend und entspannend.

Die bedeutenste Medikamentengruppe sind die Benzodiazepine. Wirkstoffe mit der größten Verbreitung sind Lorazepam, Diazepam, Bromazepam, Oxazepam und Alprazolam.

Die Wirkung tritt kurze Zeit nach Einnahme auf und verschwindet nach einigen Stunden wieder. Das ist ein großer Unterschied zur Gruppe der Antidepressiva.

Die Benzodiazepine gehören zu einer sehr umstrittenen Medikamentengruppe, weil die Gefahr von Medikamentenmissbrauch groß ist. Deshalb halten wir es für besonders wichtig, darüber aufzuklären.

Die positive Seite ist, dass damit ein Medikament zur Verfügung steht, was unmittelbar angstlösend ist. Gerade bei sozialer Phobie können damit phobisch besetzte Situationen überstanden werden, die eine große Bedeutung für unser Leben haben, z.B. Prüfungssituationen, wichtige Besprechungen, Behördengänge, Bewerbungsgespräche, Vorträge oder Reden. Situationen, die man ohne Medikament hätte nicht bewältigen können. Auch vor Operationen oder zur Beruhigung von Unfallopfern wird diese Medikamentengruppe oft eingesetzt.

Die negative Seite ist die große Suchtgefahr. Der Stoff selber macht bei regelmäßiger Einnahme süchtig. Und die Verlockung ist sehr groß, das Medikament immer öfter zu nehmen, um jeder aufkommenden Angst zu entfliehen. Neben der Suchtgefahr kommt natürlich die körperlich schädigende Wirkung einer Langzeiteinnahme hinzu.

Sucht ist ein Irrweg, der dazu führt, dass man seine eigentlichen Probleme nicht löst. Gerade bei der Angsttherapie geht es viel darum, sich seinen Ängsten zu stellen und in angstbesetzten Situationen zu lernen. Sucht führt hingegen zur Vermeidung und behindert damit eine langfristige Veränderung. Sucht ist eine Flucht vor der eigentlichen Problemlösung. Und Sucht führt oft zu ganz viel Leid und existenzieller Bedrohung.

Man steht also vor dem Dilemma, dass ein Medikament, was in bestimmten Situationen durchaus eine große Hilfe ist, zu ganz ungünstigen Entwicklungen und vielen neuen Problemen führen kann.

Als die Benzodiazepine in den 60er Jahren auf den Markt kamen, wurde zuerst sehr sorglos damit umgegangen. Hier war eine gewisse Euphorie da, weil man nun ein sehr wirksames Mittel gefunden hatte, was bei vielerlei Alltagsstress und psychischen Problemen half. Auch als Schlafmittel wurde es häufig verschrieben. Erst später wurden die großen Probleme immer spürbarer, die durch diesen leichtsinnigen Umgang entstanden.

Mittlerweile gibt es einen starken Gegentrend. Viele Ärzte verschreiben diese Medikamente nur noch in ganz wenigen Ausnahmefällen. Zu einem Tag der Offenen Tür im Marienhospital sprach der ärztliche Leiter sogar davon, dass er einem Angstpatienten niemals ein Benzodiazepin verschreiben würde. Seine Position in dieser Hinsicht war klar und eindeutig.

Im Buch Soziale Phobie und Soziale Angststörung (2002) steht:

"Benzodiazepine sollten allerdings wegen der Möglichkeit einer Abhängigkeitsentwicklung erst in zweiter Linie eingesetzt werden. Sie können als Zusatztherapie zur Überbrückung der Wirklatenz der Antidepressiva oder in anderweitig therapieresistenten Fällen eingesetzt werden."

Hier auch ein paar Zahlen: 1992 wurden 333 Millionen Tagesdosen (DDD) an Tranquilizern in Deutschland verordnet. Dies war auch das Jahr des Maximums, seither sinkt der Einsatz kontiunierlich. Im Jahr 2002 waren es noch 178 Mio. Tagesdosen und im Jahr 2011 nur noch 119 Mio. Tagesdosen.

