Sopha Selbsthilfe

Gruß an Mila

Denk ich an Mila in der Nacht,
dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Ich kann nicht mehr die Augen schließen
- doch keine heißen Tränen fließen.

Ausgedörrt die Kraft zu weinen
von den trock ´nen Worten deinen,
ist mir kein warmer Trost gewährt.
Ich fühle mich so aufgeklärt.

Bewohnerin vom kalten Stern,
mir ist die Liebe schrecklich fern.
Du bist an meinem Firmament
ein Licht, das ohne Wärme brennt.

Und doch: ich wollte dich erreichen,
dich umkreisen, dich umschmeicheln
als dein zärtlicher Trabant.
Ich habe dich verkannt.

Zu meinem Geist, zu meinen Sinnen
sprach ein zärtliches Beginnen.
Ich lag in Sehnsuchts-Traumgefilden,
bereit, mir Liebe einzubilden
- und meinte fast, dass sie geschähe
in dem kurzen Glück der Nähe.

Doch unser zu trauliches Tun
war kein Beieinanderruhn.
Im Liebestun umhergeweht,
fühlten wir nicht, worum es uns dreht,
ruhten wir nicht im Auge des Sturms...

Ich bin ein Komet und eilte von fern
zu deinem viel versprechenden Stern.
Ich hoffte, du würdest mich bei dir behalten,
aus meinem Eis eine Erde gestalten...

Doch in meinem Wesen ist dieses Zieh ´n,
dieses durch Nähe bestürmende Flieh ´n:
Mein Schwung war zu groß, eine Liebe zu wagen,
er hat mich wieder hinaus getragen.

Und deinem Auge fehlte das Glücken,
hinter meinen Blizzard zu blicken:
meinem verborgenen Tröpfeln und Tauen
ein kleines Stück Zukunft anzuvertrauen.

Ich aber hoffte so bald zu genießen,
wie Gletscher von meinen Augen abfließen,
und wähnte die kalten Zeiten vorbei.
Es war nur ein Traum, ich bin wieder frei.

Fernhin, von dir fort zieht mich meine Bahn.
Was geht mich dein kaltes Gefunkel noch an?
Es schwindet deine Anziehungskraft,
bald hab ich gesunde Entfernung geschafft.

Dann geht es mir gut, und ich kann es genießen,
dich freundlich nochmal aus der Ferne zu grüßen.

* * *

Schaumbad ohne Transzendenz

Wenn ich badend durch den Schaum schau,
ja, dann seh ich meine Traumfrau:
Haare, Augen, süßes Näschen
ragen aus den bunten Bläschen.

Und ein aufziehbares Bötchen
pendelt mit ‘nem halben Knötchen
und zwei Gläschen Sekt beladen
wie durch dichte Nebelschwaden.

Ach, wie wohlig ist uns beiden.
Götter müssen uns beneiden.
Brauche keine Transzendenz,
weil auf meinen Sch... Charme du brennst.

So entsteigen wir den Fluten
zu dem Wahren, Schönen, Guten ...
... Schlaf gut, Kuss und gute Nacht!
Weck mich morgen um halb acht.

* * *

Angst und Liebe

Nicht hat Verzweiflung unser Haus umstellt –
sie steht schon mitten uns im Zimmer,
schaut lieblos auf uns selbst und auf die Welt
und dunkelt uns‘re Schattenwege schlimmer.

Es ist als sollten Heiden beten lernen,
wenn Liebesträume voller Bangen
von innen an die Stirne klopfen.
Komm: wir nähern uns’re kalten Fernen.
Lass Träume, die in dir gefangen,
in Tränen warm auf meine Schulter tropfen.
Wie Hände zum Gebet sich falten
Woll’n wir uns in den Armen halten...

* * *

Mein Du

Du hast einen sechsten Sinn für den Zauber dieser Welt, aber viel zu wenig Zauberhaftes erlebt. Deine Träume sind so berührend und schön, dass der Regisseur den Oscar gewänne, der sie verfilmte. Aber in der Fluchtburg deines Innern hegst du sie, niemand kann sie sehen und du kannst sie niemandem sagen. In der stillen Stunde nur kommt ein Rinnsal Worte und folgt der Spur der Tränen. Dann weinst du um deine verborgene Liebe, glücklich und dankbar, dass sie immer wiederkehrt – wie ein unerlöster Geist, der nicht sterben kann.

* * *

Wo der Frosch die Locken hat

Hinter Worten, hinter Reimen
will die stille Stunde keimen,
schläft die Liebe tief im Grunde.

Doch den Prinzen plagt sein Träumen,
kann nicht fort die Worte räumen,
die da sprudeln aus dem Munde.

Ich, der Prinz, so klagend spricht er,
bin als Frosch ein großer Dichter,
mit den Musen arg im Bunde.

Schicksal krümmte mir das Härchen,
also wohn ich nun im Märchen,
blute aus der Sprachenwunde.

Stille, spricht mein Lyrikschatz,
mich mit einem feuchten Schmatz:
deiner Prosa sanften Kunde.

