Sopha Selbsthilfe

Gruppenorientierung
Die Gruppe optimal nutzen

Selbsthilfegruppen können ein Ort sein, von dem Betroffene vielseitig profitieren können. Manche Betroffene profitieren so stark davon, dass sie die Gruppe als die wichtigste Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer Erkrankung sehen. Andere wiederum verlassen die Gruppe nach wenigen Treffen, weil sie keinen Sinn und kein Weiterkommen für sich erkennen können.

Es ist eine interessante Frage, warum manch einem die Gruppe wesentlich hilft, anderen hingegen nicht. Woran liegt das? Wenn man herausfinden könnte, was da eigentlich wirkt und in welcher Art Betroffene die Gruppe sinnvoll nutzen, dann könnte das auch anderen Betroffenen helfen. Denn es scheint so, dass man selber viel dafür tun kann, damit die Gruppe mich in der Krankheitsbewältigung voranbringt.

Ich glaube, dass gerade in Selbsthilfegruppen das eigene Engagement eine besonders hohe Bedeutung hat. Denn in Selbsthilfegruppen gibt es nicht die Person des Therapeuten, der auf meine Entwicklung achtet. Eine Person, die nur dafür da ist, mich optimal in meinem Weiterkommen zu unterstützen und mir entsprechende Lernangebote macht.

Selbsthilfe ist etwas sehr Eigenverantwortliches. Es hängt viel davon ab, wie aktiv ich selber werde oder auch werden kann. Das ist einfach die grundsätzliche Spielart, wie Selbsthilfe funktioniert.

Ein Beispiel: Andreas hatte vor allem Probleme, Vorträge zu halten. Dabei fühlte er sich extrem angespannt. Aufgrund seines Studiums musste er aber öfters Vorträge halten. Er spürte für sich, dass er das in einem vertrauten Umfeld üben müsste. Er sprach das in der Gruppe an und es fanden sich auch gleich 5 weitere Betroffene, die ebenso dieses Anliegen hatten. So entstand eine Projektgruppe, die sich 14 tägig traf und Vorträge übte.

Dadurch, dass Andreas spürte, was er braucht und sich dann dafür einsetzte, konnte er ein Übungsfeld für sich schaffen und Mitstreiter finden. Wer also aktiv wird, schafft gute Lernbedingungen für sich. Auf der anderen Seite zeigt sich natürlich auch, dass nicht nur dann was passiert, wenn man selber aktiv wird. Denn die anderen 5 Betroffenen profitierten nun auch davon, ohne das sie den initialen Schritt selber tun mussten. Jedoch konnten sie das neue Angebot nur dann sinnvoll für sich nutzen, wenn sie selber Vorträge vorbereiteten, also wieder aktiv wurden.

Zu spüren, was man braucht und dann selber aktiv zu werden, ist die zentrale Möglichkeit in Selbsthilfegruppen, den Nutzen für sich zu optimieren. Es braucht hierfür auch keine fertigen Ideen, es reicht, im Gespräch mit der Gruppe seine Bedürfnisse zu klären und zu diskutieren.

Bei Sozialphobie kommt eine Schwierigkeit hinzu. Die Erkrankung kann einen gerade in diesem Bereich des Aktivwerdens stärker einschränken. Vielleicht spüre ich schon länger ein bestimmtes Interesse, traue mich aber nicht, dass in der Runde zu besprechen. Abwartende Zurückhaltung, die anderen machen lassen und besser mitlaufen, als selbst zu gestalten, sind ja typische Verhaltensweisen einer schüchternen Persönlichkeit. Um so wichtiger ist es, immer wieder zu schauen, was an Mitgestaltung für mich schon jetzt möglich ist.

Folgend ein paar Anregungen und Impulse, auf welche Weise du die Gruppe für dich nutzen kannst:

  • Gruppendiskussion: Ziel könnte es sein, durch beständiges Üben dahin zu kommen, die eigene Meinung und Erfahrung klar zu spüren und sie regelmäßig in die Gruppengespräche einzubringen. Wer das gelernt hat, kann sich auch in allen anderen Gruppenzusammenhängen des Alltags besser vertreten und fühlt sich so als Teil der Gruppe. Ein Therapeut formulierte es mal so: "Du musst das Gefühl haben, im Sandkasten mitzuspielen, anstatt nur daneben zu sitzen und den anderen beim Spielen zuzugucken."
  • Freizeitaktivitäten: Viele Betroffene haben wenig soziale Kontakte und unternehmen wenig. Da sind also nun Zahlreiche in der Gruppe, die eigentlich davon profitieren könnten, wenn man sich zusammentun und gemeinsam was unternimmt. Doch das passiert oft nicht, weil man sich nicht traut, andere anzusprechen oder mal was vorzuschlagen. Traue dich, deine Freizeit-Interessen anzusprechen und Mitmacher zu finden. Nimm es dir nicht so zu Herzen, wenn es mal nicht klappt. Ganz oft ist es so, dass eigentlich viele wollen, sich aber noch nicht so richtig trauen. Mach deshalb regelmäßig neue Versuche.
  • Eigene Themen: Bring eigene Themen in den Gruppenaustausch ein. Am Anfang der Gruppen suchen wir immer nach Themen, die einen beschäftigen. Diese Möglichkeit, eigene Themen zu besprechen, wird noch zu wenig genutzt. Du kannst dir vor einer Gruppe auch Zeit nehmen, um nach Themen zu suchen. Oder im Laufe der Woche sammelst du Themen in einem Tagebuch, welche du mit der Gruppe besprechen könntest. Thema kann alles sein, was du bei der Auseinandersetzung mit deiner Erkrankung erlebst, denkst und tust.
  • Gruppengestaltung: Einerseits laufen unsere Gesprächsgruppen nach einem festen Schema ab. Andererseits können wir aber auch mit neuen Formen experimentieren, wenn die von allen mitgetragen werden. Auch können sich z.B. Projektgruppen gründen, die mit Neuem experimentieren oder etwas bestimmtes üben. In der Regel wird man in der Gruppe Unterstützung für seine Ideen finden, man muss sie nur erstmal einbringen. Manches lässt sich kurzfristig realisieren, anderes braucht Zeit.
  • Reflexion: Es lohnt sich, sich nach einem Gruppentreffen Zeit zu nehmen, um nochmal zu reflektieren, was mir in dieser Sitzung geholfen hat, was vielleicht eine gute Anregung war, der man weiter nachgehen möchte. Ebenso lässt sich vielleicht erkennen, was es ist, was einem besonders hilft. Und dies könnte man bei einem nächsten Treffen nochmal ansprechen oder vertiefen. Erkenne das Hilfreiche und fördere es.
  • Aufgaben: Du kannst dir eigene Aufgaben stellen, was du in der Gruppe oder im Alltag erreichen willst. Ein kleiner, aber ganz konkreter Schritt. Und dann machst du dich daran, diese Aufgabe umzusetzen. Im Nachhinein kannst du deine Erfahrungen damit auch in der Gruppe besprechen. Es nützt nichts, sich immer wieder vorzunehmen, dass man mal was tun müsste. Man muss einen kleinen Schritt ganz konkret formulieren, planen und durchführen. Schritt für Schritt kommt man dann seinem großen Ziel näher.
  • Hilfe holen: Wenn Betroffene in Gruppen nicht weiter kommen und ein Sinnlosigkeitsgefühl aufsteigt, ist die typische Reaktion, aufzuhören und nicht mehr zu kommen. Vielfach ist es jedoch so, dass man nur nicht den richtigen Ansatz für sich gefunden hat, wie die Gruppe einem helfen kann. Oder das es jetzt an der Zeit ist, einem neuen Ansatz zu folgen. Nutze die Chance, diese Problematik mit der Gruppe zu besprechen. Es gibt sehr erfahrene Gruppenmitglieder, die schon manche Gruppenkrise durchstanden haben, um dann wieder sehr Nützliches in der Gruppe zu finden. Sie können dir helfen, neue Lernfelder in der Gruppe zu erkennen. Wer gerade Therapie macht, kann auch mit seinem Psychotherapeuten besprechen, welche Lernschritte er in der Selbsthilfegruppe machen kann.
  • Patenschaften: Es kann hilfreich sein, wenn du mit jemanden aus der Gruppe eine Art Patenschaft pflegst. In so einer Patenschaft unterstützt man sich wechselseitig in seiner Entwicklung. Man kann miteinander telefonieren, sich zu Außenübungen treffen, per Mail irgendwelche Themen diskutieren und sich ermutigen, in der Gruppe mal was zu riskieren. Die besondere Form des Zweierkontakts kann bereichernd sein.
  • Anregung: Viele beschäftigen sich auch außerhalb der Gruppe mit allen möglichen Bewältigungsmöglichkeiten. Manche lesen viel, hören Vorträge oder machen Workshops. Überall bekommt man sinnvolle Anregung, wovon auch die Gruppe profitieren könnte. Bringe solche Anregungen mit in die Gruppe hinein. Die Gruppe lebt von der Anregung der Mitglieder.
  • Trau dich: Lernerfahrungen sind oft dort zu finden, wo Dinge eine gewisse Angst in einem auslösen. Such dir immer wieder Herausforderungen in der Gruppe, die unbequem sind, weil sie Angst in dir aulösen, wo du aber spürst, dass sie dich weiterbringen können. Es gibt immer wieder die Gefahr, es sich all zu bequem in der Gruppe einzurichten. Nichts gegen ein entspanntes Miteinander, aber es braucht auch die Herausforderung.
  • Lösungsorientierung: Jammern und in der Opferrolle bleiben ist langfristig problematisch, weil es nicht zu einer Veränderung führt. Man beißt sich sozusagen an der schwierigen Situation fest. Besser ist es, seinen Blick in Richtung Lösungen auszurichten. Was brauche ich, damit mein Leben wieder besser wird? Und wie kann mir die Gruppe dabei helfen?
  • Die gute Gemeinschaft: Eine Gruppe, in der man sich miteinander wohlfühlt und angenehme Beziehungen zueinander aufbaut, ist sehr wertvoll. Gerade bei Sozialphobie ist es wichtig, tragfähige Beziehungen zu anderen aufbauen zu lernen. Jeder kann etwas dafür tun, damit eine gute Gemeinschaft entsteht. Achte auf die Gruppenatmosphäre und darauf, was du hier als angenehm erlebst. Vielleicht kannst du dies fördern. Auch in Kliniken wird der Wert einer guten Patientengemeinschaft immer wieder betont und gefördert.
  • Selbstoffenbarung: Vielen Menschen fällt es schwer, sich zu öffnen und über sich zu sprechen. Die Selbsthilfegruppe ist aber genau dafür gedacht, sich mitzuteilen. Wer regelmäßig über das spricht, was ihn bewegt und betrifft, der lernt sich mehr und mehr kennen und verliert seine Scheu, Seins mit anderen Menschen zu teilen. Und Selbstoffenbarung lädt auch andere ein, sich zu zeigen.