In unseren Gruppen haben wir beide Seiten erleben können: Betroffene, die verantwortungsvoll damit umgehen können und es nur als Notmedikament wenige Male im Jahr einsetzen. Und Betroffene, die davon massiv abhängig wurden und eine schwierige Entgiftung durchmachen mussten.

Betablocker

Betablocker sollen über einen bestimmten Mechanismus die Wirkung des Stresshormons Adrenalin und des Neurotransmitters Noradrenalin hemmen. Körperlich wirkt sich das auf eine niedrigere Ruheherzfrequenz und niedrigen Blutdruck aus. Weil Betablocker das innere Erregungsnniveau senken, werden sie auch bei Angstzuständen und Herzrhythmusstörungen eingesetzt.

In unserer Gruppe wurde davon berichtet, dass es körperliche Symptome wie zittern verhindern kann. Auch dann, wenn man es nur als Notfallmedikament sporadisch einsetzt.

Sonstige Psychopharmaka bei der Behandlung sozialer Phobien

Der Wirkstoff Buspiron soll angstlösend wirken und wurde 1986 für die Indikation Generalisierte Angstörung zugelassen. Es gab in unseren Gruppen auch einige von Sozialphobie Betroffene, die dieses Medikament verschrieben bekamen.

Es gibt einige wenige Neuroleptika, die auch bei der Behandlung von Ängsten eingesetzt werden. Zahlreiche Neuroleptika haben starke Nebenwirkungen, die auch zu dauerhafter Schädigung führen können (z.B. Spätdyskinesie). Hier ist der Aspekt der Eigenverantwortung besonders wichtig, weil nicht immer vollständig darüber aufgeklärt wird. Bei Ängsten und Schlafstörungen werden typisch niederpotente Neuroleptika eingesetzt. Sie können teilweise die Benzodiazepine ersetzen. Beispiele: Pipamperon, Melperon.

Alternative Medizin

In der Alternativmedizin (Komplementärmedizin) gibt es auch zahlreiche Mittel, die bei sozialer Phobie helfen können. Solche Mittel sind nicht Teil der Schulmedizin, weil nach deren Verständnis keine Wirkung erklärt werden kann oder keine Wirkungsnachweise vorhanden sind. Das etwas keinen Wirkungsnachweis erbracht hat, muss nicht heißen, dass es nicht wirkt. Es kann auch einfach bedeuten, dass hier noch keine Forschungsergebnisse vorliegen.

Wie auch immer man zu der Alternativmedizin steht, in unseren Gruppen berichten Betroffene davon, dass sie Mittel aus diesem Bereich nehmen und davon profitieren. Weil wir möglichst vielschichtig informieren möchten, stellen wir hier diese Mittel vor, die Betroffene für sich entdeckt haben. Uns geht es darum, über die Existenz dieser Mittel zu informieren. Wir können und wollen aber auch hier keinerlei Empfehlungen aussprechen.

Die meisten Mittel aus der Alternativmedizin sind frei verkäuflich und haben nur geringe oder keine Nebenwirkungen. Wenn es Nebenwirkungen geben sollte, so sind diese im Beipackzettel vermerkt.

In der Regel müssen Behandlungen im Bereich der Komplementärmedizin selbst finanziert werden. Es gibt aber auch Zusatztarife bei den Krankenkassen, die verschiedenes aus der Komplementärmedizin mit abdecken. Manche Krankenkassen haben einige Verfahren aus der Komplementärmedizin auch im Standardprogramm, z.B. die Homöopathie. Mitunter werden auch die Kosten für homöopathische Medikamente übernommen.

Bedenken sollte man, dass es auch in der Alternativmedizin ums Geschäft geht. Während der klassische Pharmamarkt jährlich etwa 750 Milliarden Euro weltweit umsetzt, sind es in der Alternativmedizin immerhin etwa 50 Millarden Euro (Stand 2010).