Dann zu zeigen hab ich satt,
wo der Frosch die Locken hat,
nehme Abschied und gesunde.

* * *

Das Labyrinth

Ein jeder ist in sich verschlungen und wandelt durch sein Labyrinth: aus Gedanken und Gefühlen, welche insgesamt wir Seele nennen. Ein jeder hat den Knoten in seiner Seele aus dieser Verschlungenheit, den es zu lösen gilt. Ein jeder ist ein Rätsel, ein göttliches vielleicht, das sich nur zu selten deutlich stellt. Und auch wenn wir verzweifelt widerstreben, unser Unheil mutwillig suchen - unser Sinn für des Rätsels Lösung ist unverlierbar. Es ruft uns zurück, nach Jahren der Abkehr, der Blindheit, es bereitet uns eine Stille, nimmt uns darin auf und rührt uns zu Tränen.

Immer wieder erlebt - und immer wieder verloren

* * *

Wir Schreiber

Gut, heut will ich etwas schreiben.
Ich spüre diesen Andrang auch.
Die Welt soll uns gestohlen bleiben.
Das ist ein alter lieber Brauch.

Wenn ein Mensch von uns 'rer Sorte
in sehnsuchtskranker Stimmung döst,
so ist es recht mit jedem Worte,
zu dem der Zustand sich erlöst.

Wir sind Autisten, wenn wir schreiben,
und überbieten eine Welt,
in der die Sehnsucht kennt kein Bleiben,
weil alles sich sofort gefällt.

Tief im Keller uns 'rer Seele,
dort im Labyrinth der Brust:
der Grund, warum auch ich mich quäle,
der Grund, warum du schreiben musst:

Irgendwann in Jugendzeiten
erwuchs in uns ein Traum von Liebe.
Wir fühlten unser Herz sich weiten,
als wolle es hinüberschreiten:
- in Wirklichkeit, die uns genüge.

Doch Wirklichkeit hat nicht erwidert
uns 'rer Seele sanften Gruß.
Sie flog davon: so leicht gefiedert,
wo war denn ihre Heimat bloß?

So kam 's uns vor, dass wir allein
im Innersten nicht wirklich sind.
Unser Traum: er ging bald ein,
der Mann in uns erschlug das Kind.

Seither sind alle Wirklichkeiten
uns 'rem Herzen sehr verdächtig.
Nirgendhin mag es noch schreiten,
als Grab der Sehnsucht ruht es mächtig.

Sag: wie wälzen wir den Brocken,
der vor dieser Höhle liegt?
Hat schon jemals unerschrocken
solch Leidenschaft sich selbst besiegt?

Nein! Wir müssen überwinden
den schmerzhaft schönen Selbstgenuss.
Nur frei von Sehnsucht lässt sich finden,
wohin die Seele wandern muss.

So will ich dies zuende leimen.
Es endet wie es enden muss
als - verflucht, es wird sich reimen:
meiner Seele Gnadenschluss.

* * *

Mir fehlt bei dir

In deiner Wohnung gibt es keine Spiegel.
Du bist der Spiegel deiner kleinen Welt.
Kein Blick ist über tiefem Grund das Siegel,
das deiner Worte Schönheit ungebrochen hält.

Du fürchtest den Moment der Stille,
wenn dein Gedankenflohmarkt implodiert.
Traust nicht des Augenblickes Fülle,
der dich in seine Tiefe führt...

* * *

Sternennacht

Ich möchte flieh 'n: über die Wolken hin
bis in den unschätzbaren Raum,
der seine Tiefe nie verrät.
Und zu einem fernen Sinn
soll was ich bin - und denke mich dann zieh 'n,
so dass ich nicht mehr sterben kann.

Wann fängt die Ewigkeit wohl an?
Ist all die Zeit, die jeder will und keiner braucht,
nicht viel zu leicht und schön gedacht?
Und viel zu schnell die wahre Zeit in eisige Vergangenheit
getaucht?

Traurig bin ich, staunend schau ich - in die Nacht:
Durch die Wolken scheint ein zeitlos dunkelblauer Traum.
Wie hilflos blickt so wenig Lebenssinn auf Erden
in diesen großen Weltenraum!
Unendliche Vergangenheit - und doch muss er noch ewig werden,
wer kennt des Weltenraumes Zeit?
Untrennbar mit der Ewigkeit im Bunde
bleibt ihm kein Sieg und Fall der längsten Völker je verborgen.
Doch göttlich ist ihm die Sekunde,
in der die Gegenwart sich raubt
das Gestern und das Morgen.

Ach, wenn Sterne weinen könnten,
wollt ich auf ihren Tränen reiten.
Und in der göttlichen Sekunde
durch alle Kinderträume gleiten.
Wie groß und schön die Zeit doch ist,
die jedem Sternenkind verrinnt.
Was mehr erwarten wir vom Leben,
wenn wir erst erwachsen sind?
Was sind wir schon: nur Sternenstaub
und richten uns 're Zeit zugrunde.
Für alles Schöne, Große sind wir blind und taub.
Und der Planet, auf dem wir wohnen:
nur eine alte Sternenwunde.
(1987)