Bachblüten

Bei der Bachblütentherapie gibt es 38 Blütenessenzen. Jede dieser Blütenessenzen steht für eine bestimmtes psychisches Ungleichgewicht. Mit der Einnahme der entsprechenden Bachblüten soll das Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Für die Auswahl der richtigen Bachblüten braucht man fundiertes Wissen. Es gibt Betroffene, die sich das selber aneignen. Andere gehen zu einem Heilpraktiker, der in der Bachblütentherapie gut geschult ist.

Bachblüten kann man sich in Apotheken anmischen lassen oder man kauft selber die sogenannten Stock Bottles, aus denen man sich immer wieder Mischungen herstellen kann.

Bei Sozialphobie sind vor allem folgende Blütenessenzen interessant:

  • Centaury (Tausendgüldenkraut): Übertriebene Gutmütigkeit, Nachgiebigkeit, Gehorsamkeit, Anpassung, Unterwürfigkeit, sich ausgenutzt fühlen.
  • Cerato (Bleiwurz): Unsicherheit, Unselbständigkeit. Bedürfnis nach Rat und Führung. Furcht vor Fehlern.
  • Gentian (Bitterer Enzian): Willensschwäche, ungenügendes Durchhaltevermögen. Entmutigung bei Schwierigkeiten. Reaktive Depression durch Mißerfolge.
  • Larch (Lärche): Mangel an Selbstvertrauen. Minderwertigkeitsgefühle.
  • Mimulus (Gefleckte Gauklerblume): Furcht. Alltagsängstlichkeit. Allgemeine Ängstlichkeit.
  • Pine (Kiefer): Schlechtes Gewissen, Schuldgefühle, Skrupel. Sebstverurteilung. Angst vor Kritik und Strafe. Zwanghafte Anständigkeit. Perfektionismus.
  • Water Violet (Sumpfwasserfeder): Kontaktprobleme, Isolation, Distanziertheit, Stolz. Bindungsangst. Platzangst, übertriebenes Freiheitsbedürfnis.
  • Rescue: Notfall-Mischung mehrerer Blüten für alle akuten Angstsituationen.

Bachblütenessenzen muss man aber immer auf den Einzelfall abstimmen, es gibt keine universellen Mischungen. Einzig die Rescue-Tropfen enthalten eine Mischung für Extrem-Situationen wie z.B. Panikattacken. Leider gibt es bisher keine Studien über die Wirksamkeit von Bachblüten. Ein gutes Standardwerk zu Bachblüten gibt es von Mechthild Scheffer: Die Original Bach-Blüten-Therapie.

Im Internet findet man auch mehrere Foren zum Thema Bachblüten.

Die detailierte Beschäftigung mit den Bachblüten hat einen interessanten Effekt: Über die Beschreibungen der Mittel beschäftigt man sich mit seinen jeweiligen Problembereichen und erkundet sich. Diese bewusste Auseinandersetzung haben einige Gruppenmitglieder als heilsam empfunden. Die Beschreibungen der Essenzen enthalten zudem positive Affirmationen und Leitideen, die einem helfen sollen, aus bestimmten Negativ-Zuständen herauszufinden.

Neben den klassischen Bachblüten gibt es mittlerweile weitere Anbieter, die eigene Blütenessenzen entwickelt haben.

Eine Serie sind die australischen Bush-Blüten (Australien Bush Flower Essences), hier sind auch einige für Sozialphobie recht interessant:

  • Adol Essence: Hilft Teenagern, verbessert Selbstakzeptanz, Kommunikation, soziale Fertigkeiten, emotionale Stabilität.
  • Bauhinia: Bauhinia fördert die Offenheit gegenüber neuen Situationen.
  • Boab: Boab schafft Zugang zu negativen emotionalen und mentalen Familienmustern, so dass deren Anteil am eigenen Verhalten und Fühlen deutlich wird. So können diese Muster verarbeitet und losgelassen werden.
  • Bush Fuchsia: Bush Fuchsia gibt Mut, öffentlich zu sprechen und seine Meinung zu vertreten. Die Essenz hilft ebenfalls dabei, die intuitive Seite der Persönlichkeit zu entwickeln.
  • Confid Essence: Mischung aus Boab, Dog Rose, Five Corners, Southern Cross, Sturt Desert Rose. Bringt Selbstachtung und Zuversicht, hilft, die volle Verantwortung für Ereignisse und Situationen im Leben zu übernehmen. Löst unbewusste negative Überzeugungen auf.
  • Creative (Heartsong) Essence: Mischung aus: Bush Fuchsia, Crowea, Five Corners, Flannel Flower, Red Grevillea, Tall Mulla Mulla, Turkey Bush. Befreit die Stimme, verbessert den Klang und öffnet das Herz, bringt Mut und Klarheit beim Sprechen und Singen vor Publikum.
  • Dog Rose of the Wild Forces: Dog Rose of the Wild Forces bei Angst vor Kontrollverlust das emotionale Gleichgewicht wieder herzustellen.
  • Emergency Essence: Mischung aus Angelsword, Crowea, Dog Rose of the Wild Forces, Fringed Violet, Grey Spider Flower, Sundew, Waratah. Notfall-Essenz, hilft bei jeder Art von körperlicher und seelischer Erschütterung. (Prüfungsangst)
  • Five Corners: Five Corners trägt den Namen wegen ihrer Frucht, die fünf Ecken hat. Diese fünf Ecken symbolisieren Arme, Beine und Kopf des Menschen, durch die die Lebensenergie fließen soll. Wenn das geschieht, fühlt man sich wohl in seiner Haut, niedriges Selbstwertgefühl wird aufgelöst.
  • Flannel Flower: Flannel Flower hilft Menschen, die sich unsicher und unwohl bei Körperkontakt und Berührungen fühlen. Die Blüte fördert, besonders bei Männern, die Fähigkeit, ihre Gefühle auszudrücken und Sanftheit und Zärtlichkeit bei Berührungen zuzulassen.
  • Freshwater Mangrove: Freshwater Mangrove hilft, Vorurteile, die nicht aus persönlicher Erfahrung resultieren, loszulassen und offen für neue Erfahrungen zu werden.
  • Illawarra Flame Tree: Illawara Flame Tree ist für Menschen, die darunter leiden, abgewiesen oder zurückgestoßen zu werden. Sie hilft, wenn man sich selbst ablehnt oder sich vor neuen Erfahrungen fürchtet und wenn man Angst vor der Verantwortung hat.
  • Kangaroo Paw: Kangaroo Paw ist für Menschen, die nicht wissen, wie man sich in Gruppen verhält, und die mit Menschen nicht umgehen können, weil sie stark auf sich selbst fixiert sind.
  • Philotheca: Philotheca ist für Menschen, die sich schwer tun, Lob, Anerkennung und Liebe anzunehmen; sie sind oft gute Zuhörer und geben gerne. Schüchternen Personen wird es möglich, über ihre Pläne und ihren Erfolg zu sprechen.
  • Pink Mulla Mulla: Pink Mulla Mulla hilft Menschen mit tiefen Verletzungen, ihre Abwehr- und Schutzmechanismen abzulegen und so ihre Isolation zu überwinden.
  • Southern Cross: Southern Cross hilft Menschen, die glauben, immer das Opfer zu sein, die persönliche Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.
  • Tall Mulla Mulla: Tall Mulla Mulla hilft Menschen, die sich allein wohler fühlen als mit anderen, weil sie Probleme, Disharmonien und Konflikte nicht aushalten. Diese Menschen tun fast alles, um Frieden zu halten.
  • Tall Yellow Top: Tall Yellow Top ist für Menschen, die sich nirgends zugehörig, entfremdet und einsam fühlen, so dass der Intellekt über Körper und Seele regiert. Die Essenz fördert, über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen eingenommen, die Möglichkeit, auf andere zuzugehen.
  • Yellow Cowslip Orchid: Yellow Cowslip Orchid hilft überkritischen Menschen, mehr Humanität zu entwickeln. Die Farbe der Blüte ist gelb, sie symbolisiert das Element Luft, das wiederum für den Intellekt, Gruppenaktivität und Harmonie steht.

Homöopathische Mittel

Die klassische Homöopathie nach Hahnemann hat ein sehr komplexes Krankheitsmodell. Hier muss der Mensch als Ganzes mit seiner Lebensgeschichte verstanden werden, damit die richtigen Mittel ausgewählt werden können. Nach unserem Kenntnisstand braucht es dafür einen sehr gut geschulten Arzt oder Heilpraktiker.

Die anthroposophische Medizin benutzt ebenso homöopathische Mittel, die sich aber von den Mitteln der klassischen Homöopathie unterscheiden. Es gibt Schulmediziner mit zusätzlicher anthroposophischer Ausbildung, die einem homöopathische Mittel verschreiben können.

Daneben gibt es einige wenige problembezogene Mittel am Markt, für die es nicht diese aufwändige Analyse braucht. Weil einige dieser Mittel nur von einem Hersteller angeboten werden, können wir hier nicht herstellerneutral informieren. Es geht hier lediglich darum, über die Existenz dieser Mittel zu informieren, ohne irgendwelche Empfehlungen zu geben.

Von Weleda gibt es das Mittel Neurodoron, welches bei Angst- und Unruhezustände, stressbedingten Kopfschmerzen und bei depressiven Verstimmungen vom Hersteller empfohlen wird. Aurum Lavandula wird vom Hersteller empfohlen bei stressbedingten vegetativen Herz-Kreislauf-Störungen. Es ist eine Salbe, womit die Herzgegend eingerieben wird. Gegen Schlafstörungen und zur Harmonisierung des Tag-Nacht-Rhythmuses hat Weleda Avena Sativa Streukügelchen.

Von Hevert gibt es Zincum Hevert N Tabletten, die beruhigen, entspannen und Stresszustände abbauen sollen. Calmvalera Hevert soll bei Schlafstörungen und Unruhe am Tag helfen. Kava Hevert Entspannungstropfen sollen beruhigen und die verspannte Muskulatur entspannen.

Von DHU gibt es MANUIA Tabletten bei Erschöpfung und Nervosität. Stramonium Pentarkan soll gegen nervöse Schlafstörungen helfen.

Von Dr. Loges gibt es das Präparat dysto-loges S, welches gegen Stress, Angst und Unruhezustände im Alltag eingesetzt wird.

Sogenannte Schüßler-Salze sind ein eigenständiges System von homöopathische Mitteln auf der Basis von Mineralsalzen. Auch hier wissen wir von Betroffenen, dass man sich selbst in die Materie einarbeiten kann oder man sucht sich einen Heilpraktiker, der damit arbeitet.

Kräutermittel

Johanniskraut ist ein recht bekanntes Mittel, was vor allem bei depressiven Verstimmungen genommen wird. Aber auch Menschen mit Angstsymptomen berichten davon, dass ihnen Johanniskraut geholfen hat. Beachten sollte man die Hinweise im Beipackzettel, dass man recht lichtempfindlich wird. Ebenso sollten mit dem Arzt Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abgeklärt werden.

Beruhigungsmittel basieren oft auf Baldrian und Hopfen und sind in Apotheken und Drogerien erhältlich. Es gibt sie in Form von Tabletten, Kapseln oder auch als Tee.

Auf dem Markt gibt es einige Lavendel-Präparate, die bei Ängsten und Depressionen helfen sollen. Wer sich dafür interessiert, recherchiere einfach nach [Lavendel Angst] oder [Lavendel Depression].

Weiterführende Weblinks

Empfehlenswerte Bücher